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Vollständige Version anzeigen : Die uneingeschränkte Macht der Straße


neo
14.07.2017, 08:09
Wieder ein tödlicher Unfall (Autofahrer vs. Radfahrer) gab hier und auf sozialen Netzwerken Anlaß zur Diskussion.

Eine interessante Untersuchung aus den USA wurde hier in einer Diskussion von triwolf verlinkt. Da das Thema leider ein Dauerbrenner ist, setze ich den link nocheinmal extra, damit er nicht in den Tiefen einer Diskussion versinkt:


https://dasfahrradblog.blogspot.de/2017/07/die-uneingeschrankte-macht-der-strae.html#

MattF
14.07.2017, 08:54
Der Artikel stellt die Realität sehr gut dar.


Eine der wichtigsten Anmerkungen oder ERkenntnisse ist, dass noch nie ein Autofahrer von einem Radfahrer getöt wurde im Verkehr, Radfahrer und Fußgänger bei allem was sie tun aber ihr Leben riskieren.
Das zeigt wer abrüsten muss und die Behauptung der PKW Fahrer, dass sich Radfahrer auch falsch verhalten im Verkehr, quasie als Rechtfertigung sie zu drangsalieren (wenn auch nur verbal im Netz) Unsinn ist.
Die Machtverhältnisse auf deutschen Strassen sind klar und sie sind klar falsch.

qbz
14.07.2017, 09:00
Eigentlich beginnt das Problem in DE schon mit dem mangelnden Respekt der Autofahrer gegenüber den Fussgängern. In der Schweiz z.B. halten Autos automatisch sofort an, sehen sie einen Fussgänger vor einem Zebrastreifen auf dem Bürgersteig. In Berlin würde man überfahren, ginge man bei Verkehr auf den Zebrastreifen. Erst Ampelschaltungen ermöglichen den Fussgängern in der Regel das sichere Queren der Strasse. Man muss aber auch als Schwächerer immer darauf achten, ob man bei Grün wirklich gehen kann.

Im Haus meiner Arbeitsstelle gab es KITA, Hort, Freizeitgruppen, davor U-Bahnausgänge mit Zebrastreifen. Erst aufgrund der gehäuften Unfälle am Zebrastreifen und unserer Eingaben wurde dann eine Ampelschaltung installiert.

Stefan
14.07.2017, 09:09
In der Schweiz z.B. halten Autos automatisch sofort an, sehen sie einen Fussgänger vor einem Zebrastreifen auf dem Bürgersteig.

Ich habe mein Auto vor 6 Jahren verkauft und bin deswegen sehr häufig als Fussgänger unterwegs. Leider kann ich Deine Aussage für die Schweiz nicht bestätigen.

Ich bin auch immer sehr bemüht darum, dass erkennbar ist, dass ich über den Zebrastreifen will und bin nicht einer dieser Fussgänger, welche die Richtung plötzlich um 90° ändern und die Autofahrer damit überraschen.

Autofahrer, die nicht anhalten, sind zu einem grossen Teil mit ihrem Mobiltelefon beschäftigt.

qbz
14.07.2017, 09:13
Ich habe mein Auto vor 6 Jahren verkauft und bin deswegen sehr häufig als Fussgänger unterwegs. Leider kann ich Deine Aussage für die Schweiz nicht bestätigen.

Schade, dann hat sich das zum Negativen geändert. Ich bin nur ca. 2 Wochen pro Jahr noch in der Schweiz, stelle aber im Vergleich zu Berlin und DE schon ein mehr an Rücksichtnahme fest.

gaehnforscher
14.07.2017, 09:31
Als Berliner kann ich nur sagen: fast in jeder anderen Stadt in D stellt man als Radfahrer oder Fußgänger mehr Rücksichtnahme fest ;)

Autobahn fahren in Westdeutschland zu den Stoßzeiten macht aber auch nicht wirklich Spaß.

Das Ganze Korreliert häufig mit der Verkehrsdichte. Paradoxerweise würden gerade hier ja mehr Radfahrer und Fußgänger abhilfe schaffen. Der wichtigste Punkt wurde aber eigentlich schon genannt:

Eigentlich beginnt das Problem in DE schon mit dem mangelnden Respekt ...

-> und das betrifft ziemlich viele Bereiche des Lebens.

triwolf
14.07.2017, 10:33
Wie ich bereits im anderen Thread zum Link schrieb, finde ich einige Grundsätze der US-Studie sehr interessant:

Wir sehen nicht, was wir nicht sehen wollen (Radfahrer im Straßenverkehr). Blendet man als Autofahrer die ungeliebten Radfahrer wirklich aus?

