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Vollständige Version anzeigen : Mein erster Hermannslauf


Luke Footwalker
19.04.2011, 15:46
Nix für Speedjunkies und Kurzgeschichtenleser.

Tausende und Abertausende Läufer. Jedes Jahr am letzten Sonntag im April treffen sie sich, um nach einer gemütlichen Busfahrt die Wanderwege in OWL unsicher zu machen. Jedes Jahr? Nein, heuer jährt es sich zum 40. Mal und das Osterfest lässt eine Verschiebung um eine Woche früher ratsam erscheinen. Ehrlich gesagt macht mir das nichts aus, denn ich bin ja zum ersten Mal dabei.

Wie kommt jemand von knapp 50 Lenzen auf die Idee sich so etwas anzutun? Midlifecrisis scheidet aus, mir geht’s gut. Gruppenzwang, Bierwette? Alles falsch. Ich setze mir Ziele und versuche, diese dann zu erreichen. Der Hermannslauf ist hier in der Region DAS Ereignis für Läufer. Wie sagte ein Bekannter mal zu mir: „Du kannst Marathons laufen wie geschnitten Brot, hier fragt jeder nur nach der Zielzeit vom Hermann!“ Alle sprechen darüber, jeder kennt sich aus (ist wie beim Fußballspielen J).

Die Geschichte beginnt eigentlich schon im Frühjahr 2009. Ich fasse den Entschluss, mit Laufen anzufangen und lese mich bei runnersworld.de ein. Nach meinem Dreijahresplan steht der Hermann mit seinen 31,1 km für 2011 an. Das Vorgeplänkel kennt ihr ja. Januar 2011 wurde es dann hochgradig Zeit mit zielgerichtetem Lauftraining anzufangen. Was bietet sich mehr an als die Teilnahme am kostenlosen Hermannslauftraining vom TSVE? Treffen an der Uni Bielefeld, und dann ab in den Teutoburger Wald rund um den Fernsehturm. Was für ein Unterschied zum bekannten Eigentraining. Schlechte Wege, richtig Steigung und Gefälle, stundenlanges Gruppenevent in der Kälte. In mir reift die Erkenntnis, dass alles Vorherige nur dazu diente, mich hierher zu bringen. Und dann kam er, dieser eine Samstag mit dem letzten Schnee der Saison. Es schneit als wollte es gar nicht mehr aufhören. Und so konnte ich meine neuen Schuhe mit den Spikes ausprobieren. Super Grip, gut zu laufen und nichts drückt. Den Tag hielten wir nicht ein einziges Mal kurz an und so nahm das Unheil seinen Lauf. Ich bemerkte zu spät, dass sich die Lauftight nach unten zog und der Reißverschlußzipper hinten zwischen Hacke und Schuh geriet. Nach fast drei Stunden entkräftet im kalten Auto angekommen, nichts Trockenes zum Umziehen und kein Essen dabei gehabt und mal eben nach Hause gefahren. Und schon schlug die nächste Erkältung zu. Glück im Unglück, dadurch hatte der linke Fuß Zeit, um das bemerkenswerte Loch in der Hacke wieder zuheilen zu lassen bis ich wieder in die Laufschuhe konnte.

So langsam lief mir die Zeit für Vorbereitungen davon und ich entschloss mich, die letzten drei Wochen primär zu Laufen und Schwimmen, Badminton und Radfahren so mehr als inneren Ausgleich zu betreiben und gegebenenfalls ausfallen zu lassen. Das Hauptziel war jetzt gesund an der Startlinie stehen zu können und unter keinen Umständen noch einen Ausfall zu riskieren. Die letzte Woche ging dann mit Tapern und Carboloading drauf, ein letztes Läufchen von vier Kilometern am Mittwoch und schwupps, dann war es soweit.

