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Vollständige Version anzeigen : Treibhausgasminderungsgesetz


Hafu
05.01.2022, 12:30
Der Bundestag hat kurz vor Weihnachten Ergänzungen und Ausführungsbestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetz verabschiedet, (https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_38_2017/BJNR389200017.html) mit denen die Verkehrswende durch gezielte Förderung von Projekten zur Vermeidung der Verbrennung fossiler Brennstoffe beschleunigt werden soll. Hier ist der aktuelle Gesetzestext (https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_38_2017/BJNR389200017.html).

...Wer in Deutschland Kraftstoffe in Verkehr bringt, muss die Treibhausgasemissionen reduzieren, die bei der Nutzung entstehen. Auf diese Treibhausgasminderungsquote ist elektrischer Strom anrechenbar, der in Straßenfahrzeugen genutzt wurde. Das UBA bescheinigt zu diesem Zweck auf Antrag Strommengen sowie die daraus errechneten Treibhausgasemissionen (https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/kraft-betriebsstoffe/vollzug-38-bimschv-anrechnung-von-strom-fuer).

Vom Verwaltungsdeutsch übersetzt heißt das, dass aktuell jeder Fahrer eines Elektroautos einen Geldzuschuss (derzeit noch formlos beim Umweltbundesamt per email !)beantragen kann (rund 300,-€ bei durchschnittlicher jährlicher Fahrleistung) für die Vermeidung der Emissionen, dass er eben elektrisch fährt und nicht einen fossilen Verbrenner nutzt.

Ich bin gerade am Überlegen, ob ich als ganzjähriger Fahrradnutzer nicht auch diesen seit dem 1.1.2022 möglichen Zuschuss beantrage und meinen Arbeitsweg per Strava-Link beim Umweltbundesamt belege. Mir fällt auf die Schnelle kein plausibler Grund ein, warum einem Radfahrer, der beim aktuellen Strommix definitiv weniger CO2 für seine Mobilität verursacht, dieser Zuschuss verweigert werden könnte, wenn er hunderttausenden von E-Autofahrern vom Umweltbundesamt genehmigt wird.

Mache ich gerade einen Denkfehler oder gibt es Formulierungen im "Vollzug 38. BImSchV" die meinen Bestrebungen widersprechen?

dr_big
05.01.2022, 12:39
Die Regierung fördert immer nur Dinge, die den Konsum treiben. Mit anderen Worten, Umweltschutz durch Umweltzerstörung.

TriVet
05.01.2022, 12:40
Dein Denkfehler ist keiner, sondern gesunder Menschenverstand.
Leider ist dieser in der Politik eher selten bis nie anzutreffen.
Und da du keinen fossilen Brennstoff ("Kraftstoff in Verkehr bringst") ersetzt, wird dir das Amt das Geld vermutlich verweigern.

Letzlich ist das ein Ablasshandel für mineralölkonzerne und co.:o

El Stupido
05.01.2022, 12:42
Nun ja, ich bin kein Jurist aber mir springt der Satzteil "elektrischer Strom anrechenbar, der in Straßenfahrzeugen genutzt wurde" ins Auge.
Sicher vermeidest du auf dem Rad ja den Ausstoß von CO2 (außer dem in der Ausatemluft ;) ) aber du nutzt ja keinen Strom, der anrechenbar ist.
Man will ja offenbar vermeiden, dass alle Radfahrer*innen und Nutzer*innen von Bus und Bahn diesen Zuschuss beantragen und gezielt Nutzer*innen von E-Autos belohnen bzw. einen Anreiz für deren Nutzung setzen.

MattF
05.01.2022, 12:46
Ich bin gerade am Überlegen, ob ich als ganzjähriger Fahrradnutzer nicht auch diesen seit dem 1.1.2022 möglichen Zuschuss beantrage und meinen Arbeitsweg per Strava-Link beim Umweltbundesamt belege. Mir fällt auf die Schnelle kein plausibler Grund ein, warum einem Radfahrer, der beim aktuellen Strommix definitiv weniger CO2 für seine Mobilität verursacht, dieser Zuschuss verweigert werden könnte, wenn er hunderttausenden von E-Autofahrern vom Umweltbundesamt genehmigt wird.


Einen logischen oder moralischen Grund gibt es natürlich nicht, diese Verordnung gibt es aber natürlich nicht her, da hier ausdrücklich nur von Verminderung von CO2 Emmisionen im Fahrzeugbereich gesprochen wird.

In meinen Augen zeigt das aber auch den falschen Ansatz den man fährt.

