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LidlRacer 28.09.2020 21:07

Ich finde die Doku auf Pro 7 ausgesprochen gut! Läuft immer noch - übrigens völlig ohne Werbung!
Hoffe, dass man die später auch noch online sehen kann ...

LidlRacer 28.09.2020 22:04

Der Macher der Doku Thilo Mischke ist direkt im Anschluss auch noch als Gast bei Late Night Berlin.

merz 28.09.2020 22:46

Gibt es das auch im Internet, ich hab kein lineares TV mehr :)

m.

LidlRacer 28.09.2020 22:58

Zitat:

Zitat von merz (Beitrag 1555177)
Gibt es das auch im Internet, ich hab kein lineares TV mehr :)

Ja, hier:
https://www.prosieben.de/tv/prosiebe...al-ganze-folge

Nur mit Anmeldung, aber kostenlos.

PS: Der Endteil ist wirklich der Hammer!

merz 28.09.2020 23:12

Danke, ist auf der playlist (Spon und Faz haben das beide abgefeiert, muss was dran sein)

m.

LidlRacer 28.09.2020 23:37

Der jetzt im Anschluss laufende Film
American History X
passt auch noch zum Thema, wird mir aber auch zu spät.

Komisch, dass da nicht drauf hingewiesen wurde.

JENS-KLEVE 29.09.2020 07:41

Ich fand die Doku auch super gemacht, insbesondere deswegen, weil der Reporter einen Ansatz vertritt, der mir sehr gefällt. Er machte vor dem Interview klar, dass er nicht zur rechten gehört Szene und begegnet trotzdem allen Menschen erstmal höflich. Er trennt Mensch und Meinung, lässt sie erstmal erzählen und stellt gegen Ende intelligente Fragen, die viele Leute entlarven. Er tut nicht alle dumm ab, wirft nicht alle Leute in einen Topf und fragt überall exakt nach. Wenn es ihm zu krass wird, zieht er einen deutlichen Schlussstrich ohne laut zu werden. Was dabei so alles zu Tage kommt ist schlimm genug, da braucht man auch gar nicht nachzutreten oder etwas hinzudichten. Schön auch die Stelle mit dem Hakenkreuz Merchandise. Das war viel Arbeit und am Ende steht ein gutes Ergebnis.

aequitas 29.09.2020 07:44

Habe bisher nur die erste Hälfte gesehen und war bis dahin eher weniger überzeugt, da der Neuigkeitswert (für mich) relativ gering war und die Gesprächsführung/Fragen teilweise ziemlich naiv waren. Welche Antworten erwartet er denn von Neonazigrößen auf Fragen zum zweiten Weltkrieg? Da wirkte er teilweise sehr stur, naiv und „unvorbereitet“. Werde mir dennoch die zweite Hälfte anschauen. Da die Doku allerdings auf ProSieben lief könnte sie zumindest ein neues Publikum erreichen, die bisher wenig mit diesen Themen konfrontiert waren.

qbz 01.10.2020 09:35

Der verlinkte interessant geschriebene Artikel im Freitag schildert die Skinhead- und Neonaziszene in den 80ziger Jahren sowie den Beginn des Rechtsterrorismus und die rechtsextremen Morde an Ausländern in den 80ziger, verbunden mit persönlichen Erlebnissen der Autorin, welche damals in Gütersloh die Schule besuchte.

aequitas 01.10.2020 11:31

Auch in Berlin wurde ein weiterer Einzelfall unter unzählig weiteren Einzelfällen aufgedeckt: Bei Polizei in Berlin - Rassistische Chatgruppe aufgedeckt

Es wird höchste Zeit, dass eine wissenschaftliche Studie zu rechten Ideologien/Tendenzen in der Polizei durchgeführt. Weiterhin braucht es ein unabhängiges Kontrollgremium, um zukünftig Straftaten o.ä. in der Polizei wirklich aufzuklären.

Dabei geht es nicht darum alle Einzelpersonen in der Polizei zu verumplimpfen oder die Arbeit zu erschweren. Sondern es geht darum eine der wichtigsten Institutionen in einem funktionierenden Rechtsstaat einer demokratischen und unabhängigen Kontrolle zu unterziehen. Es kann nicht sein, dass sich eine Behörde dieser Relevanz nur selbst kontrolliert und der Innenminister wissenschaftliche Studien zu rechten Ideologien verhindert.

noam 01.10.2020 15:06

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1555611)
Auch in Berlin wurde ein weiterer Einzelfall unter unzählig weiteren Einzelfällen aufgedeckt: Bei Polizei in Berlin - Rassistische Chatgruppe aufgedeckt

Mich würden die zitierten Stellen im Kontext interessieren. So liest sich das ganze sehr dramatisch und den Kollegen sollte man gehörig auf die Füße treten.


Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1555611)
Es wird höchste Zeit, dass eine wissenschaftliche Studie zu rechten Ideologien/Tendenzen in der Polizei durchgeführt. Weiterhin braucht es ein unabhängiges Kontrollgremium, um zukünftig Straftaten o.ä. in der Polizei wirklich aufzuklären.

Politische Einstellung ist ja nun noch nicht strafbar und diese wird sicher eher durch persönliche Erfahrungen und das persönliche Umfeld geprägt, als durch Fingerzeigen. Dass es in der Polizei einen großen Anteil von Menschen gibt, die mit der Politik hinsichtlich Kriminalität, Migration sowie Strafverfolgung und -durchsetzung absolut unzufrieden sind, ist kein Geheimnis und für viele Menschen abseits des Linken Spektrums absolut nachzuvollziehen. Denn in letzter Konsequent ist es die Politik, die die Rahmenbedingungen schafft, die meine Arbeitssicherheit gewährleistet. Diese Rahmenbedingungen beginnen bei meiner individuellen Ausbildung und Ausrüstung und enden nicht zuletzt bei der Personalstärke in den Gerichten und Vollzugsanstalten um die von mir festgestellten Vergehen zu sanktionieren.

Dass man dabei die Grenze zwischen konservativ und rechtsradikal im Sinne der FDGO strikt ziehen muss, ist selbstverständlich, aber im Einzelfall durchaus schwierig.


Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1555611)
Dabei geht es nicht darum alle Einzelpersonen in der Polizei zu verumplimpfen oder die Arbeit zu erschweren. Sondern es geht darum eine der wichtigsten Institutionen in einem funktionierenden Rechtsstaat einer demokratischen und unabhängigen Kontrolle zu unterziehen. Es kann nicht sein, dass sich eine Behörde dieser Relevanz nur selbst kontrolliert und der Innenminister wissenschaftliche Studien zu rechten Ideologien verhindert.

Das Problem bei solchen Studien ist, wie bei fast allen Studien, dass der Auftraggeber bestimmt, was im Fazit steht und das Fazit dann von der Gegenseite berechtigterweise angezweifelt wird.



Es ist wohl deutlich schwieriger als einfach einen Onlinefragebogen "Bist du Nazi, kreuze an" ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen.

aequitas 01.10.2020 15:22

Zitat:

Zitat von noam (Beitrag 1555674)
Es ist wohl deutlich schwieriger als einfach einen Onlinefragebogen "Bist du Nazi, kreuze an" ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen.

Also alles sinnlos? Was die vielen Einzelfälle (nicht nur Chatprotokolle) zeigen, ist, dass es einer solchen Studie benötigt. Das Ergebnis ist selbstverständlich offen und hängt nicht nur vom Auftraggeber ab. Es muss ja nicht Singelnstein von der RUB sein, sondern es gibt durchaus andere fähige Wissenschaftler auf diesem Gebiet wie bspw. Behr.