Der Samstagabend wurde genutzt, um die Sachen zu packen, alles bereitzulegen und sich anhand des Agrarwetterberichtes für die passende Kleidung zu entscheiden (kurz/kurz). Ich drucke mir eine Marschtabelle aus mit den Durchgangszeiten an den Verpflegungsstellen und für jeweils 3:00, 3:15, 3:30 und 3:45 Stunden Laufzeit. Die ersten beiden Zeiten sind nur für einen Zweck gedacht: Sie sollen mich gleich zu Anfang warnen wenn ich zu schnell anfange. Ich bin die Ruhe selbst, gehe zeitig schlafen und stehe um drei Uhr auf, um mir Tee zu kochen und gemütlich zu hydrieren. Anschließend wird weiter geschlafen bis halb sechs, dann ab zum Parkhaus Hermannstraße, das am Veranstaltungstag für die Laufteilnehmer kostenfrei nutzbar ist. Die letzten Meter bis zum Gymnasium am Waldhof sehe ich die ersten Wanderer und Walker, die zu den Bussen streben. Sie sind erkennbar an der grünen Farbe ihrer Kleidersäcke und ich sehe sogar bekannte Gesichter darunter (Dem einen oder anderen Wanderer habe ich Samstag die Startunterlagen überreichen dürfen). Ach ja, ein paar Andere waren auch noch unterwegs, diese hatten das Bett sicherlich die Nacht nicht gesehen.

Klare Organisation am Abfahrtplatz, die Ansage „Hier sind noch zwei Einzelplätze frei“ schallt über den Platz, und schon bin ich im Bus. Keine sieben Uhr und schon auf dem Weg zum Hermannsdenkmal. Ich lasse die Gedanken kreisen, um mich herum ein stetes Erzählen der Wanderer und die Fragen schießen durch meinen Kopf. Was machst Du hier eigentlich, warum haben Wanderer Metallstöcke dabei, warum nimmt ein Wanderer 5 Minuten vor der Ankunft Traubenzucker. Es ist noch vor acht Uhr, die Fuhre kommt auf einem menschenleeren Parkplatz an und schon sind wir ausgestiegen. Es ist kühl, ruhig, die Geräusche der wenigen Wanderer verhallen in der Weite. Vom all-inclusive-Gedanken beseelt gehe ich zu der Tür mit der Fliesenausstellung, um zu dehydrieren, und werde um Vorkasse gebeten. Glücklich der, welcher jetzt Kleingeld hätte. Für alle Anderen stehen in ausreichender Anzahl die allseits bekannten Mobilentsorgungseinheiten bereit. Als ich anschließend Richtung Denkmal marschiere, kommt mir auf diesem riesigen, fast menschenleeren Parkplatz eine Kleingruppe Damen entgegen, die offensichtlich denselben Gedanken hegt wie ich vorhin, und mit zu Boden gesenktem Blick entspinnt sich ein Spurt um die nächste freie Tür. Dumm nur, dass ich genau in der Ziellinie gehe und man mit Blick nach unten keinen sieht. Das hätte mir noch gefehlt, 100 m vor der Startlinie von einer Stampede zertrampelt zu werden, und so springe ich kurz entschlossen zur Seite.

Ich gehe einmal in die Runde Richtung Denkmal, schaue mir den Startbereich an, der gerade die letzten Vorbereitungen erfährt und schlendere dann wieder zurück, um mich auf einer Bank am Spielplatz niederzulassen. Am Kiosk werden die Tische vorbereitet, Wanderergruppen treffen ein und machen sich meist umgehend auf den Weg Richtung Startplatz. Langsam füllen sich die Sitzplätze, ich unterhalte mich mit den neben mir Sitzenden über den kommenden Lauf, das Wetter und höre wiederholt den Tipp, bloß nicht zu schnell anzugehen. Und an den Steigungen lieber zu gehen anstatt zu laufen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich die Richtzeiten der Ratgeber höre, halte ich es noch für übertrieben vorsichtig, aber wenn man so 2:30 schafft dann kann es so verkehrt nicht sein. Es wird zehn Uhr, alles ist voller Menschen, die Wolken sind verschwunden und es scheint ein unsichtbares Signal für die letzten Vorbereitungen gegeben zu haben, denn nun wird um- und ausgezogen, Ausrüstung geprüft und Kleidersäcke weggebracht. So heißt es auch für mich, aus dem Trainingsanzug zu steigen, den Pulsgurt umzuschnallen und gespannt auf die Anzeige zu schauen. Puls 65, ich werde verrückt. Hallo, das ist viel zu tief, ich bin doch aufgeregt! Wie soll ich denn so gleich in Schwung kommen? Rein in’s Getümmel, die Menge schiebt mich langsam und unaufhörlich Richtung Kleidersacksammel-Lkw, auch über die Steinbank hinweg, und wieder zurück Richtung Startraum. Ich trage ein altes Sweatshirt, das ich auf Anraten mitgenommen habe und bin richtig froh über den Tipp. Kurz vor dem Start ausgezogen und liegen gelassen wird so endlich mal der Kleiderschrank ausgemistet und es kommt der Kleiderspende zugute. Das Teilnehmer-Warmup beginnt, die Menge klatscht sich in Stimmung, dann wird runtergezählt, der Startschuss fällt und Startgruppe A geht ab wie ein Zäpfchen. Genau in dem Moment dröhnt ein Hubschrauber über die Kuppe und fliegt in bemerkenswerter Geschwindigkeit und Schräglage den Läufern hinterher. Ich schätze mal, dass der Pilot in dem Moment ein dickes Grinsen im Gesicht hat und sich an seinem Beruf freut.

