triathlon-szene.de |  Europas aktivstes Triathlon  Forum

triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum (https://www.triathlon-szene.de/forum/index.php)
-   Politik, Religion & Gesellschaft (https://www.triathlon-szene.de/forum/forumdisplay.php?f=30)
-   -   US-Präsidentschaftswahl (https://www.triathlon-szene.de/forum/showthread.php?t=38312)

HollyX 05.12.2016 16:49

Hi,

der Artikel hat mich gestern auch kalt erwischt und natürlich geschockt. Zwei Zweifel hatte ich aber:
a) meines Wissens sind Persönlichkeitsmaße nicht besonders vorhersagewirksam. Das war ja Mitte des letzten Jahrhunderts Grund für die Krise in diesem Gebiet, die im sogen. "Interaktionismus" mündete - nämlich der Vorstellung, dass Verhalten immer aus einer Interaktion zwischen allgemeinen Dispositionen (=Persönlichkeit) und Situationsmerkmalen (Gelegenheiten, Anreize) resultieren.

Wenn also solche nützlichen Beziehunngen zwischen den Big five und facebook-likes bestehen, ist das zunächst seltsam. Da würde ich die Ergebnisse/Daten gern mal sehen.

b) Wie soll es kommen, dass Big data ermöglicht, über "spezifische Personen" persönlichkeitsrelevante Daten zu bekommen? Nicht dass ich mich da auskennen würde, aber das wäre mir neu (DAS wäre wirklich ein Horrorszenario).

Grüße
Holger

qbz 05.12.2016 20:28

Zitat:

Zitat von HollyX (Beitrag 1276718)
Hi,

der Artikel hat mich gestern auch kalt erwischt und natürlich geschockt. Zwei Zweifel hatte ich aber:
a) meines Wissens sind Persönlichkeitsmaße nicht besonders vorhersagewirksam. Das war ja Mitte des letzten Jahrhunderts Grund für die Krise in diesem Gebiet, die im sogen. "Interaktionismus" mündete - nämlich der Vorstellung, dass Verhalten immer aus einer Interaktion zwischen allgemeinen Dispositionen (=Persönlichkeit) und Situationsmerkmalen (Gelegenheiten, Anreize) resultieren.

Wenn also solche nützlichen Beziehunngen zwischen den Big five und facebook-likes bestehen, ist das zunächst seltsam. Da würde ich die Ergebnisse/Daten gern mal sehen.

b) Wie soll es kommen, dass Big data ermöglicht, über "spezifische Personen" persönlichkeitsrelevante Daten zu bekommen? Nicht dass ich mich da auskennen würde, aber das wäre mir neu (DAS wäre wirklich ein Horrorszenario).

Grüße
Holger

also ich habe nochmals reingeschaut ... ;)

Der Artikel im Magazin enthält einen Link, wo das psychometrische Institut der Uni Cambridge die Arbeit dazu vorstellt.
https://applymagicsauce.com/demo.html

Du kannst da als Demo einen englischen Text eingeben oder Mail, Website eines Freundes ;) u.a. oder Dein Like-Profil von Facebook verwenden und Du erhälst die Skalen aus dem OCEAN Test und weitere Attribute (Alter, Geschlecht, Führungseigenschaft, Persönlichkeitstyp nach dem Analytiker Jung). Anschliesssend füllst Du auf einem anderen Online-Portal den Ocean Fragebogen aus.
discovermyprofile.com/personality.html

Wie hoch ist die Übereinstimmung der Ergebnisse beider Tests? Das tat das psychometrische Institut dort mit hundertausenden Probanden, die freiwillig die Tests absolvierten und ihr Einverständnis für die Verwendung der Facebook Like-Daten gaben.
https://applymagicsauce.com/document....html#like_ids

Die Menge der erfassten und ausgewerteten Daten von freiwilligen Probanden im Unterschied zur vordigitalen Welt ist beeindruckend, krass, 6 Millionen Probanden für ihr Persönlichkeitsmodell, was als universitäre Grundlagenforschung auch als Open Source, transparent und mit seriösen Publikation daher kommt.
https://applymagicsauce.com/research.html

