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the grip 03.12.2013 17:08

Heinz Erhardt:
 
Überlistet

Wenn Blätter von den Bäumen stürzen,
die Tage täglich sich verkürzen,
nicht nur die schönsten, auch die meisten
der Vögel nach dem Süden reisten,
und all die Maden, Motten, Mücken,
die wir versäumten zu zerdrücken,
von selber sterben – so glaubt mir:
es steht der Winter vor der Tür!

Ich laß ihn stehn!
Ich spiel ihm einen Possen!
Ich hab die Tür verriegelt
und gut abgeschlossen!
Er kann nicht rein!
Ich hab ihn angeschmiert!
Nun der steht der Winter vor der Tür – – –
und friert!

the grip 04.12.2013 09:38

Christian Morgenstern:
 
DIE ZWEI WURZELN

Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.

Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.

Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.


Die eine sagt: knig. Die andere sagt: knag.
Das ist genug für einen Tag.

the grip 05.12.2013 09:24

Wilhelm Busch:
 
Nicht Beeidigt

Willst du gelobt sein, so verzichte
Auf kindlich blödes Wesen.
Entschließ dich, deine himmlischen Gedichte
Den Leuten vorzulesen.

Die Welt ist höflich und gesellig,
Und eh man dich beleidigt,
Sagt wohl ein jeder leicht, was die gefällig,
Denn keiner ist beeidigt.

the grip 06.12.2013 09:08

Frank Schulz:
 
Nikolaus

Am 6.12. pinkelt dreist
Der Nikolaus dir in den Schuh
Drum schnür‘ ihn lieber feste zu
Bevor er dir zudem reinscheißt

the grip 07.12.2013 10:23

Wilhelm Busch:
 
Unverbesserlich

Wer Bildung hat, der ist empört,
Wenn er so schrecklich fluchen hört.

Dies „Nasowolltich“, dies „Parblö“,
Dies ewige „Ojemine“,
Dies Eipotztausendnocheinmal“,
Ist das nicht eine Ohrenqual?
Und gar „Dasdichdasmäusleinbeiß“,
Da wird mir´s immer kalt und heiß.

Wie oft wohl sag ich: Es ist häßlich,
Ist unanständig, roh und gräßlich.
Ich bitt und flehe: Laßt es sein,
Denn es ist sündlich. Aber nein,
Vergebens ring ich meine Hände,
Die Flucherei nimmt doch kein Ende.

the grip 08.12.2013 10:01

Wilhelm Busch:
 
Individualität

Es ist mal so, daß ich so bin.
Weiß selber nicht warum.
Hier ist die Schenke. Ich bin drin
Und denke mir: Dideldum!
Daß das so ist, das tut mir leid.
Mein Individuum
Hat aber mal die Eigenheit,
Drum denk ich mir: Dideldum!

Und schaut die Jungfer Kellnerin
Sich auch nach mir nicht um;
Ich weiß ja doch, wie schön ich bin,
Und denke mir: Dideldum!

Und säße einer da abseit
Mit Knurren und Gebrumm
Und meint, ich wäre nicht gescheit,
So denk ich mir: Dideldum!

Doch kommt mir wer daher und spricht,
Ich wäre gar nicht frumm
Und hätte keine Tugend nicht,
Das nehm ich krumm. – Dideldum!

the grip 09.12.2013 09:21

Christian Morgenstern:
 
Die Beichte des Wurms

Es lebt in einer Muschel
ein Wurm gar seltner Art;
der hat mir mit Getuschel
sein Herze offenbart.

Sein armes, kleines Herze,
hei, wie das flog und schlug!
Ihr denket wohl, ich scherze?
Ach, denket nicht so klug.

Es lebt in einer Muschel
ein Wurm gar seltner Art;
der hat mir mit Getuschel
sein Herze offenbart.

the grip 10.12.2013 09:34

Joachim Ringelnatz:
 
Stille Winterstraße

Es heben sich vernebelt braun
Die Berge aus dem klaren Weiß,
Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,
Steh eine Stange wie ein Steiß.

Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf,
Wie ihn kein Maler malen darf,
Wenn er´s nicht etwa kann.
Ich stapfe einsam durch den Schnee.
Vielleicht steht links im Busch ein Reh
Und denkt: Dort geht ein Mann.


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