Irgendwann später habe auch ich die Startlinie erreicht und aus dem kollektiven Gedrängel wird ein Laufen, ein Vorwärtsdrang bergauf Richtung Denkmal. Die Doppelkurve um das Denkmal herum Richtung Zufahrtstraße zieht sich ein unaufhörlicher, gleichmäßiger Strom an Läufern, der überhaupt nicht mehr zu enden scheint. Dann geht’s bergab. Und immer sage ich zu mir selbst, dass ich mich nicht mitreißen lassen darf, bloß nicht zu schnell angehen. Dann piept der Forerunner, zeigt den ersten Kilometer mit 6:30 an und ich frage mich ganz verwundert, wann denn nun dieses kollektive zu schnell Laufen anfängt? Bei Kilometer zwei sind es immerhin schon unter 6:00, aber ehrlich gesagt hätte ich da lieber locker rollen lassen, wofür ich dann jedoch durch jede kleine Lücke hätte laufen müssen so wie hin und wieder ein Vollgaspilot von hinten. So bleibe ich denn mittendrin im Getümmel und sage mir immer wieder, dass die Erfahrenen schon recht haben sollen. Der Tross biegt rechts ab, runter von der Asphaltstrecke auf den geschotterten Waldweg, und immer noch geht es bergab. Nach rund 5 km kommt die erste Verpflegungsstelle in Sicht, ein Blechbläserchor spielt und neben mir wird etwas über Weihnachtslieder gerätselt. Nun gut, ich bin nicht sehr bewandert in Musikstücken, warum aber „Rule, Britannia!“ nur zu Weihnachten gespielt werden soll verstehe ich nicht ganz. An der direkt anschließenden Wassertheke lasse ich mir einen Becher durch den Kopf gehen und einen darüber. Auch hier wieder Gehörtes gleich umgesetzt: Lieber stehenbleiben und den ganzen Becher austrinken als durchzuhasten und nur einen Schluck zu erwischen. In der Eile kippe ich zu forsch aus und habe die Brille nass, was sich dann nach dem Trocknen zu einem leichten Nebelschleier auswächst.

War der Weg durch den Wald noch geprägt davon, auf dem sandigen Stück möglichst festen Untergrund zu erwischen, so geht es jetzt endlich bergauf mit mir und dem Puls. Den Großen Ehberg laufe ich hoch und versuche unter 90% HFmax zu bleiben. Dabei stelle ich fest, dass um mich herum gegangen wird und trotzdem alle gleich schnell sind. Und da ist sie, die erste Kuppe. Na bitte, war doch gar nicht so schwer wie gedacht. Und wieder geht es herunter, diesmal Richtung Panzerbrücke. Neben einem Becher Isogetränk und einem Becher Kühlwasser nehme ich noch ein bisschen Schwung von der Stimmung durch die zahlreich vorhandenen Zuschauer mit auf den Weg. Es geht am Truppenübungsplatz vorbei und die Sonne scheint kraftvoll durch die Bäume auf den Weg, was mich darin bestärkt immer schön für Kühlung zu sorgen und bloß keine Wasserstelle auszulassen. Auf dem Weg in die Stapellager Schlucht biegen wir scharf links ab, als von hinten ein Läufer etwas abkürzt und strauchelt. Mit guter Köperbeherrschung verwandelt er sich in einen Kugelblitz und rollt sich gekonnt ab, so dass ihm nichts Ernsthaftes passiert. Die folgenden Kilometer plätschern so dahin, der Puls ist tiefer als gedacht, und ich schwimme so im Strom mit. Und da ist er, der Tönsberg. Viel gerühmt und gefürchtet geht es einmal knackig den Berg hoch und hier mache ich bewusst beim Wandertag mit und habe so Zeit, die Brille zu putzen. Schön wieder den Untergrund deutlich zu sehen. Das passt gut mit meiner selbst gewählten Pulsgrenze und oben auf der Kuppe kann ich gleich wieder lostraben. Der Blick nach rechts in das Lipperland entschädigt für die bisherige Mühe und ich frage mich, wie viel Läufer hier wohl noch den Blick für die Landschaft haben.

