![]() |
Eugen Roth:
Bescheidenheit
Ein Mensch möcht erste Geige spielen – Jedoch das ist der Wunsch von vielen, So daß sie gar nicht jedermann, Selbst wenn er´ könnte, spielen kann: Auch Bratsche ist für den der´s kennt, Ein wunderschönes Instrument. |
Frank Schulz:
Im Zoo
Wenn die Giraffen so putzig gucken Und die Zwerghühner schmutzig glucken; wenn die Affen stutzig zucken und die Berglamas trutzig spucken; dann – ja, was dann? Na, dann kann man Sich nur doof und nichtsnutzig ducken |
Joachim Ringelnatz.
Die Badewanne
Die Badewanne prahlte sehr. Sie hielt sich für das Mittelmeer Und ihre eine Seitenwand Für Helgoländer Küstenland. Die andre Seite – gab sie an – Sei das Gebirge Hindustan, Und ihre große Rundung sei Bestimmt die Delagoabai. Von ihrem spitzen Ende vorn, Erklärte sie, es sei Kap Horn. Den Kettenzug am Regulator Hielt sie sogar für den Äquator. Sie war – nicht wahr, das merken Sie? Sehr schwach in der Geographie. Das eingebildete Bassin, Es wohnte im Quartier Latin. |
Erich Kästner:
Legende, nicht ganz stubenrein
Weihnachten vergangnen Jahres (17 Uhr präszise) war es: Daß der liebe Gott nicht, wie gewöhnlich, den Vertreter Ruprecht runterschickte. sondern er besuchte uns persönlich. Und erschrak, als der die Welt erblickte. Er beschloss dann doch, sich aufzuraffen. Schließlich hatte er uns ja geschaffen! Und er schritt (bewacht von Detektiven des bewährten Argus-Institutes, die, wo er auch hinging, mit ihm liefen) durch die Städte und tat nichts als Gutes. Gott war nobel, sah nicht auf die Preise, und erschenkte, (dies nur beispielsweise) den Ministersöhnen Dampfmaschinen und den Kindern derer, die im Jahre mehr als 60 000 Mark verdienen, Autos, Kaufmannsläden, prima Ware! Derart reichten Gottes Geld und Kasse abwärts bis zur zwölften Steuerklasse. Doch dann folge eine große Leere. Und die Deutsche Bank gab zu bedenken, daß sein Konto überzogen wäre. Deshalb konnte er nichts weiter schenken. Gott ist gut. Und weiß das. Und wahrscheinlich war ihm die Geschichte äußerst peinlich. Selbst bei Göttern reiche Geld nur selten. Und er sprach darüber zehn Minuten, zu drei sozialistisch eingestellten Journalisten, die ihn interviewten. Und die Armen müssten nichts entbehren, wenn es nur nicht so sehr viele wären. Die Reporter nickten auf und nieder. Und Gott brachte sie bis ans Portal. Und sie fragten: „Kommen Sie bald wieder?“ Doch er sprach? „Es war das letzte Mal.“ |
Ludwig Thoma:
Weihnachten
Christabend. Knirschender Schnee. Eisige Blumen An allen Fenstern. Wie sitzt es sich wohlig Im warmen Zimmer Hinter der dampfenden Punschterrine, Lachende Augen um mich herum. Fröhliche Worte Und frohe Herzen. Ei, Kinder, wie ist das behaglich! Da wird einem warm, Ruft Erinnerung wach An die helle, freundliche Jugendzeit. Und weißt du es noch? Und wie ’s damals war In dem alten, traulichen Försterhaus? Das will ich erzählen. In der Winternacht, Die Berge wie riesige Zuckerhüte, Mit Demanten bestreut, Und alle die Tannen Mit Reif bedeckt, Ein Glitzern und Flimmern Um Strauch und Baum, Als hätten die Englein, Den Herrn zu ehren, Viel tausend Lichter Rings aufgesetzt. Und die Sterne funkeln So mild und hell. Drinnen im Haus Die kleine Schar Erwartungsfreudig, voll Ungeduld. Da führt uns die Mutter Zum Fenster hinan. In banger Scheu Blicken die glänzenden Kinderaugen In das Glitzern und Flimmern, In die schweigende Nacht. Und horcht! Ein Singen und Klingen Geht durch die Luft, Christkindlein kommt, Christkindlein zieht durch den Wald, Wie klopfen die Herzen! Wie glühen die Wangen! Schon ist es da, Öffnet die Tür, Und im hellen Schein Strahlet wieder der Weihnachtsbaum! Jubelnde Stimmen. Glückliche Kinder. Wißt Ihr es noch? Wißt Ihr, wie ’s damals war? Stille wird es im Kreise, Und in jedem erwacht Mächtig Erinnerung An die helle, An die sonnige Jugendzeit. Alle schweigen. Nur eine spricht, Nur ein älteres Fräulein spricht. Seufzend sagt sie, wer so erzählt, Hat doch eigentlich ein Gemüt, Und er sollte, sobald es geht, Sich verheiraten. |
Wolf Wondratschek:
Weihnacht –
Weltkrieg der Wünsche, Stichtag für Selbstmörder, größte Einsamkeit. Wer lag wo im Stroh? Wie lange ist das her? Ach so, so lange schon? Na dann, kein Wunder, daß keines geschieht. Gute Nacht, stille und heilige. Ich bin vom Wünschen so müde und müde vom Anschaun brennender Kerzen, vom Warten auf Schnee. Ich könnte heulen – und muß nur lachen. Was soll man denn sonst an Weihnachten machen? |
Kater Murr alias E.T.A. Hoffmann:
„Was ist’s, das die beengte Brust
Mit Wonneschauer so durchbebt, Den Geist zum Himmel hoch erhebt, Ist’s Ahnung hoher Götterlust? Ja – springe auf, du armes Herz, Ermut’ge dich zu kühnen Taten, Umwandelt ist in Lust und Scherz Der trostlos bittre Todeschmerz. Die Hoffnung lebt – ich rieche Braten!“ |
Ludwig Thoma:
Tischreden
Mein Freund, bedenke diese wohl: Das Essen und der Alkohol, Indem wir uns daran erlaben, Erwecken uns die Rednergaben. Dann steht der Mensch, klopft an das Glas Und sagt wohl dies und sonst noch was, Doch äußerst selten etwas Gutes. Der Kreislauf des beschwerten Blutes, Verdauung und der Magensaft Sind hinderlich der Geisteskraft. Und im Gehirn entstehen Blasen, Und alle Worte werden Phrasen, Und alles, was man sonst verschluckt. Das wird am nächsten Tag gedruckt. Der Weingeist, die Begeisterung, Und wenn man selber nüchtern ist, Liest man erstaunt den eignen Mist. Drum, außer in dem engsten Kreise, O spreche nie verdauungsweise! Bleib sitzen! Klopfe nicht ans Glas! Und drück dich nach dem Essen was, Lass lieber einen stillen fahren! Das wissen nur, die um dich waren. |
| Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 21:35 Uhr. |
Powered by vBulletin Version 3.6.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.