Man versucht z.b. den Flottenverbrauch zu senken, allerdings wenn man den z.b. um 10% senkt, aber dann 10% mehr Autos verkauft, was die Realität der letzten 40 Jahre war, dann ist für die CO2 Bilanz rein gar nichts gewonnen.

Effektivitätsgewinne wurden in den letzten Jahren immer in mehr Verbrauch/Konsum umgemünzt. Da muss ein andere Ansatz her.

tandem65
05.01.2022, 13:03
In meinen Augen zeigt das aber auch den falschen Ansatz den man fährt.

ACK.

Man versucht z.b. den Flottenverbrauch zu senken, allerdings wenn man den z.b. um 10% senkt, aber dann 10% mehr Autos verkauft, was die Realität der letzten 40 Jahre war, dann ist für die CO2 Bilanz rein gar nichts gewonnen.

Zwei Anmerkungen,
1. es wären in Deiner Rechnung immer noch 1% weniger CO² emitiert.
2. die 10% mehr Autos wollen so oder so verkauft werden.

merz
05.01.2022, 13:05
Ich beantrage dass auch weil ich 100% im Home Office bin -Scherz beiseite, das ist wohl noch eine Kostendämpfungsaktion zur Förderung der EMobilität, wäre vll besser in Ausbau der Ladeinfrastruktur angelegt

m.

dandelo
05.01.2022, 13:08
Lieber Hafu,
besten Dank für die Info. Den Antrag habe ich soeben gestellt. Bin gespannt.....
Grüße

Hafu
05.01.2022, 13:12
Dein Denkfehler ist keiner, sondern gesunder Menschenverstand.
Leider ist dieser in der Politik eher selten bis nie anzutreffen.
Und da du keinen fossilen Brennstoff ("Kraftstoff in Verkehr bringst") ersetzt, wird dir das Amt das Geld vermutlich verweigern.

Letzlich ist das ein Ablasshandel für mineralölkonzerne und co.:o

Nun ja, ich bin kein Jurist aber mir springt der Satzteil "elektrischer Strom anrechenbar, der in Straßenfahrzeugen genutzt wurde" ins Auge.
Sicher vermeidest du auf dem Rad ja den Ausstoß von CO2 (außer dem in der Ausatemluft ;) ) aber du nutzt ja keinen Strom, der anrechenbar ist.
Man will ja offenbar vermeiden, dass alle Radfahrer*innen und Nutzer*innen von Bus und Bahn diesen Zuschuss beantragen und gezielt Nutzer*innen von E-Autos belohnen bzw. einen Anreiz für deren Nutzung setzen.

ich vermute auch, dass mit solchen oder ähnlichen Begründungen mir der Zuschuss vorenthalten wird und ich somit "gezwungen" werde, mir ein E-Auto zuzulegen, das letztlich genauso viel rumstehen würde wie unser alter Diesel und beim Rumstehen ohnehin am meisten Emissionen vermeiden wird.

Aber rein interessehalber und um die genaue Begründung zu bekommen, werde ich den Antrag in den nächsten Tagen wohl stellen. und natürlich werde ich auch weiterhin mit dem Rad zur Arbeit pendeln. Denn sowenig wie auch nur ein einziger Autofahrer wegen dieser weniger als 1€ pro Tag vom fossilen Verbrenner auf ein E-Auto umsteigen wird, so wenig werden Menschen deshalb vom Auto aufs Fahrrad wechseln. Dafür gibt es weitaus einleuchtendere und lebensnähere Gründe.

Die Google-Recherche erbrachte übrigens, dass mit dem Treibhausgasemissionsminderungsgesetz durchaus auch Infrastrukturvorhaben wie z.B. der Bau von Radwegen bezuschusst werden soll und es finden sich Handlungsanweisungen für Antragsteller, wie man bei solchen Projekten die vermiedenen Emissionen überschlägig dem Umweltbundesamt hochrechnen/ belegen kann. (https://www.ptj.de/lw_resource/datapool/systemfiles/cbox/4901/live/lw_file/hinweise_beispiele_berechnung_thg-minderung_radverkehr.pdf)

Vom Geiste her ist diese Gesetz also durchaus auch darauf angelegt, die Nutzung von Fahrrädern statt Autos mit Verbrennerantrieb bzw. des ÖPNV zu fördern.

hanse987
05.01.2022, 15:44
Ich habe ganze Sache anders verstanden. Man bekommt vom Staat kein Geld, sondern bekommt ein Zertifikat, dass man eine bestimmte Menge CO2 einspart. Dieses Zertifikat verkauft man dann an eine Firma die ihren CO2 Ausstoß damit "grün" waschen kann.

