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Vollständige Version anzeigen : Der Duft Sardiniens / Sehnsucht, Einsamkeit und wirre Gedanken - ist 2+5 ausreichend?


ATom
17.10.2024, 07:11
Angeregt durch den tollen Bericht von tridinski mit seiner Mont Blanc Umrundung würde ich meinen Reisebericht von Sardinien einstellen, sofern Interesse besteht.

Anfangen würde ich heute mit Tag-0, den Vorbereitungen.

Schatzine hat Anfang Oktober noch eine Woche Urlaub eingetragen, nun stellt sich die Frage was wir damit anstellen. Die Wetterprognosen sind so mies, dass wir unsere geplante Radtour in den Alpen mal wieder streichen müssen.

Die liegen gebliebenen Aufgaben ergeben eine lange Liste, so drängt die Vernunft, in diesen freien Tagen endlich einiges abzuarbeiten. Auch die Pflege unserer Tante möchten wir ungern in fremde Hände geben. So reden wir uns diesen „Zuhause“-Plan schön und trösten uns damit, dass wir dieses Jahr schon vier Mal über verlängerte Wochenenden weg waren und eine schöne Zeit hatten.

Am Freitagmorgen entlockt Schatzine dem Wetterbericht, dass Sardinien ein Wetterhoch hat und dort 26 bis 29 Grad und kein Regen zu erwarten sei. Dieser Gedanke lässt uns nicht mehr los und wir beginnen mit Anfragen bezüglich Vertretungen, recherchieren über den Fährbetrieb, über Hotels und Kosten. Nachdem ein Punkt nach dem anderen lösbar scheint, wird die Vorfreude und „Unvernunft“ immer größer. Können wir uns das erlauben? Sind wir egoistisch? Sind die Aufgaben nicht wichtiger? Andrerseits wird unser Zeitfenster für solche Unternehmungen immer kleiner. Wer weiß wie lange wir so etwas noch machen können. Diese Feststellung bringt uns wieder zu „just do it“!

Am Samstag haben wir noch Gäste, was die Detailplanung erschwert. Eine Radtour über mehrere Tage erfordert einiges an Planung. Die Route sollte Sehenswürdigkeiten beinhalten, die Tageskilometer und Höhenmeter müssen passen, möglichst wenig Bundesstraßen oder Schotterwege und am Ende des Tages sollte ein bezahlbares Hotel mit Abendessen und Frühstück die Tagesetappe abschließen. Die Gesamttour muss eine Runde ergeben, mit möglichst gleich langen Zwischenetappen. Eine Planungsaufgabe, die Stunden oder Tage verzehren kann. Oft hat man ein schönes Ergebnis, doch dann ist das gewünschte Hotel weg und man kann wieder von vorne beginnen.

Über die Jahre haben wir unsere Tagesetappen von früher 140 KM bereits auf 120, dann auf 100 und mittlerweile auf 80 KM reduziert. Bei 80 KM hat man Zeit zu fotografieren, kann mal einen Kaffee trinken oder ein Denkmal bestaunen. Außerdem ist man gegen 14 – 15 Uhr am Hotel und kann dort die Gegend genauer erkunden. So viel zur Theorie.
Am Sonntag sitzen wir gemeinsam am PC und versuchen mit Komoot und booking.com unsere Wünsche in Einklang mit der Realität zu bringen. Viele Fähren sind schon ausgebucht, es bliebt nur der Transfer von Genua nach Olbia.

Die Route soll von Olbia entlang der Ostküste bis nach Tortoli führen, dann die Insel queren nach Möglichkeit am Lago Alto del Flumendosa vorbei nach Bosa und dann die Westküste hoch über Alghero nach Porto Torres und mittels zweiter Inselquerung, diesmal im Norden, zurück nach Olbia. Doch egal wie ich trickse, es kommen immer zwischen 550 und 650 KM bei 7-8.000 Höhenmetern heraus, was wir in 5 Tagen zu bewältigen hätten. Zwischen 09:00 Uhr und max. 17:00 Uhr sollten 110 KM aber trotzdem möglich sein. Alle Rennradfahrer schmunzeln vermutlich, da 110 KM auch in 3 Stunden machbar sind. Für das muskelbetriebene Mountainbike im Reisemodus, mit Gepäck und unbekanntem Terrain gelten aber andere Regeln.

Bei der Softvariante mit 80 KM pro Tag müsste Tortoli, der See und die Küstenstraße zwischen Bosa und Alghero gestrichen werden. Das würden wir ungern tun, weil dort die Höhepunkte der Strecke sind. Wir entscheiden uns für die große Runde, mit dem Wissen, dass es wieder anstrengend wird. Die Begründung von Schatzine lass ich gelten: Wir brauchen mentale Erholung, keine körperliche Erholung.

Trotzdem bin ich mir unsicher ob es nicht meine Aufgabe gewesen wäre, die Euphorie und den Tatendrang von Schatzine etwas einzudämmen. Immerhin kann ich sie dahingehend überzeugen, diesmal alle Hotels sofort zu buchen. Wir sehen, dass die Auswahl äußerst gering ist und das Landesinnere sehr wenig Infrastruktur bietet.

Am Sonntag gegen 16:00 Uhr wird alles gebucht. Erst die Fähre, Parkhaus in Genua, dann die ganzen Hotels. WOW, die Entscheidung ist gefallen. Wir fahren in den Süden! Jetzt noch schnell packen. Die Fahrradwahl begünstigt mal wieder die Bullies. Das sind Mountainbikes mit 55er Stollenbereifung, montierten Aufnahmen für Front und Satteltaschen, ohne Elektronik, etwas schwerer aber zuverlässig und ständig im Gebrauch. Kurzer Check, Flaschenhalter wir später festgezogen, Tröpfchen Öl und ab ins Auto.

Als ich kurz vor 20:00 Uhr die Tickets ausdrucke, fällt mir auf, dass beim gebuchten Parkhaus ein Hinweis steht: „nur für MSC-Kreuzfahrtgäste mit Ticket“. Auweia, das haben wir übersehen. Die Stornofrist beträgt 24 Stunden vor Ankunft. Da ich 20:00 Uhr angegeben habe beträgt die Frist noch 5 Minuten. - Glück gehabt, die Stornierung klappt, die Verwaltungsgebühr von 5 € ist zu verschmerzen. Also neues Parkhaus suchen. Alles scheint ausgebucht zu sein, vom wilden Parken in Genua wird dringend abgeraten. Nach langem Suchen finden wir eines, welches ca. 10 KM vom Hafen entfernt ist. Es bleibt keine Wahl, also buchen. Was wäre passiert, wenn ich diesen MSC-Hinweis nicht gelesen hätte. Diesen Stress möchte ich mir gar nicht ausmalen.

Ich schlafe kaum. Gedankenchaos. Was- wenn wir die Fähre verpassen, was- wenn wir die Tagesetappen nicht schaffen, was- wenn wir einen technischen Defekt oder Unfall haben, was- wenn wir die Rückfähre verpassen. Ich sinniere, warum wir immer wieder solche Risiken eingehen. Pauschalurlaub mit all-inclusive gibt es doch auch. Dann fällt mir der Kalenderspruch ein: „Ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür wird es nicht gebaut“. Wir wollen und brauchen diese Spannung, dieses Freiheitsgefühl, diese Naturerfahrungen, das Schulterklopfen und die damit verbundenen Erinnerungen. Nach dieser Erkenntnis schlafe ich dann doch noch ein.

Am Montag noch schnell die Tante versorgen und dann ab nach Genua. Der Routenplaner sagt 630 KM, wir rechnen mit 8 Stunden. Da wir um 10:00 Uhr loskommen, die Fähre um 21:30 Uhr ablegt, müsste genügend Puffer sein.

Verkehr läuft gut, wir sind glücklich über die unvernünftige Entscheidung. Nach einer Baustellensituation bemerken wir, kurz vor Küssnacht/Schweiz, dass auf einem Schild „Gotthard“ gestrichen ist. Das Autonavi bestätigt aber unseren unveränderten Kurs, die Gegend ist herrlich, die Straße leer, wir entscheiden weiter zu fahren und siehe da, bei den nächsten Schildern ist „Gotthard“ nicht mehr durchgestrichen. Irgendwann bemühe ich das Handy um dort mal nachzusehen und entdecke, dass die Axenstraße gesperrt sein soll. Umdrehen, was mittlerweile ca. 100 KM Umweg bedeutet oder den Versuch wagen dort irgendwie durchzukommen. Nachdem wir mittlerweile fast alleine auf der Straße sind und „Gotthard“ auf den Schildern wieder durchgestrichen ist, drehen wir um. Das wird uns mindestens eine Stunde kosten. Ich ärgere mich über meine Naivität und dass ich die „Zeichen“ nicht verstehen wollte. Aber alles gut, wir liegen trotzdem noch gut in der Zeit.