Deine Rechtfertigungen für rechte Einstellungen mal außen vorgelassen, ist es doch relativ offensichtlich, dass die Polizei nicht lediglich ein reines Abbild der Gesellschaft ist, sondern hauptsächlich weiß und männlich ist. Darüber hinaus zieht ein solches Berufsfeld auch eher einen bestimmten Typus Mensch an. Allein diese Faktoren deuten daraufhin, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass es unter der Polizei unabhängig deiner Rechtfertigungen sicherlich einen größeren Anteil von Polizisten mit rechten Einstellungen gibt. Solche Einstellungen sind nicht direkt strafbar, können jedoch unter Umständen die Arbeit beeinflussen. Deshalb braucht es dafür wissenschaftliche Studien und unabhängige Kontrollbehörden. Egal welches Ergebnis am Ende steht.

Estebban 01.10.2020 15:40

Was ich einfach nicht begreife - jeder, absolut jeder normale Polizist muss doch wollen, dass hier nicht der Eindruck entsteht dass entweder a) wirklich ein latenter rassismus und rechte Einstellungen in weiten Teilen der Polizei herrschen oder b) eine Art Omerta herrscht „nichts sehen, nichts sagen“

Damit ich als „guter Apfel“ verhindere, dass zu viele „schlechte Äpfel“ den ganzen Korb versauen muss ich doch wollen, dass da mal jemand aufräumt und die ganze sche***e rausschmeißt? Ganz offensichtlich funktioniert die eigenkontrolle nicht, der Verfassungsschutz mag vllt auf dem linken und dem islamisten-Auge topfit sein, auf dem rechten ist er spätestens seit HGM vollkommen blind / inkompetent bis selber involviert.

Ich habe noch kein einziges sinnvolles Argument dagegen gehört, dass gegen eine externe Untersuchung spricht - und diese Kontrolle muss direkt dem Parlament zugeordnet sein.
Es geht hier nicht um irgendeine Behörde bei der was schief läuft, es geht hier um das Gewaltmonopol des Staates - das lässt sich nicht allein durch Gesetze festlegen, das baut auch auf das Vertrauen des Volkes darauf, dass hier sauber gearbeitet wird. Bei täglichen Meldungen von Einzelfällen bröckelt dieses Vertrauen weiter und weiter.

Schwarzfahrer 01.10.2020 16:59

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1555680)
Also alles sinnlos? Was die vielen Einzelfälle (nicht nur Chatprotokolle) zeigen, ist, dass es einer solchen Studie benötigt.

Für mich zeigen diese Einzelfälle, daß ggf. nicht konsequent genug gegen Strafbares vorgegangen wird - in entsprechenden Einzelfällen. Ein Grund für eine Studie, die den ganzen Berufsstand überprüft, sehe ich nicht. Das klingt für mich zu sehr nach Generalverdacht.
Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1555680)
Das Ergebnis ist selbstverständlich offen und hängt nicht nur vom Auftraggeber ab.

Das glaubst Du nicht wirklich? Jeder Auftraggeber sucht sich schon mal Experten, von denen er eine Einschätzung in seinem Sinne erwarten kann. Es gibt keine objektive höhere Gewalt, die sowas ohne Eigeninteressen durchführen könnte.
Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1555680)
Deine Rechtfertigungen für rechte Einstellungen mal außen vorgelassen, ist es doch relativ offensichtlich, dass die Polizei nicht lediglich ein reines Abbild der Gesellschaft ist, sondern hauptsächlich weiß und männlich ist. Darüber hinaus zieht ein solches Berufsfeld auch eher einen bestimmten Typus Mensch an.

Natürlich; das gilt für die meisten Berufe. Was bei der Polizei hinzukommt, dürfte eine gewisse Entwicklung sein, die sich aus Berufserfahrungen ergeben kann. Wer Erfolge seiner Arbeit (z.B. in sinkender Kriminalität, höhere Verkehrssicherheit, ...) sieht, entwickelt sich sicher anders, als solche, die frustriert werden, wenn ihre Arbeit wenig fruchtet, und sie sich täglich wiederholt mit den gleichen Problemen konfrontiert sehen aus Gründen, die ausserhalb ihres Wirkungskreises liegen (Justiz, Politik). Nur mit diesen Aspekten wird das Bild komplett, warum
Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1555680)
... es nicht unwahrscheinlich ist, dass es unter der Polizei unabhängig ...sicherlich einen größeren Anteil von Polizisten mit rechten Einstellungen gibt.

Entscheidend ist aber, daß :
Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1555680)
Solche Einstellungen sind nicht direkt strafbar, können jedoch unter Umständen die Arbeit beeinflussen.

Genauso wenig, wie linke Einstellungen, die die Arbeit genauso (negativ und positiv) beeinflussen können.

Estebban 01.10.2020 17:04

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1555702)
Für mich zeigen diese Einzelfälle, daß ggf. nicht konsequent genug gegen Strafbares vorgegangen wird - in entsprechenden Einzelfällen. Ein Grund für eine Studie, die den ganzen Berufsstand überprüft, sehe ich nicht. Das klingt für mich zu sehr nach Generalverdacht.

Der Generalverdacht entsteht, wenn in einem Berufsstand Einzelfall nach Einzelfall ans Licht kommt, dieser Berufsstand sich aber immer weiter dagegen wehrt, dies extern untersuchen zu lassen.
Aber der oberste Dienstherr schreitet sofort ein, wenn eine Kolumne nicht passt...

aequitas 01.10.2020 17:09

Zitat:

Zitat von Schwarzfahrer (Beitrag 1555702)
Für mich zeigen diese Einzelfälle, daß ggf. nicht konsequent genug gegen Strafbares vorgegangen wird - in entsprechenden Einzelfällen. Ein Grund für eine Studie, die den ganzen Berufsstand überprüft, sehe ich nicht. Das klingt für mich zu sehr nach Generalverdacht.

[...]

Genauso wenig, wie linke Einstellungen, die die Arbeit genauso (negativ und positiv) beeinflussen können.

Es geht doch nicht darum einen Berufsstand zur verumglimpfen. Sondern es geht darum zu untersuchten inwiefern verfassungsfeindliche, rassistische und andere problematische rechte Positionen vertreten sind, die unsere Verfassung und Gesellschaft gefährden. Da wäre ich gerne auf der sicheren Seite, was unsere Polizei angeht. Ob links oder rechts, ist mir dabei vollkommen egal. Aber nach Drohmails von Polizeiservern, mehreren Chatgruppen, rassistischer Gewalt von Polizisten etc. muss untersucht werden, inwiefern diese Einstellungen vorliegen, weshalb sie so verbreitet sind, wieso darüber geschwiegen wird etc. Wenn das Gegenteil rauskommt: toll, ich freue mich!

Außerdem: die Polizei ist nicht einfach irgendein Berufsstand, sondern ein essentieller Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaats. Da sollte sichergestellt werden, dass dort solche Einzelfälle nicht vermehrt auftreten und weitere Konsequenzen nach sich ziehen.

qbz 01.10.2020 17:18

@Schwarzfahrer:
Schau Dir bitte mal die Empfehlungen an, welche der zentrale parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den NSU-Verbrechen und zum Versagen der Staatsorgane (Verfassungsschutz, Polizei, Justiz) aufstellte:

Ergebnisse und Empfehlungen des Untersuchungsausschusses

Leider verläuft die Umsetzung einiger genannter Punkte sehr schleppend und zögerlich.

LidlRacer 01.10.2020 17:19

Zitat:

Zitat von aequitas (Beitrag 1555611)
Es wird höchste Zeit, dass eine wissenschaftliche Studie zu rechten Ideologien/Tendenzen in der Polizei durchgeführt.