TriVet
05.01.2022, 15:59
Gute Übersicht hier:

https://www.golem.de/news/co2-zertifikate-so-laesst-sich-mit-dem-elektroauto-geld-verdienen-2201-162185.html

dandelo
05.01.2022, 16:51
Ich habe ganze Sache anders verstanden. Man bekommt vom Staat kein Geld, sondern bekommt ein Zertifikat, dass man eine bestimmte Menge CO2 einspart. Dieses Zertifikat verkauft man dann an eine Firma die ihren CO2 Ausstoß damit "grün" waschen kann.

Genau so ist es. Ich hab ein Elektroauto und vorhin den Antrag gestellt. Prompt kam eine Antwort, die genau das beinhaltet, was du schreibst. Der Staat zahlt einem gar nichts aus....

Hafu
05.01.2022, 17:58
...Man bekommt vom Staat kein Geld, sondern bekommt ein Zertifikat, dass man eine bestimmte Menge CO2 einspart. Dieses Zertifikat verkauft man dann an eine Firma die ihren CO2 Ausstoß damit "grün" waschen kann.

Da der Sinn des "Treibhausgasminderungsgesetz" nicht die Förderung der E-Mobilität sondern sehr konkret die Reduktion von Treibhausgasen unter anderem durch die bewusste Verteuerung von fossilen Treibstoffen und die lenkende Wirkung von Co2-Zertifikaten ist, müsste ich evt. meinen Eingangspost umformulieren:

Gibt es einen plausiblen Grund, warum der Staat E-Autofahrer mittelbar mit Co2-Zertifikaten für die von Ihnen eingesparten Treibhausgase versorgt und Ihnen die Möglichkeit zur Teilnahme am Emissionshandel verschafft und dieses Recht Radfahrern (oder auch ÖPNV-Nutzern) die ihre Co2-Reduktion schlüssig und nachvollziehbar belegen können, verweigern könnte?

dr_big
05.01.2022, 18:17
Das ganze ist keine rationale Maßnahme sondern reines Greenwashing. Dazu passend werden private e-Fahrzeuge auch gleich doppelt verrechnet. Ladestellenbetreiber können die abgegebene Energiemenge geltend machen, private Autos, die zu nicht unerheblichem Teil an öffentlichen Ladestellen geladen werden, bekommen zusätzlich noch eine Pauschale CO2 Einsparung angerechnet.

Schwarzfahrer
05.01.2022, 20:10
Gibt es einen plausiblen Grund, warum der Staat E-Autofahrer mittelbar mit Co2-Zertifikaten für die von Ihnen eingesparten Treibhausgase versorgt und Ihnen die Möglichkeit zur Teilnahme am Emissionshandel verschafft und dieses Recht Radfahrern (oder auch ÖPNV-Nutzern) die ihre Co2-Reduktion schlüssig und nachvollziehbar belegen können, verweigern könnte?
Nein, weil es offenbar nicht direkt Treibhausgasreduktion belohnt, sondern es um die einseitige Förderung von bestimmten Technologien/Lösungen geht:
Das ganze ist keine rationale Maßnahme sondern reines Greenwashing.
Meine Vorstellung von Belohnung für tatsächliche und technologieoffene Reduktion von Treibhausgasen wäre:
Bei entsprechender Umstellung (E-Auto oder Rad statt Verbrenner, Hausdämmung) reicht man die Verbräuche der z.B. letzten 3 oder 5 Jahre ein (vor dem Wechsel), und diejenigen nach dem Wechsel - und entsprechend der tatsächlich erreichten Ersparnis an CO2 (oder besser an Ressourcen, was auch immer) wird eine Belohnung bemessen (Ich verbrauche z.B. seit dem Umbau unseres Anwesens trotz mehr beheizter Fläche 30 % weniger Gas - die Förderung daran zu bemessen wäre passender, als nur nach Dämmschichtdicke zu gehen). Damit gewinne ich wie auch Hafu natürlich mit "vorher Rad, nachher Rad" nichts; aber schon ein sparsamer Diesel statt einem Schluckspecht von SUV kann dann ein Bonus bedeuten.

MattF
06.01.2022, 08:36
ACK.



2. die 10% mehr Autos wollen so oder so verkauft werden.

So wird aber weder Verkehrs- noch Klimawende funktionieren.

Im Übrigen: "Ablasshandel für E-Autos" trifft diese Verordnung ganz gut.

