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Vollständige Version anzeigen : Hartz-IV-Debatte


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ThomasG
07.04.2018, 08:13
In den letzten Wochen wurde eine Hartz-IV-Debatte angestoßen.
Losgetreten wurde sie wohl durch ein Interview mit Gesundheitsminister Jens Spahn Anfang März diesen Jahres, was medial sehr viel Aufmerksamkeit auf sich zog.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller sorgte wenig später ebenfalls für viel Medieninteresse.
Müller macht sich für ein solidarischen Grundeinkommen stark.
Langzeitarbeitslosen soll der Zugang zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erleichtert werden mit Hilfe staatlicher geförderter gemeinnütziger Arbeit.
Dann trug ein Artikel der FAZ vom 19.03.2018 dazu bei, dass das Thema im Fokus bleibt.
Hier fand ein umstrittener Vergleich statt von Menschen bzw. Familien, welche von einem Erwerbseinkommen leben bzw. von Hartz-IV-Leistungen.
Ein ähnlicher Vergleich wurde in der Sendung Hartaberfair ein paar Tage danach in die Sendung eingebunden.
Von den aufgeführten Ereignissen habe ich mitbekommen und sie sind mir in besonderer Erinnerung geblieben, deshalb habe ich sie genannt.
Kritik am Hartz-IV-System kam bisher in erster Linie aus Reihen der Partei Die Linke.
Aktuell dringen vermehrt kritische Töne von Politikern der SPD und der Grünen an die Öffentlichkeit.
Es ist lange her, dass über Hartz IV in solchem Maße medienwirksam diskutiert worden ist.
Der Faden hier soll allen Gelegenheit geben ihre Meinung zur Debatte bzw. zu Hartz IV kundzutun oder sich darüber zu informieren, wie die so verläuft.

Gruß Thomas

(P.S.: Kürzlich habe ich einen Faden unter dem gleichen Namen eröffnet.
Der enthielt einige lange Zitate von Artikeln aus anderen Internetseiten.
Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das rechtlich zu Problemen führen könnte, woraufhin ich die Zitate entfernte.
Das hatte zur Folge, dass die meisten meiner Beiträge (sonst gab es nur ganz wenige) praktisch nur noch aus Links bestanden und somit der ganze Faden in meinen Augen kaum noch einen Wert hatte.
Ich bat darum ihn zu löschen, was gestern Abend erfolgte.
Vielen Dank dafür!
Dieser Thread soll ein kleiner Beitrag sein die Sache wieder gutzumachen.)

ThomasG
07.04.2018, 08:37
Über eine Passage eines Gastbeitrages vom Parteichef Bündnis 90/Die Grünen Robert Habeck für den Tagesspiegel habe ich mich ganz besonders gefreut in letzter Zeit:
Wir brauchen dagegen eine neue Garantiesicherung, die in allen Lebenslagen Schutz bietet. Am einfachsten ist das in den Lebensphasen, in denen wir nicht in Konkurrenz zur Erwerbsarbeit stehen, im Alter über eine Garantierente, während der Bildung, wenn Kinder klein sind. Aber wir können da nicht Halt machen. Wir werden darüber reden müssen, auch für die Erwerbstätigen ein neues, existenzsicherndes Garantiesystem zu schaffen, das Demütigung durch Ermutigung ersetzt und Anreize für Erwerbsarbeit schafft. Diese Debatte muss jetzt beginnen. Man kann sie nicht führen, ohne über die Löhne, öffentliche Einrichtungen, Kitas, Schulen, Schwimmbäder, Busse und Kantinen zu diskutieren. Wie immer das neue System aussehen wird, es darf sicher nicht mehr Hartz heißen.
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/debatte-um-hartz-iv-das-solidarische-grundeinkommen-ist-etikettenschwindel/21138010.html

qbz
07.04.2018, 11:36
danke für den neuen Thread und die Mühe! Unter den früheren Links waren einige interessante Websites wie z.B. die https://www.nachdenkseiten.de/ .

Mir geht bei dem ganzen Problem "Hartz IV" ein sehr grundsätzliches durch den Kopf. Es betrifft die Produktivitätssteigerung. Heutzutage können aufgrund der Automatisierung (und Digitalisierung) Konsum- und Industriegüter im Überfluss von immer weniger Menschen hergestellt werden. Wenige Beschäftigte schaffen immer mehr Werte. Davon zweigen die AG-Besitzer und das Finanzkapital immer mehr ab. Auf der anderen Seite haben wir Arbeitsplätze, wo eine Rationalisierung im gleichem Umfang nicht bis gar nicht möglich ist, z.B. Ärzte, Pflegeberufe, Handwerkerberufe usf.

Deswegen muss in meinen Augen, will man eine soziale Marktwirtschaft bzw. einen Wohlfahrtsstaat erhalten, zwangsläufig eine zunehmende Umverteilung zwischen den sehr produktiven, gewinnschaffenden Wirtschaftsektoren und denjenigen Arbeitsplätzen, wo man keine Produktivität steigern kann, stattfinden. Ansonsten verarmt eine ständig wachsende Schicht von Menschen in den unproduktiven bis überflüssigen Arbeitsplätzen mit Mindestlöhnen oder in Hartz IV im Vergleich zu den Einkommen aus den rationalisierungsfähigen Sektoren, wo immer weniger Menschen beschäftigt sind.

Am konsequentesten erscheint mir persönlich als Lösung für die längerfristige Zukunft das bedindungslose Grundeinkommen für alle, das von der Höhe her den Namen wirklich verdient (wäre 1500.- zur Zeit), was utopisch erscheint. Die realisierbaren Sofortforderungen für die Verbesserung der Lebensumstände der Hartz IVer sehen natürlich etwas anders aus. Ich bin aber selbst noch zu keiner abschliessenden Meinung gekommen und finde deswegen den Thread interessant.

Wahrscheinlich wird aber der "Verarmungsprozess" erstmal weitergehen.