Das Faustrecht des Stärkeren (Autofahrer gegen Radfahrer) welches auch auf deutschen Autobahnen permanent stattfindet (PS-starke Fahrzeuglenker bedrängen PS-schwache Fahrzeuglenker).

Das "Erziehen" des Radfahrers, dass er eigentlich auf der Straße unerwünscht ist. Wenn ich auf Landstraßen unterwegs bin, werde ich teilweise mit 40 cm Abstand überholt, obwohl der Autofahrer kilometerweit auf der Gegenfahrbahn neben mir herfahren könnte. Das kann nur Vorsatz oder totale Blödheit sein.

Wenn ich mit dem Rad zur Arbeit und zurück fahre, bin ich 5 km im Stadtbereich von München unterwegs. Wie sich die meisten Radfahrer da verhalten ringt mir nur ein Kopfschütteln ab. Da bin ich nahezu der Einzige der an einer roten Radwegampel stehen bleibt oder den Radweg auf der korrekten Fahrbahnseite benutzt.

waden
14.07.2017, 11:12
Auch ich bin täglich in München unterwegs und stelle fest, dass die Rücksichtslosigkeit, der ich mich als Radfahrer ausgesetzt sehe, am bedrohlichsten auf mich wirkt, wenn sie von Autofahrern ausgeht.
Allerdings sind auch unangenehm viele Radfahrer und Fußgänger rücksichtslos, was mich zu der Annahme bringt, dass die egoistische Rücksichtslosigkeit ein Zeichen unserer Zeit ist.
Radfahrer, die mir in falscher Richtung auf dem Radweg entgegen kommen und nicht ausweichen oder unvermittelt abbiegen, ohne vorher die Richtungsänderung irgendwie anzuzeigen, oder bei Rot quer in Bereiche einfahren, bei denen andere grün haben, oder schnell auf Fußwegen fahren - die nerven mich auch alle wie auch die Fußgänger, die einem kreuz und quer auf Straße oder Radweg in den Weg laufen, weil sie nicht schauen oder sogar, obwohl sie mich gesehen haben, bedrohen aber nicht mein Leben oder machen mir zumindest nicht solche Angst wie die
Autofahrer, die zu mir 30cm Abstand lassen beim Überholen, zu parkenden Autos dann aber 1,50 m Abstand halten oder solche, die mich kurz vor der Kreuzung überholen, um dann rechts abzubiegen und mich dabei zu "übersehen", solche, die mich auf dem Radweg sehen und mir in die Augen schauend trotzdem von der Seitenstraße auf den Radweg queren, oder solche, die mal schnell was beim Bäcker besorgen und deshalb diagonal über Fuß- und Radweg stehen usw
-
Besonders nerven die Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer, die sichtlich von ihren Mobiltelfonen abgelenkt sind. Ein Besoffener könnte nicht unaufmerksamer sein.

Kasrwatzmuff
14.07.2017, 11:27
Ich habe wohl das Glück, dass ich noch in einer Gegend lebe, wo es verhältnismäßig ruhig auf den Straßen zugeht. Wenn man die vielbefahrenen Bundesstraßen meidet, kann man relativ entspannt radeln.

Ich persönlich hatte erst einmal eine etwas heftigere Situation. Ein schwarzer BMW musste wegen mir in einer Ortschaft kurz von 50 auf etwa 30 bremsen, fuhr dann ganz langsam in einem Abstand von gefühlt 20 cm an mir vorbei. Natürlich mit Absicht. Aber ich hab glücklicherweise den Fuß aus der Pedale bekommen und irgendwie ist der BMW dann mit einem ganz komischen Ton an meinem Fuß langgeschrammt. Und somit waren wir irgendwie wieder quit.

Der Kumpel, dem ich den TP für seine LD in F geschrieben habe, hat in den letzten 12 Monaten wohl an die 6000 km geradelt. Dabei ist ihm einmal die Vorfahrt genommen worden (Sturz über Motorhaube, nur Platzwunde am Schienbein) und einmal hat ihn ein LKW in einer Engstelle (mittige Verkehrsinsel) fast von der Straße gedrängt. Dies war aber beides Mal auf einer stark befahrenen Bundesstraße. Auch von anderen Bekannten hört man relativ wenig über schlimme Gefährdungen.

Gestern hatte ich auf der Heimfahrt nach der Arbeit eine interessante Begegnung. Auf einer kurvenreichen Strecke hatte ich plötzlich einen MTB-Fahrer auf der Straße vor mir. Wie immer hab ich bei Gegenverkehr die Geschwindigkeit auf Radfahrerniveau abgesenkt. Daraufhin hat sich der Radfahrer umgedreht und ist anschließend auf dem Bankett weitergefahren.