Falls da brauchbare Ergebnisse zu erwarten sind, wäre ich stark dafür.
Aber mir fehlt ein wenig die Phantasie, wie so eine Studie aussehen könnte/sollte.
Es wird ja wohl keine verdeckten Ermittlungen, Durchsuchungen, Abhörmaßnahmen o.ä. geben.
Was bleibt? Anonyme Fragebögen? Direkte Befragungen?
Warum sollten da Rechsextremisten richtige Angaben machen? Sind die zu blöd zum Lügen?

qbz 01.10.2020 17:25

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1555709)
Falls da brauchbare Ergebnisse zu erwarten sind, wäre ich stak dafür.
Aber mir fehlt ein wenig die Phantasie, wie so eine Studie aussehen könnte/sollte.
Es wird ja wohl keine verdeckten Ermittlungen, Durchsuchungen, Abhörmaßnahmen o.ä. geben.
Was bleibt? Anonyme Fragebögen? Direkte Befragungen?
Warum sollten da Rechsextremisten richtige Angaben machen? Sind die zu blöd zum Lügen?

Zunächst reicht z.B. ein ausführliches Studium einschlägiger Akten einschliesslich der Beschwerden der Bürger und Beamten. Da gibt es eine ganze Menge an Vorgängen, die nie öffentlich werden, aber dokumentiert sind und ausgewertet werden könnten. Weshalb sollen das erst die Historiker tun? :)

JENS-KLEVE 01.10.2020 20:18

Wir müssen genauer abgrenzen worüber wir reden. Die Politik hat Hausaufgaben zu erledigen und die Polizei auch.
Wenn Polizisten in größerer Menge aufgrund von Berufserfahrungen im Laufe ihrer Dienstjahre trotz vorurteilsfreier Ausgangslage eine Ausländerfeindlichkeit gegen bestimmte Gruppierungen entwickelt, ist dies nicht nur die Folge, sondern die Schuld der Politik. Trotzdem erwartet man dann professionelles Auftreten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der rumänische Kleintransporter mit 8 Kindern neben der Kölner Domplatte keine Ferienmasnahme Darstellt. Die Polizisten, die ich kenne bleiben trotz Gewisser Verbitterung, geduldig und höflich.

Wofür ich überhaupt überhaupt kein Verständnis aufbringen kann, wenn es um Verherrlichung der Nazizeit geht, Hitlerbildchen getauscht werden, rassistische Witze getauscht werden oder Judenhass geschürt wird. Gleiches gilt natürlich für politisch/extremistische Tendenzen wie Bedrohungen, Munition horten und politische Arbeit in rechtsextremer Richtung. In diesem Bereich muss die Polizei selbst ihre Bude sauber halten.

noam 02.10.2020 23:10

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1555709)
Falls da brauchbare Ergebnisse zu erwarten sind, wäre ich stark dafür.
Aber mir fehlt ein wenig die Phantasie, wie so eine Studie aussehen könnte/sollte.
Es wird ja wohl keine verdeckten Ermittlungen, Durchsuchungen, Abhörmaßnahmen o.ä. geben.
Was bleibt? Anonyme Fragebögen? Direkte Befragungen?
Warum sollten da Rechsextremisten richtige Angaben machen? Sind die zu blöd zum Lügen?

Eben. Wie soll man denn die innere Einstellung von einzelnen Beamten offen und direkt erfassen und auswerten. Polizisten sind ja nicht ganz blöd und wittern Überprüfung 200km gegen den Wind und sind die misstrauischsten Menschen, die ich kenne. Gerade weil das tägliche Arbeiten und die eigene körperliche Unversehrtheit zu einem erheblichen Teil davon abhängt das Gegenüber einzuschätzen, bewerten und entsprechend zu handeln. Platt gesagt: Sollte es Dienstschichten geben, die sich zu Dienstbeginn mit dem Horst Wessel Lied und einem dreifachen S**g H**l auf die Schicht einstimmen, werden sie dies wohl kaum tun, wenn externe dabei sein sollten.

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1555712)
Zunächst reicht z.B. ein ausführliches Studium einschlägiger Akten einschliesslich der Beschwerden der Bürger und Beamten. Da gibt es eine ganze Menge an Vorgängen, die nie öffentlich werden, aber dokumentiert sind und ausgewertet werden könnten. Weshalb sollen das erst die Historiker tun? :)

Nein das reicht eben nicht. Welche Beschwerden sollen denn da bewertet werden? Ich kann dir aus meiner Diensterfahrung sagen, dass Beschwerden zu einem großen Teil vom gleichen Klientel kommen. Nämlich dem Ziel begründeter rechtmäßiger polizeilicher Maßnahmen. Insbesondere der Nazivorwurf ist im arabischen / türkischen Bereich schnell geäußert, sobald man gegen Menschen aus diesem Kulturkreis vorgehen muss. Nun treffe ich eine rechtmäßige Maßnahme (zB eine absolute polizeiliche Standardmaßnahme wie die Wegweisung aus der eigenen Wohnung nach häuslicher Gewalt) und muss diese dann mit Zwang durchsetzen. Das Ziel der Maßnahme fühlt sich natürlich völlig ungerecht behandelt und reduziert sein Schuldbewusstsein auf seinen Migrationshintergrund. Dieser dackelt nun zu meinem Chef und sagt, dass der noam n oller Nazi ist, weil er mich ja so ungerecht behandelt hat und das bestimmt nur gemacht hat, weil ich schwarze Haare hab. Mein Chef wird ihm passend erklären, dass die Wegweisung nach einer Körperverletzung im Rahmen einer häuslichen Gewalt eine polizeiliche Standarmaßnahme ist und er beim zuständigen Verwaltungsgericht dagegen vorgehen könne. Bin ich für deine Statistik nun Nazi oder nicht? Ergo könnte man nur Beschwerden nehmen, die zu disziplinarrechtlichen Maßnahmen geführt haben, was von der anderen Seite dann wieder als unzureichend betrachtet werden würde, weil die Polizei ja intern alles unter den Tisch kehrt.

Kleiner Exkurs; ein wahrer Fall:
Kollegin und ich kontrollieren im Dunkeln auf einem Parkplatz an einer Bundesstraße einen PKW. Auf der Bundesstraße ist dort 50. Da hämmert als wir gerade die Kontrolle beenden ein weißer A6 mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit (wir waren uns einig dass es mindestens 120 bis 130 km/h gewesen sein müssten) an uns vorbei. Wir also hinterher in dem Wissen dass gleich 3 Ampeln kommen die zu 90% immer rot sind und in der Hoffnung, dass es den Audifahrer interessiert. Wir haben ihn dann anhalten können und haben die Kontrolle auf einem Tankstellengelände durchgeführt, die Kollegin tritt an das Fahrerfenster heran. Der Fahrzeugführer springt aus dem Auto und brüllt die Kollegin an, dass wir ihn ja nur angehalten hätten, weil er Türke wäre. Wir konnten ihn dann unter Androhung entsprechender Folgemaßnahmen so beruhigen, dass eine Verkehrskontrolle durchgeführt werden konnte und sind danach dann wieder auseinandergegangen. zwei Tage später saßen die Kollegin und ich beim Chef, weil sich eben genau dieser Mensch über uns beschwert hat, im festen Glauben, dass wir ihn ja nur für die Kontrolle ausgesucht hätten weil er Türke wäre. Dass er bei vorgeschriebenen 50 mit weit über 100 unterwegs war, kann ja kein Grund gewesen sein. Und wer aufmerksam gelesen hat und schon mal versucht hat im Dunkeln zu erkennen, wer in vorbeifahrenden Fahrzeugen sitzt, wird auch festgestellt haben, dass es nahezu unmöglich ist allein das Geschlecht, geschweige denn die Ethnie oder sonstwas festzustellen. Im besten Fall sieht man überhaupt, dass da jemand im Fahrzeug sitzt. Sind wir für deine statistische Auswertung Nazis? Alles nicht so einfach.