Genua rückt näher, es ist schon dunkel und es regnet in Strömen, wir finden das Parkhaus auf Anhieb. Regenjacke an und raus in das Straßenchaos von Genua.

Mein GarminEdge führt mich zuverlässig über die geplante Route. In der Nähe des Hafens stellt sich uns ein „Security“ mit ernster Miene in den Weg. Wir verstehen zwar kein Wort, aber seine Gestik lässt uns erahnen, dass hier kein Durchkommen ist. Ich zeige ihm meine Route auf dem Handy. Er schüttelt den Kopf und sagt immer etwas von GoogleMaps. Ich reiche ihm unser Handy, immer noch bei strömendem Regen. Durch die Regentropfen verweigert der Bildschirm immer wieder seine Funktionen. Er installiert GoogleMaps und programmiert für uns eine neue Route ein. So gelangen wir über einige abenteuerliche Straßen zum Hafengebäude für Fußgänger.

Ewige Warteschlangen, wir wissen nicht wohin wir sollen. Doch dann geht es ganz schnell. Das aufgeweichte Ticket gezeigt, bekommen wir die Info: Gate 11. Über unzählige Gangways, Treppen und Hafenstraßen, sehen wir endlich „unsere“ Moby. Eine lange Autoschlange stellt uns vor die Frage: Hintenanstellen, bei immer noch strömendem Regen, oder fragen ob wir mit dem Fahrrad Vorrang haben. Der Einweiser plappert irgendetwas italienisches was ich nicht verstehe, gibt mir aber ein Zeichen, dass wir auf die Fähre können.

WOW, wir haben es noch rechtzeitig geschafft. Erleichterung macht sich breit. Dem nächsten Einweiser das Ticket gezeigt, schüttelt der den Kopf. Das ist die Fähre nach Porto Torres, wir sind falsch.

Also nochmals ein Kilometer zum äußersten Gate am Hafen und dort liegt dann tatsächlich die Fähre nach Olbia. Diese ist sehr alt und sehr schmuddelig. Die Kabine winzig und ebenfalls sehr in die Jahre gekommen. Egal, wir müssen nun erstmal unsere nassen Klamotten und Schuhe trocknen und für eine Nacht wird es im Stockbett, lautem Motorengeräusch und sanftem Schaukeln schon gehen.

carolinchen
17.10.2024, 07:29
Mehr!:Blumen:

wutzel
17.10.2024, 07:35
Mehr!:Blumen:

Viel mehr!!! :Huhu:

Siebenschwein
17.10.2024, 07:38
Klasse Aktion! War letzte Woche auch auf Sardinien, Region Orosei, und es war phantastisch! Hatte zwar das Rennrad dabei, aber war auch etwas neidisch auf die Leute mit Radtaschen, die da rumgefahren sind. Hatte das vor mehr als 20 Jahren mal gemacht und es ist einfach eine geile Insel.

Nepumuk
17.10.2024, 08:33
"Schatzine" gefällt mir sehr gut. Gerne mehr davon!

sybenwurz
17.10.2024, 08:40
Ihr habt wahrscheinlich keine Schlafsäcke mit, aber das letzte Mal, als ich nach Korsika gefahren bin, haben wir uns aufgeteilt: ich hab die Motorräder versorgt und festgezurrt, meine Blume ist rauf an Deck und hat uns Schlafplätze organisiert. Liegestühle am (trockenen) Pool.
So gut hab ich in meinem Leben nie zuvor und auch hinterher sicher nimmer geschlafen wie in diesem durchhängenden Ding, die Füsse aufm Beckenrand und in der Meerluft.

Allerdings kenne ich auch daher das Grummeln, trotz 900km Anreise nach Genua rechtzeitig an der Fähre zu sein, den Weg durchn Hafen zu finden, ziemlich gut und kann jederzeit gerne darauf verzichten.

DocTom
17.10.2024, 10:37
Toller Bericht, gerne mehr! Das verleitet mich evtl. zum Nachmachen...:Blumen: :Blumen: :Blumen:

bellamartha
17.10.2024, 12:13
Super! Macht Spaß, zu lesen!
Ich freue mich auf mehr.

qbz
17.10.2024, 12:37
Lese ich gerne, vor allem weil mir die Orte und Bilder alle etwas sagen, da ich selbst mehrfach mit dem Rad kreuz und quer durch Sardinien gefahren bin.

tridinski
17.10.2024, 16:50
Auftakt sehr vielversprechend, freue mich schon auf die nächsten Tage :Blumen:

ATom
18.10.2024, 06:32
Vielen Dank für die lieben Rückmeldungen und Euer Interesse. Dann schicke ich mal den Bericht von Tag 1 hinterher.

ATom
18.10.2024, 06:35
Tag 1: Olbia-Cala Gonone
114 KM / 1.115 HM / 06:28 netto Fahrtzeit / 116 HF / 2.733 Kalorien

Heute haben wir zwei Routenvarianten. Wenn es gut läuft 124 KM, diese lässt sich auf 114 KM kürzen, wenn wir den Strand von Orosei auslassen. Die Fähre hat zwei Stunden Verspätung, somit scheint die Entscheidung schon getroffen zu sein. Es ist bereits 09:40 Uhr bis wir endlich loskommen.

Ich nehme alles Gepäck zu mir, in der Hoffnung damit einen besseren KM-Schnitt zu bekommen. Der hintere Flaschenhalter von Schatzine lässt sich nicht mehr festschrauben, weil das Gewinde durchdreht. Also packe ich noch 2 Wasserflaschen für Schatzine in meine Taschen. Somit ist mein Hinterteil echt schwer.

Das Hafengelände, die vielen LKW und die Ausfahrtstraßen mit Tunnel erfordern unsere höchste Aufmerksamkeit. Doch nach ein paar Kilometern hat sich alles entspannt. Jetzt erst realisiere ich wo ich bin und dass ich meiner Leidenschaft nun 5 Tage frönen darf.

Der Zeitdruck aufgrund der verlorenen zwei Stunden bekümmert mich noch nicht so sehr, denn jetzt möchte ich erst einmal genießen. Allerdings rasselt meine Kette ungewohnt, was ich zwar bemerke, aber ignoriere. Beim ersten Anstieg als ich auf das kleine Kettenblatt wechsle, ist das Rasseln sehr unangenehm. Ich halte an um nachzusehen was da los ist.

Die Schrauben des Umwerfers haben sich gelöst, so dass dieser seine zugedachte Position verloren hat und wackelt. Mist, an diese Schrauben kommt man nicht heran, dazu müsste man die Kurbel abbauen, was mit Zeit und richtigem Werkzeug kein Problem wäre. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass bei solchen Reparaturen immer nichtgeahnte Schwierigkeiten auftauchen. Oft sitzt die Kurbel fest und ohne Hammer wird es dann schwierig. Unser Zeitdefizit verwehrt mir solche Experimente.

Ich versuche es mit einem Kabelbinder durch die Langlöcher um das Sitzrohr. Mit der Zange schaffe ich es mit ganzer Kraft die erste Raste des Kabelbinder zu überwinden. Das scheint zu halten. Die folgenden Kilometer und die ersten Schaltvorgänge bestätigen dies.

Nach weiteren 10 KM fragt mich Schatzine, ob ich mal nach ihrem Hinterrad sehen könnte, welches sich etwas seltsam anfühlt. OK, Plattfuß. Am Straßenrand wird der Schlauch gewechselt, dabei werden wir mächtig von Stechmücken gepiesackt. Das müssen fiese Viecher gewesen sein, da wir diese Andenken noch heute haben. Ganz schön holpriger Start. Der Zeitdruck wir immer größer, meine Hochrechnungen immer pessimistischer.

Doch dann kommt die Sonne heraus, wir sehen einen große Kolonie Flamingos, -ich liebe diesen Anblick. Gerne wäre ich näher ran um Fotos zu machen, aufgrund der inneren Hetze verwehre ich mir dies, in der Hoffnung eine zweite Gelegenheit zu bekommen, was mir rückblickend leider nicht mehr beschert wurde. Trotzdem werde ich diesen Glücksmoment nicht vergessen.

Zwischen La Caletta und Santa Lucia machen wir trotzdem ein paar schöne Strandaufnahmen und genießen den Blick auf den Strand und die Wellen. Gegen Nachmittag wird der Himmel schwarz und der Wind wird böig. Es dauert nicht lange bis wir wieder durchnässt und aufgeweicht werden. Der starke Gegenwind kostet Kraft und Körner. Der Wetterbericht hat davon nichts gesagt, wir waren auf 28 Grad und Sonne eingestellt.

