Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht, an einer religiösen Veranstaltung teilzunehmen. Denn die Mitglieder der Bundesregierung sind nicht „der Staat“, sondern lediglich Teilnehmer im Staat. Sie dürfen also in der Kirche sitzen, und niemand kann ihnen dieses Recht streitig machen. Der Staat als Institution darf das sogar fördern (etwa mit Zuschüssen), aber er muss dabei die Grundsätze der Gleichbehandlung wahren.
Der Staat selbst gedenkt der Opfer des Anschlags nicht. Sondern die Bürger tun es — dazu zählen auch die Bürger im Staatsdienst. Sie gedenken auf jene Weise, die ihnen angemessen erscheint. Der Staat bleibt neutral.
Unter den Opfern und Angehörigen können ebensogut Moslems, Hindus oder Atheisten sein. Die Annahme, eine Trauerfeier müsste automatisch nach christlichem Ritus gefeiert werden, ist etwas selbstherrlich. Vielleicht müssten sich die Christen darüber Gedanken machen, dass sie nur eine von mehreren gleichberechtigten Weltanschauungen sind. Das schmälert ihr Recht auf einen Gottesdienst überhaupt nicht, aber vielleicht findet man eine Form (womöglich zusätzlich), die andere Weltanschauungen nicht von vornherein ausschließt. Etwa eine überkonfessionelle Feier mit Beiträgen verschiedener Anschauungen.
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Ich persönlich, ohne dabei das Recht jedes Einzelnen auf seine persönliche Trauer schmälern zu wollen, finde religiöse Trauerfeiern nach Anschlägen oder Unglücken unlogisch und daher in gewisser Hinsicht verlogen. Es war schließlich Gott, der die Dinge so gelenkt hat. Folglich wäre seine Kirche der letzte Ort, wo ich mich aufhalten wollte.
Christen glauben daran, dass nichts geschieht, was Gott nicht will. Daraus folgt nicht nur Verantwortung, sondern Täterschaft. Im Gottesdienst wird dann so getan, als wäre Gott völlig hilflos und unschuldig. Am Tag zuvor wurde er noch als allmächtig gepriesen.
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