Ich meine, wir sprechen hier ja nun nicht von Kleinigkeiten, sondern sollte sich der Vorwurf gegen jemanden erhärten nicht auf dem Boden der FDGO zu stehen, gehört diese Person ohne Frage aus dem Dienst entfernt.

Aber wenn man sich einmal anschaut, welchen Aufwand zB die DDR mit ihrer Staatssicherheit betreiben musste, um Staatsfeinde aufzuspüren, so glaube ich nicht dass es erheblich weniger aufwändig sein soll, die Gesinnung von Polizeibeamten wissenschaftlich belastbar festzustellen.

Ich würde mich gegen so eine Untersuchung auch nicht sträuben, da ich und mein kollegiales Umfeld da nichts zu befürchten haben. Aber vielleicht habe ich bislang auch nur auf Ausnahmedienststellen Dienst versehen. Auch verwundert mich es, dass diese Meldungen zur Zeit vermehrt aufploppen. Ich meine WhatsApp gibt es nun wie lange? Hätte da nicht schon viel früher und immer wieder etwas an die Öffentlichkeit gelangen müssen, wenn so etwas immanent wäre? In Berlin soll es jetzt jawohl so etwas wie eine Schichtgruppe gewesen sein, die über viele viele Jahre bestanden haben soll. Wenn ich mir so unsere Gruppen anschaue, ist dort eine viel zu große Fluktuation an Leuten, als dass jemand der klar bei Verstand ist offen rechtsradikale Positionen vertritt, die mit der FDGO nicht vereinbar wären. Natürlich kommt es da neben Essenbestellungen und anderen Verabredungen regelmäßig zu Frotzeleien untereinander und manchmal werden belastende Einsätze zynisch kommentiert. Auch gibt es hin und wieder Witze, die auch unter Kollegen zu Kopfschütteln führen, aber so blöd kann man doch gar nicht sein, dass man in so einer Gruppe Dinge äußert, die zu einem Entfernen aus dem Dienst führen würden. Aber gut. In Berlin werden ja auch Mitglieder von in der organisierten Kriminalität verbandelten Clans eingestellt. Vielleicht ticken die Uhren dort anders.

Zitat:

Zitat von JENS-KLEVE (Beitrag 1555748)
Wofür ich überhaupt überhaupt kein Verständnis aufbringen kann, wenn es um Verherrlichung der Nazizeit geht, Hitlerbildchen getauscht werden, rassistische Witze getauscht werden oder Judenhass geschürt wird. Gleiches gilt natürlich für politisch/extremistische Tendenzen wie Bedrohungen, Munition horten und politische Arbeit in rechtsextremer Richtung. In diesem Bereich muss die Polizei selbst ihre Bude sauber halten.

Genauso sehe ich das auch. Und genau darum würden mich die in den Medien angeprangerten Inhalte im Original und im Kontext interessieren. Und es gibt eben Bilder, die massenhaft leichtfertig durch alle möglichen Menschen geteilt werden, die für mein Empfinden als rassistisch einzustufen sind. Viele von euch werden zB Dieses Bild auf verschiedenen Medien im Zeitraum 2015/16 schon mal bekommen / gesehen haben. Sind alle die dieses Bild meist ohne groß nachzudenken geteilt haben Nazis? Oder vielleicht doch einfach leichtfertig und haben im Zuge der Flüchtlingskrise und dem Vorwurf der Zuwanderung in die "soziale Hängematte" dieses Bild als satirische Hyperbel verstanden?

Zitat:

Zitat von Estebban (Beitrag 1555685)
Was ich einfach nicht begreife - jeder, absolut jeder normale Polizist muss doch wollen, dass hier nicht der Eindruck entsteht dass entweder a) wirklich ein latenter rassismus und rechte Einstellungen in weiten Teilen der Polizei herrschen oder b) eine Art Omerta herrscht „nichts sehen, nichts sagen“

Natürlich haben alle guten Äpfel ein Interesse daran die schlechten Äpfel auszusortieren. Spätenstens dann wenn es zu den Beurteilungen kommt, werden die Ellbogen ausgefahren und unbequeme Kollegen schon mal beim Chef angeschwärzt. Und du kannst mir glauben, dass da vieles Vorgetragen wird um sich selber besser darzustellen. Eine rechtsradikale Einstellung eines in der selben Bezugsgruppe befindlichen Kollegen, wäre da ein gefundenes Fressen. Da ist vom außerhalb der Polizei herbeigeredeten Korpsgeist nichts zu spüren.

Nur haben bei der Polizei spätestens nach der tollen Arbeit der Ruhr-Universität Bochum (RUB) von Prof. Dr. Tobias Singelnstein zur Polizeigewalt die wenigsten ein Vertrauen in eine ehrliche Aufarbeitung. Das muss man sich mal vorstellen, da wird das überwiegende Einstellen von Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt wegen fehlender Tatbestandsmäßigkeit oder vorliegender Rechtfertigungsgründe als Beleg gewertet, dass es eine Kumpanei zwischen den Staatsanwaltschaften und der Polizei in diesem Fall gebe. Es wird überhaupt nicht in Betracht gezogen, dass die Staatsanwaltschaften richtig arbeiten und die zur Anzeige gebrachten Straftaten tatsächlich haltlos waren. Vor allem sind das die selben, die auf der anderen Seite die polizeiliche Kriminalstatistik kritisieren, da diese ja nur Tatverdächtige erhebt und auswertet, welche dann im anschließenden Prozess durchaus freigesprochen werden können, einen Strafbefehl (gilt dann auch als nicht verurteilt) erhalten können oder das diese Verfahren aus verschiedenen Gründen eingestellt werden können, obwohl die Täterschaft eben nicht widerlegt ist. Mein Lieblingseinstellungsgrund ist hier der §154 StPO der Mengenrabatt bei Intensivtätern.

qbz 04.10.2020 09:41

Zitat:

Zitat von noam (Beitrag 1556015)
......
Nein das reicht eben nicht. Welche Beschwerden sollen denn da bewertet werden?
....

Danke Noam für Deine umfangreichen Schilderungen aus Deiner Perspektive und der Deines Berufes. Ich weiss nicht, wie diejenigen, welche eine Studie vorschlagen, sich diese vorstellen. Ich habe auf die Schnelle das Studium einschlägiger Akten und Beschwerden einfach als Beispiel genannt als Antwort auf Lidlracer, der meinte, mit Umfragen etc. würde man bei einer Studie wenig erreichen. Ich dachte da z.B. auch an die Behandlung von Beschwerden durch Kollegen. Wenn z.B. ein Polizei-Vorgesetzter, wie berichtet wurde, infolge einer internen Info / Beschwerde auf eine rechtsextreme Berliner Polizei-Chat-Gruppe damit reagierte, dass er den Polizisten eine Mail verschickte mit der Aufforderung, keine strafbaren Inhalte in der Chatgruppe zu posten, kam er damit seiner Beamten-Vorgesetzten-Pflicht zwar nach, tat aber vermutlich zu wenig an Abklärung der Vorgänge rund um diese Chatgruppe sowie an präventiver Aufklärung wie interne Schulung, Fortbildung etc. Desweiteren würde eine Studie halt einen detaillierten Überblick für die Öffentlichkeit geben können, anhand der Akten, in welchem Umfang und vor allem wie die Polizei intern mit dem Problem rechtsextremer Gesinnungen von Polizeibeamten befasst war (in Nordrhein-Westfalen sollen es seit 2017 101 Einzelfälle gewesen sein) und ob die Führungsebenen aus den bekannt gewordenen Einzelfällen Massnahmen einleitete (ausser der (selbstverständlichen) Befolgung der dienstrechtlichen Vorschriften bei den jeweiligen Einzelfällen) und wenn ja, welche. Eine Studie könnte ebenso Empfehlungen begründet ableiten.