Nach zwei Stunden ist der Spuk vorbei, die Sonne lässt uns dampfen und der versteckte Passo Littu bringt uns mit seinen 12 bis 15% Steigung wieder zum Schwitzen. Mein Garmin fordert noch 200 Höhenmeter und nur noch 6 KM bis zum Ziel. Wir grübeln, wo wohl der Durchgang sein könnte. Vom Meer ist weit und breit nichts zu sehen, nur Wald und über uns ein mächtiges Gebirgsmassiv. Wir haben keine Idee wie wir dort rüberkommen sollen. Doch wie so oft, schlängelt sich die Straße in Kehren nach oben und schlüpft zwischen zwei Felslücken, die von unten nicht zu sehen waren, hindurch.

An der Passhöhe haben wir einen zauberhaften Blick über die Bucht Cala Gonone, unserer heutigen Heimat. Wir lassen noch eine Herde Ziegen passieren, deren Bock mit seinen gewaltigen Hörnern sich gehörig Respekt verschafft. Dann rollen wir pünktlich zum Sonnenuntergang die sehr steile, mit Betonplatten belegte Passabfahrt hinunter ins Ziel.

Die Unterkunft ist wundervoll, die warme Dusche ein Segen. Danach widmen wir uns wieder der Kleiderwäsche und der Trocknung der Schuhe. Diese haben mittlerweile einen ekelhaft beißenden Geruch der an einen vier Wochen alten Tierkadaver erinnert. Mittels Föntrocknung wabert dieser Duft nun durch unsere Gemächer. Deshalb ergreifen wir schnell die Flucht und genießen das Abendessen im „Nextdoor-Restaurant“.

Zeit für den Kurbelabbau habe ich keine, mache mir aber Hoffnung, dass die Lösung mit dem Kabelbinder die Tage überdauert.

su.pa
18.10.2024, 07:06
Cool - bitte mehr davon. Vor allem auch von den besuchten Sehenswürdigkeiten. Sardinien steht auch noch auf unserer Liste. Wir tun uns im Urlaub immer eher schwer, dass wir Sightseeing und Sport verbinden.

Bitte auch gerne Infos, was Ihr so alles an Material und Klamotten dabei hattet :Blumen:

Siebenschwein
18.10.2024, 08:03
Oh ja, der kleine Pass nach Cala Gonone ist phantastisch. Wenn man oben durch die Lücke kommt und plötzlich die Bucht vor sich hat… ein Traum. Schöne Strecke habt Ihr Euch rausgesucht, gefällt mir.

FMMT
18.10.2024, 09:20
Wunderbar geschrieben:Blumen:

TriVet
18.10.2024, 09:29
Yepp, danke fürs virtuelle mitnehmen und bitte weiter. :Blumen:

TriVet
18.10.2024, 09:33
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das hier der kleine Pass:
bilders/filmchen (https://maps.app.goo.gl/qgb3hZrKGHafvgEz8?g_st=com.google.maps.preview.cop y)

MattF
18.10.2024, 09:36
Sehr schön. Kann man vielleicht auf Strava folgen?

DocTom
18.10.2024, 13:53
Toll zu lesen.:Blumen:
:Danke:

ATom
18.10.2024, 15:26
Cool - bitte mehr davon. Vor allem auch von den besuchten Sehenswürdigkeiten. Sardinien steht auch noch auf unserer Liste. Wir tun uns im Urlaub immer eher schwer, dass wir Sightseeing und Sport verbinden.

Bitte auch gerne Infos, was Ihr so alles an Material und Klamotten dabei hattet :Blumen:

Hallo su.pa,
vielen Dank für Dein Interesse und Deinen Zuspruch.

Ich habe mir Packlisten für unterschiedliche Urlaube erstellt.
MTB mit Satteltaschen sieht folgende Utensilien vor:
Radklamotten:
1 x kurze Hose
1 x 3/4 Hose
1 x lange Hose
1 x Regenhose
2 x kurzes Trikot
2 x langes Trikot
1 x leichte Weste
1 x warme Weste
1 x Regenjacke
1 x kurze Socken
1 x lange Socken
1 x Stirnband
1 x Buff
1 x Mütze
1 x Arm- und Beinlinge
1 x Radschuhe
1 x Regenüberschuhe
1 x Helm + Sonnenbrille
1 x Handschuhe

Privatklamotten:
2 x T-shirt
1 x Fleecejacke
1 x Zipphose (lang, mittel, kurz)
2 x Unterhose
2 x Socken
1 x Badelatschen
1 x Badehose

Kosmetiktasche:
Zahnbürste, Zahnpaste, Sonnencreme, Bepanthen, Pflaster, Nähzeug, Nagelzwicker, Schere, Pinzette, Wäscheleine, Obstmesser, Korkenzieher, USB-Mehrfachstecker, Ladekabel für 2xGarmin+IPhone, Gummibänder, Lesebrille

Werkzeug:
2 x Ersatzschlauch, Flickset, Reifenheber, Luftpumpe, altes Schlauchstück, Multitool, Zange, Ventilschlüssel, 3xKettennietstift, 5xkleine Inbusschlüssel, 2x2 Bremsbacken samt Splint, 4x Kabelbinder, Draht, 2xEinmalhandschuhe, ErsteHilfePack, 2xRettungsfolie, 1xRegenponcho, Kettenöl, langes Fahrradschloss (das ist leider sehr schwer)

Am Rad:
1x Ortlieb Fronttasche, 2xRadtasche Ortlieb BackrollerClassic, GarminEdge1030, 1xRücklicht Dauerlicht, 1xRücklicht blinkend, Kopflampe, 2x750ml Trinkflasche

Wertsachen:
Privatgeldbeutel, Urlaubsgeldbeutel, Kreditkarte, Personalausweis, KV-Karte, Organspenderausweis

Folgendes kommt in die Fronttasche um schnellen Zugriff zu haben:
Handy, Wertsachen, Autoschlüssel, Regenjacke, Weste, Arm- und Beinlinge, 1 x langes Trikot, leichte Weste, Stirnlampe, Mütze, Handschuhe, Lesebrille.

Für die hinteren Taschen werden Module nach Zweck zusammengestellt.
Das bedeutet:
- "kalt und nass" in einen durchsichtigen wasserdichten Beutel
- "Privatklamotte" in einen wasserdichten Beutel
- "Ersatzklamotte" in einen wasserdichten Beutel

Gewicht für o.g Utensilien:
2,0 kg Fronttasche
4,8 kg linke Satteltasche
4,8 kg rechte Satteltasche

Schatzine nimmt deutlich weniger mit als ich, da sie nicht so kälteempfindlich ist. Ihre Module waren schätzungsweise 3 bis 4 kg schwer. (Braucht etwas mehr Kosmetikzeug als ich)

schnodo
18.10.2024, 15:37
Ach, wie schön! Danke für die toll geschriebenen Berichte. :Blumen:

Ich war in den Osterferien 2013 mit meiner Holden dort, zum Klettern und Schwimmen. Sardinien ist wirklich fantastisch.

ATom
18.10.2024, 15:38
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das hier der kleine Pass:
bilders/filmchen (https://maps.app.goo.gl/qgb3hZrKGHafvgEz8?g_st=com.google.maps.preview.cop y)

Ja, genau das ist der Pass.
Auf den Videos sieht man auch die Betonplatten die uns ordentlich durchgeschüttelt haben.
Danke für die Möglichkeit meine Erinnerungen aufzufrischen.

ATom
18.10.2024, 15:39
Sehr schön. Kann man vielleicht auf Strava folgen?

Leider nein, Strava kenn/hab ich nicht.

tridinski
18.10.2024, 16:25
Leider nein, Strava kenn/hab ich nicht.

im Eröffnungspost schriebst du dass du auf Komoot geplant hast, ggf. magst du den Komoot-Link mit uns teilen :Blumen:

Auf der Landkarte 'mitzufahren' hat auch nen schönen Inspirationsfaktor :)

viel Spaß weiterhin!

ATom
18.10.2024, 18:33
im Eröffnungspost schriebst du dass du auf Komoot geplant hast, ggf. magst du den Komoot-Link mit uns teilen :Blumen:

Auf der Landkarte 'mitzufahren' hat auch nen schönen Inspirationsfaktor :)

viel Spaß weiterhin!


Na,ja Komoot-Links teilen hab ich noch nie gemacht. Weiß nicht was das evtl. für Auswirkungen haben könnte. Bin eher ängstlich bei solchen Sachen. Da Du Deine Mont Blanc Toor aber ebenfalls öffentlich gemacht hast, folge ich Deinem Beispiel.

Tag-1: https://www.komoot.com/de-de/tour/1910863569?share_token=aVyy8MGkq76TCZS2Ldg5DRhUnkp XLoIjlCKnYq0JZkQ99NJqlG&ref=

bergflohtri
18.10.2024, 20:59
Morgen um 20:15 gibt es passend dazu auf Arte eine Doku mit kulturellem Schwerpunkt

TriVet
18.10.2024, 21:06
Na,ja Komoot-Links teilen hab ich noch nie gemacht. Weiß nicht was das evtl. für Auswirkungen haben könnte.

