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Goethe:
Wenn ich mir in stiller Seele
Singe leise Lieder vor: Wie ich fühle, daß sie fehle, Die ich einzig mir erkor – Möcht ich hoffen, daß sie sänge, Was ich ihr so gern vertraut; Ach, aus dieser Brust und Enge Drängen frühe Lieder laut. |
Heinrich Heine:
Den Gärtner nährt sein Spaten,
Den Bettler sein lahmes Bein, Den Wechsler seine Dukaten, Mich meine Liebespein. Drum bin ich dir sehr verbunden, Mein Kind, für dein treuloses Herz; Viel Gold hab' ich gefunden Und Ruhm im Liebesschmerz. Nun sing‘ ich bei nächt’ger Lampe Den Jammer, der mich traf; Er kommt bei Hoffmann und Campe Heraus in Klein-Oktav. |
Wilhelm Busch:
Sie stritten sich beim Wein herum,
was das nun wieder wäre; Das mit dem Darwin wär gar zu dumm Und wider die menschliche Ehre. Sie tranken manchen Humpen aus, Sie stolperten aus den Türen, Sie grunzten vernehmlich und kamen zu Haus Gekrochen auf allen vieren. |
Ludwig Thoma:
Jesuitendebatte
Der Fuchs stand vor dem Hühnerstalle Und merkte in der Winternacht, Die Einschlupflöcher waren alle Just seinetwegen zugemacht. Da fing er jämmerlich zu klagen Und bitterlich zu weinen an: Warum wollt ihr nur mich verjagen, Der euch doch nie ein Leids getan? Ihr guten Hühner, hört die Bitte! Ihr seid so viele, ich allein, – Der kleinste Platz in eurer Mitte Genügt, und ich will glücklich sein! Das Federvieh hat lang beraten Und manches wohlerfahrne Huhn Vermeinte, was sie früher taten, Das würden Füchse immer tun. Doch gab es viele ganz Gerechte, Die waren aus Prinzip dafür, Daß keinem aus dem Tiergeschlechte Verschlossen bleibe ihre Tür. Kaum war die weise Tat geschehen, War von dem ganzen Hühnerhof Nichts mehr als das Prinzip zu sehen Und Krallen und ein Federschwof. |
Mascha Kaléko:
Klavia-tiere, Spezies: Pianisten
Pianisten sind oft große Tiere, Zum Lärm dressiert auf dem Klaviere. Mit Löwenmähne, Tigerpfoten Mißhandelt mancher es nach Noten. Ein Pi-a-nist, wenn malträtiert, Ist selten nur wohltemperiert. Wenn sich die Damen auch verlieben, – Weit wichtiger ist ihm das Üben! (Zur Zeit, als Hans zur Liese ging, Da übte brav der Gieseking …) |
Edgar Allen Poe:
Die Kelche, oft im Traum erschaut,
Wo Singvögel sich wiegen, Sind deine Lippen – und der Laut Melodisch draus entstiegen – Dein Augenstrahl, mir sanft erglüht, Fällt mitten in dem Dunkel Auf mein undüstertes Gemüt Wie eines Sterns Gefunkel. Dein Herz – dein Herz, seufz‘ ich gepreßt Und träume bis zum Tage Vom Glück, das sich nicht greifen läßt, Doch will, daß man es wage. |
Ringelnatz:
Schaudervoll: Es zog die reine,
Weiße, ehrbar keusche Clara Aus dem Sittlichkeitsvereine Eines Abends nach Ferrara. Schaudervoll: Dort, irgendwo, Floß der Po. Schaudervoll, doch es geschah In Ferrara, daß die Clara Aus dem Sittlichkeitsvereine Nachts den Po doppelt sah. |
Frank Schulz:
Der Regenwurm
„Sich regen bringt Segen!“ sagte sich der Regenwurm. Drum kroch er verwegen auf den höchsten Glockenturm. Dem Küster hingegen – entnervt vom bösen Wirbelsturm – kam er ungelegen. Er trat ihn platt, den Regenwurm. Sich regen brächte Segen? Von wegen. |
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