Z.B. stellt sich doch bei Einzelfällen wie diesem, wo ein Fotograf zu Unrecht von Polizisten sogar noch vor Gericht im Zeugenstand falsch beschuldigt wurde die Frage, ob das allein dienstrechtlich weiter behandelt wurde, oder ob die Leitung prüfen liess, ob es noch ähnliche Vorfälle gegeben haben könnte, wo halt nicht gerade zufällig ein Video eingeschaltet war, und gegebenenfalls mit Massnahmen darauf reagierte. Es gibt neben den ungerechtfertigten Bürger-Beschwerden leider durchaus auch berechtigte.

Ausserdem würde ich erwarten, dass zum Team einer solchen Studie auch Leute gehören, welche einschlägige berufliche Erfahrungen aus dem Polizeibereich aufweisen.

Was den politischen Hintergrund betrifft, kommt mir halt der Gedanke, dass heute, wo rechtsextremes Gedankengut wieder in der Öffentlichkeit und in Parlamenten durch Teile der AFD-Mitglieder mehr präsent ist, sich auch zum Rechtsextremismus tendierende Polizeibeamte eher trauen, solches Gedankengut ausserhalb eines Stammtisches einschlägiger Kneipen zu äussern.

noam 04.10.2020 16:11

Ich glaube tatsächlich, dass die Mehrheit aller Polizisten eine ehrliche Studie zum Thema Rassismus nicht ablehnt.

Allein der Zweifel an der Ehrlichkeit der Studie wird den aktuellen Gegenwind produzieren, vor allem wenn man den Vergleich zu der "Studie" bzgl. Polizeigewalt zieht, wo anonyme, nicht überprüfbare, online ausgefüllte Fragebögen zu Fakten erklärt werden. Bin ich Ziel einer polizeilichen Maßnahme die aufgrund meines Verhaltens mit Zwang durchgesetzt wurde, bin ich eben kein Opfer von Polizeigewalt. Leider wird dies allzuoft unter den Tisch gekehrt. Genauso verhält es sich mit dem Rassismusvorwurf. Wo fängt der Rassismus an? Wann bin ich Rassist? Verhaltensbiologisch sind wir sicherlich alle Rassisten, da es dem Menschen in die Wiege gelegt ist, intuitiv fremdes anders zu behandeln als vertrautes. Moralisch fängt für mich der Rassismus, dann an, wenn ich nicht mehr in der Lage oder sogar Willens bin, dem Fremden eine faire Chance zu geben zu Vertrautem zu werden. Aber hier ist es halt schwierig. Ich kann durchaus Dinge, Lebensweisen, Weltanschauungen persönlich ablehnen, aber dennoch professionell tolerant sein. Nichts anderes beweist die Polizei doch regelmäßig beim Schützen von Versammlungen, Demonstrationen von noch so ablehnenswerten Weltanschauungen.


Sicher wird es rechtsradikale Kollegen geben. Ich habe bislang zwei kennengelernt. Beide sind recht zügig aus dem Dienst entfernt worden.

Sicherlich wird es Kollegen geben, die aufgrund ihrer Erfahrungen ein erhöhtes Misstrauen gegen bestimmte Gruppen hegen. Kenne ich auch. Zumeist richtet sich dieses Misstrauen, dann aber nicht gegen eine ganze Ethnie oder Volksgruppe, sondern zB gegen eine regionale soziale Gruppe (Familie; Wohngegend; andere Soziale Zusammenhänge) aus der immer wieder verschiedene Personen auffällig werden. Kann dann eben schnell mit Rassismus verwechselt werden und der Übergang ist sicher fließend.

LidlRacer 09.10.2020 18:15

Unsere allseits beliebte rechtsradikale Arschlochpartei mal wieder:

Bundestag [ohne die AfD] stimmt für neues NS-Dokumentationszentrum

Der Gedenkort in Berlin soll vor allem das Leid durch die deutsche Besatzungsherrschaft während des Zweiten Weltkriegs aufarbeiten. Die AfD spricht von "Erinnerungswahn"

noam 09.10.2020 20:49


Zitat:

"Die Bundesrepublik braucht einen Ort des Gedenkens, der Erinnerung, Information und des Dialogs über den deutschen Vernichtungskrieg, die deutsche Besatzungsherrschaft und die bisher weniger beachteten Opfergruppen", heißt es in dem Antrag.
Da darf und sollte man schon die Frage stellen, warum gerade ein neuer Ort so wichtig ist. Wäre es nicht sinnvoller tatsächlich historische Orte als Gedenkstätten zu fördern, anstatt sie sehr begrenzten kommunalen Mitteln sich selbst und oftmals dem Verfall zu überlassen?

Ich will die AFD gar nicht in Schutz nehmen und Erinnerungswahn ist sicherlich ein völlig unangebrachter Begriff, wenn es um den Nationalsozialismus geht, dennoch glaube ich, dass es insbesondere im Hinblick auf politische Bildung und Erinnerung wie auch Prävention besser wäre, die tatsächlichen Orte des Schreckens in all ihrer Ehrlichkeit zu erhalten und eine regionale Aufarbeitung zu fördern, denn wir haben sehr viel mehr Arbeitslager und Gedenkstätten als die Bekannten klassischen Klassenfahrtsziele, die insbesondere in der regionalen Geschichte von Bedeutung sein sollten und mehr ins Bewusstsein gerückt werden sollten.

Wenn ich daran denke welchen Eindruck Auschwitz aber auch das Foltergefängnis S21 und die Killingfields in Pnom Phen bei mir hinterlassen haben, muss ich immernoch schlucken. Ich glaube nicht, dass ein modernes Museum ein vergleichbaren Eindruck schaffen kann.

Gleichermaßen ist die Forderung nach einem Denkmal für Soldaten unangebracht. So heroisch sie im Einzelfall gekämpft haben mögen, so abscheulich ist der Grund, die Motivation und das Ziel des Kampfes gewesen. Letztes überwiegt für mich so stark dass man dem einzelnen Menschen im Privaten gedenken kann, aber ein öffentliches Interesse am Gedenken sollte nicht bestehen.

Estebban 09.10.2020 20:59

Zitat:

Zitat von noam (Beitrag 1557152)
Da darf und sollte man schon die Frage stellen, warum gerade ein neuer Ort so wichtig ist. Wäre es nicht sinnvoller tatsächlich historische Orte als Gedenkstätten zu fördern, anstatt sie sehr begrenzten kommunalen Mitteln sich selbst und oftmals dem Verfall zu überlassen?

Ich will die AFD gar nicht in Schutz nehmen und Erinnerungswahn ist sicherlich ein völlig unangebrachter Begriff, wenn es um den Nationalsozialismus geht, dennoch glaube ich, dass es insbesondere im Hinblick auf politische Bildung und Erinnerung wie auch Prävention besser wäre, die tatsächlichen Orte des Schreckens in all ihrer Ehrlichkeit zu erhalten und eine regionale Aufarbeitung zu fördern, denn wir haben sehr viel mehr Arbeitslager und Gedenkstätten als die Bekannten klassischen Klassenfahrtsziele, die insbesondere in der regionalen Geschichte von Bedeutung sein sollten und mehr ins Bewusstsein gerückt werden sollten.