MattF
06.01.2022, 08:43
Meine Vorstellung von Belohnung für tatsächliche und technologieoffene Reduktion von Treibhausgasen wäre:
Bei entsprechender Umstellung (E-Auto oder Rad statt Verbrenner, Hausdämmung) reicht man die Verbräuche der z.B. letzten 3 oder 5 Jahre ein (vor dem Wechsel), und diejenigen nach dem Wechsel - und entsprechend der tatsächlich erreichten Ersparnis an CO2 (oder besser an Ressourcen, was auch immer) wird eine Belohnung bemessen (Ich verbrauche z.B. seit dem Umbau unseres Anwesens trotz mehr beheizter Fläche 30 % weniger Gas - die Förderung daran zu bemessen wäre passender, als nur nach Dämmschichtdicke zu gehen). Damit gewinne ich wie auch Hafu natürlich mit "vorher Rad, nachher Rad" nichts; aber schon ein sparsamer Diesel statt einem Schluckspecht von SUV kann dann ein Bonus bedeuten.

Man kann das Ganze natürlich beliebig kompliziert machen oder einfach eine CO2 Steuer einführen.

Man besteuert einfach das was wirklich CO2 Emmisionen verursacht, aus. Ich muss auch für das Abwasser bezahlen was ich verbraucht habe und bekomme keine Zertifikate dafür, dass ich in eine wassersparenden Waschanlage fahre oder einen Wassersparduschkopf kaufe.
Es kostet einfach jeder qm Wasser soviel wie die Reinigung, den Rest regelt der Markt und die Technologie.

Und beim CO2 muss einfaches jedes Kilo so viel kosten, wie die Entferung aus der Athmosphäre.

dr_big
06.01.2022, 09:11
Man kann das Ganze natürlich beliebig kompliziert machen oder einfach eine CO2 Steuer einführen.


Die CO2 Steuer gibt es schon immer, die nannte sich früher Mineralölsteuer und seit einiger Zeit Energiesteuer. Will man den CO2 Ausstoss stärker besteuern, dann muss man nur diese Steuer anheben. Wer viel fossilien Krftstoff verfeuert, der bezahlt viel. Die Welt könnte so einfach sein. Stattdessen werden ständig neue Steuern und Vergünstigungen erfunden die es gar nicht bräuchte.

MattF
06.01.2022, 10:23
Die CO2 Steuer gibt es schon immer, die nannte sich früher Mineralölsteuer und seit einiger Zeit Energiesteuer. Will man den CO2 Ausstoss stärker besteuern, dann muss man nur diese Steuer anheben. Wer viel fossilien Krftstoff verfeuert, der bezahlt viel. Die Welt könnte so einfach sein. Stattdessen werden ständig neue Steuern und Vergünstigungen erfunden die es gar nicht bräuchte.

Im Grunde hast du Recht.

Es fängt aber schon damit an, dass die Mineralölsteuer zwischen Diesel, Heizöl, Benzin und Kerosin nicht gleich ist. :Huhu:

Hafu
06.01.2022, 10:36
Im Grunde hast du Recht.

Es fängt aber schon damit an, dass die Mineralölsteuer zwischen Diesel, Heizöl, Benzin und Kerosin nicht gleich ist. :Huhu:

...Derzeit ist der kommerzielle Kerosinverbrauch nach der Gesetzgebung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union steuerfrei (https://de.wikipedia.org/wiki/Kerosinsteuer)...

Wer sich wundert, dass auf vielen Strecken ein Flug günstiger ist, als eine Zugfahrt: die ungleiche Steuerbehandlung der genutzten Kraftstoffe ist ein wesentlicher Grund.
Die Bahn als eines der umweltfreundlichsten Verkehrsmittel muss seit 2014 sogar eine EEG-Umlage auf den von ihr genutzten Strom zahlen, das heißt, dass Bahnreisende über ihrern Ticketpreis die Vergütung von Photovoltaikeinspeiser und Windradbetreiber mitfinanzieren, während Flugreisende davon unbehelligt bleiben.

85% der CO2-Zertifikate, die die Luftfahrtunternehmen für ihre Flüge nachweisen müssen, wurde an sie verschenkt (und sie konnten ungenutzte Co2-Zertifikate wegen ausgefallener Flüge in Pandemiezeiten sogar weiterverkaufen). Eine Lenkungswirkung hin zu geringerem Treibstoffausstoß entsteht durch den Zertifikatehandel so logischerweise nicht.

Wenn nicht so viele Menschen FDP gewählthätten, die den Zertifikatehandel im Gegensatz zu den Grünen und der SPD liebt, könnte die Politik in diesem Bereich jetzt schon deutlich weiter sein

Das einzige Land in Europa, das Kerosin mit einer Steuer belegt, ist derzeit Norwegen.