Jimmi
27.01.2008, 18:36
Noch was aus dem Archiv:
Kurzinfo
Der "Fleche" ist eine Veranstaltung der ARA / Audax Randonneure Allemagne. Das sind die Leute, bei denen die kürzeste Raddistanz 200 km und für das Höchste die Strecke Paris-Brest-Paris mit 1200 km alle 4 Jahre ist.
Der Fleche ist eine Rad-Gruppen-Sternfahrt. Teams zu maximal 5 Fahrzeugen (1 Tandem = 1 Fahrzeug) legen gemeinsam eine Strecke von mindestens 360 km in 24 h zurück. Jede Gruppe arbeitet ihre Strecke selbst aus, welche im Vorfeld von den Organisatoren genehmigt wird. Start ist morgens um 9.00 Uhr, Zieleinfahrt am nächsten Morgen auf der Wartburg hier in Eisenach. Es müssen mindesten 3 Fahrzeug ankommen und 2 Stunden vor Zieleinlauf darf man nicht näher als 30 km am Ziel sein.
Weil ich aus Eisenach bin, hatte ich mich vor zwei Jahren einfach mal in ein Team eingeklinkt. Um zu sehen, ob ich sowas kann war ich 14 Tage vorher noch bei einem 400er Brevet dabei, eine großen 420-km-Runde um Nürnberg.
Hier kurzer Bericht zum Fleche:
Dramatis personae:
Wolfi „Die Würzburger sind so scheiße, bei denen kann man sich noch nicht mal auf den Regen verlassen“ Z.: Cheffe, „Kompaktkurbelopa“, ein zentraler Kommunikations-knotenpunkt in der Randonneursszene. Kennt Gott und die Welt. Ist schon den 1000er gefahren.
Frank „Mach mal smooth“ T.: Ambitionierter Neuling. Von 113 kg in 2005 auf gertenschlank und unkaputtbar in 2006. Ist mit dem Rad aus Plauen angereist und fährt direkt nach der Tour die 180 km auch wieder mit dem Rad dahin zurück. Tritt jeden Berg im Stehen hoch und gewinnt jedes Bergtrikot.
Jürgen „Der steilste Anstieg bei uns hat 28 ½ Prozent. Habe das bei Nacht am ersten Weihnachtsfeiertag mittels Zollstock und Wasserwaage genau ermittelt“ F.: Besitzt so ungefähr ein Dutzend Fahrräder. Ist den 400er mit seinem Stadtrad gefahren, „weil man das einfach draufhaben muss, wenn man die 1000 fahren will“. Ist letztes Jahr auch alles gefahren.
Stefan „Ich habe mir für die Wüste einen Transportwagen gebaut. Damit kann ich 60 ltr Wasser transportieren, das reicht für 5 Tage oder 200 km bis zur nächsten Wasserstelle. Werde im nächsten Winter 4 Monate dort verbringen. Kann sein, dass ich einfach dort bleibe“ H.:
Paris-Brest-Paris-Finisher (1200 km), Hitzeresistent, Kamelbesitzer, Wüstenfan, fährt ruhig und gleichmäßig – man könnte sagen meditativ und spricht, zumindest während des Radelns nicht viel.
Jimmi „Oh gott oh gott“ S.: Reporter
Prolog
Anreise ist mit dem Zug. Das heißt für Radler vor allem eins: Umsteigen. Ich steige viermal um, ein ICE hat 40 min Verspätung, der Anschlusszug verschiebt sich um eine Stunde. Anrufen kann ich mein Team nicht. An meinem Handy sind gestern die Tasten 3,6 und 9 ausgestiegen. Komme trotzdem wohlbehalten gegen 22.00 Uhr an und nehme am gedeckten Tisch Platz: Nudeln satt, dazu Bier und Saft. Lockeres Gespräch bei dem ich wieder ein Stück kleiner werde. Mann, sind die schon alle weit mit dem Rad gefahren.
1.Akt
Start Punkt 9.00 Uhr. Mein abgefahrener Hinterreifen wird für noch tauglich befunden. Wir stempeln an einer Tanke und los geht es. Statt Regen haben wir zunächst heftigen Gegenwind. Zu fünft kann sich aber jeder mal ausruhen. Frank und ich werden kurz zurückgepfiffen: Wir waren zu schnell. Da ich mit einem fast reinrassigen Rennrad und Minimalgepäck fahre (hab noch nicht mal ne Zahnbürste dabei) habe ich technische Vorteile. Fahren direkt bei Hubert Schwarz (DER deutsche Extremradler) vorbei. Mit solchen Kurzstrecken wie wir sie vorhaben gibt der sich gar nicht mehr ab. Wind von vorne bis K2 bei ca. 50 km. Riegel und Getränke nachkaufen, dann weiter.
