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Wolf Wondratschek:
Heute,
ich weiß immer noch nicht, was es ist, dieses Gefühl, das Flugzeug da oben und die Reise zu dir Deine Augen, die China gesehen haben, deine Stimme, die im Ernstfall auch ein Motorboot übertönen würde, deine Beine und die Art, wie du sie bewegst. Schönheit muss praktisch sein, das hätte auch einen Mann wie Hemingway ausgeknockt. |
Christian Morgenstern:
Die Luft war einst dem Sterben nah.
"Hilf mir, mein himmlischer Papa", so rief sie mit sehr trübem Blick, "ich werde dumm, ich werde dick; du weißt ja sonst für alles Rat – schick mich auf Reisen, in ein Bad, auch saure Milch wird gern empfohlen; – wenn nicht – laß ich den Teufel holen!" Der Herr, sich scheuend vor Blamage, erfand für sie die – Tonmassage. Es gibt seitdem die Welt, die – schreit. Wobei die Luft famos gedeiht. |
Ludwig Thoma:
Ein Blick ins Damenbad
Nicht all und jedes, meine Beste, Ist reizend, was Ihr Kleid verhehlt. Denn manches, was das Mieder preßte, Wird schwabbelig, wenn dieses fehlt. Ein hübscher Stiefel, schöne Strümpfe Beschwindeln uns oft sonderbar. Man sieht mit Schrecken, daß die Nymphe Gespickt mit Hühneraugen war. Ich spreche nicht von Hinterfronten, Die, ungebührlich aufgebauscht, Uns nur so lang bezaubern konnten, Als schwere Seide sie umrauscht. Das Nackte kann die Tugend stärken, Und vieles reizt uns nur umflort. Ich konnt' es durch die Wand bemerken, Als ich ein Loch hineingebohrt. |
Joachim Ringelnatz:
Der „Gezeichnete“
Ein Bleistift hat mich vergewaltigt, Hat meine Züge vergestaltigt Und hinterlistig auf ein Blatt Papier gebracht. Ich muss gesteh’n, der Bleistift hat An sich die Sache gut gemacht. Wer aber gab ihm die Erlaubnis? Nun weiß ich nicht recht, ob das Raub ist. Gehört die Miene nun dem Blei? Gehört sie mir? – Wie dem auch sei. Die Fratze und der Bleistiftstrich Verhöhnten und versöhnten sich Und zogen darauf Hand in Hand Ganz freundschaftlich ins weite Land. Denn beide sind – das ist der Witz – Im Grunde kein Privatbesitz. |
Heinrich Seidel:
Grausames Schicksal
Für mich der etwas weiss vom Essen, Kann nichts Betrübteres geschehen, Als Andre schlemmen sehn und fressen, Die keine Spur davon verstehn. Ja, düster ist des Schicksals Wille Und kalt vermag es zuzusehn, Wie ein Talent so in der Stille Muss ungenutzt zu Grunde gehen. |
Joachim Ringelnatz:
Freude
Freude soll nimmer schweigen. Freude soll offen sich zeigen. Freude soll lachen, glänzen und singen. Freude soll danken ein Leben lang. Freude soll dir die Seele durchschauern. Freude soll weiterschwingen. Freude soll dauern Ein Leben lang. |
Wilhelm Busch:
Gründer
Geschäftig sind die Menschenkinder, Die große Zunft von kleinen Meistern, Als Mitbegründer, Miterfinder Sich diese Welt zurechtzukleistern. Nur leider kann man sich nicht einen, Wie man das Ding am besten mache. Das Bauen mit belebten Steinen Ist eine höchst verzwickte Sache. Welch ein Gedrängel und Getriebe Von Lieb und Haß bei Nacht und Tage, Und unaufhörlich setzt es Hiebe, Und unaufhörlich tönt die Klage. Gottlob, es gibt auch stille Leute, Die meiden dies Gewühl und hassen's Und bauen auf der andern Seite Sich eine Welt des Unterlassens. |
Ringelnatz:
Pfützen spiegeln das Himmelslicht.
Sie haben ein helles Gesicht. Meide ihre Mulden! Tritt nicht in Lachen. Wenn sie dich dreckig machen, Ist’s dein Verschulden. Pfützen sind Schicksal für manches Getier, Sind aber für Kinder Seligkeiten. Häufig werden sich zwei oder vier Menschen um Pfützen streiten. |
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