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Vollständige Version anzeigen : medizinische Auswirkung von ständig hohen Intensitäten?


anlot
13.06.2019, 10:54
Guten Morgen zusammen,

ich habe mal eine Frage an unsere Medizin-Experten wie Hafu u.ä.

Eine Freundin von uns, gehört zu der Spezie von Athleten die relativ beratungsresistent ist. Da sie nun allerdings einen Ermüdungsbruch hatte und die Ergebnisse der Leistungsdiagnostik stagnierten, kamen nun doch erste Zweifel, ob das aktuelle Training wohl so zielführend ist.

Die Dame meinte bis dato, dass ein Grundlagentraining Zeitverschwendung ist. Das heißt umgekehrt, dass sie fast jedes Wochenende an einem Laufwettkampf teilnimmt (sie ist hauptsächlich Läuferin) und Dienstags schon wieder auf der Bahn steht. Das restliche Training bewegt sich ebenfalls im oberen GA2 Bereicht, denn "wenns nicht anstrengend ist, bringst ja nix". ;-)


Nun zu meiner eigentlichen Frage: ist es auf Dauer ungesund, wenn der Körper ständig Laktat verstoffwechseln und abbauen muss. Gibt es dazu ggf. längerfristige Untersuchungen? Ich konnte dazu bislang leider nichts erhellendes finden.

Ich freue mich auf Euren Input und hoffe die Dame damit zur Einsicht bringen zu können. ;-)

Vielleicht noch ergänzend: es geht mir nicht darum den "Förster zum jagen zu tragen". Da sie jedoch 2 kleine Kinder hat, finde ich den Gesundheitsaspekt sehr wichtig.

anlot
13.06.2019, 13:09
Vielleicht noch diese Ergänzung: diejenigen hat lt. mehrfachen Leistungsdiagnosen eine anaerobe Schwelle von 4:50/km (4 mmol), läuft den Zehner allerdings in 39:12 min.
Kurios, oder?

Hafu
13.06.2019, 13:30
...Eine Freundin von uns, gehört zu der Spezie von Athleten die relativ beratungsresistent ist. Da sie nun allerdings einen Ermüdungsbruch hatte und die Ergebnisse der Leistungsdiagnostik stagnierten, kamen nun doch erste Zweifel, ob das aktuelle Training wohl so zielführend ist.

...

Aus der Ferne ist schwierig, was zu dem Fall zu sagen. Jeder Mensch verkraftet Intensitäten auch unterschiedlich und ich kenne schon einige Athleten, die sich mit viel Wettkämpfen in Form bringen und wenig locker trainieren. Gerade wenn der Gesamtumfang nicht zu hoch ist, kann so ein Konzept mit wenig lockeren Einheiten schon auch funktionieren.

Wenn es im Trainingsprozess allerdings zu Ermüdungsfrakturen kommt, dann war -rückblickend betrachtet- Umfang oder/und Intensität natürlich zu hoch. Im Nachhinein, wenn es bereits zu einer Verletzung gekommen ist, lässt sich aber immer leicht im Sinne von "Ich habe es ja gewusst..." daher reden.

Das zuviel Sport (Training, Wettkampf) auch ungesund sein kann steht sowieso außer Frage, aber was genau "Zuviel" ist, ist sehr individuell.

Die von dir erwähnte Leistungsdiagnostik ist natürlich verkehrt, denn wenn sie eine 10km-Zeit deutlich unter 40min hat, dann ist selbstverständlich ihre Schwellenleistung auch irgendwo im 4min-Bereich und sicher nicht bei 4:50min. Die 4mmol/l-schwelle ist sowieso nur eine grobe Schätzung, die bei vielen Athleten nicht stimmt. Besser ist, wenn man Laktat als Kenngröße hernimmt selbstverständlich die IANS (= Individuelle Anaerobe Schwellte), die auch das Ruhelaktat und die individuelle Laktatbildungsrate berücksichtigt. Und selbst dann kann es Fehlbestimmungen geben, v.a. wenn es Abnahmefehler gibt und z.B. Schweiß in die kapillarröhrchen gelangt.

trithos
13.06.2019, 13:31
Ich kann zu Deiner grundsätzlichen Frage nichts Fundiertes sagen. Ich glaube zwar, dass ein solches Training Unsinn und nicht sehr wirkungsvoll ist, ob es aber auch ungesund ist, kann ich nicht beurteilen.