2. Akt
Es bleibt trocken, aber windig. Zwischendurch kommt uns das Team von Karl entgegen: Hallo-Rufe ohne anzuhalten. Ich habe wenig Zeit für die Landschaft, da ich meinen Vordermann immer im Auge behalten muss. Kurze Rast in Rothenburg ob der Tauber und mit Highspeed durch das wunderschöne Taubertal. Durchschnitt bis jetzt 27 kmh, Pulsmesser habe ich daheim gelassen – bringt eh nix wenn ich im Team fahren muss. Alle 20 min kaue ich irgendeinen Süßkram. Komme damit geschmacklich immerhin besser klar als vor 10 Tagen beim 400er. K3 bei km 120. Der Tankwart glaubt uns kein Wort, obwohl wir ihm die ganze Wahrheit über unsere Tour nur häppchenweise erzählen. Es fängt an zu regnen. Aber wie Frank sagt: Ein Randonneur muss schon mal 2 Tage nasse Füße abkönnen.
3. Akt
Der Wind lässt nach. Dafür fahren wir im Regen einen großen Bogen um Würzburg. Flache Stecke am Main entlang, dann in die Berge. Nächste größere Rast mit richtigem Abendessen soll in Bad Brückenau bei km 250 stattfinden. Nur: Das Mistkaff kommt und kommt und kommt nicht. Fast alle sind wir unterzuckert oder dehydriert oder beides. Außerdem haben wir seit Stunden keinen trockenen Faden mehr am Leib. Die Nacht bricht an. Eine Tanke wird geentert. Ich schütte einen halben Liter Cola in mich rein, den Rest in die Trinkflasche und kaufe 3x Riegel nach. Endlich laufen wir um 21.00 im Ortskern ein und suchen eine Pizzeria.
Pause
Da es in ganz Brückenau anscheinend nur türkische Steh-Pizzerien gibt entscheiden wir uns für einen Chinesen. Nicht gerade luxuriös, aber günstig und gut geheizt. Der Wirt kommt aus dem Stauen nicht mehr raus. Sobald die letzten Gäste raus sind macht er alle Öfen an und wir backen nach und nach die Sachen trocken. Wolfi und Jürgen dösen eine gute halbe Stunde, der Rest wendet immer mal wieder die vor sich hin dampfenden Socken und Armlinge. Übrigens stinken wir schon wie ein Harzer Roller. Trocken, satt und mit einem Pflaumenwein im Magen geht es Punkt elf auf die Nachtfahrt.
4. Akt
Es gibt eine kurze schnelle Route und es gibt die Hochrhönstrasse. Ab Bischofsheim heißt das 7 km Steigung. Kaum oben geht es in mir bekannte Gefilde wieder runter: Das hätte man auch einfacher haben können. Die nächsten 20 km fahren wir mit verhaltenem Tempo ein Tal hinab: Wir werden viel zu früh an der letzten Kontrolle sein. Da wir erst um 5.00 bei meinem Arbeitskollegen Klaus angemeldet sind verbringen wir 90 Minuten in einer Sparkassenfiliale. Diese wird von uns mit 3 Sternen in der Kategorie „Randonneurhotels“ bewertet. Bei Klaus gibt es dann Kaffee, Wurstbrötchen und Erdinger alkoholfrei. Wolfi legt sich eine Stunde aufs Ohr, der Rest döst vor sich hin. Um sieben (früher dürfen wir lt. Reglement nicht) Abfahrt Richtung Wartburg. Es schlängelt sich über etliche Steigungen parallel zur Hauptstraße über den Thüringer Wald. Kurz nach acht erreichen wir die Rampe zum Ziel, welche ganz oben mit würdigen 20 % Schlussanstieg nach 398 gefahrenen Kilometern das Ende der Tour ist. Karin erwartet mich. Freu!
Epilog
Für mich: Heimfahren (wohne 1 km Luftlinie) – Duschen – eine Stunde schlafen – Randonneursbuffet mit Siegerehrung des am weitesten gefahrenen Teams (540 km) – Nachmittagsschlaf – abends Geburtstagsfeier (nicht meine).
