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Vollständige Version anzeigen : Übertrieben gesundes Essen als Essstörung


Läuftnix
20.02.2013, 11:36
Ich habe eben einen interessanten Artikel bei SPON (http://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/krankhaft-essen-wer-extrem-gesund-isst-koennte-eine-essstoerung-haben-a-883365.html) gefunden, in dem über die Auswüchse im Bereich des gesunden Essens und seine Folgen berichtet wird. Ich habe mich ja schon manchmal über die Inbrunst und die Akribie gewundert, mit denen hier oft über Ernährungsansatze gestritten wird. Nein, ich möchte nicht sagen, dass alle die hier diskutieren eine solche Entwicklung durchmachen und so enden wie im Artikel beschrieben (das wäre aufgrund der Diversität der Ansätze auch nicht möglich). Aber auch ich denke öfter darüber nach, was ich essen sollte und was das für Folgen für meinen Körper und meinen Sport hat. Und manchmal habe ich auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich etwas "Schlechtes" gegessen habe. Gleichzeitig fühle ich mich dann schlecht, weil ich solche Gedanken habe. Als ich den Artikel las, kam mir der Gedanke, dass ich auch Ansätze einer solchen Essstörung in mir habe. Geht nur mir das so?

pinkpoison
20.02.2013, 11:52
Burnout, ADHS, Sissi-Syndrom... die Liste von neuen Krankheiten ist lang. Warum? Weil man als Arzt, Pharmahersteller, Kurzentrum oder Psychtherapeut nur dann ordentlich mit den Krankenkassen abrechnen und sich die Taschen füllen kann, wenn das Objekt, um das es sich dreht als Krankheit offiziell anerkannt ist. Siehe dazu auch Desease Mongering (http://de.wikipedia.org/wiki/Disease_Mongering).

Nun eben wird eine eben eien weitere Facette des Essverhaltens, pathologisiert (http://de.wikipedia.org/wiki/Pathologisierung).

Wann werden leidenschaftliches Radfahren, Laufen und Schwimmen - vor allem in Kombination und auf der langen Distanz betrieben (falsch: übertrieben) endlich als Krankheit anerkannt? ;)

bubueye
20.02.2013, 12:32
Dein Artikel hat mich sehr zum Nachdenken angeregt. Danke!!!Jch bin mir vollkommen sicher, das du da nicht allein da stehst. Mir geht es nahezu ebenso. Aber ich empfinde es nicht als krankhaft sich über seine Ernährung Gedanken zu machen. Und auch nich über die Auswirkungen. Das Problem ist eher das schlechte Gewissen nachdem man etwas "verbotenes" gegessen hat. Bei mir sind es ALLE bösen Dinge die mit Sch anfangen.
SCHOKOLADE!!!! und Schokopudding, und Schokokuchen, selbstgemacht versteht sich. Aber mittlerweile habe ich nicht die "Sucht" im Griff, nur die Menge. Ich denke das ist auch gut so. Da geht dann das wichtigste, der Genuß, nich verloren. Ein schlechtes Gewissen hab ich dennoch. Oft "bestrafe" ich mich mit einer Stunde Stabi :Peitsche: oder Rolle. :quaeldich:

Und: Ernährungsumstellung bedeutet nicht die Chips von der linken Seite der Tastatur auf die rechte zu stellen!:Lachanfall: :Lachanfall:

TheRunningNerd
20.02.2013, 12:45
Extreme sind nie gut. Alles was von der Norm abweicht zur Krankheit erklären auch nicht, zumal das die wirklich kranken verhöhnt.

Wenn jemand andere Menschen, die sich anderes ernähren, beschimpft und beleidigt, oder missioniert das ein katholischer Priester in Kolonialafrika blass vor neid wird, ist das sicher neurotisch. Auch wenn jemand Ernährung als Mittel zur Selbstgeißelung betrachtet, muss man die Frage stellen, was er damit kompensierten will. Wenn aber jemand nur seine Meinung vertritt und bestimmte Essgewohnheiten damit begründet ist das erstmal sein Bier.

Die Grenzen sind fließend. Bei Leuten die eh zu Extremen neigen um so mehr. ;)

MattF
20.02.2013, 13:15
Aber auch ich denke öfter darüber nach, was ich essen sollte und was das für Folgen für meinen Körper und meinen Sport hat. Und manchmal habe ich auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich etwas "Schlechtes" gegessen habe. Gleichzeitig fühle ich mich dann schlecht, weil ich solche Gedanken habe. Als ich den Artikel las, kam mir der Gedanke, dass ich auch Ansätze einer solchen Essstörung in mir habe. Geht nur mir das so?


Nachdenken ist ja nichts schlechtes.

Das Problem an so Geschichten ist eher, wie verarbeite ich Informationen und wie entstehen Entscheidungen.

Natürlich will sich eigentlich jeder, gesund und umweltbewusst ernähren. Das kann aber immer nur ein Kompromiss sein. Bzw. ich kann nicht für jedes Lebensmittel 100%ig beurteilen, ob das nun gesund oder umweltbewusst ist, ich muss mich auch meistens mit Teilinformationen zufrieden geben, bzw. irgendwann sag ich einfach: Ich mach das jetzt so weil ich nicht weiter Zeit habe mich mit der Sache zu befassen, bevor ich verhungert bin.