Zur anaeroben 4-mmol-Schwelle kann ich aber etwas aus eigener Erfahrung sagen: diese "fixe" Schwelle ist meiner Meinung nach unbrauchbar. Man sollte zumindest eine individuelle anaerobe Schwelle bestimmen lassen.

Der Laktatwert ist individuell sehr unterschiedlich. Ich selbst konnte in meiner Läuferzeit einen Marathon mit 3,4 mmol Laktat rennen, was sehr hoch war und (zumindest damals) überhaupt nicht mit der geltenden Lehrmeinung zusammen gepasst hat.

Estebban
13.06.2019, 13:44
Ich kann keinen medizinischen Beitrag leisten aber - es klingt als machst du ein Fass auf wo keines ist oder?

Ich mein, es liest sich so als macht sie das so, weil es ihr passt? Natürlich spricht jede trainingstheorie für eine andere Herangehensweise aber jeder jeck ist anders und vllt hat sie einfach keinen Bock auf ga1 rumgebummel? Ich kann für mich sagen, dass mir eine klassische 80/20 oder gar 90/10 Aufteilung zu viel langsames wäre.

Wenn sie dich fragt warum Leistung stagniert oder ähnliches, dann kann man drüber reden, aber ungefragt von der Seite reinbrabbeln find ich bei mir im Verein schon immer Schrecklich.

Vllt hab ich aber die Ausgangslage auch falsch verstanden, dann nehme ich alles zurück und behaupte das Gegenteil :Blumen:

anlot
13.06.2019, 13:50
Danke euch erstmal. Ich denke, ich habe zuvor zwei unterschiedliche Themen miteinander vermischt. Das Thema IANS vs Wettkampfergebnisse steht eigentlich erstmal im Hintergrund.

Worum es mir eigentlich geht, ist zu erfahren, ob Laktat an sich gesundheitliche negative Folgen haben kann, wenn ein Körper diese ständig über Jahre verstoffwechseln muss?

Hafu: gibt es dazu irgendwelche Hinweise bzw. Erkenntnisse?

EziPci
13.06.2019, 13:52
Das ist nicht kurios, das ist unmöglich.
Entweder ist ihre Schwelle nicht bei 4mmol, oder die Leistubgsdiagnostik ist aus anderen Gründen fehlerhaft.
Sehe jetzt nicht warum das was sie macht gesundheitsschädigender sein soll als vernünftiges Training.

Helmut S
13.06.2019, 13:54
[...]aber ungefragt von der Seite reinbrabbeln find ich bei mir im Verein schon immer Schrecklich.


Würde ich für den "ungefragten" Fall ebenso sehen. Jemanden "einfach so" mal eben "zur Einsicht" bringen zu wollen wäre schon recht übergriffig. Wie gesagt, wenn es denn so war/ist ...

:Blumen:

Hafu
13.06.2019, 14:10
...
Worum es mir eigentlich geht, ist zu erfahren, ob Laktat an sich gesundheitliche negative Folgen haben kann, wenn ein Körper diese ständig über Jahre verstoffwechseln muss?

Hafu: gibt es dazu irgendwelche Hinweise bzw. Erkenntnisse?

Laktat an sich ist nichts ungesundes, sondern ein wichtiger Baustein im Ernährungsstoffwechsel. Der Herzmuskel kann Laktat direkt verbrennen, also als direkte Energiequelle nutzen und die Leber kann aus Laktat wieder Glucose und daraus Glykogen resynthetisieren.

Die vermeintlich Übersäuerung des Körpers durch Laktat, die man sich bei sehr intensivem Intervalltraining einbildet und die auch in älteren Sportmedizinbüchern gerne noch auftaucht ist ein Mythos und beruht in Wirklichkeit auf Ermüdungsprozessen und Substratmangel (wenn alle energiereichen Phosphate verbraucht sind und die Zelle mit der Nachproduktion nicht mehr hinterherkommt, dann entsteht dieses bleierne Gefühl in der Muskulatur, das jahrelang als "Übersäuerung des Muskels wegen zuviel Laktatproduktion" verkannt bzw. interpretiert wurde. Wenn man Probanden Laktat direkt in die Vene oder in den Muskel in den Konzentrationen spritzt, wie man sie bei intensivem Training erreicht, (Solche Studien, natürlich mit entsprechend aufgeklärten freiwilligen Probanden gibt es tatsächlich!) passiert gar nichts, das Laktat wird problemlos abgepuffert und die Muskelkontraktion funktioniert trotzdem einwandfrei und die Probanden fühlen sich auch einwandfrei.