Weshalb sollen sie methodisch (also statistisch) nicht korrekt gearbeitet haben, um den OCEAN Test mit Facebook-Likes "abbilden" zu können. Mir scheint auf den ersten Blick deren Arbeit seriös zu sein.
https://applymagicsauce.com/document....html#like_ids

Was fängt man damit in einer Wahlkampagne oder in der Produktwerbung an,wenn man von Facebook-Nutzern mit einer Mindestsumme von Likes 5 voneinander weitgehende unabhängige Persönlichkeitsdimensionen relativ sicher abschätzen kann? Über diese Anwendungsstudien (Wahlen, Werbung usf.) erfährt man leider nichts, weil die Anwendung der Grundlagenforschung halt kommerziell erfolgt. Offenbar wurden diese Informationen unter anderem bei mehreren wichtigen Wahlkampagnen verwendet.

HollyX 05.12.2016 21:25

Hallo qbz,

vielen Dank für Deine Mühe! In der Tat sehr interessant und definitiv seriös (sie haben das im "American Psychologist" publiziert *schluck*

Was ich mitnehme:
- Sie sagen mit dem gesamten Facebook-Like-Profil viele traits vorher (Big 5, Intelligenz, Alter, Religion, Geschlecht, Sexuelle Orientierung, politische Einstellung).
Das ist nicht verwunderlich, weil sich Einstellungen und allgemeine Interessen ja eben in den likes wiederfinden. Aus dem "liken" von sagen wir mal konservativen oder sogar rechten postings lässt sich wenig überraschend die politische Einstellung vorhersagen.

Das das auch mit den Big 5 gut funktioniert liegt zum Einen an der Masse an items (100 items des Big-5-Fragebogens kriegt man nur mit Studenten oder Freiwilligen durch) :) und zum anderen an der Masse an Likes, die ein Profil so hergibt (wieviel hat man da so? 500? 1000?). Dadurch nivellieren sich sowohl Messfehler auf beiden Seiten als auch ideosynkratische Besonderheiten ("Ausnahme -likes"). Macht Sinn.

Was an Unklarheit noch bleibt ist nach wie vor wie Cambridge analytica das like-Profil (und damit den zentralen Prädiktor für alle diese Dinge) mit individuellen Personen zusammenbringt. Der Artikel schrieb ja, dass Wahlkämpfer an Türen klingelten und angaben, sie wüssten, wer da die Tür öffnet. Selbst die likes kann ich ja nicht von jedem einsehen und somit zur Analyse verwenden.

Bei der Seite mit dem Selbstest - muss ich zugeben - konnte ich mich kaum zurückhalten, mein Profil "zu öffnen"...Besser nicht :)

Grüße
Holger

qbz 06.12.2016 09:12

Zitat:

Zitat von HollyX (Beitrag 1276776)

Was an Unklarheit noch bleibt ist nach wie vor wie Cambridge analytica das like-Profil (und damit den zentralen Prädiktor für alle diese Dinge) mit individuellen Personen zusammenbringt. Der Artikel schrieb ja, dass Wahlkämpfer an Türen klingelten und angaben, sie wüssten, wer da die Tür öffnet. Selbst die likes kann ich ja nicht von jedem einsehen und somit zur Analyse verwenden.

Bei der Seite mit dem Selbstest - muss ich zugeben - konnte ich mich kaum zurückhalten, mein Profil "zu öffnen"...Besser nicht :)

Grüße
Holger

Hallo HollyX,

danke für Deine Erläuterungen / Bewertungen zu den Tests. Genau da, wo es um die Verknüpfung der Facebook-Daten von Wählergruppen mit weiteren persönlichen Daten wie Adressen (also einer Nutzer-Identifizierung) geht, kommen natürlich die Phantasien, Befürchtungen ins Spiel. Entweder sind die Angaben dazu im Bericht ungenau bis falsch oder die Adressdaten wurden nach deutschem Recht illegal, hinter dem Rücken der Nutzer beschafft / gekauft. Was legal vorstellbar ist, um personenzentrierte Werbung zu schalten, wäre die Anwendung der Like-Auswertung beim Einloggen in Facebook zu verwenden.

