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the grip 11.12.2013 09:12

Konstantin Wecker:
 
Es duftet nach Akazien und
dein Lächeln duftet auch.
Die Winde meinen´s gut mit uns,
die Welt nimmt uns in Kauf.

Wir reden nicht, wir schweigen nicht,
wir sind ganz einfach da.
Wir spiegeln uns im Sommerlicht
und sind uns nah.

Als hätt´ ich dich noch nie gesehn,
verwirrt mich dein Gesicht.
Die Zeit mag ruhig zugrunde gehn.
Wir tun es sicher nicht.

Wir geben uns ganz absichtslos
und ohne tief ´ren Sinn
wie Wolken unterm Himmel ziehn
der Liebe hin.

Was immer mir der Wind erzählt,
der Mond und mein Klavier:
Sie singen nur das eine Lied,
sie singen nur von dir.

Sie kannten dich schon vor der Zeit,
bevor die Welt entstand.
Dein Name ist in jeden Baum,
in jeden Fels gebrannt.

Es gibt so viele Lieder über
diesen Augenblick,
voll Schwülstigkeit und Flieder und
mit wehem Blick zurück.

Doch all die schweren Worte,
sie sind nichts als gut gemeint.
Sie können nicht beschreiben,
was uns beide eint.

Das Laute schweigt, die Stille tönt.
Ich weiß nicht wer ich bin.
Und alles ist so unbestimmt
und sinnvoll ohne Sinn.

Die Welt ist wohl aus Nichts gemacht,
ganz leicht, wie nebenbei.
Und ohne dich bricht diese Welt
ganz sicherlich entzwei.

Was immer mir der Wind erzählt, ...

the grip 12.12.2013 09:29

Christian Morgenstern:
 
Der Korbstuhl

Was ich am Tage stumm gedacht,
vertraut er eifrig in der Nacht.

Mit Knisterwort und Flüsterwort
Erzählt er mein Geheimnis fort.

Dann schweigt er wieder lang und lauscht –
indes die Nacht gespenstisch rauscht.

Bis ihn der Bock von neuem stößt
Und sich sein Krampf in Krachen löst.

the grip 13.12.2013 09:11

Hermann Hesse:
 
Gleichnisse

Meine Liebe ist ein stilles Boot,
Das mit träumerischen Ruderschlägen
Einer dunklen Brandung treibt entgegen.

Meine Liebe ist ein jähes Licht,
Das durch schwarze, schwüle Nächte bricht
Und unselig wie ein Blitz verloht.

Meine Liebe ist ein krankes Kind,
Das bei Nacht in seinem Bette sinnt;
Und am Rand des Bettes steht der Tod.

the grip 14.12.2013 10:12

Berthold Viertel:
 
Schnee

Schnee war gestern plötzlich da – auf allen
Trüben Straßen, hell wie Unschuld, weiß,
Weich und wärmend, aus der Luft gefallen.
Und wir gingen – enger ward der Kreis,

Der uns heimlich aneinanderhält –
Mit gedämpftem Schritt, gedämpfter Seele,
Unverhofftes Lachen in der Kehle,
Durch des Schneefalls kindlich neue Welt.

Wir, die jetzt so ernste Frage quält,
Wurden schmiegsam, atemleicht, gelinder,
Lachten furchtlos, schneefroh, beinah Kinder –
O wie hat die kleine Freude uns gefehlt!

the grip 15.12.2013 09:46

Wilhelm Busch:
 
Mein kleinster Fehler ist der Neid. –
Aufrichtigkeit, Bescheidenheit,
Dienstfertigkeit und Frömmigkeit,
Obschon es herrlich schöne Gaben,
Die gönn' ich allen, die sie haben.

Nur wenn ich sehe, daß der Schlechte
Das kriegt, was ich gern selber möchte;
Nur wenn ich leider in der Nähe
So viele böse Menschen sehe,
Und wenn ich dann so oft bemerke,
Wie sie durch sittenlose Werke
Den lasterhaften Leib ergötzen,
Das freilich tut mich tief verletzen.

Sonst, wie gesagt, bin ich hienieden
Gottlobunddank so recht zufrieden.

the grip 17.12.2013 09:16

Wilhelm Busch:
 
Kritik des Herzens

Es saß in meiner Knabenzeit
Ein Fräulein jung und frisch
Im ausgeschnittnen grünen Kleid
Mir vis-á-vis bei Tisch.

Und wie´s denn so mit Kindern geht,
Sehr frömmig sind sie nie,
Ach, dacht ich oft beim Tischgebet,
Wie schön ist doch Marie!

the grip 18.12.2013 09:12

Johann Wolfgang Goethe:
 
Verschiedene Drohungen

Einst ging ich meinem Mädchen nach
Tief in den Wald hinein
Und fiel ihr um den Hals, und „ach!“
Droht sie, „ich werde schrei´n“

Da rief ich trotzig: Ha! Ich will
Den töten, der uns stört! –
„Still!“ lispelt sie, „Geliebter, still!
Daß ja dich niemand hört.“

the grip 19.12.2013 09:22

Joseph von Eichendorff:
 
Weihnachten

Markt und Straßen steh´n verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh´ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein steh´n und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil´ges Schauern!
Wie so still und weit die Welt.

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt´s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit.


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