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the grip 13.04.2015 09:44

Kater Murr:
 
Wohl, ich weiß es, widerstehen
Mag man nicht dem süßen Kosen,
Wenn aus Büschen duft‘ger Rosen
Süße Liebeslaute wehen.
Will das trunkne Aug‘ dann sehen,
Wie die Holde kommt gesprungen,
Die da lauscht an Blumenwegen,
Kaum ist Sehnsuchts-Ruf erklungen,
Hat sich schnell hinaufgeschwungen.
Liebe kommt uns rasch entgegen.
Dieses Sehnen, dieses Schmachten
Kann wohl oft den Sinn berücken,
Doch wie lange kann’s beglücken,
Dieses Springen, Rennen, Trachten!
Holder Freundschaft Trieb‘ erwachten,
Strahlten auf bei Hespers Scheine.
Und den Edlen brav und rein,
Ihn zu finden, den ich meine,
Klettr‘ ich über Mau’r und Zäune,
Aufgesucht will Freundschaft sein.“

the grip 14.04.2015 11:27

Edgar Allen Poe:
 
Du willst, daß man dich liebt, so weiche
Nie davon, was dein Wesen ist.
Bleibe nur immerdar die Gleiche,
Sei nichts, was du nicht wirklich bist.
Dann wird auch deine sanfte Weise,
Die mehr als Schönheit noch besticht,
Verleiten alle Welt zum Preise
Und Liebe werden – eine Pflicht.

the grip 17.04.2015 09:16

Ludwig Thoma:
 
Die feine Familie.

Papa ist geheimer Kommerzienrat,
Mit vielen Orden für das, was er hat.

Mama trägt ein Diamantenkollür,
Um den Fetthals zwei Meter Perlenschnür.


Die Tochter hat jetzt schon ein Doppelkinn,
Ist nebenbei Wagnerianerin.

Der Sohn war bei den Dentzer Kürassür,
Und kommt sich drum als der Vornehmste für.

Zum Glück hat die Bande ziemlich viel Geld,
Sonst wär’s für sie eine traurige Welt.

Hätt’ ‘s Vermögen nicht für alle gekleckt,
Dann wären sie in drei Tagen verreckt,

Weil keines zur Arbeit die Hände hätt’;
Sie rühren sie nur am Wasserklosett.

the grip 18.04.2015 12:03

Ringelnatz:
 
Ohrwurm und Taube

Der Ohrwurm mochte die Taube nicht leiden.
Sie haßte den Ohrwurm ebenso.
Da trafen sich eines Tages die beiden
in einer Straßenbahn irgendwo.

Sie schüttelten sich erfreut die Hände
und lächelten liebenswürdig dabei
und sagten einander ganze Bände
von übertriebener Schmeichelei.

Doch beide wünschten sie sich im stillen,
der andre möge zum Teufel gehn,
und da es geschah nach ihrem Willen,
so gab es beim Teufel ein Wiedersehn.

the grip 19.04.2015 11:11

Heinrich Heine:
 
Wir fuhren allein im dunkeln
Postwagen die ganze Nacht;
Wir ruhten einander am Herzen,
Wir haben gescherzt und gelacht.

Doch als es morgens tagte,
mein Kind, wie staunten wir!
Denn zwischen uns saß Amor,
Der blinde Passagier.

the grip 20.04.2015 08:31

Rainer Maria Rilke:
 
Fortschritt

Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche
ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.

the grip 21.04.2015 17:08

Christian Morgenstern:
 
Schicksal

Der Wolke Zickzackzunge spricht:
ich bringe dir, mein Hammel, Licht.

Der Hammel, der im Stalle stand,
ward links und hinten schwarz gebrannt.

Sein Leben grübelt er seitdem:
warum ihm dies geschah von wem.

the grip 23.04.2015 12:07

Matthias Beltz:
 
Der Amboß sprach zum Hammer:
„Es ist ein großer Jammer,
Dass du so sehr versagst,
Zu hämmern nicht vermagst.
Du, du bringst es nicht.“
Da sprach der Hammer zum Amboß:
„Früher, da war der Mann der Boss!
Doch heute im Geschlechterkrieg
Ist dein Sieg ein schlechter Sieg.
Aus dem Mangel meiner körperlichen Regung
Geh ich in die erotische Friedensbewegung.“


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