Wenn ich daran denke welchen Eindruck Auschwitz aber auch das Foltergefängnis S21 und die Killingfields in Pnom Phen bei mir hinterlassen haben, muss ich immernoch schlucken. Ich glaube nicht, dass ein modernes Museum ein vergleichbaren Eindruck schaffen kann.

Gleichermaßen ist die Forderung nach einem Denkmal für Soldaten unangebracht. So heroisch sie im Einzelfall gekämpft haben mögen, so abscheulich ist der Grund, die Motivation und das Ziel des Kampfes gewesen. Letztes überwiegt für mich so stark dass man dem einzelnen Menschen im Privaten gedenken kann, aber ein öffentliches Interesse am Gedenken sollte nicht bestehen.


Da hast du sicher recht. Gerade im kleinen in fast jeder kleinen Ecke Deutschlands gibt es ja Dinge derer es sich zu erinnern lohnt. So schrecklich ich auschwitz finde - so abstrakt und weit weg ist es doch gerade für Schüler. Ja da irgendwo in Polen, das war schon irgendwie scheisse - aber das spielt natürlich auch dem Mythos in die Hände das ja alle unsere Großeltern irgendwie im Widerstand waren.
Die Stolpersteine als Beispiel finde ich das großartigste Denkmal - in jedem noch so kleinen Ort, irgendwo lebten Juden, Sinti, Roma, homosexuelle, Gewerkschafter, Behinderte oder sonst wie unliebsame, die vernichtet, abgeschlachtet, getötet wurden.

Aber um zum Kern zurück zu kehren - das war sicher nicht der Gedanke der AfD ;)

Cogi Tatum 10.10.2020 07:01

Zitat:

Zitat von noam (Beitrag 1557152)
Da darf und sollte man schon die Frage stellen, warum gerade ein neuer Ort so wichtig ist...

Natürlich darf man fragen. Kein Zweifel!
Die Frage ist, ob man fragen muss wenn, abgesehen von den rechtsextremistischen AfD alle Parteien dem Antrag zugestimmt haben? Da scheint es diesbezüglich doch einen ungewohnt breiten Konsens unter den Vertretern des Volkes (auch von deinem Vertreter falls Du gewählt hast) zu geben.

Die Antwort auf die legitime Frage "...warum gerade ein neuer Ort so wichtig ist..." ergibt sich u. a. aus dem Antrag dem auf so breiter Basis zugestimmt wurde.

Im Antrag (Drucksache 19/23126 - auffindbar in <1 Minute) finden sich Hinweise auf das "warum?":

Es geht dabei ... um die vergleichende, europäische Perspektive, welche die Gemeinsamkeiten deutscher Okkupation in Europa herausstellen und auf die rassistisch motivierten Unterschiede bei der Behandlung der Zivilbevölkerung, der Kriegsgefangenen und der Zwangsarbeiter aufmerksam machen würde. Dadurch würde der Charakter des Vernichtungskrieges im Osten und auch im Südosten deutlich. Neben den bekannten Kriegsverbrechen – von Oradour sur Glane über Marzabotto und Kalavrita bis Chatyn und Baby Jar – sind viele in der deutschen Erinnerungskultur bisher namenlos geblieben. Nur in einer Zusammenschau, die nicht relativiert, sondern Bezüge setzt, kann sich dies ändern.


Ein weiterer Satz im Antrag:
Es soll durch den Standort keine Konkurrenz zu bestehenden Gedenkeinrichtungen erzeugt werden.


Auch die Medien bieten in ihrer Berichterstattung über die Abstimmung Antworten auf das "warum": https://www.sueddeutsche.de/politik/...trum-1.5060931

Helios 10.10.2020 07:44

Zitat:

Zitat von noam (Beitrag 1557152)
...........
Gleichermaßen ist die Forderung nach einem Denkmal für Soldaten unangebracht.
............

an kreta's Südküste etwas östlich von der geographischen Mitte kommt man am Ende eines Serpentienendorfes auf einen erhöhten Platz und wird von der vollen Wucht des Wahnsinn's umgehauen - auf der Jagd nach Partisanen haben dt. Fallschirmjäger mal eben die männliche Dorfbevölkerung erschossen - das Mahnmal an einem wunderschönen Ort, für den Reisenden völlig unerwartet, macht den Wahnsinn sehr real.

Ich würde den Einwand der AfD miteinbeziehen, da über Befehl und Gehorsam sehr wohl auch Opfer des Nationalsozialismus innerhalb der Wehrmacht waren - man denke nur an die 20 jährigen Soldaten, die bei der Machtergreifung der Nazi's 7 Jahre alt waren und eigentlich Opfer waren, das aber selber überhaupt nicht kapiert haben.

Mit Schuhen und Klamotten wurden sie geködert, nach den schrecklichen Jahren der Hungerkrise.

noam 10.10.2020 12:59

Zitat:

Zitat von Cogi Tatum (Beitrag 1557197)
Natürlich darf man fragen. Kein Zweifel!
Die Frage ist, ob man fragen muss wenn, abgesehen von den rechtsextremistischen AfD alle Parteien dem Antrag zugestimmt haben? Da scheint es diesbezüglich doch einen ungewohnt breiten Konsens unter den Vertretern des Volkes (auch von deinem Vertreter falls Du gewählt hast) zu geben.

Die Antwort auf die legitime Frage "...warum gerade ein neuer Ort so wichtig ist..." ergibt sich u. a. aus dem Antrag dem auf so breiter Basis zugestimmt wurde.

Eigentlich sollte man als mündiger Bürger IMMER dann besonders misstrauisch werden, wenn irgendwas einen so breiten Konsens findet. Witzigerweise finden lediglich Diätenerhöhungen auch IMMER so einen breiten Konsens und werden in der Regel, wie gerade viele andere Beschlüsse, die unbequemen Gegenwind erwarten lassen, dann beschlossen, wenn das öffentliche Interesse durch andere Dinge (z.B. große Sportereignisse) eher woanders seinen Fokus hat.

Mein Vertreter hat auch für den Antrag gestimmt, ABER bekanntlich haben wir kein imperatives Mandat.

Zitat:

Zitat von Cogi Tatum (Beitrag 1557197)
Im Antrag (Drucksache 19/23126 - auffindbar in <1 Minute) finden sich Hinweise auf das "warum?":

Ein weiterer Satz im Antrag:
Es soll durch den Standort keine Konkurrenz zu bestehenden Gedenkeinrichtungen erzeugt werden.

Alleine das ist doch schon Fantasterei. Wenn ich mehrere Einrichtungen zu vergleichbaren Inhalt auf einen begrenzten Raum mit begrenzten Budget betreibe, stehen sie natürlich in Konkurrenz zueinander. Ich bin ja gar nicht gegen etwas neues, aber ich halte es für sinnvoller bestehendes besser zu unterstützen, was derzeit mit den äußerst knappen kommunalen Mitteln geschieht.


Um meine Idee einmal zu verdeutlichen:
Politische Bildung fängt ja nun schon im Kindesalter an und insbesondere der Nationalsozialismus nimmt zu recht in unserer Schulbildung in verschiedenen Jahrgangsstufen erheblichen Anteil im Unterrichtsinhalt ein. Nun haben wir diverse lokale Gedenkstätten, Museen oder ähnliches, wo die Schülerinnen und Schüler Geschichte erleben könnten, wenn diese Einrichtungen so aufgestellt wären, dass sie dies möglich machen könnten. Leider ist das eben mangels Budget nicht möglich, so dass kaum mehr als wenige Schilder oder Ruinen blieben und die bestehenden Möglichkeiten ungenutzt bleiben. Nun schafft man in Berlin zentral etwas neues aus Mitteln, die für mein Empfinden für die politische Bildung unserer Kinder lokal sehr viel besser eingesetzt werden könnten. Denn die Schulklasse aus dem Emsland wird eher das KZ Esterwegen, aus Osnabrück eher den Augustaschacht oder die Ostfriesen Engerhafe besuchen, wenn es zum Unterrichtsinhalt passt, als den weiten Weg nach Berlin (oder eines der "großen" KZ) auf sich zu nehmen.