ThomasG
07.04.2018, 14:10
Es ist noch nicht so lange her, da habe ich angenommen die Hartz-IV-Sätze würden mit Hilfe von Warenkörben o.ä. ermittelt.
Tatsächlich ist es aber so, dass die durchschnittlichen Ausgaben des ärmsten Teiles der Bevölkerung dazu herangezogen werden.
Lutz Hausstein hat sich im Rahmen einer Studie damit beschäftigt, was sich für ein Hartz IV-Regelbedarf ergibt, wenn man den mit Hilfe der Warenkorbmethode bestimmt.
"Erst 730 Euro Hartz-IV-Satz decken das soziokulturelle Existenzminimum" (Stand Mai 2015) so haben die Nachdenkseiten seine Studienergebnisse kurz zusammengefasst und als Überschrift gewählt für ein Interview mit ihm:

https://www.nachdenkseiten.de/?p=26257
https://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/Studie_Was_der_Mensch_braucht_2015.pdf

ThomasG
07.04.2018, 17:52
Frau Nahles wagt einen scheuen Blick über den Rand des Schützengrabens ;-):
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles zeigte sich aufgeschlossen für ein solidarisches Grundeinkommen. „Ich bin für eine offene Debatte über die grundsätzlichen Fragen der sozialen Sicherheit.“ Dabei sei das solidarische Grundeinkommen „ein interessanter Impuls“. Dies werde aber nicht alle Probleme lösen.
Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschland/article175247736/Hartz-IV-Berlins-Buergermeister-Michael-Mueller-kritisiert-Sanktionen.html

ThomasG
07.04.2018, 18:12
Aktuell habe ich ein wenig Hoffnung die SPD, die Grünen und die Linken könnten sich in den nächsten Jahren aneinander so annähern, dass eine gemeinsame Regierung bundesweit Realität werden könnte.
Vielleicht möchte die SPD die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl tatsächlich nutzen sich zu wandeln und sich mehr auf alte Werte zu besinnen.
Möglicherweise wird das im Moment so ein wenig taktisch abgecheckt und vielleicht weiß da wirklich kaum einer in welche Richtung es gehen wird.
Es ist dann gut möglich, dass das Verhalten der Medien und die Art und Weise wie so manches bei der (wahlberechtigten) Bevölkerung ankommt, einen großen Einfluß haben könnte.
Auf der anderen Seite würde es mich jetzt auch nicht so wahnsinnig überraschen, wenn in ein paar Wochen kaum einer mehr von der Hartz-IV-Debatte reden würde.

ThomasG
07.04.2018, 20:24
Vor ein paar Jahren hörte ich das erste Mal von Inge Hannemann und zwar im Zusammenhang mit der von ihr eingereichten Petition "Arbeitslosengeld II – Abschaffung der Sanktionen und Leistungseinschränkungen (SGB II und SGB XII)".
Die Petition erreichte das Quorum (50 000 Unterschriften) und wurde daraufhin im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages in einer öffentichen Sitzung behandelt*.
Inge Hannemann war einige Jahre Arbeitsvermittlerin in zwei Jobcentern (in Freiburg bzw. Hamburg) und äußerte sich in dieser Zeit bereits öffentlich kritisch zur Agenda 2010 und der Arbeitsmarktpolitik der damaligen Regierung.
Auf Grund von ihrer Kritik in ihrem Blog in Bezug auf die Umgangsweise mit Beziehern von Arbeitslosengeld II wurde sie vom Dienst freigestellt und erhielt Hausverbot.
Es folgten mehrere Gerichtsverfahren.
Letztendlich einigte man sich zu einem Vergleich.
Inge Hannemann arbeitete dann im Integrationsamt.
Danach habe ich nicht mehr so viel von ihr gehört.
Im Nachhinein erfuhr ich dann noch, dass sie in der Hamburger Bürgerschaft politisch aktiv und in der Linksfraktion arbeitsmarktpolitische Sprecherin war.
Zunächst war sie parteilos in der Bürgerschaft tätig.
Später trat sie in die Partei Die Linke ein.
In jungen Jahren war sie bei den Jungsozialisten.
Kürzlich zog sich Inge Hannemann aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurück, was nicht bedeuten soll, dass sie politisch gar nicht mehr aktiv ist.

Die Informationen habe ich hauptsächlich aus ihrem Wikipedia-Artikel entnommen bzw. meiner Erinnerung.
Ich hoffe mir sind keine (gröberen) Fehler unterlaufen.
Inge Hannemann und ihre Anischten sind mir sehr sympathisch.

https://de.wikipedia.org/wiki/Inge_Hannemann
https://www.nachdenkseiten.de/?p=17638
https://www.bundestag.de/blob/497906/f2a6382d0a8b3d3afbf9bb4dffdabc59/wd-6-004-17-pdf-data.pdf
*https://www.youtube.com/watch?v=ebUgiXzHdlk (ab ca. 4 min spricht Inge Hannemann)

ThomasG
08.04.2018, 13:15
Auf der anderen Seite würde es mich jetzt auch nicht so wahnsinnig überraschen, wenn in ein paar Wochen kaum einer mehr von der Hartz-IV-Debatte reden würde.
Soweit ist es aber ja noch nicht und soweit muss es ja auch nicht unbedingt kommen.
Heute Abend geht es weiter bei Anne Will.
Inge Hannemann und Robert Habeck werden auch mitmischen :):
https://daserste.ndr.de/annewill/index.html

Nachtrag: Die Sendung ist noch gar nicht gelaufen und Kommentare müssen von der Redaktion freigeschaltet werden, bevor sie veröffentlicht werden, trotzdem las ich da eben (13:30 Uhr) was von 474 Kommentaren. :-)
-> https://daserste.ndr.de/annewill/archiv/Forum-Hartz-IV-reformieren-oder-abschaffen,diskussionhartzvier100.html

ThomasG
08.04.2018, 17:06
"Die 7 Tage Autoren Benjamin Arcioli und Anke Gehrmann haben ein Jahr lang Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit die Arbeitsagentur ihnen für diese intensiven Dreharbeiten die Pforten öffnet. Herausgekommen ist ein seltener Einblick in ein System zwischen behördlichem Auftrag, Effizienz und Empathie."