Und wenn es um die Strafe geht, dann kann eigentlich nur § 224 (1) Nr. 5 StGB in Verbindung mit § 227 (1) StGB einschlägig sein. Mindeststrafe wäre dann eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren.

Alternativ könnte man solche Leute ja auch wie folgt bestrafen: sie müssten Sonntag abends (da wird am schlimmsten gerast) einfach 30 km über die A5 radeln... :Peitsche:

MattF
14.07.2017, 12:40
Wir sehen nicht, was wir nicht sehen wollen (Radfahrer im Straßenverkehr). Blendet man als Autofahrer die ungeliebten Radfahrer wirklich aus?


So weit wie möglich und insbesondere die auf dem Radweg.

Deshalb ist der Abbiegeunfall einer der häufigsten Todesursachen für Radler. Vom rechtsabbiegenden Verkehr überrollt auf dem vermeintlich sicheren Radweg.

RolandG
14.07.2017, 13:49
Ein schwarzer BMW musste wegen mir in einer Ortschaft kurz von 50 auf etwa 30 bremsen, fuhr dann ganz langsam in einem Abstand von gefühlt 20 cm an mir vorbei. Natürlich mit Absicht. Aber ich hab glücklicherweise den Fuß aus der Pedale bekommen und irgendwie ist der BMW dann mit einem ganz komischen Ton an meinem Fuß langgeschrammt. Und somit waren wir irgendwie wieder quit.

Nö, irgendwie nicht. Er hat eine Ordnungswidrigkeit begangen und Du eine Straftat. Dir ist nichts passiert und sein Auto musste teuer lackiert werden.


Und wenn es um die Strafe geht, dann kann eigentlich nur § 224 (1) Nr. 5 StGB in Verbindung mit § 227 (1) StGB einschlägig sein. Mindeststrafe wäre dann eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren.

Wenn Du so gerne im StGB blätterst, schau Dir mal § 303 StGB an.

drullse
14.07.2017, 13:57
Als Berliner kann ich nur sagen: fast in jeder anderen Stadt in D stellt man als Radfahrer oder Fußgänger mehr Rücksichtnahme fest ;)
Kann ich bestätigen - liegt aber vermutlich daran, dass wir langsam die Hauptstadt des Ichings sind, da ist Rücksichtnahme sowas von 80er...

gaehnforscher
14.07.2017, 14:04
Nö, irgendwie nicht. Er hat eine Ordnungswidrigkeit begangen und Du eine Straftat. Dir ist nichts passiert und sein Auto musste teuer lackiert werden.




Wenn Du so gerne im StGB blätterst, schau Dir mal § 303 StGB an.


ganz klar: zuerst erschrocken, dann Gleichgewicht verloren und irgendwie bedingt durch die Situation unkontrolliert versucht nicht umzufallen.

Davon ab ist gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr durchaus nicht nur eine Ordnungswidrigkeit.

Vicky
14.07.2017, 14:06
Kann ich bestätigen - liegt aber vermutlich daran, dass wir langsam die Hauptstadt des Ichings sind, da ist Rücksichtnahme sowas von 80er...

Das liegt bestimmt daran, dass die geborenen Berliner alle weggezogen sind... :Cheese: :Cheese: :Cheese: (herzliche Grüße in meine Heimat :Blumen: :Huhu: )

Im ernst... ich habe den gleichen Eindruck hier bei mir in Stuttgart leider auch. Mein Eindruck ist absolut total sowas von SUBJEKTIV. Aber auch ich bin dabei auf Gravel Bike umzusteigen...

RolandG
14.07.2017, 14:39
ganz klar: zuerst erschrocken, dann Gleichgewicht verloren und irgendwie bedingt durch die Situation unkontrolliert versucht nicht umzufallen.

Schutzbehauptung.

Davon ab ist gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr durchaus nicht nur eine Ordnungswidrigkeit.

Das bestraft nur Eingriffe in den Straßenverkehr von außen. Eng Überholen fällt nicht darunter.

Vielleicht sollten wir den Thread hier nicht zu sehr off topic führen.

gaehnforscher
14.07.2017, 15:40
http://strafverteidiger-verkehrsstrafrecht-berlin.de/index.php/gefaehrlicher-eingriff.php#gefstv_6

"Grundsätzlich liegt ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nur bei von außen vorgenommen verkehrsfremden Eingriffen vor. Ein Außenstehender greift also in den Straßenverkehr ein. Unter engen Voraussetzungen kann aber auch ein sogenannter Inneneingriff einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB darstellen. Eine Handlung im Verkehr ist dann ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, wenn der Verkehrsteilnehmer einen Verkehrsvorgang zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr pervertiert.