Ich persönlich habe keinen Facebook-Account, gefiel mir nie. Mein Provider mit fast allen Inet-Diensten für Privatpersonen ist seit den Anfängen des Internet ein kleiner Unix-/Linux-Internet Verein in Berlin-Wedding mit eigenen Vereinsräumen, wo die Server mit den verschlüsselten Daten stehen und aktive Vereinsmitglieder ehrenamtlich alles selbst machen, quasi ein gallisches Dorf im Internet :)
Zum Verein: in-berlin.de

Gruss,
qbz

HollyX 06.12.2016 15:21

Hi,

ich nehme nach einigen Gesprächen mit USA-vertrauten Personen mittlerweile an, dass die Daten nicht auf Illegale Weise verknüpft werden, sondern dass einfach an den Türen *derjenigen* Leute geklopft wird, die ihre Facebook-Inhalte wenig sorgfältig handhaben und auch sonst eher "offen" sind.

Im Grunde ist das aber ne Gradwanderung. Immer wenn wir andere zu überzeugen versuchen (ist ja hier im Forum nicht anders), formulieren wir die Argumente "personenbezogen". Da ist nichts schlimmes daran. Es ist und bleibt ja dann immer noch ein Argument, dem der andere zustimmen kann oder nicht. Begriffe wie "Manipulation" finde ich da etwas überzogen (weil ganz so leicht überzeugbar sind Menschen dann doch nicht - das weiß ich aus Jahrzehnten "persuasion-Forschung").

Andererseits (wie im allgemeinen personenbezogenen marketing) ist das halt der Versuch, durch das Zusschneiden der Werbung auf die Person dir Zeug aufzuschwätzen, dass du dann bereitwilliger kaufst. So könnten v.a. extravertierte Triathleten Werbung für teures Material bekommen, weil die das Geld raushauen vielleicht weniger schlimm finden :Huhu:

Grüße
Holger

schnodo 06.12.2016 15:56

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1276653)
Hier z.B.:
Snowden Responds To Donald Trump’s Death Threats
Hatte jetzt keine Zeit, die Zuverlässigkeit der Quelle zu prüfen.

Die ganze Sache wird dadurch etwas "fishy", dass in dem kurzen Audio-Auschnitt der beim Snowden-Interview abgespielt wird, Trump keinen Namen nennt - er hätte also genauso gut über irgendeinen Terroristen reden können. Die Washington Post berichtet aber wohl Ähnliches, der längere Audio-Mitschnitt von Fox&Friends ist verfügbar und stimmt überein, somit war es augenscheinlich genau so, wie berichtet wurde.

qbz hat Trumps Meinung also korrekt wiedergegeben. :Blumen:
Oder zumindest eine seiner Meinungen. Wer weiß, wie oft Trump sich in der Zwischenzeit schon besonnen hat? :)

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1276653)
Aber aktuell ist dies zu lesen:
"So fordert Trumps neuer CIA-Chef Mike Pompeo etwa die Todesstrafe für Whistleblower Edward Snowden."
http://www.spiegel.de/politik/auslan...a-1121654.html

"Guilt by association" hingegen halte ich für unzulässig. Wenn man es Trump vorwirft, dann muss er es schon selbst geäußert haben, was er ja auch getan hat. ;)

qbz 06.12.2016 17:30

Zitat:

Zitat von HollyX (Beitrag 1276984)
Hi,

ich nehme nach einigen Gesprächen mit USA-vertrauten Personen mittlerweile an, dass die Daten nicht auf Illegale Weise verknüpft werden, sondern dass einfach an den Türen *derjenigen* Leute geklopft wird, die ihre Facebook-Inhalte wenig sorgfältig handhaben und auch sonst eher "offen" sind.