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=9nEVu9UdmvM

ThomasG
09.04.2018, 07:07
Soweit ist es aber ja noch nicht und soweit muss es ja auch nicht unbedingt kommen.
Heute Abend geht es weiter bei Anne Will.
Inge Hannemann und Robert Habeck werden auch mitmischen :):
https://daserste.ndr.de/annewill/index.html

Nachtrag: Die Sendung ist noch gar nicht gelaufen und Kommentare müssen von der Redaktion freigeschaltet werden, bevor sie veröffentlicht werden, trotzdem las ich da eben (13:30 Uhr) was von 474 Kommentaren. :-)
-> https://daserste.ndr.de/annewill/archiv/Forum-Hartz-IV-reformieren-oder-abschaffen,diskussionhartzvier100.html
Ich habe mir das gestern Abend angeschaut und war hinterher relativ enttäuscht.
Hubertus Heil gelang es in meinen Augen alles in allem ganz gut seine Partei ziemlich gut zu verkaufen.
Zum Glück kamen da kritische Töne, es ginge wohl eher darum etwas für das Ansehen der SPD zu tun als um die Langzeitarbeitslosen.
Inge Hannemann habe ich ein bisschen anders in Erinnerung - etwas kämpferischer und weniger gedrückt wirkend.
Ich glaube sie ist gesundheitlich schon arg angeschlagen bzw. hat eine harte Zeit hinter sich.
Es wurde nur relativ kurz erwähnt, dass sie krankgeschrieben ist.
Naja - und wenn man so lange gegen Hartz IV angeht und es tut sich letztlich doch relativ wenig, dann dürfte bei jedem Phasen kommen, wo es schwer fällt nicht ein wenig zu resignieren.
Die Welt hat in einem Artikel die Sendung in meinen Augen ganz gut zusammengefasst.
Zu Robert Habeck möchte ich noch einen kurzen, subjektiven Eindruck loswerden:
Das ist schon ein absoluter Politikprofi scheint mir.
Er lässt sich kaum aus der Ruhe bringen auf der einen Seite.
Auf der anderen Seite wirkte er auf mich ein bisschen so, als lehne er sich immer wieder etwas entspannt zurück und lässt die anderen reden und dann hakt er ziemlich gekonnt ein.
Zwar hat er sich schon ein bisschen menschlich gezeigt in Bezug auf den Umgang mit Langzeitarbeitslosen, aber irgendwie empfand ich das alles in allem auch relativ zurückhaltend.
Er ist aber schon ein schmuckes Kerlchen und das weiß er glaube ich auch ganz gut ;-).
Hier der Artikel der Welt.
https://www.welt.de/vermischtes/article175271140/Anne-Will.html
Man kann sich die Sendung hier anschauen*: https://daserste.ndr.de/annewill/archiv/Forum-Hartz-IV-reformieren-oder-abschaffen,diskussionhartzvier100.html
* Wie gesagt, war ich von ihr schon ein bisschen enttäuscht.

Nachtrag: Über 1200 Kommentare sind da inzwischen freigeschaltet.
Es könnte fast interessanter sein, da ein paar davon zu lesen als sich die Sendung anzusehen ;-).
Da gibt`s ordentlich was auf die Mütze, aber leider auch ziemlich viel Resignation!
In den Kommentaren, die ich überflogen habe, gab es ziemlich viel Lob für Inge Hannemann.
Das freut mich :-).
-> https://daserste.ndr.de/annewill/archiv/Forum-Hartz-IV-reformieren-oder-abschaffen,diskussionhartzvier100.html

qbz
09.04.2018, 08:31
Die Kommunen, welche seit Hartz IV viele feste Stellen für öffentliche Aufgaben gestrichen und ihre Haushalte entsprechend reduziert haben, werden natürlich die Vorschläge von Heil breit unterstützen, weil sie ein wenig Geld vom Bund erhalten, um wieder Menschen, Langzeitarbeitslose für gemeinnützige Arbeit einstellen zu können, und für das erste diese nicht aus ihren Haushalten bezahlen müssen. Ob daraus dann wieder feste Stellen werden, ich glaube es nicht. Läuft das Programm aus, fallen die Stellen vermutlich wieder weg. Das Ganze wird auch mit neuer Bürokratie verbunden sein, weil genaue Kriterien einzuhalten sind, um den sog. "sozialen Arbeitsmarkt" von Heil vom "normalen" ersten abzugrenzen. Im Prinzip wieder die Einführung von ABM (Arbeitsbeschaffungsmassnahme) mit dem Versprechen als Unterschied zwischen "sozialer Arbeitsmarkt" und ABM-Stellen, es nicht bei einer Befristung von 2-3 Jahren bleiben zu lassen, was ich nicht glaube. Natürlich war ABM oder jetzt auch die Finanzierung solcher Stellen in einem sog. "sozialen Arbeitsmarkt" für Arbeitslose besser als rein gar nichts. Wir hatten auf unserer Arbeitsstelle immer ABM-Beschäftigte (Psychologen und Sprechstundenhilfe). Bei ABM erfolgte aber die Bezahlung in Anlehnung an die Tariflöhne, hier soll es wohl einen festen Betrag als Lohnzuschuss für den Arbeitgeber geben und was dann der Beschäftigte erhält, scheint mir noch offen.

Viel besser wäre: Die Kommunen schaffen für öffentliche Pflichtaufgaben wieder feste, unbefristete Stellen, die nach Tarifvertrag bezahlt werden oder vergeben diese nur an Firmen, die überwiegend Personal in festen, unbefristeten Stellen nach Tarifvertrag beschäftigen. Das würde halt etwas mehr kosten als dieser Etikettenschwindel, wo die Hartz IV Gelder für Langzeitarbeitslose einfach an den Arbeitgeber als Lohnkostenzuschuss gehen statt an den Arbeitslosen.

ThomasG
09.04.2018, 09:24
In den letzten Jahren gab es für mich zahlreiche Begegnungen mit Mitarbeitern von Pflegediensten u.ä..
Diese Menschen wirken sehr oft irgendwie dauernd gehetzt und auch angespannt.
Man hat das Feld kommerziellen Anbietern überlassen so mein Eindruck.
Ich glaube dort sind viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse entstanden.
Darunter leiden zwei Seiten:
Diejenigen, die auf Hilfe angewiesen sind und diejenigen, die helfen sollen.
Kommerzielle Anbieter wollen normalerweise Gewinn machen.
Das hat natürlich Folgen.
Könnte man sich nicht in der Pflicht fühlen so manches zur öffentlichen Pflichaufgabe zu machen, was man heute mehrheitlich kommerziellen Anbietern überlässt?