Der Grund, dass Laktat in Leistungsdiagnostiken gerne gemessen wird, ist v.a. weil es sich relativ leicht messen lässt und seine Kapillarblutkonzentration eng mit der Muskellaktatkonzentration korreliert ist.

Laktat ist weder gut noch schlecht, es ist einfach ein Indikator (von vielen) für bestimmte Stoffwechselprozesse.

planar
13.06.2019, 15:24
https://www.greif.de/nl-die-laktatrevolution-vom-feind-zum-freund.html

captain hook
13.06.2019, 15:30
Das Problem dürfte nicht das Laktat, sondern die hohe Trainingslast sein, die sich dann hormonell irgendwann auf den Körper auswirkt. Speziell bei Frauen ein sehr unerfreuliches Thema...

bentus
13.06.2019, 18:57
Jetzt mal völlig losgelöst vom OP finde ich das Thema eine spannende Debatte. Was ist Gesundheitssport, ab wann wird es zu viel und was ist wirklich schädigend. Schwierig zu beantworten. Einerseits gibt es da viele Überlastungserscheinungen, ich selbst habe auch schon die eine oder andere davongetragen, dann natürlich Traumata durch z.b. Radstürze und andererseits natürlich auch Langzeitfolgen(schäden).

Bekannt ist z.b., dass Vorhofflimmern gehäuft bei Ausdauersportlern auftritt. Auch lassen sie Läsionen im Myokard im MRT bei männlichen Ausdauersportlern gehäuft nachweisen. Finde ich persönlich sehr interessant und es wird sich wenig Gedanken darüber gemacht. Oft ist die Selbstwahrnehmung vieler Triathleten, dass sie besonders gesund und fit sind. Das führt manchmal sogar zu einem Gefühl moralischer Überlegenheit, z.b. gegenüber Übergewichtigen, welches ich schon bei vielen Ausdauersportlern beobachten konnte. Ob das gerechtfertigt ist?

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29248656

ThomasG
13.06.2019, 19:16
Manfred Steffny hat es schon ofter wie folgt erklärt: Relativ niedrige Intensitäten fördern in erster Linie die Kapillarisierung (der Arbeitsmuskulatur). Relative hohe Intensitäten dagegen fördern eher das Herz-Kreislaufsystem.

Gute Ausdauersportler brauchen beides. Das Herz kann pumpen wie es will, ist die Muskulatur schlecht kapillarisiert, kann nur wenig Sauerstoff entnommen werden, weil der Durchfluß so schnell verläuft.

Karl Fleschen soll mal eine Weile versucht haben nur Läufe an der anaeroben Schwelle zu machen.
Eine zeitlang dachte man wohl, das wäre sozusagen die optimale Intensität, die am meisten bringt.
Er hat sich an dem Wert bei 4 mmol/l orientiert.
So soll er sich selbst verheizt haben
Die Schwelle liegt bei hochausdauertrainierten nämlich in der Regel weit unter 4 mmol/l
Da liegt sich eher bei Leute, die nicht besonders ausdauertrainiert sind.
Seit eingen Jahren wird sogar grundsätzlich an den Schwellenkonzepten gezweifelt.
"There is no lactat thershold!"

qbz
13.06.2019, 20:51
Als Jugendlicher habe ich im Schwimmen Leistungssport betrieben, d.h. Meisterschaften geschwommen. Der grösste Teil unseres Schwimmtrainings bestand aus Intervalltraining mit Pulskontrolle. Als Kind bis 12 liess uns ein anderer Trainer eher zügig auch längere Strecken absolvieren (Grundlagentraining), während der andere danach das eher kritisch sah und ausschliesslich Intervalle trainieren liess. Für das Langlauftraining mag das bestimmt etwas anders sein wie bei den Schwimmdistanzen, die ja eher mit 400m bis 5000m Laufzeiten zu vergleichen wären, und wo halt beim Schwimmen die Kraftausdauer die entscheidende Rolle spielt. Aufgrund meiner ganz persönlichen Erfahrungen glaube ich deswegen jetzt nicht, dass für körperlich gesunde Personen schwerpunktmässiges Intervalltraining die Gesundheit gefährdet, sehr wohl aber dass der Hochleistungsspitzensport eine erhöhte Abnutzung und Beanspruchung des Bewegungsapparates etc. mit sich bringen kann aufgrund der heutige notwendigen Umfänge.