Umso mehr Danke fürs teilen.
Kann mir nichts vorstellen, was da einer Böses draus basteln könnte.

ATom
19.10.2024, 07:15
Tag 2: Cala Gonone-Villagrande Strisaili
85 KM / 2.073 HM / 06:26 netto Fahrtzeit / 115 HF / 2.645 Kalorien

Herrlich geschlafen, mit dem Sonnenaufgang aufgestanden, grandioses und reichhaltiges Frühstück zu zweit auf der wundervollen Panoramaterrasse mit Blick über die ganze Bucht - bei leiser Wohlfühlmusik. Melancholie, Dankbarkeit hier sein zu dürfen aber auch Euphorie machen sich breit. So kann jeder Tag beginnen.

Die ersten Kilometer sind wir bewusst Umwege gefahren um am Meer zu bleiben. Der Duft, das Rauschen und das goldene Licht machen uns glücklich und demütig. Wir verlassen das Meer und machen uns an die nächsten Passauffahrten „Viale Cristoforo Colombo“ und „Passo Ghenna Silano“ welche uns 27 KM beschäftigen werden.

Diesmal wird mein Hinterreifen gleich zu Beginn von einem kleinen, gemeinen Drahtstück durchlöchert. Mein letzter Ersatzschlauch tut seine Dienste, heute Abend ist Schlauchflicken angesagt.

Die Landschaft ist herrlich, die Straßen kaum befahren. Trotz Panne sind wir bester Laune. Schatzine hat etwas Bammel vor den heutigen Höhenmetern, wobei sie für die letzten 220 Höhenmetern selbst die Verantwortung trägt. Eigentlich hatten wir eine B+B Unterkunft in Villagrande Strisaili ausgesucht und in die Route eingebunden. Ganz zum Schluss hat sie noch ein anderes Hotel gefunden, welches mit eigenem Restaurant augenscheinlich Vorteile bot. Nach dem Buchen habe ich dann festgestellt, dass dies völlig abgelegen auf einer Bergkuppe liegt. Na ja, wir schaffen das trotzdem, Schatzine hat noch nie aufgegeben.

Das Wetter scheint heute zu halten. Ich kann sogar die Beinlinge ausziehen und fahre kurz, das ist ein herrliches Gefühl im Oktober. Allerdings wird der Gegenwind wieder stärker. Das scheint gegen Mittag hier normal zu sein. Erste Zweifel kommen auf, ob wir die Runde nicht lieber gegen den Uhrzeigersinn hätten fahren sollen.

Wir verlassen die sowieso schon einsame Straße und biegen nach rechts auf einen Schotterweg. Hier ist wirklich Niemandsland. Kein Haus, kein Auto, keinerlei Zivilisation. Ein Schild warnt vor Überflutungswellen, welches wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht verstehen.

An einem besonders schönen Platz mit herrlicher Aussicht machen wir einen kurzen Halt und essen etwas. Danach geht es auf der Schotterstraße weiter. Und wieder macht es pfffft. Erneut zeigt mein Hinterreifen Luftlosigkeit.

Zweimal an einem Tag! Was ist hier los? Ersatzschläuche sind aufgebraucht, also ist flicken angesagt. Das Hinterrad ausgebaut, Bremsscheibe nach vorne, Ventil nach oben, stelle ich fest, dass im Mantel auf 4 Uhr und auf 5 Uhr fette Kaktusdornen stecken.

OK, in der naheliegenden Pfütze überprüfe ich nochmals ob es wirklich „nur“ diese beiden Löcher sind, entscheide mich aber, lieber den Schlauch von heute Morgen zu flicken, da ich dort nur einen Flicken benötige.

In der Folge würden wir unsere Räder am liebsten über den Schotter tragen. Hier stehen links und rechts tausende Kaktusfeigen. Gefühlt halten wir alle hundert Meter an und überprüfen den Reifendruck. Nach ein paar Kilometern gibt es glücklicherweise wieder Asphalt und wir fahren am Ufer des bezaubernden „Lago di Santa Lucia“ einem Stausee, dem wir nun die Gefahrenschilder bezüglich der Überflutungswellen zuordnen. Die Kaktusfeigen fast schon vergessen, piept mein Garmin und zeigt links.

Eine steile Schotterrampe zeigt sich, die einen Bach quert und auf der anderen Seite ebenso steil wieder hoch geht. Nasse Schuhe auf diese Weise habe ich heute nicht eingeplant, zudem ist unsere Abneigung gegenüber Schotter nun ziemlich groß.

Ich möchte auf dem Handy nach Alternativen schauen, doch das findet kein Netz. Für Schatzine ist die Bachquerung keine Wahl, sie möchte auf Asphalt bleiben. Ich würde gerne die geplante Route verfolgen um weitere Risiken auszuschließen. Wir treffen die Übereinkunft drei, vier KM auf der Asphaltstraße zu bleiben und auf Handyempfang zu hoffen. Dieses Vorhaben trägt Früchte. Mit Umweg kommen wir nach einigen Kilometern wieder auf unsere geplante Route zurück.

Die neue Strecke entlohnt uns mit mannigfaltiger Vegetation und dem Weitblick auf zurückliegende Berge und den Stausee. Zudem dürfen wir eine weitere kleine Passstraße fahren, die dann in die SP27 Richtung Villagrande mündet.

Die Panne und der Umweg haben wieder Zeit gekostet und nun stehen noch gute 500 Höhenmeter auf dem Soll. Ab 17:00 Uhr wird es immer kühl, ab 18:30 Uhr wird es langsam dunkel. Schatzine muss beißen, das merke ich daran, dass sie ruhig wird. Keine Kommentare über schöne Bäume und Blüten, kurze Antworten auf Fragen und selbst die kleinen Ziegen bekommen kein „ach wie süß“.

Aber sie würde niemals jammern oder klagen, das liebe ich so sehr an ihr. Ich bin glücklich, dass ich mit ihr solche Abenteuer in dieser Harmonie, gleicher Begeisterung und gleicher Blickrichtung erleben darf. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, deshalb hege ich oft die Sehnsucht, allen Ballast abzugeben um mit ihr die Welt zu entdecken.

Ich fahre ihr nochmals entgegen und möchte sie die letzten Höhenmeter motivieren und ziehen. Dann kommt der erhoffte Wegweiser auf das Hotel. Wieder Schotter, nochmals Höhenmeter und Pampa pur. Doch nach 4 KM sind wir überrascht über die Größe des Anwesens, den Pool und die gepflegte Anlage.

Nach den Formalitäten ist es bereits dunkel. Wir sind die einzigen Gäste, das Restaurant ist geschlossen, doch der überaus engagierte und freundliche Herr nutzt seine Beziehungen um uns eine Pizza samt Salat zu besorgen. Auch mein Wunsch nach einem Bier kann er nachkommen. Dazu muss er aber den Barmann anrufen, der binnen 20 Minuten extra dafür herkommt.

Das Zimmer ist schön, aber eisig kalt. Heizung Fehlanzeige. Aber die warme Dusche funktioniert. Nach der Kleiderwäsche hoffe ich, dass die Wäsche bei den kalten Temperaturen bis morgen trocken wird.

Die südlichen Gepflogenheiten bezüglich der Bettdecken (Teppich in Laken gehüllt) gefallen mir gar nicht. Ich erinnere mich, dass wir früher auf Trainingslager immer unsere eigenen Bettbezüge mitgenommen haben, um mit diesen seltsamen „Teppichen“ nicht in Kontakt zu kommen. Andere Länder andere Sitten. Beklag Dich nicht, sonst musst Du zuhause bleiben.

Mangels Tischs wird das Festmahl dann später auf dem Bett kredenzt. Die Pizza ist lecker, der Salat lässt alle Zellen Hurra schreien und das Bier bringt mich in einen gemütlichen, gelassenen Zustand und beschert mir ein schnelles Einschlafen.

https://www.komoot.com/de-de/tour/1910863869?share_token=aLsh0Zca2tdMIBfkfGibBZmqK3a f6XMowIPK6AQ7e0ykewPVdl&ref=

tridinski
19.10.2024, 07:27
Schön geschrieben vielen Dank auch für den Link :Blumen:
So circa 85km und 2000+ Höhenmeter waren bei uns im Sommer auch immer eine gute Größenordnung, wenn auch RR oder MTB natürlich noch einen kleinen Unterschied macht

Dosenwurst
19.10.2024, 15:29
Angeregt durch den tollen Bericht von tridinski mit seiner Mont Blanc Umrundung würde ich meinen Reisebericht von Sardinien einstellen, sofern Interesse besteht.
Vielen Dank für den tollen Bericht. :Blumen:
Wir sind auch gerade auf Sardinien unterwegs, allerdings haben wir das Auto mit auf die Fähre genommen und es bleibt bei Tagestouren mit dem Rennrad.
Ihr habt meinen tiefsten Respekt dafür, dass ihr das Organisatorische nur mit dem Rad stemmt!
Gruß Peter

DocTom
19.10.2024, 20:56
Toll!!!:Blumen:

ATom
20.10.2024, 09:54
Tag 3: Villagrande Strisaili-Sindia
117 KM / 1.368 HM / 06:48 netto Fahrtzeit / 122 HF / 3.105 Kalorien

Vor dem Frühstück ist wieder Schlauchflicken angesagt, damit ich bei einer erneuten Panne nur die Schläuche tauschen muss. Am Waschbecken ist dies besser zu erledigen als draußen in der Natur. Das ist auch schnell erledigt.