Nun geht es stramm bergab Richtung Oerlinghausen, wo sich immer ein Stimmungshochpunkt befindet. Das Kopfsteinpflaster im Ort ist schwierig zu laufen, darum streben viele Läufer den Rinnstein an, um darin ziemlich guten Untergrund zu finden. Anfangs mache ich da mit, bis Einer vor mir deutlich zu langsam macht und so schwenke ich auf die Straßenmitte um und strebe mit kleinen, schnellen Schritten zum Ortskern. So schlimm finde ich das Pflaster nicht, große Schritte würde ich aber auch nicht machen wollen. An der Verpflegungsstelle wieder das bekannte Doppelbecherspiel mit Anhalten, Drüberkippen und Weiterlaufen und auf geht es in das Schopketal. Direkt nach der Unterführung steht wieder die fürsorgliche Seele mit dem Wasserschlauch., was die Meisten gerne annehmen. Ich bin ja klatschnass und laufe rechts, um nicht wieder die Brille einzusauen. Da wir den tiefsten Punkt der Strecke durchquert haben geht es nun in mehreren leichten Wellen wieder hoch. Der Untergrund ist feucht und dadurch fest, was nicht soviel Körner kostet. Als es dann aus dem Wald heraus auf das Schotterstück kurz vor Lämershagen geht staubt es dafür. Hier sind wieder vermehrt Zuschauer, die Stimmung machen. So langsam schmerzen die Knie leicht und ob da nun einer klatscht oder nicht wird mir zunehmend egal. Ich konzentriere mich auf die kommende Verpflegung vor den Lämershagener Treppen. Anhalten, Iso rein, Wasser drüber und rein in den Stau. Selbst wenn ich gewollt hätte wäre mit Laufen nichts gewesen. Fatalistisch denke ich daran, dass Gras auch nicht schneller wächst, wenn man daran zieht und so schwimme ich im Schulterschluss über die sehr unregelmäßigen Stufen nach oben. Und wer gedacht hat, das war es bereits, der kennt die nächsten Stufen noch nicht. Kurz danach kommt die Frage aller Fragen: Echter Hermann oder Weichei? Ich gebe alles, nehme den linken Weg über die Stufen und versuche wieder Lauftempo aufzunehmen.

Mein morgendlicher Banknachbar hatte mir gesagt, dass das Rennen erst bei Kilometer 21 anfängt. Er hatte Recht. Ist schon merkwürdig an was man so denkt beim Dahintrotten. War es nun Allen, Scott oder Macca, der auch so sinngemäß sagte, dass er das Rennen erst in der letzten Stunde anfängt? Der Untergrund wird immer unregelmäßiger, die Beine werden langsam schwer und die Füße schwingen ganz dicht über den Boden, was den einen oder anderen Stein nach vorne kickt beim Laufen. Früher habe ich immer gerätselt, wie man beim Laufen noch anfangen kann zu Rechnen, nun mache ich es auch. War ich bislang einigermaßen im Zeitplan für 3:30, so kommt langsam der Gedanke, dass ich das letzte Drittel anziehen muss damit das noch klappt. Dank der Schonung am Anfang geht das auch und ich werde gefühlt 0:30 pro km schneller. Der Eiserne Anton wird passiert, dann geht es wieder bergab zur Osningstraße und ich merke das Gefälle in den Beinen und Knien. Und schon wieder Treppen und holpriger Untergrund bergauf. Die Zuschauer scheinen sich auszukennen, die Kommentare auf den Plakaten werden deutlicher: Schmerz vergeht, Stolz bleibt. In mir reift der Gedanke, einer Zuschauergruppe zuzurufen „Ihr seht noch gut aus“, aber erstens fehlt mir die Luft und zweitens hätte den Insiderwitz wohl kein Nichtläufer verstanden. Dafür darf ich mich daran erfreuen, dass es nun an mir ist zu Überholen. Langsam aber stetig sammle ich sie ein, bemerke mehrere arme Gestalten, die versuchen Bäume wegzuschieben. Sieht nicht lustig aus wenn man einen Krampf hat und den wegdehnen muss. Den total unebenen Untergrund aus grobem, ausgewaschenen Sandsteinfels hatte ich bereits erwähnt? Dann wird der Weg enger und erschwerend kommt hinzu, dass ich da nicht überholen kann.