Manche schaffen den Absprung halt nicht :-)

Es gibt ja auch genug Leute die genau das Gegenteil machen, die einfach "jeden Scheiß" essen oder tun (500m zum Bäcker mit dem Auto).
Über nichts nachdenke und einfach machen nach dem Lustprinzip, bzw. rein egoistisch ist sicher auch nicht das beste.

rennrob
20.02.2013, 13:42
Wegen starker Akne hatte die Frau mit 14 Jahren begonnen, ihre Ernährung umzustellen. Erst verbannte sie Fette aus ihrem Speiseplan, dann Fleisch, später Eier und Milch. Schließlich aß sie nur noch ungekochte, vegane Rohkost - am liebsten Getreidekörner, die von der Pflanze auf die Erde gefallen waren.

Dumm gelaufen. Bei mir hatte gerade das Essen von Getreideprodukten die Akne verursacht.

Lui
20.02.2013, 14:21
Die Frage ist immer wo ist die Grenze? Ich denke mein Leben wäre um einiges einfacher, wenn ich alles essen würde worauf ich bock hätte(hauptsache es schmeckt :Lachen2: ) und es mir schnuppe wäre was ich esse, wie mein übergewichtiger Bruder das macht. Anderseits ist der Standardsatz, den ich immer von Leuten höre(gerade noch letzte Woche), wenn sie mich lange nicht sehen:"Wo hast du dein Bildnis des Dorian Greys versteckt. Du siehst immer gleich aus". Mein 4 Jahre ältere Bruder wird oft für meinen Vater gehalten(also nix Gene).

Ich denke schon man ist, was man isst. Allerdings versuche ich Extreme zu vermeiden. Wenn ich bock auf McDonadls habe, was selten ist, dann esse ich das auch. Ich mag deshalb auch keine Ernährungsphilsophien, egal ob Paleo, Veganismus oder Makrobitik. Ich denke alle enthalten gute Ansätze, aber die "Verbote" stören mich. Das sind wie Dogmen bei Religionen, die zu Dauerschuldgefühle führen.
Wieso sollte ich auf meine wöchentliche Pizza verzichten? Ich hatte weder Pickeln/Akne im Leben, noch Allergien, noch sonst Wehwehchen. Trotzdem versuche ich nährstoffarme Nahrung in Grenzen zu halten und eine gesunde Mischung zu bewahren. Daher glaube ich, dass meine wöchentliche Pizza gesubd ist und andere gelegentliche "Sünden", da ich dadurch vermeide zu fanatisch zu sein.

Spanky
20.02.2013, 14:42
... Ich hatte weder Pickeln/Akne im Leben, noch Allergien, noch sonst Wehwehchen.....

...aber Bluthochdruck....und wenn es nur für 1-2 Wochen war :Lachanfall:

Lui
20.02.2013, 14:49
...aber Bluthochdruck....und wenn es nur für 1-2 Wochen war :Lachanfall:

Naja, das war eine Kardiologin, die das behauptet hat. Da würde bestimmt jeder hier erstmal schlucken. Wenn ich immer mitbekomme, was alle anderen tatsächlich haben, kann ich mich nicht beklagen:Cheese:

Trotzdem denke ich, dass es manchmal gesünder ist "ungesund" zu essen als ZU gesund.

Matthias75
20.02.2013, 15:30
Es geht ja nicht darum, bestimmte Ernährungsgewohnheiten zu stigmatisieren, sonder darum, Menschen, wie der in obigem Artikel erwähnten Frau zu helfen bzw. Hilfe zu ermöglichen.

Nur, bisher sind die Möglichkeiten begrenzt:

Der Arzt würde vielleicht gerne helfen, will/kann das aber nicht umsonst tun. (Btw. kenn ich keinen Berufszweig, der aus reiner Nächstenliebe handelt, auch nicht die Kirche, die das gerne für sich in Anspruch nimmt.) Von irgendwoher muss er also sein Geld bekommen.

Dazu sind ja eigentlich die Krankenkassen da. Ich mache da mal keinen Unterschied zwischen psychischen und körperlichen Erkrankungen. Ich bin zwar nicht für amerikanische Zustände, aber hierzulande ist die Diagnose "Psychische Erkrankung" (und eine solche ist es ja) leider immer noch mit einem gewissen Stigma behaftet. In vielen Fällen wäre es aber sinnvoller, die psychischen Ursachen zu behandeln als nachher die körperlichen/psychosomatischen Symptome.

Die Krankenkassen wollen aber ihre Kosten senken und fragen, durchaus zurecht, ob überhaupt eine Krankheit vorliegt, die sie bezahlen müssen. Die KK hätte also erstmal keinen Grund, eine solche Krankheit anzuerkennen.

Eine Richtlinie, ab wann eine solche Ernährung als Essstörung zählt, würde also für beide Seiten die Arbeit vereinfachen, da der Arzt und die KK die Therapie eindeutig einer Krankheit zuordnen.

