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Drosten von gestern ist nun schriftlich verfügbar:
https://www.ndr.de/nachrichten/info/...avirus238.html Daraus ein sehr interessanter Teil zum mir und wahrscheinlich fast jedem bisher völlig unbekannten Schwelleneffekt und zu Frankreich, wo dieser aktuell schon zugeschlagen haben könnte: "So funktioniert der Schwelleneffekt Drosten: Die Mobilität in der Bevölkerung, die durchschnittliche Reiseweite, die Größe der Haushalte, die Größe der Sozialsituationen - alles das sind die Störgrößen, die da reinspielen oder die Einflussgrößen. Darum kann ich nicht sagen, hier ist der Schwellenwert, sondern ich kann als Wissenschaftler nur sagen, ich erkläre das Prinzip eines Schwelleneffektes. Es gibt sicherlich diesen Schwelleneffekt. Wir sollten davor nicht unsere Augen verschließen. Die Existenz eines solchen Schwelleneffektes ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass wir durchaus erleben können, dass die Welle im Moment an- und abschwillt, oder um mit Hendrik Streeck zu sprechen, eine Dauerwelle ist, das wird mal mehr und mal weniger. Während sie dann aber irgendwann außer Kontrolle gerät, und wir wissen nicht, wann. Aber irgendwann könnte es sein. Und ich hoffe, genau wie alle anderen in der Öffentlichkeit auch, dass das in Deutschland nicht stattfindet. Aber ich will nur sagen, es gibt die Möglichkeit, dass wir uns da auch was vormachen, wenn wir uns sagen: Das läuft ja im Moment ganz gut, dann machen wir mal so weiter wie bisher. Es kann sein, dass, ohne dass wir es merken, darüber, dass Leute auch in der Bevölkerung ihre Infektion verstecken und wir weniger Überblick über die wirklichen Zahlen haben und es dann doch zu immer mehr Clustern kommt, die wir zum Teil gar nicht nachweisen, dass wir doch plötzlich ein Perkolationseffekt haben, also einen Schwelleneffekt, wo wir schlagartig eine Änderung der Grundbedingungen haben. Und schlagartig sehen wir, jetzt wird es jeden Tag mehr an Meldezahlen. Wir wissen gar nicht, was sich geändert hat, aber es wird einfach immer mehr. Irgendetwas muss jetzt geschehen. Ich habe das Gefühl, das ist, was wir gerade in Frankreich sehen. Denn in Frankreich war das ja so. Dort hat man genau wie in Deutschland viele Maßnahmen ergriffen und hatte ein gutes Gefühl. Und plötzlich jetzt wird das einfach immer mehr. Eine interessante Überlegung dabei ist, warum ist das so unterschiedlich? Ein wahrscheinlich hinreichender Grund ist, dass in Frankreich einfach viel mehr Infektionstätigkeit war während der ersten Welle. Der französische Lockdown war aggressiver als unserer, aber möglicherweise ist da im Hintergrund mehr an Restinfektionsmasse übriggeblieben als bei uns. Das können wir nicht skalieren, niemand kann das quantifizieren. Aber es wäre eine Erklärung für das, was wir jetzt beobachten. Ich glaube nicht, dass irgendjemand in Frankreich etwas falsch gemacht hat. Ich glaube, dass es solche Perkolationseffekte gibt und dass die möglicherweise in Frankreich erreicht worden sind und bei uns diese Perkolationsschwelle nicht erreicht worden ist - bisher." Zuvor versucht er recht umfangreich, den Schwelleneffekt anhand von Modellen zu erklären. Ich vermute, man könnte das irgendwie kürzer und klarer hinkriegen - behaupte aber nicht, dass ich das könnte. Das Wichtige und Erstaunliche daran ist: Wenn man sich in einer halbwegs stabilen Situation mit nur langsam steigenden Neuinfektionszahlen befindet, kann man nicht davon ausgehen, dass das unproblematisch bleibt. Es kann sehr schnell sehr problematisch werden. Zur Unsicherheit trägt bei, dass sich seiner Ansicht nach die Dunkelziffer momentan sehr schwer abschätzen lässt. Sie könnte seeehr groß sein ... "Drosten: Wir haben im Moment eine niedrige Inzidenz-Situation, die kaum abwägbar ist. Wir müssen uns ehrlich eingestehen, dass wir es nicht genau wissen, wo das Virus jetzt gerade überall ist. Es kann sein, dass die täglichen Zahlen, die das RKI meldet, oder dem RKI gemeldet werden, dass das um den Faktor zwei zu gering eingeschätzt ist. Es kann auch sein, dass es um den Faktor 20 zu gering eingeschätzt ist. Das hätte ich im Frühjahr nicht gesagt, den Faktor 20. Aber im Moment kann das sein, eben wegen dieser vielen sozialen Effekte, also denken wir zurück an die Party-People, die mit 20 Jahren nicht viel von ihren Symptomen merken und gleichzeitig wissen, eigentlich sollten sie jetzt nicht auf diesem Rave sein. Und die vielen Reisenden, die zum Teil kulturell gar nicht so gut zugänglich sind und sich eigentlich eher von Ärzten auch fernhalten möglicherweise. Alle diese Phänomene gibt es im Moment. Deswegen, wir wissen gar nicht genau, wo das Virus ist." (Ja, ja, alles Panikmache!) |
Perkolation, das Wort wollt ich jetzt nicht lernen ... ist die Idee das sich Cluster kreuz und quer verbinden und dann eine ganze Wellenfront bilden?