Ich nähere mich den letzten drei Kilometern und stelle erschreckt fest, dass die Engstellen Zeit gefressen haben die mir jetzt fehlt. Überschlägig brauche ich noch 3x6=18 Minuten, bin schon bei 3:14 Laufzeit und sage mir, dass es jetzt um Alles geht. Mein Ziel, schneller als meine zwei Personen aus dem Bekanntenkreis zu debütieren habe ich zwar im Sack, aber mein Traumziel sub 3:30 wäre ja vielleicht noch drin. Und dann tobt der Wintersturm los. Es geht bergab, jede kleine Lücke wird genutzt um vorwärts zu kommen und jetzt ist endlich wieder tempofreundlicher Asphalt unter mir. Die Zuschauer nehme ich nur noch undeutlich wahr, einige Wortfetzen dringen an mein Hirn, das sich auf ganz andere Dinge konzentriert. Noch zwei Kilometer, könnte klappen, noch ein Kilometer, die Wasserstelle lasse ich aus, verdammt wo ist denn endlich diese Promenade? Die Strecke zieht sich wie Kaugummi, der Puls ist im bekannten 10er Rennbereich angelangt und immer noch nix mit dieser oft erwähnten Zugkraft durch die Zuschauermassen. Doch da, der Geräuschpegel steigt und nach einer leichten Linksbiegung taucht sie endlich auf, die Promenade. Von hinten überholt mich eine Zuschauerin, die wohl ihren Liebsten auf dem letzten Stück begleiten will. Ich bin dafür, dass mit normaler Straßenkleidung und umgehängter Handtasche schneller laufen als erschöpfte Läufer verboten gehört. Dann sehe ich den Zielbogen und mein Schlussspurtreflex setzt ein. So 100 m könnten noch drin sein. Vollgas, da geht noch was. Und wie da was geht. Die Ziellinie erreiche ich mit 98% HFmax und 3:43er Pace. Das hätte ich vorher nicht gedacht, dass nach dreieinhalb Stunden über Stock und Stein noch diese Steigerung drin ist.

Der Blick auf meine Uhr zeigt 3:29, und mein Traum ist wahr geworden. Ein paar Meter weiter wird mir die Finisherplakette umgehängt, ich strebe den Verpflegungsstand an und gönne mir drei Becher Iso auf dem Weg zu den Kleidersäcken. Was für ein Gedränge auf dem Gelände, Umfallen ist unmöglich für mich und so versuche ich die Orientierung zu behalten und brauche eine gefühlte Ewigkeit bis zum Abzweig links. Es ist so voll, dass ich gar keinen Überblick über die Nummernfolge habe und erst später merke, dass ich auf die andere Wegseite muss zu meinem Beutel. Dabei läuft mir meine deutlich schnellere Kollegin über den Weg, und wir können uns beide beglückwünschen. Sie hat es in haarscharf unter drei Stunden geschafft, eine tolle Leistung und auch sie musste auf dem letzten Stück noch richtig dafür kämpfen. Mit meinem Kleidersack unter dem Arm suche ich mir einen der knappen Liegeplätze auf dem Rasen, um dort endlich von den Füßen zu kommen. Nanu, das Hinsetzen klappt nicht im ersten Anlauf? Nach diversen Versuchen, die Knie mehr als die letzten Stunden zu biegen, hat es dann doch funktioniert und ich liege rum, esse die Notration aus der Rückentasche. Raus aus dem feuchten Laufshirt, trockene Sachen übergeworfen und dann lasse ich mir die Sonne auf den Bauch scheinen. Nach einiger Zeit bin ich dann wieder soweit, dass ich aufstehen kann. Frau und Kind eingesammelt und dann ab nach Hause. Unterwegs wird erstmal Giros Pita eingeworfen, um den ersten Hunger zu stillen. Die nächsten Stunden werfe ich diverse Kohlenhydrate nach und trinke reichlich.

