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the grip 29.06.2014 13:01

Wilhelm Busch:
 
Peinlich berührt

Im Dorfe wohnt ein Vetter,
Der gut versichert war
Vor Brand und Hagelwetter
Nun schon im zehnten Jahr.

Doch nie seit dazumalen
Ist ein Malheur passiert,
Und so für nichts zu zahlen,
Hat peinlich ihn berührt.

Jetzt, denkt er, überlasse
Dem Glück ich Feld und Haus.
Ich pfeife auf die Kasse.
Und schleunig trat er aus.

O weh, nach wenig Tagen
Da hieß es: Zapperment!
Der Weizen ist zerschlagen
Und Haus und Scheune brennt.

Ein Narr hat Glück in Masse,
Wer klug, hat selten Schwein.
Und schleunigst in die Kasse
Trat er halt wieder ein.

the grip 01.07.2014 10:17

Erich Kästner:
 
Kleine Rechenaufgabe

Allein ging jedem Alles schief.
Da packte sie die Wut.
Sie bildeten ein Kollektiv
und glaubten, nun sei´s gut.

Sie blinzelten mit viel Geduld
der Zukunft ins Gesicht.
Es blieb, wie‘s war. Was war dran schuld?
Die Rechnung stimmte nicht.

Addiert die Null zehntausend Mal!
Rechnet´s nur gründlich aus!
Multipliziert´s mit jeder Zahl!
Steht Kopf! Es bleibt euch keine Wahl:

Zum Schluß kommt Null heraus.

the grip 03.07.2014 13:20

Christian Morgenstern:
 
Der Sperling und das Känguru

In seinem Zaun das Känguru –
es hockt und guckt dem Sperling zu.

Der Sperling sitzt auf dem Gebäude –
doch ohne sonderliche Freude.

Vielmehr, er fühlt, den Kopf geduckt,
wie ihn das Känguru beguckt.

Der Sperling sträubt den Federflaus –
die Sache ist auch gar zu kraus.

Ihm ist, als ob er kaum noch säße …
Wenn nun das Känguru ihn fräße?!

Doch dieses dreht nach einer Stunde
den Kopf, aus irgend einem Grunde,

vielleicht auch ohne tiefern Sinn,
nach einer andern Richtung hin.

the grip 05.07.2014 11:25

Johann Wolfgang von Goethe:
 
Rettung

Mein Mädchen ward mir ungetreu,
Das machte mich zum Freudenhasser.
Da lief ich an ein fließend Wasser,
Das Wasser lief vor mir vorbei.

Da stand ich nun verzweifelnd, stumm,
Im Kopfe war mirs wie betrunken,
Fast wär ich in den Strom gesunken,
Es ging die Welt mit mir herum.

Auf einmal hört ich was, das rief,
Ich wandte just dahin den Rücken,
Es war ein Stimmchen zum Entzücken:
Nimm dich in acht! der Fluß ist tief.

Da lief mir was durchs ganze Blut,
Ich seh, so ists ein süßes Mädchen;
Ich frage sie: wie heißt du? Käthchen!
O schönes Käthchen, du bist gut.

Du hältst vom Tode mich zurück,
Auf immer dank ich dir mein Leben.
Allein das heißt mir wenig geben,
Nun sei auch meines Lebens Glück.

Und dann klagt ich ihr meine Not;
Sie schlug die Augen lieblich nieder,
Ich küßte sie und sie mich wieder;
Und vor der Hand nichts mehr von Tod.

the grip 08.07.2014 14:24

Franz Hodjak
 
Mythos

Ich musste kotzen, also
lief ich in die nächste
öffentliche Toilette, doch
als ich sah, was für
Ideologien sich an den Wänden
trafen, ist mir das Kotzen
vergangen. Ich
tat es draußen, an einen
Baum gelehnt. Du Schwein,
sagte eine ganz ganz feine
Dame, wir haben ja
öffentliche Toiletten, weißt du
das nicht?

the grip 10.07.2014 17:47

Wilhelm Busch:
 
Wenn alles sitzen bliebe,
Was wir in Haß und Liebe
So voneinander schwatzen;
Wenn Lügen Haare wären,
Wir wären rauh wie Bären
Und hätten keine Glatzen.

benyryder 10.07.2014 19:06

Zitat:

Zitat von the grip (Beitrag 1058864)
Wenn alles sitzen bliebe,
Was wir in Haß und Liebe
So voneinander schwatzen;
Wenn Lügen Haare wären,
Wir wären rauh wie Bären
Und hätten keine Glatzen.

:Blumen:

the grip 13.07.2014 15:03

Christian Morgenstern
 
Der Maler

Ein Maler kühlte sein Gelüst –
und malte in der Apsis Grund
den Teufel wüst wie einen Hund.
Da stieß ihn dieser vom Gerüst.
Doch tiefer unten Maria stand.
Die reichte ihm ganz schnell die Hand
und, daß er stehn kunnt, seinem Fuß
den Schnabel ihres winzigen Schuhs –
und sprach zu dem Erschrocknen: Sieh,
so lohnt die junge Frau Marie
dem Schelm, der heute schier geprahlt,
doch vordem sie so schön gemalt!


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