Kurzinfo
Der "Fleche" ist eine Veranstaltung der ARA / Audax Randonneure Allemagne. Das sind die Leute, bei denen die kürzeste Raddistanz 200 km und für das Höchste die Strecke Paris-Brest-Paris mit 1200 km alle 4 Jahre ist.
Der Fleche ist eine Rad-Gruppen-Sternfahrt. Teams zu maximal 5 Fahrzeugen (1 Tandem = 1 Fahrzeug) legen gemeinsam eine Strecke von mindestens 360 km in 24 h zurück. Jede Gruppe arbeitet ihre Strecke selbst aus, welche im Vorfeld von den Organisatoren genehmigt wird. Start ist morgens um 9.00 Uhr, Zieleinfahrt am nächsten Morgen auf der Wartburg hier in Eisenach. Es müssen mindesten 3 Fahrzeug ankommen und 2 Stunden vor Zieleinlauf darf man nicht näher als 30 km am Ziel sein.
Weil ich aus Eisenach bin, hatte ich mich vor zwei Jahren einfach mal in ein Team eingeklinkt. Um zu sehen, ob ich sowas kann war ich 14 Tage vorher noch bei einem 400er Brevet dabei, eine großen 420-km-Runde um Nürnberg.
Hier kurzer Bericht zum Fleche:
Dramatis personae:
Wolfi „Die Würzburger sind so scheiße, bei denen kann man sich noch nicht mal auf den Regen verlassen“ Z.: Cheffe, „Kompaktkurbelopa“, ein zentraler Kommunikations-knotenpunkt in der Randonneursszene. Kennt Gott und die Welt. Ist schon den 1000er gefahren.
Frank „Mach mal smooth“ T.: Ambitionierter Neuling. Von 113 kg in 2005 auf gertenschlank und unkaputtbar in 2006. Ist mit dem Rad aus Plauen angereist und fährt direkt nach der Tour die 180 km auch wieder mit dem Rad dahin zurück. Tritt jeden Berg im Stehen hoch und gewinnt jedes Bergtrikot.
Jürgen „Der steilste Anstieg bei uns hat 28 ½ Prozent. Habe das bei Nacht am ersten Weihnachtsfeiertag mittels Zollstock und Wasserwaage genau ermittelt“ F.: Besitzt so ungefähr ein Dutzend Fahrräder. Ist den 400er mit seinem Stadtrad gefahren, „weil man das einfach draufhaben muss, wenn man die 1000 fahren will“. Ist letztes Jahr auch alles gefahren.
Stefan „Ich habe mir für die Wüste einen Transportwagen gebaut. Damit kann ich 60 ltr Wasser transportieren, das reicht für 5 Tage oder 200 km bis zur nächsten Wasserstelle. Werde im nächsten Winter 4 Monate dort verbringen. Kann sein, dass ich einfach dort bleibe“ H.:
Paris-Brest-Paris-Finisher (1200 km), Hitzeresistent, Kamelbesitzer, Wüstenfan, fährt ruhig und gleichmäßig – man könnte sagen meditativ und spricht, zumindest während des Radelns nicht viel.
Jimmi „Oh gott oh gott“ S.: Reporter
Prolog
Anreise ist mit dem Zug. Das heißt für Radler vor allem eins: Umsteigen. Ich steige viermal um, ein ICE hat 40 min Verspätung, der Anschlusszug verschiebt sich um eine Stunde. Anrufen kann ich mein Team nicht. An meinem Handy sind gestern die Tasten 3,6 und 9 ausgestiegen. Komme trotzdem wohlbehalten gegen 22.00 Uhr an und nehme am gedeckten Tisch Platz: Nudeln satt, dazu Bier und Saft. Lockeres Gespräch bei dem ich wieder ein Stück kleiner werde. Mann, sind die schon alle weit mit dem Rad gefahren.
1.Akt
Start Punkt 9.00 Uhr. Mein abgefahrener Hinterreifen wird für noch tauglich befunden. Wir stempeln an einer Tanke und los geht es. Statt Regen haben wir zunächst heftigen Gegenwind. Zu fünft kann sich aber jeder mal ausruhen. Frank und ich werden kurz zurückgepfiffen: Wir waren zu schnell. Da ich mit einem fast reinrassigen Rennrad und Minimalgepäck fahre (hab noch nicht mal ne Zahnbürste dabei) habe ich technische Vorteile. Fahren direkt bei Hubert Schwarz (DER deutsche Extremradler) vorbei. Mit solchen Kurzstrecken wie wir sie vorhaben gibt der sich gar nicht mehr ab. Wind von vorne bis K2 bei ca. 50 km. Riegel und Getränke nachkaufen, dann weiter.