Eine Pervertierung erfolgt unter drei Voraussetzungen. Zunächst bedarf es eines bewusst zweckwidrigen Einsatzes des Fahrzeuges. Das Fahrzeug muss gezielt zur Schädigung eingesetzt werden. Des Weiteren muss man mindestens mit bedingtem Schädigungsvorsatz handeln. Man muss somit billigend in Kauf nehmen, dass ein Schaden herbeigeführt wird. Zuletzt muss der Verkehrsteilnehmer auch mit einer verkehrsfeindlichen Absicht gehandelt haben. Es muss die Absicht vorliegen, einen Unfall herbeizuführen.

Demnach kann ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB durch Verhaltensweisen im Straßenverkehr, unter Führung des eigenen Autos, verwirklicht werden."

Edith: Ich sollte vllt. noch ergänzen, dass ich grundsätzlich jede Form von "dem werd ichs jetzt aber zeigen" als wenig zwecksmäßig erachte, genauso wie ein Kategorisierung von "die Autofahrer", "die Radfahrer" ... meist führt dies nur dazu, dass sich Dinge weiter aufschaukeln und sich durch entsprechendes Verhalten die Vorurteile beim jeweils anderen weiter verfestigen. Wenn sich jeder an die eigene Nase fasst und selbst ab und an zurück nimmt, lassen sich sicher viele unangenehme Situationen vermeiden.

RolandG
14.07.2017, 15:49
Copy+Paste ersetzt das Verstehen nicht.

Mit einem Auto einen anderen Verkehrsteilnehmer zu überholen ist kein zweckwidriger Einsatz des Kfz. Enges Überholen ist zudem nicht zwingend gezielter Einsatz zur Schädigung. Und eine Absicht zur Herbeiführung eines Unfalls liegt regelmäßig ebenfalls nicht vor.

Ich habe wenig Lust, hier eine Verkehrsrechtsvorlesung für Anfänger abzuhalten und die anderen Leser dieses Threads haben sicherlich wenig Lust, eine solche zu lesen.

gaehnforscher
14.07.2017, 16:02
Es tut mir außerordentlich leid, wenn ich und die von mir angestoßene Diskussion Ihrer kostbaren Zeit nicht Wert sind und entschuldige mich an dieser Stelle Ihre Zeit in Anspruch genommen zu haben.

Dass "enges Überholen zwingend gezielter Einsatz zur Schädigung ist", hab ich jedoch nirgends behauptet.

drullse
14.07.2017, 16:28
Das liegt bestimmt daran, dass die geborenen Berliner alle weggezogen sind... :Cheese: :Cheese: :Cheese: (herzliche Grüße in meine Heimat :Blumen: :Huhu: )
Zumindest einer ist noch da... :Huhu:

Vicky
14.07.2017, 16:41
Zumindest einer ist noch da... :Huhu:

Halt die Stellung bis wir anderen wieder kommen!!! :Cheese:

goldenbear
14.07.2017, 18:49
Ohne die bereits angesprochene Verkehrsrechtsvorlesung zu halten - bei zu engem Überholen kann durchaus eine Strafbarkeit nach § 315c I Nr. 2 b) oder 240 StGB gegeben sein, je nach den Umständen.

Ich fahre auch regelmäßig in Berlin. Wenn ich jeden anzeigen würde, der mich zu eng überholt oder schneidet, hätte ich den Tag über zu tun. Bislang ist es aber glücklicherweise immer glimpflich ausgegangen. Am Rücksichtslosen empfinde ich Taxifahrer und Lieferverkehr mit ihren Kleintransportern, da stand ich schon mehrmals am Rande einer Prügelei. Mein größtes Problem ist das vollkommene Unverständnis darüber, was auf dem Spiel steht, wenn man einem Radfahrer einen "Denkzettel" verpassen will. Die Gefahr geht besonders von Leuten aus, die selbst nie Rad fahren würden.

Angst habe ich in Berlin trotzdem nicht, versuche vorausschauend und defensiv zu fahren. Angst habe ich eher in Brandenburg, wenn der getunte Golf 1 mit "Böhse Onkelz" Aufkleber mich mit 120 überholt, ohne die Spur zu verlassen. Das versuche ich mit abgelegenen Strecken zu minimieren. Ich würde mir wünschen, dass die Radfahrersicherheit in der Fahrschule (und Prüfung) stärker behandelt werden würde. Ansonsten ist es wahrscheinlich ein Anpassungsprozess der Denkweise, der mit wachsendem Radverkehr hoffentlich beschleunigt wird. Auf Mallorca geht mir immer wieder das Herz auf, wenn die Einheimischen vollkommen selbstverständlich einen kompletten Spurwechsel machen... :Blumen: