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the grip 20.03.2015 10:43

Ringelnatz:
 
Ich bin das Riesenkrokodil.
Meine Großmutter war ein Drachen.
Ich verschlucke, wenn ich will,
Einen Esel und noch größere Sachen.

Ich liege oft tausende Jahre still
Und klappere dann mit den Zähnen.
Ich bin das Riesenkrokodil.
Ich kann entsetzlich gähnen.

Klapp klapp
Schnapp schnapp
Uohahhh …

the grip 21.03.2015 12:16

Christian Morgenstern:
 
Unter Zeiten

Das Perfekt und das Imperfekt
tranken Sekt.
Sie stießen aufs Futurum an
(was man wohl gelten lassen kann).

Plusquamper und Exaktfutur
blinzten nur.

the grip 22.03.2015 20:06

Wilhelm Busch:
 
Daneben

Stoffel hackte mit dem Beile.
Dabei tat er sich sehr wehe,
Denn er traf in aller Eile
Ganz genau die große Zehe.

Ohne jedes Schmerzgewimmer,
Nur mit Ruh, mit einer festen,
Sprach er: Ja, ich sag es immer,
Nebenzu trifft man am besten.

the grip 24.03.2015 10:42

Wilhelm Busch:
 
Zauberschwestern

Zwiefach sind die Phantasien,
Sind ein Zauberschwesternpaar,
Sie erscheinen, singen, fliehen
Wesenlos und wunderbar.

Eine ist die himmelblaue,
Die uns froh entgegenlacht,
Doch die andre ist die graue,
Welche angst und bange macht.

Jene singt von lauter Rosen,
Singt von Liebe und Genuß;
Diese stürzt den Hoffnungslosen
Von der Brücke in den Fluß.

the grip 25.03.2015 12:27

Joseph von Eichendorffs:
 
Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
die Erde still geküßt,
daß sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müßt.

Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschen leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

the grip 26.03.2015 11:49

Heinrich Heine:
 
Mythologie

Ja, Europa ist erlegen –
Wer kann Ochsen widerstehen?
Wir verzeihen auch Danäen –
Sie erlag dem goldnen Regen!

Semele ließ sich verführen –
Denn sie dachte: eine Wolke,
Ideale Himmelswolke,
Kann uns nicht kompromittieren.

Aber tief muss uns empören
Was wir von der Leda lesen –
Welche Gans bist du gewesen,
Dass ein Schwan dich konnt betören!

the grip 29.03.2015 21:12

Ludwig Thoma:
 
Der Alte

Mein alter Hut aus jungen Tagen,
So keck die Krampe aufgeschlagen,
Stülpt‘ ich vorzeiten dicht aufs Ohr;
Da wußten sie in jeder Gasse,
Wie grimmig ich die Fürsten hasse,
Und hatten ihre Angst davor.

So du wie ich, wir beide waren
Ein Schrecken den Philisterscharen,
Sie sahen recht. Der Heckerhut
Weckt die verwegensten Gedanken
Und Wünsche ohne Ziel und Schranken
Und heißen Drang und Übermut.

Doch hinterdrein kam der Zylinder
Und dürre Zeit und Weib und Kinder,
Die schöne Jugend war vorbei.
Du lagst in einer Waschkommode,
Ich suchte nach dem lieben Brote,
Die Schaben fraßen an uns zwei.

the grip 31.03.2015 14:39

Heinrich Heine:
 
Mir träumt‘: ich bin der liebe Gott,
Und sitz im Himmel droben,
Und Englein sitzen um mich her,
Die meine Verse loben.

Und Kuchen ess ich und Konfekt
Für manchen lieben Gulden,
Und Kardinal trink ich dabei,
Und habe keinen Schulden.

Doch Langeweile plagt mich sehr,
Ich wollt, ich wär auf Erden,
Und wär ich nicht der liebe Gott,
Ich könnt des Teufels werden.


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