2. Akt
Es bleibt trocken, aber windig. Zwischendurch kommt uns das Team von Karl entgegen: Hallo-Rufe ohne anzuhalten. Ich habe wenig Zeit für die Landschaft, da ich meinen Vordermann immer im Auge behalten muss. Kurze Rast in Rothenburg ob der Tauber und mit Highspeed durch das wunderschöne Taubertal. Durchschnitt bis jetzt 27 kmh, Pulsmesser habe ich daheim gelassen – bringt eh nix wenn ich im Team fahren muss. Alle 20 min kaue ich irgendeinen Süßkram. Komme damit geschmacklich immerhin besser klar als vor 10 Tagen beim 400er. K3 bei km 120. Der Tankwart glaubt uns kein Wort, obwohl wir ihm die ganze Wahrheit über unsere Tour nur häppchenweise erzählen. Es fängt an zu regnen. Aber wie Frank sagt: Ein Randonneur muss schon mal 2 Tage nasse Füße abkönnen.
3. Akt
Der Wind lässt nach. Dafür fahren wir im Regen einen großen Bogen um Würzburg. Flache Stecke am Main entlang, dann in die Berge. Nächste größere Rast mit richtigem Abendessen soll in Bad Brückenau bei km 250 stattfinden. Nur: Das Mistkaff kommt und kommt und kommt nicht. Fast alle sind wir unterzuckert oder dehydriert oder beides. Außerdem haben wir seit Stunden keinen trockenen Faden mehr am Leib. Die Nacht bricht an. Eine Tanke wird geentert. Ich schütte einen halben Liter Cola in mich rein, den Rest in die Trinkflasche und kaufe 3x Riegel nach. Endlich laufen wir um 21.00 im Ortskern ein und suchen eine Pizzeria.
Pause
Da es in ganz Brückenau anscheinend nur türkische Steh-Pizzerien gibt entscheiden wir uns für einen Chinesen. Nicht gerade luxuriös, aber günstig und gut geheizt. Der Wirt kommt aus dem Stauen nicht mehr raus. Sobald die letzten Gäste raus sind macht er alle Öfen an und wir backen nach und nach die Sachen trocken. Wolfi und Jürgen dösen eine gute halbe Stunde, der Rest wendet immer mal wieder die vor sich hin dampfenden Socken und Armlinge. Übrigens stinken wir schon wie ein Harzer Roller. Trocken, satt und mit einem Pflaumenwein im Magen geht es Punkt elf auf die Nachtfahrt.
4. Akt
Es gibt eine kurze schnelle Route und es gibt die Hochrhönstrasse. Ab Bischofsheim heißt das 7 km Steigung. Kaum oben geht es in mir bekannte Gefilde wieder runter: Das hätte man auch einfacher haben können. Die nächsten 20 km fahren wir mit verhaltenem Tempo ein Tal hinab: Wir werden viel zu früh an der letzten Kontrolle sein. Da wir erst um 5.00 bei meinem Arbeitskollegen Klaus angemeldet sind verbringen wir 90 Minuten in einer Sparkassenfiliale. Diese wird von uns mit 3 Sternen in der Kategorie „Randonneurhotels“ bewertet. Bei Klaus gibt es dann Kaffee, Wurstbrötchen und Erdinger alkoholfrei. Wolfi legt sich eine Stunde aufs Ohr, der Rest döst vor sich hin. Um sieben (früher dürfen wir lt. Reglement nicht) Abfahrt Richtung Wartburg. Es schlängelt sich über etliche Steigungen parallel zur Hauptstraße über den Thüringer Wald. Kurz nach acht erreichen wir die Rampe zum Ziel, welche ganz oben mit würdigen 20 % Schlussanstieg nach 398 gefahrenen Kilometern das Ende der Tour ist. Karin erwartet mich. Freu!
Epilog
Für mich: Heimfahren (wohne 1 km Luftlinie) – Duschen – eine Stunde schlafen – Randonneursbuffet mit Siegerehrung des am weitesten gefahrenen Teams (540 km) – Nachmittagsschlaf – abends Geburtstagsfeier (nicht meine).