Vor allem schafft man über die Regionalität mehr Gesprächsbedarf in der Familie als ein Besuch eines weit entfernten KZ in Polen oder eines sterilen Museums in Berlin. Das sensibilisiert meiner Meinung nach erheblich mehr und führt zum mündigen Bürger und damit würde man der rechtsentremen / populistischen oder was auch immer AFD sehr viel besser begegnen als mit einem weiteren Prestigeprojekt in der Hauptstadt. Ich fände es toll, wenn ein Jugendlicher einem "Aber Hitler hat uns die Autobahn gebaut"- Verfechter ganz regional ihm argumentativ begegnen und vorführen kann.

qbz 10.10.2020 13:24

Als ich das KZ Sachsenhausen in Oranienburg bei Berlin besichtigte - es war das 1. KZ, Modell und Schulungslager für alle anderen Lager der SS - erfuhr ich zum ersten Mal im Detail, wie die SS in ganz Europa ein riesiges Lagersystem errichtete mit unterschiedlichen Typen von Zwangsarbeitslagern bis Vernichtungslager für Juden, Roma, Sinti, Homoxesuelle, politisch, religiös, ethnisch Verfolgte. Wer sich dafür interessiert, dem empfehle ich diese Ausstellung in Sachsenhausen:
die-zentrale-des-kz-terrors
oder den Katalog zu bestellen:
die-zentrale-des-kz-terrors-die-inspektion-der-konzentrationslager-1934-1945

"Im Frühjahr 1934 unterstellten die Nationalsozialisten alle KZ einer neu geschaffenen Dienststelle der SS: der „Inspektion der Konzentrationslager“ (IKL). Im Auftrag des „Reichsführers SS“ Heinrich Himmler verwaltete die IKL 32 Hauptlager mit über 1000 Nebenlagern. Von 1938 bis Kriegsende residierte die IKL in einem von Häftlingen erbauten repräsentativen Gebäude am Rande des KZ Sachsenhausen. Es ist heute das bedeutendste original erhaltene Bauzeugnis der Schreibtischtäter des NS-Terrors. Etwa 100 SS-Männer entschieden hier über Ernährung, Bekleidung und Unterbringung der Häftlinge, über Transporte in andere Lager und Todesmärsche, über Strafen und Hinrichtungen, Zwangsarbeit, medizinische Experimente und Massenmorde."

Organisatorisch betreibt die Stiftung brandenburgische Gedenkstätten das Lager Sachsenhausen. Es gibt wöchentliche Führungen. Daneben existieren in Brandenburg zahlreiche andere Erinnerungsstätten an die Opfer. Insofern denke ich, dass sich zentrale Ausstellungsorte und dezentrale nach meiner Erfahrung ergänzen und kein entweder oder darstellen.

Dass sich Opferverbände und Bürger aktiv engagieren müssen, damit die Bundesländer genug Geld zur Verfügung stellen, ist leider ein trauriges Kapitel. So wurde erst 2015 ein Mahnmal offiziell erstellt, um der Opfer in einem brutalen Aussenarbeitslager von Sachsenhausen zu gedenken, während zuerst 1998 Jugendliche in einem freiwilligen Workcamp einen Gedenkort schufen. Ich finde solche Orte sehr wichtig, weil sie eben auch im Alltag der dortigen Bewohner, der Bootsfahrer, Spaziergänger und Angler präsent bleiben und nicht nur den anreisenden Besuchern.

"Im Rahmen der Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des KZ Sachsenhausen 2015 wurde ein neuer Gedenkort für die Opfer des KZ Außenlagers „Klinkerwerk“ am Hafenbecken eingeweiht. Nach dem Entwurf von Kamel Louafi und Dörte Eggert-Heerdegen wurde der bestehende Gedenkort am Hafenbecken teilweise mit Stahlwänden eingefasst, von denen eine Stahltafel mit einem Zitat eines Überlebenden versehen wurde. Öffnungen stellen Sichtbeziehungen zum authentischen Ort und seiner Umgebung her. Das vorhandene Denkmal, ein 1998 von Jugendlichen im Rahmen eines Workcamps errichtetes Dreieck aus im Gelände vorgefundenen Ziegelsteinen, wurde durch einen runden Betonsockel eingefasst, der einen Widmungstext trägt."

LidlRacer 12.10.2020 01:28

Sieg der SPÖ - Debakel für Rechtspopulisten

Brauchen wir jetzt einen Linksruck-Thread? ;)
Ok, leider nicht Deutschland.

qbz 12.10.2020 01:57

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1557465)
Sieg der SPÖ - Debakel für Rechtspopulisten

Brauchen wir jetzt einen Linksruck-Thread? ;)
Ok, leider nicht Deutschland.

Das Rezept:

"In Wien gehört bis heute jede vierte Wohnung der Stadt und wird auch direkt von einer kommunalen Dienststelle vergeben – und sogar verwaltet. Hinzu kommen Wohnungen, die öffentlich gefördert, aber von Genossenschaften und privaten Firmen errichtet wurden, den „gemeinnützigen Bauvereinigungen“. Sie stehen, 78 an der Zahl, nach Landessitte meist einer der beiden traditionellen Großparteien SPÖ und ÖVP nahe und bauen, vermieten, aber verkaufen auch Wohnungen.

Ihre Gewinne sind gedeckelt und müssen in neue Projekte investiert werden. Unter dem Strich wird von allen Mietwohnungen knapp die Hälfte nur an Familien unterhalb eines bestimmten Einkommens vergeben. Anders als in Deutschland hört die Sozialbindung auch nicht nach 15 oder 30 Jahren auf. In Österreich gilt: einmal Gemeindewohnung, immer Gemeindewohnung. In ganz Österreich sind etwa 800 000 von 4,5 Millionen Wohnungen öffentlich gefördert."
https://www.fr.de/panorama/darum-sin...-11007409.html

Die SPD verscherbelte im Unterschied zur Wiener SPÖ das Wohnungsgemeineigentum in deutschen Städten nach den 90ziger Jahren sukzessive an grosse rein an Gewinnsteigerung ausgerichteten Immobilienkonzerne, vor allem in Berlin in unglaublichem Umfang, weil in Ostberlin vor der Wende die meisten Häuser dem Staat gehörten und in Westberlin grosse gemeinnützige Wohnungsgesellschaften existierten. Auch gewerbliche Immobilien incl. Rathäuser, wofür heute teure Mieten zu bezahlen sind, wurden verhökert. Alles Perdu.... in 20 Jahren (wie auch die SPD Stimmen.)

spanky2.0 12.10.2020 10:10

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1557466)
Das Rezept:

"In Wien gehört bis heute jede vierte Wohnung der Stadt und wird auch direkt von einer kommunalen Dienststelle vergeben – und sogar verwaltet. Hinzu kommen Wohnungen, die öffentlich gefördert, aber von Genossenschaften und privaten Firmen errichtet wurden, den „gemeinnützigen Bauvereinigungen“. Sie stehen, 78 an der Zahl, nach Landessitte meist einer der beiden traditionellen Großparteien SPÖ und ÖVP nahe und bauen, vermieten, aber verkaufen auch Wohnungen.