Ähnliches könnte man im Bildungssektor machen.
Statt armen Familien im Rahmen von Bildung und Teilhabe es zu ermöglichen die Kinder schulisch zu fördern (in der Regel bei kommerziellen Anbietern), könnte man an Schulen direkt zusätzlich zu den Lehrern Leute fest beschäftigen, die an Nachmittagen entprechende Kurse u.ä. anbieten.
Auch hier wäre zwei Seiten geholfen:
Denjenigen, die Schülern helfen sollen und den Schülern bzw. ihren Familien.
Wenn das Vertrauen da wäre, dass es ziemlich gute Chancen gibt dort lange bleiben zu können, würde ich mir das sehr ernsthaft überlegen.
Auf eine Beschäftigung im Rahmen des Projektes PES dagegen werde ich mich wahrscheinlich nie mehr einlassen.

ThomasG
10.04.2018, 21:53
"In der Debatte über Hartz-IV-Reformen plädiert SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel dafür, ALG-2-Beziehern mehr Vermögen zuzugestehen."
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/spd-vize-schaefer-guembel-hartz-iv-empfaenger-sollen-erarbeitetes-vermoegen-komplett-behalten-koennen/21155642.html

ThomasG
11.04.2018, 07:26
Auf mich wirkt das schon so, als gäbe es relativ starke Kräfte vor allem in Reihen der SPD, die die Hartz-IV-Debatte am Laufen halten wollen.
Zwar denke ich nach wie vor es geht dabei zumindest auch darum der SPD zu einem besseren Image zu verhelfen und dafür zu sorgen, dass ihre Talfahrt endet und es zu einer Trendwende kommt, trotzdem würden ja solche Änderungen den Betroffenen das Leben ein gutes Stück erleichtern und ihnen auch einen Teil ihrer Sorgen nehmen.
Sanktionsmöglichkeiten abzuschaffen oder abzuschwächen scheint mir da sieht man wohl relativ wenig bzw. zu wenig Befürwortung in der potenziellen Wählerschaft.
Aus dieser Sicht betrachtet ist ein solcher Vorstoß schon ganz geschickt.
Entsprechende Änderungen fänden wohl wesentlich mehr Leute direkt (und ohne große Einschränkungen) gut schätze ich mal.
In den Geschichtsbüchern könnten eines Tages wesentlich Schritte dargestellt sein, die den Weg zu einem bedingungslosen Grundeinkommen kennzeichneten.
Die Menschen sind halt vom dem geprägt, wie sie gewöhnt sind zu denken.
Das kann man ja durchaus stark beeinflussen.
Sich von gewohnten Denkmustern gedanklich zu entfernen oder diese gar abzubauen, gelingt normalerweise nicht von jetzt auf gleich ganz im Gegenteil oft dauert das ziemlich lang.
Wie fast immer ;-) besteht diesbezüglich aber überhaupt kein Grund für allzu viel Optimismus.
Eine Gesellschaft, die Möglichkeiten zulässt Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen leben, einen Teil dieser Bezüge im Rahmen von Sanktionsmaßnahmen vorzuenthalten, empfinde ich als noch meilenweit weg von einem bedingungslosen Grundeinkommen, was seinen Namen auch nur einigermaßen verdient.
Tja - so mancher denkt sich, es wird doch kaum sanktioniert.
Zwischen 2012 und 2016 gab es jährlich etwa eine Million "Fälle", wobei das Wort "Fälle" hier "wunderbar" veranschaulicht, wie kühl man oft darüber hinweggeht:*

"In diesen Statistiken sind auch Vollsanktionen enthalten, was bedeutet dass die Leistungen durch das Jobcenter vollständig einbehalten wurden. Lt. Angaben der Bundesagentur für Arbeit mit ihrer statistischen Auswertung aus April 2017 betrug im Dezember 2016 die durchschnittliche Leistungskürzung 108,76 Euro. Mit einer Statistik über Hartz IV Sanktionen 2017 ist erst im April 2018 zu rechnen, da die Bundesagentur für Arbeit erst in diesem Zeitraum über alle Daten verfügt und die entsprechende Statistik veröffentlicht. Im Februar 2018 lagen lediglich die Zahlen bis Oktober 2017 vor. Im Oktober 2018 betrug die durchschnittliche Hartz IV Sanktion 107,00 Euro, wobei sich im Schnitt 95 Euro auf die Kürzung des Regelsatzes sowie Mehrbedarfen erstreckten und 12 Euro auf die Kosten der Unterkunft und Heizung."

Quelle: http://www.hartziv.org/hartz-iv-sanktionen.html

"Dauer der Sanktionen bei Hartz IV

Die Regelleistungen werden jeweils für die Dauer von drei Monaten gekürzt oder entzogen (§ 31b Abs.1 S.3 SGB II). Erfolgt in diesem Zeitraum aber eine erneute Pflichtverletzung, beginnt ein weiterer Dreimonatszeitraum zu laufen. Die Sanktionswirkung selbst tritt in demjenigen Kalendermonat ein, der auf den Zugang des Verwaltungsaktes folgt, in dem die Kürzung oder der Wegfall der Regelleistungen rechtskräftig festgestellt wird."

Quelle: http://www.hartziv.org/hartz-iv-sanktionen.html

http://uploads.hartziv.org/regelsatztorte2018.jpg
Quelle: http://www.hartziv.org/regelbedarf.html

http://uploads.hartziv.org/sanktionen_hartz4_2016.jpg
Quelle: http://www.hartziv.org/hartz-iv-sanktionen.html

*Solange man nicht selbst betroffenen ist oder direkt zu jemandem hingehen und ihm eigenhändig was von seinen Hartz-IV-Bezügen wegnehmen muss und anschließend mit den Folgen davon dauernd direkt konfrontiert wird, ist das ja auch relativ leicht.

ThomasG
11.04.2018, 19:26
Jetzt hat Hubertus Heil nachgelegt und eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge in Ausicht gestellt.
Die Sanktionen möchte er sich anschauen.
Da staunt der ThomasG und der Fachmann wundert sich (oder auch nicht) :-O!