Ich glaube nicht, das in Zukunft jeder Frustrier, Veganer, Paleo-Anhänger, sofort eine Eßstörungsdiagnose bekommt. Dafür müßte ja diese Ernährungsgewohnheit drastische körperliche Auswirkungen haben. Wenn dies aber der Fall ist, kann es für die Betroffenen leichter sein, wirklich Hilfe zu bekommen.

In meinem Bekanntenkreis arbeiten einige im Therapiebereich und ich bekomme öfter mit, wie schwer es ist, Therapien bewilligt zu bekommen. Wenn es also für diejenigen, die wirklich eine Therapie benötigen, leichter wird, eine solche zu erhalten, warum nicht?

Matthias

bubueye
20.02.2013, 15:53
... stellt sich für mich die Frage, ob oder wann eine Essstörung vorliegt, und in welchem Maße diese dann krankhaft wird.
Habe ich bereits eine Störung, weil ein Stück Kuchen eine zusätzliche Motivation für eine Trainingseingheit ist? Ich denke nicht.
Sich zu gesund zu ernähren, das geht meiner Meinung nach nicht. Da eine gesunde Ernährung eine Menge mit Ausgewogenheit zu tun hat. Das sollte schon schicherstellen, das der vom TE geschilderte Fall nicht eintritt. Mag sein, das die Lebensmittel an sich gesund sind, aber die Zusammenstellung und die Einstellung passt halt nicht dazu.

sutje
20.02.2013, 16:21
Die Grenzen sind fließend. Bei Leuten die eh zu Extremen neigen um so mehr. ;)

Eben darum geht es ja bei der Beschreibung der Orthorexie. Man definiert, wo das krankhafte Verhalten anfängt und was einfach nur 'spleenig' und nicht behandlungsbedürftig ist. Über die Grenzen kann man natürlich diskutieren, so wie seit Jahren die Grenzwerte für Bluthochdruck und Cholesterinspiegel immer enger gefasst werden, um Kranke und damit Behandlungsbedürftige generieren zu können. Zum Krankheitsbild der Orthorexie gehört z.B., dass soziale Kontakte und berufliche Aufgaben stark vernachlässigt werden, weil sich das Leben und das ganze 'Sein' nur noch um die 'richtige' Ernährung dreht. Solche Verhaltensauffälligkeiten haben im Grunde nichts mit 'ich esse kein Fleisch' oder 'Ich meide Getreideprodukte' zu tun. Hier geht es nicht um besondere Ernährungsformen an sich, sondern um einen sehr extremen Umgang damit, der weitreichende negative Konsequenzen für die Betroffenen hat.

MattF
20.02.2013, 17:04
Burnout, ADHS, Sissi-Syndrom... die Liste von neuen Krankheiten ist lang. Warum? Weil man als Arzt, Pharmahersteller, Kurzentrum oder Psychtherapeut nur dann ordentlich mit den Krankenkassen abrechnen und sich die Taschen füllen kann, wenn das Objekt, um das es sich dreht als Krankheit offiziell anerkannt ist. Siehe dazu auch Desease Mongering (http://de.wikipedia.org/wiki/Disease_Mongering).

Zitat:
"In dem Buch Hypochondrie kann tödlich sein von John Naish werden als Beispiele für Disease Mongering unter anderem folgende „Krankheiten“ und „Syndrome“ genannt: Spüllappensyndrom, Discofinger-Syndrom, Golfballleber, Rummelplatzschlaganfall und Kreditkartenischias.[2]"

Spüllappensyndrom und ADHS / Burnout sind doch nun 2 Kapitel.

Sicher hat nicht jeder dem man es nachsagt ADHS oder Burnout, dass es diese "Erkrankungen" aber garnicht gibt halte ich für eine steile These (im Gegensatz zum Spüllappensyndrom.

Richtig ist sicher, dass es Tendenzen gibt mit all diesen genannten Syndromen Geld zu machen. Man wird aber auch vielen Menschen die tatsächlich leiden nicht gerecht, wenn man ihr Leiden als nicht existent abtut.

Diese Leiden wären ja auch in anderen Gesellschaftsformen vielleicht gar keine Leiden. ADHS Kinder sind oft überdurchschnittlich intelligent, trotzdem fallen sie durch unser spezielles Schulsystem. Da gibt es schon Handlungsbedarf.

bentus
20.02.2013, 20:40
Ich habe einen Bekannten der Rohkost Veganer ist. Er ernährt sich nur von Rohkost, also nichts verarbeitetes und auch nur Gemüse bzw. Obst. Er nimmt de facto praktisch kein Protein zu sich, da er auch fast keine Hülsenfrüchte(muss man ja verarbeiten wie z.b Linsen) oder Nüsse zu sich nimmt.

So eine Essstörung finde ich schon grenzhaft. Er kann auf Nachfrage keinen Grund nennen(außer bei Fleisch wegen den Tieren).

Bei so einer Ernäherungsform müssen doch eigentlich langfristig Mangelerscheinung auftreten oder?