m. |
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Anfangs eingeführte Regelungen, die ich für falsch, teilweise schädlich, überwiegend sehr gering wirksam halte:
Aktuelle Regelungen, die ich für übertrieben, unverhältnismäßig und überwiegend sehr gering wirksam halte:
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Ich lehne vor allem nicht nachzuvollziehende Maßnahmen wie zB folgende ab: Im Sportverein wird ganz normal Fußball gespielt, aber im Sportunterricht soll Mindestbstand eingehalten werden. Schüler sollen beim Betreten des Unterrichtsraums (natürlich im Rahmen der Unterrichtszeit) Händewaschen. Und müssen im Unterricht "Essenzeiten" bekommen, da sie in der Pause eine Maske tragen sollen und ihnen es da verboten ist zu essen. Gastronomie läuft, An und Abreise zur Schule in Fahrgemeinschaften etc. Die Liste könnte ich zB mit unseren innerdienstlichen Abläufen und dem geforderten Kontrollverhalten insbesondere die Überprüfung von Quarantäneanordnungen weiterführen. Da gibt es einfach so vieles, was nicht konsequent ist und dann zweifelt man zurecht an der Wirksamkeit der Maßnahme und empfindet die Einschränkung als unverhältismäßig. Die einzige spürbare Einschränkung für mich ist derzeit die Maskenpflicht beim Einkaufen und das empfinde ich auch nur als Einschränkung, weil ich ab und an die Maske schlicht vergesse, wenn ich mal eben auf dem Weg etwas spontan besorgen möchte. Das die Leute versuchen Abstand zu halten, empfinde ich als sehr positiv und sollte auch ohne Pandemie so beibehalten werden. |
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Vielleicht hilft Dir das weiter: Chaos, Percolation and the Coronavirus Spread Aber mir scheint, das hat nur lose Verbindung zu Drostens Argumentation. |
Danke für die ausführliche Antwort. Ein paar Deiner Punkte erscheinen mir plausibel. Interessant fände ich es, noch näher zu erfahren, wie Du zu Deinen Einschätzungen der Wirksamkeit einzelner Maßnahmen kommst. Ich wäre dafür nicht kompetent genug.
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:Blumen: |
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Für Corona könnten solche kritischen Schwellenwerte sein: Die Anzahl der Personen, mit der ein durchschnittlicher Mensch wöchentlich sozialen Kontakt hat; der Beginn der kalten Jahreszeit und das Schließen der Fenster; die Erntezeit und damit die Einwanderung von ausländischer Erntehelfern; und so weiter. Diese Beispiele habe ich frei erfunden, um den Gedanken zu verdeutlichen. Ich hoffe, ich irre mich nicht, ansonsten hat der geneigte Leser jetzt 3 Minuten Lesezeit sinnlos verschwendet. :Lachen2: |
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Naja, nicht ganz - der Kipp-Punkt beim Klima erscheint mir auch eine recht gute Analogie. Und Deine konketen Punkte können natürlich alle mehr oder weniger zum Anstieg des Infektionslevel beitragen. Das Überraschende ist aber - so wie ich es verstanden habe - dass ein langsamer Anstieg der Infektionszahlen praktisch anlasslos in einen explosiven Anstieg übergehen kann. Vielleicht müsste ich es mir noch mal gründlicher durchlesen, aber nach meinem aktuellen Verständnis erklärt sich das etwa so: Viele Infizierte stecken niemand anderen an - insbesondere, wenn deren Infektion früh erkannt wird und dann Isolation erfolgt. Aber teilweise auch bei unerkannten Infizierten, da diese vielleicht in den recht wenigen infektiösen Tagen wenig soziale Kontakte haben. So versanden viele Infektionswege. Nicht so leicht versanden Infektionen durch Superspreading-Ereignisse, bei denen viele gleichzeitig infiziert werden, von denen einige die Infektion auch schon wieder weitergeben, bevor sie erkannt werden. So lange es aber wenig Superspreading-Ereignisse sind, hat man noch genug Testkapazitäten, Manpower zur Kontaktverfolgung usw., um die Ausbrüche i.d.R. wieder unter Kontrolle zu bringen. Mit langsam steigendem Infektionslevel erhöht sich auch die Zahl der Superspreadings zunächst langsam, so dass sie sich noch kontrollieren lassen. In der aktuellen Situation mit vornehmlich recht jungen Infizierten kommt als Schwierigkeit hinzu, dass diese oft keine oder kaum Symptome haben und daher erst später erkannt werden. Das wird weiter erschwert, wenn Testkapazitäten überlastet sind, wie das aktuell der Fall ist, und erst nach x Tagen Testergebnisse vorliegen. Bei steigender Infektionsdichte erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit für zufällige Infektionen ohne längeren Kontakt. Wenn ein Infizierter durch den Supermarkt läuft, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er jemanden infiziert. Laufen 3 Infizierte innerhalb einer gewissen Zeitspanne da durch, kann schon eher irgendwo eine Viruskonzentration auftreten, die zur Infektion reicht. (Diesen Punkt habe ich nicht von Drosten sondern mir gerade selbst ausgedacht. Wahrscheinlich gibt es Orte, wo dieser Effekt relevanter ist als der Supermarkt - vielleicht Restaurants, wo es auch wieder direkt zum Superspreading führen könnte. So erfolgt zunächst schleichend und dann immer schneller der Übergang zum wieder exponentiellen Anstieg, der ohne drastische Maßnahmen nicht mehr zu stoppen ist. Das Schöne ist: Drosten hat eine Strategie, um dies ohne größere Zumutungen zu verhindern. Daher sollte man ihm zuhören! Hoffe, ich hab jetzt nicht noch mehr Lese- und Lebenszeit verschwendet ... PS: Dein Punkt mit der kalten Jahreszeit hat |
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