Der wiederholte Hinweis auf die Vorteile des "sozialen/gemeinnützigen Wohnungsbaus/-zuweisung" ist ja ganz nett, hat aber in meinen Augen wenig mit dem von LidlRacer genannten "Debakel der Rechtspopulisten" in Wien zu tun. Oder gab es bei der letzten Wahl 2015 noch keine Wohnungen in der Hand von Kommunen oder Genossenschaften?
Ich glaube der Stimmeneinbruch von - 23,1% Punkten im rechten Lager ist hauptsächlich der Personalie Strache geschuldet und seiner Ibiza Affäre. Die Rechtspopulisten haben ja ihre Partei zersplittert. Strache ist mit einer neuen Liste/Partei angetreten und hat nichtmal mehr die 5% Hürde geschafft.

Schwarzfahrer 12.10.2020 10:20

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1557465)
Sieg der SPÖ - Debakel für Rechtspopulisten

Brauchen wir jetzt einen Linksruck-Thread? ;)
Ok, leider nicht Deutschland.

Na ja, da den stärksten Zuwachs die ÖVP mit fast 10 % (also fast Verdopplung; bzgl. Sitze sogar mehr als das) erreicht hat, sehe den "Linksruck" noch nicht so ganz...

Cogi Tatum 12.10.2020 10:29

Wenn man von der FPÖ zur ÖVP rückt, dann rückt man auch schon nach links. ;)

trithos 12.10.2020 10:56

Linksruck? Oder nicht?

In dem Fall würde ich mich das nicht mit ja oder nein zu beantworten trauen.

Was spricht dafür:
+) FPÖ + Strache haben gemeinsam nur noch ca. 11 Prozent
+) alle anderen Parteien, die ja zwangsläufig links der beiden erwähnten stehen, haben zum Teil erheblich an Prozentpunkten zugelegt

Was spricht dagegen:
+) FPÖ + Strache haben zwar nur noch 11 Prozent, aber mehr als 100.000 WählerInnen (von 257.000) des Jahres 2015 sind nicht zu "linkeren Parteien" gegangen, sondern haben sich fürs Nichtwählen entschieden
+) die ÖVP hat der FPÖ ziemlich viele Themen geklaut, ist also als Partei nach rechts gerückt
+) angesichts der deutlich gesunkenen Wahlbeteiligung hat z.B. der SPÖ sogar der Verlust von 35.000 Stimmen zu einem Prozentplus gereicht.

Daraus würde ich folgende Einschätzung ableiten:
Der Wiener Gemeinderat mit der künftigen Mandatsverteilung ist tatsächlich nach links gerückt - auch weil man erwarten kann, dass die ÖVP nach dem Wahlkampf doch wieder zumindest ein bisschen Richtung Mitte zurück rückt. Die Wahlkampflinie war ja parteiintern nicht unumstritten.

Einen so eindeutigen Linksruck würde ich aber bei den Wahlberechtigten nicht erkennen. Da sind einfach sehr viele ehemalige FPÖ-Wähler zwar verärgert über die Vorkommnisse und daher zu Hause geblieben. An ihrer grundsätzlichen Einstellung dürfte sich aber nicht viel verändert haben. Und wie schon geschrieben, hat es durchaus nicht mehr "Linkswähler" gegeben. Sie haben nur größere Wirkung entfaltet, weil viele "Rechtswähler" zu Hause geblieben sind.

Ob man da also tatsächlich den Begriff "Linksruck" verwenden möchte, fällt wohl unter Meinungsfreiheit. ;)

qbz 12.10.2020 11:03

Zitat:

Zitat von spanky2.0 (Beitrag 1557490)
Der wiederholte Hinweis auf die Vorteile des "sozialen/gemeinnützigen Wohnungsbaus/-zuweisung" ist ja ganz nett, hat aber in meinen Augen wenig mit dem von LidlRacer genannten "Debakel der Rechtspopulisten" in Wien zu tun. Oder gab es bei der letzten Wahl 2015 noch keine Wohnungen in der Hand von Kommunen oder Genossenschaften?
Ich glaube der Stimmeneinbruch von - 23,1% Punkten im rechten Lager ist hauptsächlich der Personalie Strache geschuldet und seiner Ibiza Affäre. Die Rechtspopulisten haben ja ihre Partei zersplittert. Strache ist mit einer neuen Liste/Partei angetreten und hat nichtmal mehr die 5% Hürde geschafft.

Klar, das ist ein Teil der Erklärung. Aber die SPÖ hielt nicht nur ihren Stimmenanteil, sie nahm noch zu.

Mir ging es um den Vergleich des Stimmenanteils der SPÖ in Wien, jetzt 42 %, Wahl zuvor 40 %, wovon die deutsche Sozialdemokratie nur träumen kann, und den Stimmenanteil der SPD in deutschen Städten. Ich habe jetzt für Wien keine Wählerwanderungen parat, d.h. wohin sind die 23 % gewandert, aber für Deutsche Städte haben Teile der SPD-Wählerschaft bei der AFD ihr Kreuz als Protest- und Frustwähler gemacht (und wegen Vorbehalte nicht bei den Linken), wozu beigetragen hat, dass die SPD ihr Klientel beim Thema Mieten im Stich gelassen hat.

Ich hätte auch noch das bessere Rentensystem statt der Mieten erwähnen können, was sich die SPD zum Vorbild nehmen sollte.

Folgerung:
Ohne konsequente Sozialpolitik kann man den Rechtspopulismus nicht klein halten, weil der mit Frust, Unzufriedenheit, Arbeitslosigkeit, Armut usf. anwächst.

Übrigens: In Deutschland konnte bisher jegliche Abspaltung der AFD sowie Skandale (Spendenskandal) und offensichtlicher Neonazismus (Flügel) das Wachstum der AFD nicht aufhalten. Deswegen kann man sich schon fragen, ob die Abspaltung der einzige Grund für die Verluste der FPÖ sind und ob nicht auch die Zufriedenheit mit der regierenden SPÖ einen Grund liefert, nicht zur FPÖ abzuwandern.

LidlRacer 12.10.2020 11:08

Zitat:

Zitat von qbz (Beitrag 1557508)
Übrigens: In Deutschland konnte bisher jegliche Abspaltung der AFD sowie Skandale (Spendenskandal) und offensichtlicher Neonazismus (Flügel) das Wachstum der AFD nicht aufhalten. Deswegen kann man sich schon fragen, ob die Abspaltung der einzige Grund für die Verluste der FPÖ sind und ob nicht auch die Zufriedenheit mit der regierenden SPÖ einen Grund liefert, nicht zur FPÖ abzuwandern.

Seit zwei Jahren sehe ich einen deutlichen Abwärtstrend für die AfD - hier von 18% auf jetzt 10:
https://www.infratest-dimap.de/umfra.../sonntagsfrage

qbz 12.10.2020 11:11

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1557510)
Seit zwei Jahren sehe ich einen deutlichen Abwärtstrend für die AfD - hier von 18% auf jetzt 10:
https://www.infratest-dimap.de/umfra.../sonntagsfrage

das stimmt. Ich bezog mich auf die letzte Bundestags- und die vergangenen Landtagswahlen. Da gab es schon Abspaltungen, innere Querelen und die Spendenaffäre.

keko# 12.10.2020 14:46

Zitat:

Zitat von LidlRacer (Beitrag 1557510)
Seit zwei Jahren sehe ich einen deutlichen Abwärtstrend für die AfD - hier von 18% auf jetzt 10:
https://www.infratest-dimap.de/umfra.../sonntagsfrage

Das Flüchtlingsthema ist quasi durch. Krisen, wie eben Corona, nützt den etablierten Parteien: Der Bürger sehnt sich in ungewissen Zeiten nach Stabilität und wählt etabliert und "alte" Gesichter.


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