Cameron
13.06.2019, 22:26
Jetzt mal völlig losgelöst vom OP finde ich das Thema eine spannende Debatte. Was ist Gesundheitssport, ab wann wird es zu viel und was ist wirklich schädigend. Schwierig zu beantworten. Einerseits gibt es da viele Überlastungserscheinungen, ich selbst habe auch schon die eine oder andere davongetragen, dann natürlich Traumata durch z.b. Radstürze und andererseits natürlich auch Langzeitfolgen(schäden).

Bekannt ist z.b., dass Vorhofflimmern gehäuft bei Ausdauersportlern auftritt. Auch lassen sie Läsionen im Myokard im MRT bei männlichen Ausdauersportlern gehäuft nachweisen. Finde ich persönlich sehr interessant und es wird sich wenig Gedanken darüber gemacht. Oft ist die Selbstwahrnehmung vieler Triathleten, dass sie besonders gesund und fit sind. Das führt manchmal sogar zu einem Gefühl moralischer Überlegenheit, z.b. gegenüber Übergewichtigen, welches ich schon bei vielen Ausdauersportlern beobachten konnte. Ob das gerechtfertigt ist?

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29248656

Bekannt ist, das zigtausende daheim abends auf der Couch sitzen, Erdnüsse knabbern und Bier trinken, zuviel Fleisch und Fett konsumieren und dann beim Treppensteigen einen Herzinfarkt erleiden.
Bekannt ist, dass nur ein paar tausend Triathlon betreiben. Davon hat ein Bruchteil von geringer Relevanz Herzprobleme.

Absolut und relativ.
You know? Fake News?

Mein Tipp: Einfach den Ball flach halten. Hat nichts mit Ausdauersport zu tun. Nichts mit Triathlon. Die mit Herzproblemen gibt es. Auf beiden Seiten. All überall. Vorhofflimmern. Tag und Nacht. Und weitaus mehr bei den Fußballnationaltrainern auf der hemischen Couch.

anlot
13.06.2019, 23:08
Laktat an sich ist nichts ungesundes, sondern ein wichtiger Baustein im Ernährungsstoffwechsel. Der Herzmuskel kann Laktat direkt verbrennen, also als direkte Energiequelle nutzen und die Leber kann aus Laktat wieder Glucose und daraus Glykogen resynthetisieren.

Die vermeintlich Übersäuerung des Körpers durch Laktat, die man sich bei sehr intensivem Intervalltraining einbildet und die auch in älteren Sportmedizinbüchern gerne noch auftaucht ist ein Mythos und beruht in Wirklichkeit auf Ermüdungsprozessen und Substratmangel (wenn alle energiereichen Phosphate verbraucht sind und die Zelle mit der Nachproduktion nicht mehr hinterherkommt, dann entsteht dieses bleierne Gefühl in der Muskulatur, das jahrelang als "Übersäuerung des Muskels wegen zuviel Laktatproduktion" verkannt bzw. interpretiert wurde. Wenn man Probanden Laktat direkt in die Vene oder in den Muskel in den Konzentrationen spritzt, wie man sie bei intensivem Training erreicht, (Solche Studien, natürlich mit entsprechend aufgeklärten freiwilligen Probanden gibt es tatsächlich!) passiert gar nichts, das Laktat wird problemlos abgepuffert und die Muskelkontraktion funktioniert trotzdem einwandfrei und die Probanden fühlen sich auch einwandfrei.

Der Grund, dass Laktat in Leistungsdiagnostiken gerne gemessen wird, ist v.a. weil es sich relativ leicht messen lässt und seine Kapillarblutkonzentration eng mit der Muskellaktatkonzentration korreliert ist.

Laktat ist weder gut noch schlecht, es ist einfach ein Indikator (von vielen) für bestimmte Stoffwechselprozesse.


Sehr spannend. Ein paar Dinge davon waren mir auch nicht bis ins Detail bekannt. Vielen Dank Hafu, dass Du Dir Zeit für diese ausführliche Antwort genommen hast.

anlot
13.06.2019, 23:09
Das Problem dürfte nicht das Laktat, sondern die hohe Trainingslast sein, die sich dann hormonell irgendwann auf den Körper auswirkt. Speziell bei Frauen ein sehr unerfreuliches Thema...

Wie kann sich das am Ende äußern?

Hamsterbär
13.06.2019, 23:22
Da kann den Zyklus durcheinander bringen, bis hin zum Ausbleiben der Regelblutungen.

https://www.netdoktor.de/symptome/amenorrhoe/