Zitat:
Zitat von Nepumuk
(Beitrag 1701288)
Bei der Idee der Aufklärung geht es nicht um Individualismus vs. Kollektivismus, sondern darum das eigene und gesellschaftliche Handeln auf wissenschaftlichen Fakten statt auf religiösen Glauben basieren zu lassen.
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Dann haben wir offenbar etwas unterschiedliche Vorstellung von der Aufklärung.
Mein Verständnis deckt sich stark mit der Beschreibung auf Wikipedia, wo es im Kern um Vernunft und individuelle Rechte gegenüber der zuvor herrschenden kolletivistisch-religiösen Gesellschaft:
Die Hinwendung zu Naturwissenschaften als ein wesenlicher Aspekt vernünftigen Handelns impliziert aber nicht, daß die Wissenschaft die vorherige Macht der Religion als Quelle der Wahrheit übernimmt, sondern daß rationales, naturwissenschaftliches Denken frei von Dogmen, Vorurteilen und Glauben das Individuum zu vernünftigem Handeln verhilft.
Zitat:
Zitat von Nepumuk
(Beitrag 1701288)
Genau diese Handeln auf Basis wissenschaftlicher Fakten lehnst du aber ab, wenn es dir persönlich nicht in den Kram passt.
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Ich lehne dogmatische, alternativlose Entscheidungen ab, wenn sie rational nicht begründet sind; die Unterscheidung von gesicherten Fakten von daraus abgeleiteten Handlungsoptionen (persönliche Meinung) bleibt ein wesentlicher Bestandteil aufgeklärten Denkens, finde ich.
Zitat:
Zitat von Nepumuk
(Beitrag 1701288)
Du hast merkwürdig Vorstellung davon, wie die Gesellschaft funktioniert. Eine Gesellschaft funktioniert nur dann, wenn möglichst alle dauerhaft und einvernehmlich an einem Strang ziehen. Dafür gibt sich eine Gesellschaft Gesetze, die dann dauerhaft gelten und von den meisten Menschen auch dauerhaft eingehalten werden.
Das was du da skizzierst, ist Anarchie, wo sich jeder einfach so verhält, wie es ihm selbst gerade von Nutzen ist.
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Für mich ist Dein Bild einer Gesellschaft das, was im Mittelalter vor der Aufklärung geherrscht hat, und was z.B. im Ostblock versucht wurde: alle Mitglieder einer Gesellschaft sollen "am gleichen Strang" ziehen, abweichende Bewertungen und Lebensentwürfe haben darin keinen Platz, bzw. weden moralisch abgewertet. Die freiheitlichen Gesellschaften des 20. Jahrhunderts hingegen bauten darauf und profitierten davon, daß im Rahmen der Gesetze eine freie Vielfalt von Bewertungen und Lebensentwürfen gelebt wird. (Übrigens, mir wurde in meiner Kindheit auch regelmäßig die "Anarchie" wegen des Individualismus im imperialistischen Westen als großes Problem geschildert, dem die super erfolgreiche, homogene Gesellschaft beim Bau des Sozialismus gegenübergestellt wurde).
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
(Beitrag 1701298)
Jeder kollektivistische Ansatz ist stets schlechter als alle anderen?
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Im Hinblick auf Effektivität von Entwicklung und Fortschritt halte ich dies bei Blick auf die Geschichte für sehr wahrscheinlich. Jeder kollektivistische Ansatz grenzt das menschliche Denken ein, und verhindert das, was man "über den Tellerrand schauen" nennt. Wesentliche gesellschaftliche, kulturelle und technische Fortschritte sind nie in stark kollektivistischen Gesellschaften entstanden, sondern immer in Gesellschaften, die (für die jeweilige Zeit) relativ viel Spielraum für Individuen ließen. Nenne es Ideologie, ist auch nicht mehr Ideologie als der feste Glauben am Nutzen der homogenen Gesellschaft, die an einem Strang zieht.