Am nächsten Tag schlafe ich gemütlich aus, mache ein paar Erledigungen und den Weg dahin per Fahrrad ganz locker, und abends dann wie gewohnt zum Badmintontraining. Der Muskelkater hält sich in Grenzen, das hatte ich in der Vorbereitung schon schlimmer. Und die Frage, ob ich anfangs zu langsam angegangen bin, die kann ich mir ja nächstes Jahr beantworten. Und vielleicht sollte ich doch mal demnächst die HFmax genau austesten, da könnten noch ein paar Schläge drin sein.

Faul
20.04.2011, 08:34
Den Großen Ehberg laufe ich hoch und versuche unter 90% HFmax zu bleiben. Dabei stelle ich fest, dass um mich herum gegangen wird und trotzdem alle gleich schnell sind.

Sehr schöner Bericht und nun weißt du auch, warum viele die Bergauf-Passagen gehen. Wird übrigens auch von Läufern gemacht, die im Bereich 1:50 laufen. Also kein Grund sich zu schämen!

neonhelm
20.04.2011, 08:48
Schöner Morgen, schöner Bericht. Danke. :Blumen:

Dieda
20.04.2011, 08:59
Na dann mal HerGlüWu an unseren Winterstürmer Luke. :liebe053:

Fein gemacht und sehr gut beschrieben :Cheese:

Der Lesestoff hält einen glatt vom Tagewerk ab.

Erhol Dich gut :Blumen:

JF1000
20.04.2011, 09:15
Toller Bericht. Was läufst Du sonst auf 10 oder einen HM, damit man mal einen Vergleich zur Einschätzung hat?!

fitschigogeler
20.04.2011, 12:05
Sehr schön, Luke!
Herzlichen Dank für den schönen Bericht.

Da will ich auch mal mitmachen. Eigentlich Pflicht, da der Namensgeber ein Namensvetter von mir ist :Cheese:
Nächstes Jahr vielleicht?

Luke Footwalker
20.04.2011, 14:14
Es freut mich, dass Euch der Bericht gefallen hat. Mein letzter und bisher schnellster 10er war Anfang Juli 2010 bei 34° C mit 53:01. Diese Laufserie mache ich dieses Jahr wieder mit, das ist sehr gut für das Tempo. Einen HM bin ich bislang noch nicht gelaufen.

Fitschi, von mir aus gerne. Das wäre eine wirklich gute Idee. Dieses Jahr war am 6.1. Anmeldungsbeginn und am 14.1. schon ausgebucht. Immer rein in die gute Stube. Und wie ich Dich kenne fährst Du bei der Gelegenheit gleich zum vinoman :Cheese: .

Decke Pitter
20.04.2011, 14:33
Hi Luke!

Glückwunsch und ein schöner Bericht.

Gruß

fitschigogeler
20.04.2011, 16:07
Fitschi, von mir aus gerne. Das wäre eine wirklich gute Idee. Dieses Jahr war am 6.1. Anmeldungsbeginn und am 14.1. schon ausgebucht. Immer rein in die gute Stube. Und wie ich Dich kenne fährst Du bei der Gelegenheit gleich zum vinoman :Cheese: .

Gute Idee für ne kleine Rundtour durch Südschweden :Prost: . Bitte rechtzeitig an die Anmeldung erinnern. Solche Dinger mag ich echt.

Dein nächstes Vorhaben?

Luke Footwalker
20.04.2011, 16:49
..Dein nächstes Vorhaben?

Tempotraining im Fünferpack (http://volksbanken-nightcup.de/?p=188#more-188).

Und noch so ein bisschen kombiniertes Baden, Radeln und Wandern am Stück in der Region. Uschi muss wieder unter Leute kommen ;) .

Hm, da fällt mir auf, dass ich außer "Schneller als Mr. X in Verl zu sein" gar kein konkretes Ziel für dieses Jahr habe. Also gut, so sei es dann: 10k sub 50 zum Adventslauf.

Teuto Boy
26.04.2011, 14:57
Hi Luke,

auch von mir einen ( verspäteten ) allerherzlichsten Glückwunsch ( war letzte Woche offline ). Da hast du dir mit deinem tollen Bericht richtig Mühe gegeben.

Luke Footwalker
26.04.2011, 16:14
Vielen Dank. Das Berichtschreiben ergab sich so, war nicht weiter schwierig. Zehn Finger sind schneller als zwei Beine ;) . Und dann immer frisch von der Leber weg.