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Thomas Gsella:
Hochzeitsnacht
Ausgezeichnet, ausgewechselt Hat das Paar den Tag gedrechselt Traute sich und tanzte dann In die Nacht: als Frau und Mann Unentschieden, unentschlossen Weder lustlos noch verschossen Trunken: fern von Freud und Kummer Schob das Paar die Hochzeitsnummer Auf den nächsten Tag und schlief Als die Tochter „Mama“ rief Wachte auf und hauchte: Morgen Werden wir’s und schwer besorgen Dankeskarten, Postwertzeichen Da! Erstand in ihren weichen Händen eine Erektion – „Mama, komm!“ „Ich komm ja schon.“ |
Arezu Weitholz:
Der Tod des Kabeljaus
Ein neunmalschlauer Kabeljau sprach auf dem Sterbebett zu seiner Frau: Ich bin, das weiß ich ganz genau sehr bald ein toter Kabeljau. So versprich, wenn ich dann scheide lass keinen Doktor zu mir rein. Auch das Beten bitte meide und die Organe bleiben mein! Mein Herz, mein Hirn und meine Leber lass keinesfalls rausoperieren. Ich war noch nie ein großer Geber und will nicht hohl reinkarnieren. Vergrab mich nicht in dunkler Erde und bitte äscher mich nicht ein. Denn heißt es nicht auch: stirb und werde – oder wie war das gemeint? Da fuhr ein Fischer längs am See und käscht die zwei aus dem Palaver. Jetzt sindse beide Fischfilet bestattet in Pannade – schade. |
Christian Morgenstern:
Die Zeit
Es gibt ein sehr probates Mittel, die Zeit zu halten am Schlawittel: Man nimmt die Taschenuhr zur Hand und folgt dem Zeiger unverwandt, Sie geht so langsam dann, so brav als wie ein wohlgezogen Schaf, setzt Fuß vor Fuß so voll Manier als wie ein Fräulein von Saint-Cyr. Jedoch verträumst du dich ein Weilchen, so rückt das züchtigliche Veilchen mit Beinen wie der Vogel Strauß und heimlich wie ein Puma aus. Und wieder siehst du auf sie nieder; ha, Elende! - Doch was ist das? Unschuldig lächelnd macht sie wieder die zierlichsten Sekunden-Pas. |
Wolf Wondratschek:
Wen die Götter lieben
Die Jugend liebt junge Leichen, die nie das kritische Alter erreichen. Verstehe, dachte auch so: wen die Götter lieben? Ein kurzen Leben und kippen. Mit Mick Jagger’s Lippen ins Gras beißen. Kulturen und Kontinente verlassen, jung sein und Hoffnung hassen? Waffenhandel statt Poesie, der letzte Rebell – das ist vorbei, die Nacht kommt schnell. Ein Vaterland gibt es nicht mehr. Der Friede herrscht härter als Krieg. Glück macht keinen mehr glücklich. Träume enden mit dem Rücken zur Wand, allein im Todesbett, das Bein verfault, den Ärzten unbekannt. Ich trinke aus. Die Wirtin kassiert. Was soll sich vollenden, wenn nichts mehr passiert. |
Christian Morgenstern:
Das Fest des Wüstlings
Was stört so schrill die stille Nacht? Was sprüht der Lichter Lüstrepracht? Das ist das Fest des Wüstlings! Was huscht und hascht und weint und lacht? Was cymbelt gell? Was flüstert sacht? Das ist das Fest des Wüstlings! Die Pracht der Nacht ist jach entfacht! Die Tugend stirbt, das Laster lacht! Das ist das Fest des Wüstlings! (Zu flüstern) |
Charles Bukowski:
DU MACHST ES, WIE DU EINE FLIEGE KILLST: MIT LINKS
Bach hatte zwanzig Kinder. Tagsüber hat er auf Pferde gewettet, nachts hat er gefickt und am Vormittag gesoffen. Komponiert hat er zwischendurch … sagte ich, als sie von mir wissen wollte wann ich eigentlich meine Gedichte schreibe. |
Charles Lewinsky:
Methusalem als alter Mann,
ging es beim Sex so langsam an, dass seine Frau sich wundert. Schon für das Vorspiel braucht er manchmal fast ein Jahrhundert. |
Joachim Ringelnatz:
Meine erste Liebe?
Erste Liebe? Ach, ein Wüstling, dessen Herz so wahllos ist wie meins, so weit, Hat die erste Liebe längst vergessen, Und ihn intressiert nur seine Zeit. Meine letzte Liebe zu beschreiben, Wäre just so leicht wie indiskret. Außerdem? Wird sie die letzte bleiben, Bis ihr Name in der „Woche“ steht? Meine Abenteuer in der Minne Müssen sehr gedrängt gewesen sein. Wenn ich auf das erste mich besinne, Fällt mir immer noch ein früh‘res ein. |
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