Im Grunde ist das aber ne Gradwanderung. Immer wenn wir andere zu überzeugen versuchen (ist ja hier im Forum nicht anders), formulieren wir die Argumente "personenbezogen". Da ist nichts schlimmes daran. Es ist und bleibt ja dann immer noch ein Argument, dem der andere zustimmen kann oder nicht. Begriffe wie "Manipulation" finde ich da etwas überzogen (weil ganz so leicht überzeugbar sind Menschen dann doch nicht - das weiß ich aus Jahrzehnten "persuasion-Forschung").

Andererseits (wie im allgemeinen personenbezogenen marketing) ist das halt der Versuch, durch das Zusschneiden der Werbung auf die Person dir Zeug aufzuschwätzen, dass du dann bereitwilliger kaufst. So könnten v.a. extravertierte Triathleten Werbung für teures Material bekommen, weil die das Geld raushauen vielleicht weniger schlimm finden :Huhu:

Grüße
Holger

Hallo HollyX,

ich empfände es schon als sehr befremdlich, wenn ein Unbekannter wie in den USA wegen Wahlwerbung vor meiner Tür steht und schon mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mehr weiss über mich als ich, der den Test nicht gemacht hat, nämlich wie neurotisch, gewissenhaft, extravertiert, offen, verträglich im Vergleich mit meinen Mitmenschen ich möglicherweise bin, bevor man "Hallo" gesagt hat. Strange!

Oder bei Stellenbesetzungen werten die Arbeitgeber die Bewerbungsschreiben oder die Likes mit einem solchen Persönlichkeitstest aus. Macht das Schule, prüft jeder schlaue Bewerber sein Anschreiben vorher noch auf solche Tests und passt es konformistisch an. :Lachen2:

Allein für die Auswertung der Likes durch einen standardisierten Persönlichkeitstest sowie das Speichern dieser personalisierten Daten in einer anderen Eigner-Datenbank als bei Facebook sowie die Verwendung der Ergebnisse ohne Einwilligung der Betroffenen gilt im deutschen Datenschutzrecht zu 100 % die rote Karte, zumal die Datenergebnisse noch persönlichkeitsintime, besonders geschützte Bereiche umfassen. Stünde ein Wahlwerber mit dem so generierten Persönlichkeitsprofil vor der Tür, könnte man in DE die sofortige Löschung seiner Daten einfordern und Anzeige erstatten. Leider gibt es nur wenige Alibistellen beim Datenschutz, hilflos überfordert.

Gruss,
qbz

Ps.: Passend zum Thema heute ein Artikel über eine datensammelnde, werbung betreibende, auf Fragen der Kinder antwortende Puppe im Kinderzimmer.
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/p...a-1124666.html

qbz 06.12.2016 17:36

Zitat:

Zitat von schnodo (Beitrag 1276993)
Die ganze Sache wird dadurch etwas "fishy", dass in dem kurzen Audio-Auschnitt der beim Snowden-Interview abgespielt wird, Trump keinen Namen nennt - er hätte also genauso gut über irgendeinen Terroristen reden können. Die Washington Post berichtet aber wohl Ähnliches, der längere Audio-Mitschnitt von Fox&Friends ist verfügbar und stimmt überein, somit war es augenscheinlich genau so, wie berichtet wurde.

qbz hat Trumps Meinung also korrekt wiedergegeben. :Blumen:
Oder zumindest eine seiner Meinungen. Wer weiß, wie oft Trump sich in der Zwischenzeit schon besonnen hat? :)

Danke Euch, lidlracer und schnodo, für die exakte Recherche! :Blumen:
Zuviel, zunahe Beschäftigung mit Trump und seinem Umkreis schadet meinen Nerven. ;)


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 19:57 Uhr.

Powered by vBulletin Version 3.6.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.