Heute sind wir noch früher aufgestanden um mehr Puffer zu haben. Das Auschecken dauert länger als gewohnt, deshalb möchte ich parallel schon die Fahrräder satteln. Diese durften in einem separaten Keller übernachten.

Dort angekommen trifft mich beinahe der Schlag. Bei mir vorne Platt, bei Schatzine hinten. Ist das die Wirklichkeit oder träume ich? Wo haben wir uns dies eingefangen? Das kann eigentlich nur auf den gestrigen letzten Metern gewesen sein. Wenn mir jemand diese Geschichte erzählen wollte, würde ich an Übertreibung glauben. Lamentieren hilft nicht, die soeben reparierten Schläuche werden sofort wiedereingesetzt, erst bei Schatzine, dann bei mir.

Sicherlich können andere einen Schlauchwechsel schneller durchführen als ich. Ich achte immer sehr darauf, ob die Schadenursache noch im Mantel steckt. Dazu wird dieser auf links gedreht und peinlichst, visuell und haptisch untersucht. Auch ein vermeintliches Einklemmen des Schlauches wird durch mehrmaliges Prüfen verhindert.

Lange Rede, … als ich mit meinem Rad fertig bin, alles Werkzeug aufgeräumt habe, sagt Schatzine, ach Mist, bei mir ist es schon wieder platt. Ich suche nach der versteckten Kamera, soviel Pech kann doch nicht war sein. Ich bin dieses Jahr über 8.000 KM und Schatzine über 5.000 KM gefahren ohne eine einzige Panne und nun ist es das 7. Loch innerhalb von 3 Tagen. Nun muss ich meinen letzten Flicken verwenden, das bedeutet, dass wir heute keinen Plan B haben. Ein Großteil der Strecke ist Pampa ohne Zivilisation, - was für Aussichten.

Wir starten mit mulmigem Gefühl. Als wir die letzten Häuser verlassen quälen mich die Pannengedanken immer mehr. Internet/Telefon hatten wir gestern nur sporadisch oder ganz schwach. In der ersten Stunde sehen wir kein einziges Auto. Im Kopfkino fallen mir unzählige Episoden der Serie „Bergretter“ ein, bei denen die in Not geratenen Personen immer im Freien übernachten müssen, bis endlich Hilfe kommt.

Gestern haben wir schon einige Überreste von Schlangen, Wildschweinen und sonstigem Getier gesehen, wer weiß was es hier sonst noch so gibt. Kurze Zeit später liegt am Straßenrand eine skelettierte Ziege, ich blicke zum Himmel und suche die kreisenden Geier, ein Schauer läuft mir über den Rücken, spreche meine Gedanken aber nicht aus.

Dann, wie zur Beruhigung, überholen uns drei Motorräder. Sonst nerven mich diese Verkehrsteilnehmer, heute verspüre ich große Freude an ihnen. Wir sind nicht mehr allein. Irgendwann läuft eine eingezäunte Autobahn parallel zu unserer Straße. Wieder ein Funke Hoffnung für den Fall der Fälle. Allerdings bleibt diese unten und wir gewinnen zunehmend an Höhe, mit dem Passo di Correboi. Das Wetter verschlechtert sich, es regnet und der Gegenwind ist wieder da.

Dann plötzlich, ein entgegenkommendes Wohnmobil, das mich auf einen Gedanken bringt. Autos die Fahrräder dabeihaben, könnten auch Flickzeug haben. Folglich mein Entschluss, das nächste Auto anzuhalten.

Eine gefühlte Ewigkeit später ein Auto ohne Fahrräder, Mist. Später dann drei Autos auf einmal. Ich stehe mitten auf die Straße und halte alle an. Dem ersten Italiener halte ich meine Flickzeugschachtel vor die Nase und sage: „I need this“ und zeige auf meinen Reifen. Dieser schüttelt den Kopf und fährt weiter.

Im zweiten Auto sind Franzosen, mein gleicher Spruch, auch hier Kopfschütteln. Das dritte Auto hat keine Fahrräder, also versuche ich es gar nicht. Mission gescheitert.
Drei Kurven weiter steht der Franzose am Straßenrand, kruschtelt in seinem Kofferraum und holt eine Werkzeugtasche hervor. Dort hat er tatsächlich drei Flicken die er mir gibt. Wir sind unendlich glücklich, finden es aber schade, dass wir aufgrund der Sprachbarriere unsere Dankbarkeit nicht so ausdrücken können wie wir gerne wollten.

Jetzt bin ich wieder zuversichtlich, der Schalter für gute Laune ist wieder umgestellt. Heute können wir uns drei Pannen leisten und morgen gibt es in der Stadt Gelegenheit Nachschub kaufen. Die Passhöhe bei 1.100 Metern ist nun bald erreicht, die Abfahrt wird trotz leichtem Nieselregen und heftigen Böen genossen.

Später verzieht sich der Regen, doch der Wind wird immer stärker. Windgeschwindigkeiten bis 60 km/h und Böen bis 90 km/h sind gemeldet. Leider Westwind, wir fahren in die falsche Richtung. In einer langgezogenen, abfallenden Linkskurve erfasst mich der Wind ausnahmsweise mal von hinten. Ich beschleunige wie „Kit“ mit Turboboost, doch merke schnell, dass sich die Windverhältnisse in der Kurve zunehmend ändern, bis mich eine seitliche Böe um gut zwei Meter versetzt. In Panik mache ich eine Vollbremsung die mich vermutlich vor Schlimmeren bewahrt.

Um 16:00 Uhr habe ich meisten ein Tief. Dies ist auch heute so. Eine kerzengerade Bundesstraße mit viel Verkehr, ca. 5% Steigung und fortwährendem Gegenwind zermürbt. Mit Front- und Satteltaschen habe ich eine Aerodynamik wie ein Omnibus. Meter für Meter eine Qual und kein Ende in Sicht. Der Rückblick an die vielen Marathons und Langdistanzen macht mir aber klar, dass diese Qual im Moment nur mental und nicht körperlich ist. Auch diese Straße hat ein Ende!

Und tatsächlich, mein Garmin piept und wir dürfen diese doofe Straße verlassen. Jetzt wird es wieder einsam. Straßen wie im Bilderbuch. Davon träumen wir so oft im Alltag. Das nächste Problem noch nicht erahnend, nähern wir uns diesem immer mehr.
Zuerst möchte ich der heutigen Hausherrin noch eine E-Mail schreiben, dass wir vermutlich erst um 19:00 Uhr ankommen werden. Sie hatte in ihren Regularien geschrieben, dass das späteste Einchecken um 17:00 Uhr erfolgen muss.

Ich gebe Gas um einen Vorsprung herauszufahren, um diese E-Mail zu schreiben, so kann Schatzine das Tempo beibehalten und wir verlieren keine zusätzliche Zeit. Schatzine ist schneller als gedacht und fährt an mir vorbei.

Doch in der Ferne sehe ich zwei große Hunde auf der Straße. Ich weiß, um ihre große Angst vor freilaufenden Hunden und gebe nochmals Vollgas um sie wieder einzuholen. Das gelingt mir auch und scheint die ersten Hunde auch etwas einzuschüchtern. Sie verziehen sich auf die Grundstücke links und rechts. Die Angst ist Schatzine ins Gesicht geschrieben.

Ich versuche zu beruhigen. Ein paar hundert Meter weiter, sind gleich vier Hunde auf der Straße die uns bellend und zähnefletschend flankieren und immer mehr Verstärkung durch ihre Kumpels erhalten. Nun wird auch mir mulmig. Ich schreie so laut ich kann „AUS“ und wie durch einen Zauber bleiben alle stehen, sind ruhig und verziehen sich wieder auf ihre Grundstücke.

Schatzine zittert, sie möchte diese Straße so schnell wie möglich verlassen, was wir dann auch tun. Nun dämmert es bereits und es ist kalt. Noch 5 KM bis Sindia. Es geht leicht bergab, das liebe ich auf den letzten Kilometern.

Mein Garmin leitet uns zuverlässig zu unserer Behausung. Doch auch bei mehrmaligem klingeln macht dort niemand auf. Ich checke nochmals die E-Mails auf Antworten, -Fehlanzeige.

