Zitat:
Zitat von Bonafides
(Beitrag 647344)
Du argumentierst, als wenn es in der Natur der Sache liege, dass sich Recht und Moral in Abhängigkeit befinden. Dem würde in der Absolutheit widersprechen, schon deswegen, da der Rechtspositivismus in der Tradition von Kelsen ohne Metaphysik auskommt. Dass der Rechtspositivismus seine Grenzen gefunden hat und in der Nachkriegszeit abgelehnt wurde, lag vor allem daran, dass er für Rechtfertigungen exploitiert wurde. Daher haben wir eine (Rechts-)Ordnung, die rechtspositivistische Züge hat, aber eben stark naturrechtlich geprägt ist. Das ist in der Tradition von Kant, der Recht in "statuarisches Recht" und "Vernunftrecht" unterteilt hat. Du hast aber mit dem o.a. insofern recht, als dass unsere Rechtsordnung marginal ethisch geprägt ist, z.B. "Sittenwidrigkeit", "Treu und Glaube", "Gewissen" sind moralische Begriffe. Das Grundgesetz ist aber weitgehend frei von Moral formuliert und das war gewollt. Theoretisch hast du insoweit recht, wie es dein (philosophischer) Standpunkt zulässt, von unserer Rechtsordnung her würde ich es so formulieren: Moral ist grundsätzlich von Recht zu trennen. Recht aber nicht gänzlich von Moral trennbar.
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Das Problem an diesen moralischen Begriffen ist dass sie auch als "unbestimmte Rechtsbegriffe" gelten. Der Tatbestand ist somit jedesmal neu an den aktuellen gesellschaftlichen Werten zu prüfen. Eine Auslegung nach grammatischen, historischen, systematischen oder teleologischen Gesichtspunkten reicht in dem Fall nicht aus.
Die Auslegung nach den letztgenannten Gesichtspunkten ist im allgemeinen besonders schwer, wenn sich durch die Wissenschaft wesentliche Veränderungen an den Grundvorraussetzungen ergeben. Ein sehr gutes Beispiel wäre die Rechtslage im bereich Abtreibungen sowie PID. Die geweils (noch nicht)gültigen Gesetzen sind aus philosophischer Sicht bzgl. des Schutzes von Leben sehr wiedersprüchlich, die historische Absicht passt oft nicht mehr in die aktuelle Zeit und selbst der Sinnansatz (teleologisch) führt dann auch selten zu einem Ergebnis.
Die Frage, wer dann entscheidet, was denn Recht ist scheint nicht einfach.
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