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Zitat von StefanW.
(Beitrag 1757125)
Er war aber, gegenüber dem Sohn des Arztes im Dorf, sehr deutlich im Nachteil. Wenn der Bauerssohn 20 Stunden pro Woche jobben muss und der Arztsohn nicht: Wessen erfolgreicher Studienabschluss ist dann wahrscheinlicher?
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Es gab im Dorf gar keinen Arzt vorher. Und jobben mußte keiner, talentierte Schüler bekamen ein Stipendium und Unterkunft im Internat, falls die Eltern das Lehrgeld nicht hatten. Das Prinzip finde ich sogar besser, als einen leistungsunabhängigen Bafög.
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Zitat von qbz
(Beitrag 1757127)
Sorry, mit Einzelfällen (Ausnahmen) kann man doch die damaligen sehr grossen sozialen Klassenbenachteiligungen im Bildungsbereich nicht relativieren oder leugnen. 1930 konnten 4-5 % eines Jahrganges ein Abitur machen, davon nur 5-10 % Mädchen. ---> In der Regel nur männliche Kinder aus wohlhabenden Familien.
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Die Zahlen haben vorwiegend mit dem gesellschaftlichen Bild über Bildung und dessen Wert zu tun, das hat sich ja massiv geändert. Meinem Eindruck nach war das aber in Deutschland schon immer etwas anders, als in Siebenbürgen. Ich habe hier schon Leute kennengelernt, bei denen der Vater beleidigt war, daß der Sohn etwas besseres werden will, als der Vater - für mich unvorstellbar. Dort war es eine stark verbreitete Bestrebung, eines der Kinder zu einer höheren Bildung zu verhelfen, als die Eltern es hatten; die ersten Stipendien und Internatsschulen wurden bereits im 16. Jahrhundert eingerichtet. Natürlich hatten es Reiche etwas leichter, und waren von Haus aus durch die Eltern mehr gefördert, das ist immer noch so und wird wohl so bleiben. Daß heute ganz so viele Abitur machen, ist übrigens kein Zeichen von Bildungsfortschritt, sondern von einer Entwertung des Abiturs.
Im Kommunismus nach 1949 wollte man es besser machen, und hat Quoten für Arbeiter- und Bauernkinder eingeführt. Das war dann völlig unabhängig von der Leistung. Talentierte Schüler aus gebildetem Elternhaus mußten teilweise als Hilfsarbeiter enden, an die Unis kamen teilweise Leute, die gar nicht geeignet waren. Als ich in dem Alter war, kehrte man doch weitgehen zum Prinzip von Aufnahmeprüfungen zurück, da es zuvor offensichtlich ein Irrweg war zu versuchen, alle sozialen Schichten gleich zu beteiligen. Chancen schaffen ist richtig, "Gleichheit" aller sozialer Schichten wird nie erreicht.
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Zitat von Klugschnacker
(Beitrag 1757128)
Es wird auch hier die Legende genährt, der Staat verkomme mehr und mehr zur sozialen Hängematte für Leistungsverweigerer.
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diese Kampfbegriffe habe ich daraus nicht herausgelesen. Tatsache ist, daß die Gesellschaft sich zunehmend in Richtung einer übertriebenen Absicherung aller denkbaren Risiken entwickelt statt die Eigenverantwortung zu stärken (s. Sicherheitsfachkraft-Wesen, Corona, u.ä.), und ein Teil davon ist auch die Erwartung an den Staat, alles Mögliche abzufangen.
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Zitat von Klugschnacker
(Beitrag 1757128)
In den letzten Jahrzehnten haben aber nicht die Sozialtransfers nach unten, sondern die Umverteilung hin zu den Reichen stark zugenommen. Das komplett risikolose Leben findet hinter goldenen Türklinken statt und nicht im Arbeiterviertel.
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Ich sagte nie etwas von komplett risikolos, es geht aber um steigende Erwartungen. Und es fand beides statt. Große Vermögen vermehren sich naturgemäß absolut stärker als kleine, also werden Reiche auch reicher. Der steigende Umfang der Sozialausgaben zeigt aber auch den steigenden Transfer nach unten, auch wenn das Geld oft nicht dort ankommt, wo es am meisten benötigt wird, und allzuviel von überbordender Bürokratie und Staatsapparat sinnlos verbrannt wird. Der Kreis der Bezugsberechtigten wurde auch ausgeweitet, und die Ampel hat versucht, die Motivation zur Eigeninitiative zu reduzieren mit dem Bürgergeld statt Hartz 4 - was offensichtlich jetzt wieder korrigiert wird.