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Heinz Erhardt:
Überlistet
Wenn Blätter von den Bäumen stürzen, die Tage täglich sich verkürzen, nicht nur die schönsten, auch die meisten der Vögel nach dem Süden reisten, und all die Maden, Motten, Mücken, die wir versäumten zu zerdrücken, von selber sterben – so glaubt mir: es steht der Winter vor der Tür! Ich laß ihn stehn! Ich spiel ihm einen Possen! Ich hab die Tür verriegelt und gut abgeschlossen! Er kann nicht rein! Ich hab ihn angeschmiert! Nun der steht der Winter vor der Tür – – – und friert! |
Christian Morgenstern:
DIE ZWEI WURZELN
Zwei Tannenwurzeln groß und alt unterhalten sich im Wald. Was droben in den Wipfeln rauscht, das wird hier unten ausgetauscht. Ein altes Eichhorn sitzt dabei und strickt wohl Strümpfe für die zwei. Die eine sagt: knig. Die andere sagt: knag. Das ist genug für einen Tag. |
Wilhelm Busch:
Nicht Beeidigt
Willst du gelobt sein, so verzichte Auf kindlich blödes Wesen. Entschließ dich, deine himmlischen Gedichte Den Leuten vorzulesen. Die Welt ist höflich und gesellig, Und eh man dich beleidigt, Sagt wohl ein jeder leicht, was die gefällig, Denn keiner ist beeidigt. |
Frank Schulz:
Nikolaus
Am 6.12. pinkelt dreist Der Nikolaus dir in den Schuh Drum schnür‘ ihn lieber feste zu Bevor er dir zudem reinscheißt |
Wilhelm Busch:
Unverbesserlich
Wer Bildung hat, der ist empört, Wenn er so schrecklich fluchen hört. Dies „Nasowolltich“, dies „Parblö“, Dies ewige „Ojemine“, Dies Eipotztausendnocheinmal“, Ist das nicht eine Ohrenqual? Und gar „Dasdichdasmäusleinbeiß“, Da wird mir´s immer kalt und heiß. Wie oft wohl sag ich: Es ist häßlich, Ist unanständig, roh und gräßlich. Ich bitt und flehe: Laßt es sein, Denn es ist sündlich. Aber nein, Vergebens ring ich meine Hände, Die Flucherei nimmt doch kein Ende. |
Wilhelm Busch:
Individualität
Es ist mal so, daß ich so bin. Weiß selber nicht warum. Hier ist die Schenke. Ich bin drin Und denke mir: Dideldum! Daß das so ist, das tut mir leid. Mein Individuum Hat aber mal die Eigenheit, Drum denk ich mir: Dideldum! Und schaut die Jungfer Kellnerin Sich auch nach mir nicht um; Ich weiß ja doch, wie schön ich bin, Und denke mir: Dideldum! Und säße einer da abseit Mit Knurren und Gebrumm Und meint, ich wäre nicht gescheit, So denk ich mir: Dideldum! Doch kommt mir wer daher und spricht, Ich wäre gar nicht frumm Und hätte keine Tugend nicht, Das nehm ich krumm. – Dideldum! |
Christian Morgenstern:
Die Beichte des Wurms
Es lebt in einer Muschel ein Wurm gar seltner Art; der hat mir mit Getuschel sein Herze offenbart. Sein armes, kleines Herze, hei, wie das flog und schlug! Ihr denket wohl, ich scherze? Ach, denket nicht so klug. Es lebt in einer Muschel ein Wurm gar seltner Art; der hat mir mit Getuschel sein Herze offenbart. |
Joachim Ringelnatz:
Stille Winterstraße
Es heben sich vernebelt braun Die Berge aus dem klaren Weiß, Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun, Steh eine Stange wie ein Steiß. Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf, Wie ihn kein Maler malen darf, Wenn er´s nicht etwa kann. Ich stapfe einsam durch den Schnee. Vielleicht steht links im Busch ein Reh Und denkt: Dort geht ein Mann. |
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