Wir klingeln beim Nachbarn um die Telefonnummer zu bekommen und rufen dort an. Leider nur unverständliches Italienisch, mit Englisch haben wir keine Chance. Es wird aufgelegt ohne zu wissen was nun passiert.

Kommt nun jemand, oder müssen wir die Nacht auf der Straße verbringen. Von der Buchung wissen wir, dass es hier im größeren Umkreis keine Alternative gibt.
Schatzine wird nervös. Ich erarbeite gedanklich schon Lösungsvorschläge, als von Weitem ein Auto und eine Fußgängerin auf uns zukommen. Sollten dies unsere Vermieter sein?

Ja dem ist so. Wieder einmal stehen uns Tränen in den Augen vor Erleichterung und Dankbarkeit. Das Haus ist nagelneu und sehr geschmackvoll eingerichtet. Die Vermieterin ist außergewöhnlich nett und hilfsbereit. Wir verständigen uns über den Übersetzer des Handys.

Auch sie besorgt uns eine Pizza, mangels Restaurants in der Umgebung. Eine lange warme Dusche bringt wieder Leben in unsere müden Leiber. Die beiden kaputten Schläuche werden noch mit den Franzosenflicken repariert und die tägliche Kleiderwäsche steht ebenfalls noch an. Danach geht auch dieser aufregende Tag glücklich zu Ende.


https://www.komoot.com/de-de/tour/1910864189?share_token=aSLVtGj3bz29Jbb3pVfT28oioIw 7A6hs6K0vdkrEj49M4kZUkM&ref=

sybenwurz
20.10.2024, 10:19
Diese Plattenorgie ist schon geil...:-((

TriVet
20.10.2024, 10:32
Meines Wissens haben die Amis auch bis vor allem deshalb die bikes auf tubeless umgerüstet, weil halt viel Kaktus, scharfes Geröll etc gleiche Geschichten schrieb wie ihr sie jetzt auf Sardinien erlebt, größten Respekt übrigens!, wünsche euch gutes durchhalten, durchkommen und durchatmen, spätestens am Kamin oder Tresen sind das tolle Geschichten und Erinnerungen. ;) :Blumen:

FMMT
20.10.2024, 12:42
Sehr spannend :Blumen:

Speedies
20.10.2024, 14:47
Tolle Berichte, bitte weiter so.
Dankeschön!
Sardinien ist einfach obergeil!

ATom
21.10.2024, 05:39
Tag 4: Sindia-Porto Torres-Sorso
110 KM / 990 HM / 05:50 netto Fahrtzeit / 104 HF / 2.083 Kalorien

Gut ausgeschlafen, gut gefrühstückt und voller Vorfreude starten wir bei kühler Temperatur, blauem Himmel und Sonnenschein in den nächsten Tag.

Die ersten 20 Kilometer rollen weg in 40 Minuten, das ist auch mal schön. In Bosa habe ich eine Fahrradwerkstatt ausfindig gemacht. Dort kaufen wir zwei Schläuche und neues Flickzeug mit 5 Flicken. 2 + 2 + 6 = für 10 Pannen gerüstet.

Nach Bosa kommen wir auf den schönsten Teil der Strecke. Die Küstenstraße bietet unglaublich schöne Ausblicke, ist kaum befahren und hat für sardinische Verhältnisse einen guten Straßenbelag. Wir genießen die Zeit, machen viele Fotos und verspüren einen Glücksmoment nach dem anderen.

Alle Sorgen sind vergessen, wir wollen die Zeit anhalten, aufsaugen, für immer abspeichern und überschütten uns mit begeisternden Ausrufen. Diese Straße wollen wir nie mehr verlassen.

Doch Alghero rückt näher, was bedeutet, dass wir die Westküste bald verlassen und die nächste Inselquerung zurück nach Olbia bevorsteht. Doch erst kommt noch das Hinterland zwischen La Pietraia und Porto Torres. Dieses ist relativ unspektakulär und nur wenig wellig. Der Gegenwind hält sich heute ebenfalls in Grenzen.

Porto Torres ist für mich etwas enttäuschend. Viel Hafen, viel Industrie, keine schönen Häuser, nichts was das Auge erfreut oder per Foto festzuhalten lohnt.
Das ändert sich aber kurz hinter Porto Torres. Oleanderalleen, Eukalyptusbäume und Pinien und deren betörenden Gerüche verzaubern uns. Ich liebe Pinien und muss mich beherrschen nicht jede einzelne zu fotografieren. An dieser reizenden Straße steht alsbald das Richtungsschild unserer heutigen Hotelanlage.

Auch hier sind wir wieder die einzigen Gäste. Der freundliche Herr muss erst mal mehrere Ferienwohnungen abklappern und prüfen ob die Betten gemacht sind. Die Architektur und die Anlage ist sehr schön, doch der Innenarchitekt hatte vermutlich eine Sinnkrise. Helle Fließen, weiße Wände, weiße Möbel, kein einziger Farbtupfer, alles sehr steril und minimalistisch.

Zu unserer Verwunderung ist das Meer nur 100 Meter entfernt. Nach kurzem Weg durch die Dünen stehen wir im Saum der Wellen und genießen die Zeit bis zum Sonnenuntergang. Das Restaurant kocht heute nur für uns und die Qualität ist überraschend gut.

Das Zimmer ist wieder sehr kalt. Wir nehmen alle Handtücher als zusätzliche Decke und frieren dennoch in dieser Nacht. Wir überleben trotzdem und freuen uns bereits auf den nächsten Tag.

https://www.komoot.com/de-de/tour/1910930037?share_token=a3kfrUaEQR7rV1ScUP8xujIv7lQ 8Qk79wIlKyRZXfcUt6jqGz1&ref=

tridinski
21.10.2024, 14:09
Gut ausgeschlafen, gut gefrühstückt und voller Vorfreude starten wir bei kühler Temperatur, blauem Himmel und Sonnenschein in den nächsten Tag

Die ersten 20 Kilometer rollen weg in 40 Minuten, das ist auch mal schön

Die Küstenstraße bietet unglaublich schöne Ausblicke, ist kaum befahren
guten Straßenbelag. Wir genießen die Zeit, machen viele Fotos und verspüren einen Glücksmoment nach dem anderen

Alle Sorgen sind vergessen, wir wollen die Zeit anhalten, aufsaugen, für immer abspeichern und überschütten uns mit begeisternden Ausrufen. Diese Straße wollen wir nie mehr verlassen

Der Gegenwind hält sich heute ebenfalls in Grenzen

Oleanderalleen, Eukalyptusbäume und Pinien und deren betörenden Gerüche verzaubern uns

Der freundliche Herr
Die Architektur und die Anlage ist sehr schön

Meer nur 100 Meter entfernt. Nach kurzem Weg durch die Dünen stehen wir im Saum der Wellen und genießen die Zeit bis zum Sonnenuntergang
Das Restaurant kocht heute nur für uns und die Qualität ist überraschend gut

freuen uns bereits auf den nächsten Tag


Mega! Klingt ja alles viel besser als das depressive Geschreibsel ;) von Klugschnacker von einer anderen bekannten Insel :Cheese:

qbz
21.10.2024, 15:02
Porto Torres ist für mich etwas enttäuschend. Viel Hafen, viel Industrie, keine schönen Häuser, nichts was das Auge erfreut oder per Foto festzuhalten lohnt.


Alghero, die Stadt davor, hätte eine wunderhübsche Altstadt geboten. Ich war da mal 4-Wochen in Urlaub und Bosa-Alghero sehr oft am Meer entlang mit dem Rennrad gefahren.

ATom
21.10.2024, 15:12
Alghero, die Stadt davor, hätte eine eine wunderhübsche Altstadt geboten. Ich war da mal 4-Wochen in Urlaub und Bosa-Alghero sehr oft am Meer entlang mit dem Rennrad gefahren.

Dann kennst Du ja diese herrliche Küstenstraße. Ja, Alghero hat uns auch gut gefallen. Die Altstadt haben wir zwar nicht gesehen, haben aber am Stadteingang (am Radweg) mit Blick aufs Meer unser Mittagessen genossen. Das bleibt uns in Erinnerung.

Oft sind es dann diese Örtlichkeiten, die beim nächsten Urlaub nochmals genauer bestaunt werden.

qbz
21.10.2024, 15:15
Dann kennst Du ja diese herrliche Küstenstraße. Ja, Alghero hat uns auch gut gefallen. Die Altstadt haben wir zwar nicht gesehen, haben aber am Stadteingang (am Radweg) mit Blick aufs Meer unser Mittagessen genossen. Das bleibt uns in Erinnerung.

Oft sind es dann diese Örtlichkeiten, die beim nächsten Urlaub nochmals genauer bestaunt werden.

Ja, ich bin im Frühling da gewesen, da blühte an dieser Küstenstrasse überall der Ginster.

ATom
22.10.2024, 06:40
Tag 5: Sorso-Olbia
116 KM / 1.460 HM / 06:34 netto Fahrtzeit / 125 HF / 2.977 Kalorien

Das Frühstück haben wir auf 07:30 Uhr bestellt. Doch der Frühstücksmann ist alleine und muss die Zutaten erst noch beschaffen. Er schafft es dann doch erstaunlich schnell, da wir immer noch die einzigen Gäste sind.

Die Hoffnung, dass wir den ständigen Westwind heute endlich im Rücken haben, macht der Wetterbericht zunichte, denn nun ist Ostwind angesagt, wer hat sich das denn ausgedacht?

Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und den Sandstrand und das Meer haben wir lange im Blick, bis wir bei Lu Bagnu rechts abbiegen und die Küste verlassen. Danach ist ein langer Anstieg auf einsamer Straße durch ein großes, etwas langweiliges Waldgebiet zu meistern.

Nach einer Anhöhe und einer Rechtskurve dann plötzlich BÄÄÄÄM!!!

Es öffnet sich ein gigantisches Tal umschlossen von einzigartigem Gebirge. So etwas habe ich noch nie gesehen. Man könnte meinen hier hätte ein Riese mit Murmel gespielt. Überall liegen gigantisch große, rund geschliffene Granitkugeln herum. Mystik liegt in der Luft, hier könnte man einen Science-Fiktion-Film drehen. Wir sind total überwältigt.

Valle della Luna nennt sich dieses Tal, es ist geprägt von imposanten Felsformationen, die über Jahrtausende von den Elementen zu bizarren Formen modelliert wurden. Überhaupt hat mich diese Insel durch ihre Vielfältigkeit begeistert. Jede Region bietet völlig andere Gesteinsformen, Gebirge und Landstriche. Der Granit begleitet uns zu unserer großen Freude noch weit über Aggius hinaus.

Dann kommt es wieder zu unserem Klassikerdilemma:

Etwa 35 KM vor Olbia, bei Calangianus fahren wir auf einer schönen Straße im Wohlfühlmodus bis mein Garmin piept und links verlangt. Vorher besprochen haben wir jetzt noch ca. 250 Höhenmeter bergauf, bis die letzten 25 KM nur noch bergab gehen. Schatzine sieht aber ein Schild auf unserer Straße das nach Olbia rechts anzeigt. Die linke Straße geht augenscheinlich schon aufwärts und hat weniger schönen Asphalt.

Ich plädiere trotzdem für die geplante Route und möchte keine Experimente machen. Hier weiß ich was auf mich zukommt und darauf habe ich mich eingestellt. Schatzine vertraut dem Straßenschild mehr und argumentiert, dass die Hauptstraße nach Olbia bestimmt weniger Höhenmeter hat und sicherlich angenehmer zu fahren sei.

OK, sie hatte mit ihrer Argumentation schon oft recht, denn Komoot macht manchmal sonderbare Dinge, trotzdem unterstreiche ich den Hinweis, dass „links“ die sichere Variante ist und „rechts“ ein Wunschdenken und eine 50:50 Wette auf bessere Bedingungen.

Ich merke, dass die bevorstehenden 250 Höhenmeter für Schatzine die Hürde darstellen und komme ihrem Wunsch entgegen. Gedanklich bin ich mir aber unsicher, was ich mir nun wünschen soll. Sollte sie wieder recht behalten wäre das Wasser auf ihre Mühlen, und Komoot hätte erneut einen Vertrauensverlust. Trotzdem hoffe ich insgemein, dass es gut geht, denn dann profitierten wir beide im Hinblick auf die kürzere Strecke, weniger Höhenmeter und eine frühere Ankunft.

Kaum entschieden geht es abwärts und abwärts und abwärts. Es scheint nicht aufzuhören. Mich beschleicht die Angst, dass wir dies alles mit Aufwärtshöhenmetern büßen müssen. Doch die Landschaft wird zunehmend flacher. Es bleibt bei abwärts, bis wir nach 20 KM wieder auf die geplante Route stoßen.

Wird sie ihren Triumpf feiern? Was soll ich dann entgegnen?

Schatzine triumphiert natürlich nicht, das ist nicht ihr Charakter. Ich erlaube mir aber den Spaß und behaupte, dass die andere Strecke bestimmt viel schöner gewesen wäre. Mit Schmunzeln und ohne Groll haben wir auch diese Situation wieder gemeistert.

Nun sind schon die ersten Häuser von Olbia und das Meer zu sehen. Mein Garmin sagt noch 5 KM bis zum Ziel. Nun ist es wieder da, das Doppelgefühl von Glück und Traurigkeit.

Glück im Sinne von: Dass alles gut gegangen ist, dass wir alle Fehler, Tiefpunkte, Schwierigkeiten und Ängste überwunden haben. Dabei stets so eng verbunden waren und wieder unzählige Glücksmomente auf unser Glückssparbuch einzahlen durften.

Traurigkeit im Sinne von: Jetzt ist es bald vorbei, am Montag sind alle Aufgaben wieder da.

Diese Gedanken werden abrupt gestoppt von der Frage: „Kannst Du mal nach meinem Hinterreifen schauen, ich glaube der hat schon wieder einen Platten.“ Und tatsächlich, so wie es angefangen hat, soll es auch aufhören.

Wir halten an einem Lebensmittelladen. Schatzine kauft ein und ich flicke den Schlauch umringt von einigen Zuschauern. Ich amüsiere mich dabei köstlich, weil mich alle um mein Pech bemitleiden. Wenn die wüssten wie oft ich dies in den letzten Tagen gemacht habe.

Die letzten 5 Kilometer halten dann tatsächlich alle Reifen. Doch kurz vor der Fähre fällt bei Schatzine noch der hintere Flaschenhalter ab als sie über einen Randstein fährt. Wir kugeln uns vor Lachen.

Es ist noch viel Zeit bis zur Abfahrt, diese verbringen wir am Hafen mit Vesper und schöner Aussicht. Die heutige Fähre ist neueren Datums und die Inneneinrichtung ist recht schön. Zu unserer Überraschung haben wir eine Familienkabine mit richtig viel Platz. Das Glück ist wieder bei uns.

Nun ist Zeit zu reflektieren. Sardinien duftet gut. Die Macchia, die Pinien, der Oleander, die Eukalyptuswälder, die Rinder- und Schafweiden, die Ziegen, die Felsformationen, die Gebirge und natürlich die Dünen und das Meer bleiben in unserer Erinnerung. Sardinien ist landschaftlich abwechslungsreich und wunderschön. Einerseits traf die Einsamkeit genau unsere Wunschvorstellung, andererseits zeigte sie nicht gekannte Risiken und Ängste.

Genau deshalb werden wir wiederkommen, mit besserer Planung, kürzeren Tagesetappen, neuen Reifen, mehr Flickzeug, längeren Kabelbindern, Italienischkenntnissen und Bettbezügen.

Vielleicht auch mit Satellitentelefon, Biwak Zelt, Schlafsack, Buschmesser, Gaskocher, Feuerholz, Schlangenserum, Schrotgewehr, Astronautennahrung, Wasservorrat, und Werkstattwagen, …

Die Südküste soll schön sein und die Nordküste ebenfalls. Schatzine studiert schon die Landkarte.


https://www.komoot.com/de-de/tour/1910930034?share_token=actdkwvgpgKjbbjBW9SSZe36grZ hU98QTrHIpOufc5IzKwMPKh&ref=

tridinski
22.10.2024, 08:41
Auch der Bericht von der Abschlussetappe sehr detaillreich und mit vielen persönlichen Momenten garniert, toll! Und vielen Dank dass du uns auf diese Reise mitgenommen hast!

Siebenschwein
22.10.2024, 09:28
Danke für den tollen Bericht! Bei mir war es auch so, dass ich gleich wieder mit Planen angefangen habe, als ich zu hause war. Sardinien ist einfach geil.
PS: denkt doch mal über Reifen mit Kevlarverstärkung in der Lauffläche nach. Rollen etwas schwerer, aber damit hatte ich bis auf mal einen seitlich reingespiessten Nagel nie eine Panne.

tridinski
22.10.2024, 09:55
... werden wir wiederkommen, mit besserer Planung, kürzeren Tagesetappen, neuen Reifen, mehr Flickzeug, längeren Kabelbindern, Italienischkenntnissen und Bettbezügen.

Vielleicht auch mit Satellitentelefon, Biwak Zelt, Schlafsack, Buschmesser, Gaskocher, Feuerholz, Schlangenserum, Schrotgewehr, Astronautennahrung, Wasservorrat, und Werkstattwagen, …



Gepäck hattet ihr jetzt ja laut eurer Packliste einiges dabei, dann noch Bettbezüge obendrauf ... wäre es da ggf. nicht schlauer im September zu reisen, da ist es noch wärmer und es hat auch nicht alles schon geschlossen

kürzere Tagesetappen: Auch meine Erfahrung, falls es wirklich zu kurz sein sollte, ein paar km extra sind schnell angehängt, aber wenn man Schwierigkeiten hat, eine Umleitung fahren muss wegen Strassensperre etc. zusätzlich zu eh schon vielen km kanns abends auch mal schnell eng werden.

Sardinien klingt jedenfalls super!
- auf der Fähre stehen die Räder unter Deck bei den Autos und man kann sie irgendwie anschließen?
- Wären die Strecken die ihr gefahren seit auch mit Gravelbike machbar? War ja ein Mix aus Strasse und Feldwegen wenn ich das richtig verstanden habe, aber keine Trails? (mit Gepäck Trail eh kaum möglich)
Ich würde wohl das Gepäck halbieren oder sogar dritteln und nur ne Arschrakete + Rahmentasche nehmen. Also kein Bettbezug ;) von Zelt mal ganz zu schweigen.

ATom
22.10.2024, 10:10
Danke für den tollen Bericht! Bei mir war es auch so, dass ich gleich wieder mit Planen angefangen habe, als ich zu hause war. Sardinien ist einfach geil.
PS: denkt doch mal über Reifen mit Kevlarverstärkung in der Lauffläche nach. Rollen etwas schwerer, aber damit hatte ich bis auf mal einen seitlich reingespiessten Nagel nie eine Panne.

Danke für den Tipp. Diesbezüglich werde ich mich mal kundig machen.

MattF
22.10.2024, 10:15
Gepäck hattet ihr jetzt ja laut eurer Packliste einiges dabei, dann noch Bettbezüge obendrauf ... wäre es da ggf. nicht schlauer im September zu reisen, da ist es noch wärmer und es hat auch nicht alles schon geschlossen


Finde die Gepäckliste auch sehr umfangreich. Würde da bei weitem weniger mitnehmen.

Ich brauch keine 4 Trikots wenn ich jeden Abend in einer Unterkunft mit Dusche übernachte, werden die vom Tage einfach gewaschen und über Nacht getrocknet.
Wenn ich Armlinge dabei hab, brauch ich auch kein langes Trikot, dann langt ne Windjacke.
Auch die 3 Hosen für abends, ich habe eine Zipphose, die geht lang und kurz.


Ich würde wohl das Gepäck halbieren oder sogar dritteln und nur ne Arschrakete + Rahmentasche nehmen. Also kein Bettbezug von Zelt mal ganz zu schweigen.

Dito

Aber jeder wie er will :liebe053:

Schöne Berichte, ich war schon auf Korsika aber Sardinien steht noch auf der Wunschliste, aber eher mit Rennrad und ganz wenig Gepäck :Blumen:

sybenwurz
22.10.2024, 10:28
Gepäck hattet ihr jetzt ja laut eurer Packliste einiges dabei, dann noch Bettbezüge obendrauf ... wäre es da ggf. nicht schlauer im September zu reisen, da ist es noch wärmer und es hat auch nicht alles schon geschlossen.

Ich glaube, die Bettebzüge sind der für unsereiner ungewohnten, sardischen Art, die Bettdecke zu 'beziehen' geschuldet, weniger den Temps, wenn ich das richtig verstanden hab.

ATom
22.10.2024, 10:29
Gepäck hattet ihr jetzt ja laut eurer Packliste einiges dabei, dann noch Bettbezüge obendrauf ... wäre es da ggf. nicht schlauer im September zu reisen, da ist es noch wärmer und es hat auch nicht alles schon geschlossen

kürzere Tagesetappen: Auch meine Erfahrung, falls es wirklich zu kurz sein sollte, ein paar km extra sind schnell angehängt, aber wenn man Schwierigkeiten hat, eine Umleitung fahren muss wegen Strassensperre etc. zusätzlich zu eh schon vielen km kanns abends auch mal schnell eng werden.

Sardinien klingt jedenfalls super!
- auf der Fähre stehen die Räder unter Deck bei den Autos und man kann sie irgendwie anschließen?
- Wären die Strecken die ihr gefahren seit auch mit Gravelbike machbar? War ja ein Mix aus Strasse und Feldwegen wenn ich das richtig verstanden habe, aber keine Trails? (mit Gepäck Trail eh kaum möglich)
Ich würde wohl das Gepäck halbieren oder sogar dritteln und nur ne Arschrakete + Rahmentasche nehmen. Also kein Bettbezug ;) von Zelt mal ganz zu schweigen.

Bettbezüge: war nur mal eine Rückbesinnung an unsere Trainingslager und noch nicht richtig ernsthaft auf der Packliste vermerkt.

Gravelbike: Ich plane bei Komoot immer mit "Rennrad". Dann kommt fast nur Asphalt unter die Räder, bis auf ein paar Ausnahmen. Die "Kaktusstraße" ist bei Komoot sogar mit Asphalt angegeben, war in Wirklichkeit aber die schlechteste der ganzen Route.
Fazit: Mit dem Gravelbike auf jedenfall machbar.

Fähre/Räder: So richtig eingerichtet ist die Fähre nicht auf Fahrräder. Der Einweiser zeigt Dir irgend eine Nische wo Du das Rad abstellen sollst. Bei uns war diese Nische jedesmal voller Gerümpel. Ich hab dann immer ein Rohr oder eine Öse gefunden an dem ich die Räder festmachen konnte. Das sollte man auch, denn bei starkem Seegang ist festzurren sicher kein Fehler.

September: Jetzt ist ersmal Mai anvisiert.

Gepäck: Auf Passhöhen und -abfahrten hab ich schon so gefroren, dass ich seither "Gürtel und Hosenträger" bevorzuge. Da machen mir zwei bis drei Kg Mehrgewicht nichts aus. "Haben ist besser als brauchen" und "schwitzen besser als frieren".

ATom
22.10.2024, 10:41
Ich glaube, die Bettebzüge sind der für unsereiner ungewohnten, sardischen Art, die Bettdecke zu 'beziehen' geschuldet, weniger den Temps, wenn ich das richtig verstanden hab.

Richtig verstanden.

Die Vorstellung, dass diese kratzigen, vermutlich noch nie gewaschenen Decken (Teppiche) meine Haut berühren, ...

Deshalb der Gedanke, diese in einen Bezug zu packen.

Und nein, ich bin kein Sensibelchen.

su.pa
22.10.2024, 10:59
Richtig verstanden.

Die Vorstellung, dass diese kratzigen, vermutlich noch nie gewaschenen Decken (Teppiche) meine Haut berühren, ...

Deshalb der Gedanke, diese in einen Bezug zu packen.

Und nein, ich bin kein Sensibelchen.

Kenn ich, hab das Problem immer auf Alpenvereinshütten. Ich bewege mich da ganze Nächte kaum, weil ich nix berühren möchte, was nicht mein Hüttenschlafsack ist ;)

Danke für den Bericht, ich hab jetzt auch richtig Bock aus Sardinien :Lachen2:

tandem65
22.10.2024, 14:17
Super Tour und sehr schön mitgenommen!
Danke sehr!

neuen Reifen

Ich würde vermuten daß ist die beste Idee.
Ich nehme für so etwas lieber einen Reifen der nicht der leichtlaufendste ist, das hast Du bei der ersten Panne locker raus!
Ich freue mich mit Euch auf den Mai. :Cheese:

sybenwurz
22.10.2024, 15:26
Richtig verstanden.

Die Vorstellung, dass diese kratzigen, vermutlich noch nie gewaschenen Decken (Teppiche) meine Haut berühren, ...

Deshalb der Gedanke, diese in einen Bezug zu packen.

Und nein, ich bin kein Sensibelchen.

Hüttenschlafsack!
Gibts auch aus Seide, federleicht und verpackt ungefähr faustgross.

Davon ab: ich vermute ne klare Kopfsache. Oder wieso sollte man diese (ja quasi sichtbaren) Teppichdecken nicht waschen, während in sonstigen Hotels, Pensionen, AirBNBs, wo die Decke ebenso wie das Kopfkissen in Bezügen 'versteckt' sind, nach jedem Gast ner ausgiebigen Reinigung unterzogen werden...?
:Cheese:

ATom
22.10.2024, 15:53
Hüttenschlafsack!
Gibts auch aus Seide, federleicht und verpackt ungefähr faustgross.

Das hört sich gut an.

"Davon ab: ich vermute ne klare Kopfsache. Oder wieso sollte man diese (ja quasi sichtbaren) Teppichdecken nicht waschen, während in sonstigen Hotels, Pensionen, AirBNBs, wo die Decke ebenso wie das Kopfkissen in Bezügen 'versteckt' sind, nach jedem Gast ner ausgiebigen Reinigung unterzogen werden...?"

Da hast Du absolut recht.