-> http://www.zeit.de/wirtschaft/2018-04/arbeitslosengeld-ii-hubertus-heil-hartz-konzept-erhoehung

https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/article175365734/Minister-Heil-stellt-Erhoehung-von-Hartz-IV-in-Aussicht.html

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-hubertus-heil-stellt-erhoehung-in-aussicht-a-1202445.html

https://www.tagesschau.de/inland/hartz-sanktionen-101.html

Leiboldienchen
23.04.2018, 12:42
Danke für die Links. Finde ich sehr gut dies Initiative von Heil. Vom jetzigen H4 kann kein Mensch würdevoll leben.

qbz
25.04.2018, 17:44
"Die Anstalt" beschäftigte sich gestern (24.4.2018) auf unterhaltsame Art mit dem Thema Hartz IV, Arbeitslosigkeit und Agentur für Arbeit.

https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-24-april-2018-100.html

ThomasG
27.04.2018, 07:11
„Es ist bei der derzeitigen Situation am Arbeitsmarkt nicht einzusehen, dass Menschen, die 25 oder auch 45 Jahre alt sind, zu Hause sitzen und Hartz IV beanspruchen können“, sagte Christian Gräff, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Berliner Union (MIT), gegenüber der „Berliner Morgenpost“. Die Zahlungen an die Unter-50-Jährigen kämen einem bedingungslosen Grundeinkommen gleich. Die Menschen müssten sich stattdessen um Arbeit bemühen.
Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschland/article175854317/Hartz-IV-Debatte-CDU-Politiker-wollen-ALG-II-fuer-Unter-50-Jaehrige-streichen.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Mittelstands-_und_Wirtschaftsvereinigung
https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Gr%C3%A4ff

Selten hat ein politischer Vorstoß so starke Reaktionen ausgelöst wie die Forderung der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT), arbeitsfähigen Hartz-IV-Empfängern unter 50 die staatliche Unterstützung zu streichen. Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU, sprach von einem "interessanten Beitrag, der die Debatte beleben wird". Er spiegele allerdings nicht die Position der Berliner Union insgesamt wider. Sie halte an Hartz IV fest, ebenso an den Sanktionen, wenn gegen Auflagen verstoßen wird.

Evers sprach sich dafür aus, das bisherige Hartz-IV-System an die veränderte Situation am Arbeitsmarkt anzupassen, insbesondere hinsichtlich der Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Position der MIT müsse als Reaktion auf den Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) zu einem solidarischen Grundeinkommen betrachtet werden. Die CDU lehnt Müllers Idee ab.
Quelle: https://www.morgenpost.de/berlin/article214130877/Hartz-IV-erst-ab-50-CDU-Vorstoss-loest-heftige-Debatte-aus.html

ThomasG
27.04.2018, 07:51
Vor diesem Hintergrund sei es ein Skandal, dass die Bundesregierung den Regelbedarf, der das Existenzminimum abdecken soll, künstlich kleinrechne. So würden bestimmte Ausgaben, die für Berufstätige selbstverständlich seien, willkürlich gestrichen, etwa für Café- oder Theaterbesuche. Das führe zu sozialer Ausgrenzung.

Auch werde der Bedarf heute anhand der Ausgaben der unteren 15 Prozent der Einkommensbezieher ermittelt, und nicht mehr wie früher der untersten 20 Prozent. „Bei der Regelbedarfsermittlung 2017 führt allein dieser Eingriff zu geringeren Konsumausgaben der Referenzgruppe in Höhe von rund 20 Euro“, schreibt die Paritätische Forschungsstelle in einer Expertise zum Thema.

Allerdings: Mit einer kräftigen Anhebung der Regelsätze würde auf einen Schlag auch die Zahl der Anspruchsberechtigten deutlich steigen, weil ihr Einkommen unter 571 Euro liegt. Wie viele Menschen dann zusätzlich Hartz IV beantragten, lasse sich aber nur schwer prognostizieren, sagte Schneider.

Quelle: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/soziale-ausgrenzung-wohlfahrtsverband-fordert-hartz-iv-regelsatz-von-571-euro/21218704.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Parit%C3%A4tischer_Wohlfahrtsverband

waldi-heidi
27.04.2018, 11:36
Das Thema ist wirklich brennend und eine Lösung, die für alle gut wäre, ist in dem Fall kaum möglich.
Natürlich will man als Arbeitslose/r staatliche Unterstützung beziehen und dass das Geld noch für das Nötigste reicht. Da kommt man zum bedingungslosen Grundeinkommen, das in der Schweiz und Finnland diskutiert wurde.
Das klingt erstmal schön: man muss sich ums Geld nicht kümmern und kann arbeiten, wo man will/darf/kann. WENN man arbeiten will. Oder man sitzt eben gemütlich zu Hause, konsumierend und degradierend. Das klingt für mich persönlich schon nach Förderung von Faulenzerei und Prokrastination. Und irgendjemand muss ja arbeiten, um das ganze zu finanzieren.
Und seien wir jetzt mal ehrlich, wer wird dann freiwillig als Putzkraft, Verkäufer etc. arbeiten? Ich will jetzt niemanden beleidigen, meine nur die Jobs, die nicht als gut bezahlt und respektiert gelten. Obwohl sie sehr wichtig sind!
Ja, man muss vom Staat unterstüzt werden, falls man seine Arbeit verloren hat oder in anderen Fällen, wenn man keine Einkommensquelle hat. Viel wichtiger ist aber, dass man nicht in einem Teufelskreis landet, sondern möglichst schnell wieder berufstätig wird.
Und über "Flüchtlinge" will ich erstmal nicht viel schreiben, die Leute, die nach Europa "fliehen", um sorgenlos existieren und sich fortpflanzen zu können. Ich rede nicht über Kriegsgebiete oder Länder, die in einer tiefen Krise stecken (die höchstwahrscheinlich von Wohlhabenden verursacht wurde), sondern über die sog. Wirtschaftsflüchtlinge.

NBer
27.04.2018, 12:17
........Und irgendjemand muss ja arbeiten, um das ganze zu finanzieren......

man darf aber dabei nicht vergessen, dass immer weniger arbeiten MÜSSEN, weil es wegen digitalisierung, automatisierung usw immer weniger jobs gibt.

........Und seien wir jetzt mal ehrlich, wer wird dann freiwillig als Putzkraft, Verkäufer etc. arbeiten? Ich will jetzt niemanden beleidigen, meine nur die Jobs, die nicht als gut bezahlt und respektiert gelten. Obwohl sie sehr wichtig sind.......

ich sehe das anders. diese jobs, die unbeliebt, aber zum teil unersetzlich sind (müllabfuhr!), verdienen dann endlich auch finanziell die aufmerkasamkeit, die ihnen zusteht. mit anderenw orten solche jobs müssen dann einfach in zukunft besser bezahlt werden, und ja, teurer durch uns verbraucher bezahlt, ENT(BE)LOHNT werden.

.......sondern über die sog. Wirtschaftsflüchtlinge.

ja es gibt sie, die sind aber in meinen augen im kontext H4, allgemeine armut in D prozentual gesehen völlig unerheblich bzw vernachlässigbar. da werden insgesamt summenmäßig ganz andere räder gedreht.

ThomasG
27.04.2018, 22:16
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an, die Gesetzgebung für den geplanten sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose in diesem Jahr abzuschließen, „so dass das Instrument ab dem 1. Januar 2019 angewendet werden kann“. Geplant ist, mit vier Milliarden Euro 150 000 Menschen einen geförderten Arbeitsplatz zu verschaffen. Heil plant außerdem, das System der Grundsicherung zu entbürokratisieren. Heute müssten Alleinerziehende für Leistungen nach dem Hartz-IV-Sozialgesetzbuch 18 Formulare ausfüllen. Bei Sanktionen sollen Unter-25-Jährige nicht mehr länger strenger behandelt werden.


Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/streit-um-sanktionen-michael-mueller-hartz-iv-sucht-sich-niemand-aus/21224030.html

ThomasG
28.04.2018, 08:15
Veröffentlicht am 16. Dezember 2004:
Eigentlich müsste Herr P. sich auf das neue Jahr freuen. Denn wenn er am 1. Januar aufwacht, wird aus ihm, dem Sozialhilfeempfänger, ein Kunde der Bundesagentur für Arbeit geworden sein – mit Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Das heißt, er bekommt mehr Geld: Statt bisher 475,25 Euro stehen ihm und seiner 13-jährigen Tochter dann monatlich 530 Euro zu. Aufs Jahr gerechnet, ist das ein Plus von 657 Euro, viel Geld für jemanden, der mit jedem Cent rechnen muss.

Erstaunlich nur: Herr P. freut sich kein bisschen. Akribisch, wie er ist, hat er alles sorgfältig durchgerechnet. Und dabei festgestellt, dass ihm und seiner Tochter im nächsten Jahr nicht 657 Euro mehr, sondern rund 1232 Euro weniger zum Leben bleiben.

Die Berechnung schien Guido Kläser, dem Leiter des Erfurter Amtes für Sozial- und Wohnungswesen, das Herrn P. betreut, ziemlich absurd. Deshalb wies er einen Mitarbeiter an, die Angaben Punkt für Punkt zu überprüfen. Das Ergebnis hat Kläser total überrascht: "Alles, was Herr P. berechnet hat, stimmt."

Quelle: https://www.zeit.de/2004/52/ALG_II

http://betriebsrat4you.de/gedanken-zum-tode-von-marie-luise-hauch-fleck/

Zusammensetzung des Regelsatzes in € (am 01.01.2008)
[...]
Der monatliche Regelsatz für Nahrung, Getränke, Tabakwaren entsprach Tagessätzen von 4,28 €, 3,43 € bzw. 2,57 €. Nach Berechnungen des Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund betrug der tatsächliche Lebensmittelbedarf für ein 11-jähriges Kind 5,71 €. Der monatliche Regelsatz für Freizeit, Unterhaltung, Kultur entsprach Tagessätzen von 1,27 €, 1,02 € bzw. 0,76 €.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Regelsatzverordnung

Olli
28.04.2018, 14:58
Unter Hartz IV Menschen gibt es ganz viele verschiedene Typen, früher dachte ich auch mal,
die können doch alles was machen und wenn es in der Behörde Botengänge sind oder im Krankenhaus Bettenabziehen oder sowas, aber es gibt in der Gruppe Menschen die können nicht arbeiten, weil sie es nicht können, weil sie selbst genug Probleme mit sich selbst haben, darunter sind sicher auch welche die man helfen kann, aber auch welche denen nicht zu helfen ist, Menschen sind halt sehr unterschiedlich und manche kommen mit so ein System nicht zu recht, für die ist so ein kleines Einkommen schon die richtige wahl

ThomasG
28.04.2018, 15:35
Das Leben hinterlässt bei jedem Menschen seine Spuren:
Man kann nicht erwarten, dass jemand der sich über Jahre ausgeschlossen fühlte und bei dem sich in der Folge davon beispielsweise eine Alkoholabhängigkeit entwickelt oder verschlimmert hat von jetzt auf gleich wieder fähig sein kann sich für die Gemeinschaft so einzubringen, dass die ihn akzeptiert.
Wer schon länger zu einer Gruppe richtig dazugehört, bei dem wird so manches toleriert, was bei einem Neuling nicht akzeptiert würde oder wird.

welfe
28.04.2018, 18:48
In den letzten Jahren gab es für mich zahlreiche Begegnungen mit Mitarbeitern von Pflegediensten u.ä..
Diese Menschen wirken sehr oft irgendwie dauernd gehetzt und auch angespannt.
Man hat das Feld kommerziellen Anbietern überlassen so mein Eindruck.
Ich glaube dort sind viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse entstanden.
Darunter leiden zwei Seiten:
Diejenigen, die auf Hilfe angewiesen sind und diejenigen, die helfen sollen.
Kommerzielle Anbieter wollen normalerweise Gewinn machen.
Das hat natürlich Folgen.
Könnte man sich nicht in der Pflicht fühlen so manches zur öffentlichen Pflichaufgabe zu machen, was man heute mehrheitlich kommerziellen Anbietern überlässt?

Ähnliches könnte man im Bildungssektor machen.
Statt armen Familien im Rahmen von Bildung und Teilhabe es zu ermöglichen die Kinder schulisch zu fördern (in der Regel bei kommerziellen Anbietern), könnte man an Schulen direkt zusätzlich zu den Lehrern Leute fest beschäftigen, die an Nachmittagen entprechende Kurse u.ä. anbieten.
Auch hier wäre zwei Seiten geholfen:
Denjenigen, die Schülern helfen sollen und den Schülern bzw. ihren Familien.
Wenn das Vertrauen da wäre, dass es ziemlich gute Chancen gibt dort lange bleiben zu können, würde ich mir das sehr ernsthaft überlegen.
Auf eine Beschäftigung im Rahmen des Projektes PES dagegen werde ich mich wahrscheinlich nie mehr einlassen.

Punkt 1) Kommerzielle Anbieter beschäftigen in der Regel immer noch besser (für Pfleger und für Patienten) als die staatlichen, jedenfalls in der Altenpflege. Das erlebe ich immer wieder aus eigener Anschauung. Die Spirale dreht sich leider im Kreis: Finanziell besser gestellte Senioren können sich bessere Pflegeheime leisten, die wiederum ihr Personal besser bezahlen können. Wer nix hat und nix zahlen kann, landet in "Sozialheimen" mit entsprechend hoher Fluktuation beim Personal und bei Pfleger, die nichts anderes finden (mit der entsprechenden Motivation....).

Punkt 2) Zumindest bei uns bieten inzwischen ALLE Schulen Nachmittagsbetreuung mit Hilfe bei schulischen Aufgaben, aber auch sozialer Beschäftigung/Anregung, Spiel und Spaß und gesundem Essen an. Diese Betreuung leisten Lehrer zusammen mit Mitarbeiter der Caritas, Awo u.a. Problem ist, dass gerade die "bildungsferne" Klientel ihre Kinder eben nicht hinschickt. Sage ich auch aus der Praxis.

Und aus dem schulischen Alltagsleben: Ich kann absolut verstehen, dass auch "HartzIV Eltern" ihren Kindern etwas bieten wollen. Seltsamerweise steht der Wert der technischen und modischen Ausstattung eines Schülers/einer Schülerin in seeeeehr vielen Fällen in umgekehrt proportionalem Verhältnis zum Einkommen der Eltern. :Cheese:

Und noch eine Anmerkung: Meine älteste Tochter hat im Rahmen ihrer Pubertät mehrere Jahre lang in einer Wohngruppe und anschließend im betreuten Wohnen gelebt. U.a. deshalb weil sie da mehr (Taschen-)Geld bekam als zuhause, wo noch drei andere Geschwister lebten. Wer 800 Eur (sic!) im Monat zur absolut freien Verfügung hat (also ohne Miete, Krankenkasse usw.) wird finanziellen "Absturz" einer Ausbildung und eines Jobs kaum einsehen... Meine Meinung.

ThomasG
28.04.2018, 20:06
Punkt 2) Zumindest bei uns bieten inzwischen ALLE Schulen Nachmittagsbetreuung mit Hilfe bei schulischen Aufgaben, aber auch sozialer Beschäftigung/Anregung, Spiel und Spaß und gesundem Essen an. Diese Betreuung leisten Lehrer zusammen mit Mitarbeiter der Caritas, Awo u.a. Problem ist, dass gerade die "bildungsferne" Klientel ihre Kinder eben nicht hinschickt. Sage ich auch aus der Praxis.

Ich arbeite seit 1997 als Nachhilfelehrer und kenne diese Branche deshalb relativ gut.
Es gibt da ein paar große Ketten, die nach sehr ähnlichen Konzepten arbeiten.
Festangestellte Lehrer gibt es so gut wie gar nicht, sondern es handelt sich um Honorartätigkeiten.
Das dürfte einzig und allein daran liegen, dass man so eben Kosten sparen kann.
Der Bedarf in Mathe und auch im Bereich Fremdsprachen ist so hoch, dass es ein Leichtes wäre Leute fest zu beschäftigen für zumindest 20 Stunden die Woche.
Ich habe ein paarmal an verschiedenen Schulen als Vertretungslehrer gearbeitet und habe von daher auch einen bestimmten Einblick bekommen wie die Verhältnisse dort so sind.
In den letzten Jahren sind wesentlich mehr Nachhilfeschüler bei mir gewesen, denen deutlich anzumerken war, dass sie aus relativ schwierigen Verhältnissen kommen.
Im Rahmen von Bildung und Teilhabe haben arme Familien die Möglichkeit ihren Kindern Nachhilfe zu finanzieren.
So lange gibt es diese Möglichkeit noch nicht.*
In der Regel erfolgt das dann an Nachhilfeschulen, die so strukturiert sind wie oben kurz beschrieben.
Früher hatte ich wesentlich mehr Schüler, deren Familien finanziell vergleichsweise schon deutlich besser ausgestattet waren.
Man merkt das einfach ziemlich schnell.
Auch das Selbstbewusstsein und das Verhalten ist anders.
Ich habe einige Ganztagsschüler.
Je mehr Schüler in einen Kurs gehen, desto besser ist das für die Nachhilfeschule.
Die Dozenten werden pro gehaltene Stunde bezahlt und bekommen unabhängig davon wie vielen Schülern sie gleichzeitig Nachhilfe geben immer das gleiche Honorar.
Ich strenge mich in der Regel sehr an, aber es ist klar, dass es unter diesen Bedingungen schwer ist was zu erreichen.
Würde mir eine Schule als Nachhilfelehrer eine Festanstellung anbieten und hätte ich das Vertrauen, dass das auch ein paar Jahre so bleiben kann, würde ich mich sehr gerne darauf einlassen.

*http://www.familien-wegweiser.de/wegweiser/stichwortverzeichnis,did=167908.html

ThomasG
28.04.2018, 20:46
"Jens Spahn will nicht einen Monat von Hartz IV leben"
http://www.rp-online.de/politik/deutschland/debatte-um-hartz-iv-jens-spahn-will-nicht-einen-monat-von-hartz-iv-leben-aid-1.7544648

Stefan
28.04.2018, 20:48
"Jens Spahn will nicht einen Monat von Hartz IV leben"
Unabhängig davon, wie man über Spahn denkt, kann man ihm da doch zustimmen:
""Allerdings denke ich, dass es viele Bürger eher als Farce empfänden, wenn ich als Bundesminister versuchte, für einen Monat von Hartz IV zu leben. Denn zu offenkundig käme mein beruflicher Alltag auch dann der realen Lage eines Hartz-IV-Empfängers nicht nahe.""

ThomasG
28.04.2018, 20:51
Stimmt - auch in meinen Augen ist das keine unsympathische Äußerung :-).

qbz
28.04.2018, 20:58
.........

Und noch eine Anmerkung: Meine älteste Tochter hat im Rahmen ihrer Pubertät mehrere Jahre lang in einer Wohngruppe und anschließend im betreuten Wohnen gelebt. U.a. deshalb weil sie da mehr (Taschen-)Geld bekam als zuhause, wo noch drei andere Geschwister lebten. Wer 800 Eur (sic!) im Monat zur absolut freien hat (also ohne Miete, Krankenkasse usw.) wird finanziellen "Absturz" einer Ausbildung und eines Jobs kaum einsehen... Meine Meinung.

Wäre das Taschengeld für Deine Tochter wirklich der zentrale Hauptgrund für die vom Elternhaus getrennte Unterbringung gewesen, hätte das örtliche Jugendamt mit ihrer Beratung und Hilfe für Familien und Jugendlichen in meinen Augen leider hier versagt und den teueren Platz besser anders belegt. (Ich arbeitete X-Jahre beim Jugendamt in der Erziehungs- und Familienberatung). :Blumen:

Die Situation in der Altenpfleg sehe ich sehr komplex. Was ich grundsätzlich ablehne, sind Einrichtungen, welche damit Gewinn für Eigentümer erzielen wollen.

Bei der Nachhilfe beurteile ich es wie Thomas: Da es sich um ständige gesetzliche Bildungsaufgaben handelt, sollten diese auch von festen Angestelltungen mit festen Tarifverträgen in Anlehnung an die Lehrer und nicht von temporär Beschäftigten erledigt werden.

ThomasG
28.04.2018, 21:49
https://www.welt.de/politik/deutschland/article175854317/Hartz-IV-Debatte-CDU-Politiker-wollen-ALG-II-fuer-Unter-50-Jaehrige-streichen.html


Hubertus gibt ihm Saures :dresche :dresche :dresche :):
Berlin. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), sonst eher für Zurückhaltung bekannt, reagierte ungewöhnlich deutlich auf einen Kommentar des CDU-Politikers Christian Graeff. Der Berliner Landesvorsitzende hatte der „Berliner Zeitung“ gesagt, angesichts der guten Arbeitsmarktlage sei es „nicht einzusehen, dass Menschen, die 25 oder auch 45 Jahre alt sind, zu Hause sitzen und Hartz IV beanspruchen können“.

„Da können nicht irgendwelche nichtsahnenden Politiker einfach mal rumphilosophieren,“ entgegnet ihm Heil am Freitag während der Präsentation der Arbeitsmarktdaten für April.

Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/armutsdiskussion-arbeitsminister-heil-schimpft-in-hartz-iv-debatte-auf-nichtsahnende-politiker/21223698.html

ThomasG
26.05.2018, 06:06
Vor ein paar Tagen kam in der Sendung Monitor ein Beitrag zum Thema Hartz-IV-Regelsatz.
Einiges wurde hier zwar schon erwähnt, aber wenn es auf diese Art auf ein hoffentlich recht breites Publikum trifft, ist das ja erfreulich.
Seit Jahren rechnet die Bundesregierung den Hartz-IV-Regelsatz nach unten. Nach Monitor-Berechnungen müssten Empfänger monatlich 155 Euro mehr bekommen. Der Staat spart Milliarden.
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/hartz-vier-regelsatz-101.html

Den Beitrag der Sendung Monitor findet man in der Mediathek der ARD:
https://www.ardmediathek.de/tv/Monitor/Hartz-IV-Wie-die-Bundesregierung-die-Re/Das-Erste/Video?bcastId=438224&documentId=52502126

Anhebung von Hartz IV hieße Steuerersparnis für alle

Experten wie Sell vermuten hinter dem Vorgehen der Bundesregierung vor allem die drohenden Einbußen bei der Einkommensteuer. Da das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass der Grundfreibetrag sich direkt aus dem Hartz-IV-Satz-ableitet, würde sich der Freibetrag bei jedem Einkommensteuerpflichtigen schlagartig deutlich erhöhen.
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/hartz-vier-regelsatz-101.html

Nachtrag: Der Monitorbeitrag hat eine betroffene alleinerziehende Mutter dazu motiviert eine Petition zu starten.
Den ärmsten der Armen nimmt der Staat dadurch 25 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist ungerecht und muss dringend geändert werden. Daher fordere ich hiermit die Neuberechnung der Hartz IV Sätze! Nehmen Sie als Grundlage wieder die 20 Prozent der Einkommensschwächsten dieser Gesellschaft - so wie dieses in der Öffentlichkeit immer wieder bekundet wird.

Weiterhin fordere ich, dass die statistischen Ausgaben für Verkehrsmittel, Gaststättenbesuche, Reisen, Tabak oder Alkohol nicht künstlich herausgerechnet werden! Ich kann nicht verstehen, ja es macht mich sogar wütend, das den Menschen so die Möglichkeiten der sozialen Teilhabe genommen wird!

Quelle: https://www.change.org/p/angela-merkel-ich-fordere-die-neue-berechnung-von-alg-ii-frau-merkel-hubertus-heil

ThomasG
01.06.2018, 14:12
Am 4. Juni ist 13.30 Uhr eine Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag angesetzt. Gegenstand sind die Anträge der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Abschaffung der Sanktionen und Leistungskürzungen bei den Grundsicherungen.
Quelle: https://www.grundeinkommen.de/26/05/2018/abschaffung-der-sanktionen-bei-hartz-iv-oeffentliche-anhoerung-im-bundestag.html

https://www.bundestag.de/blob/555784/fab2ba71d3764c9cfd1192f17895b1f8/008_04_05_2018-data.pdf

Stefan
01.06.2018, 16:44
ThomasG,
bist Du der Meinung, man sollte Sanktionen und Kürzungen abschaffen?

Wenn es z.B. keinerlei Konsequenzen mehr hat, wenn Termine nicht wahrgenommen werden, dann soll sich zukünftig nur noch der Sachbearbeiter ärgern und um neue Termine betteln?

Stefan


http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hartz-iv-arbeitsagentur-will-gleiche-strafen-fuer-erwachsene-und-jugendliche-1.3939413

Die Zahl der Sanktionen gegen alle Hartz-IV-Empfänger ist 2017 leicht um 13 700 auf knapp 953 000 gestiegen. Die Sanktionsquote, also das Verhältnis von verhängten Sanktionen zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, lag stabil bei 3,1 Prozent. "Die allermeisten Leistungsberechtigten halten sich an die gesetzlichen Spielregeln. Nur ein ganz geringer Teil wird überhaupt sanktioniert", sagt der BA-Chef. Ein Großteil der Sanktionen, rund 77 Prozent, entfällt aber auf Meldeversäumnisse, wenn also etwa jemand einen Termin beim Jobcenter ohne Angaben eines wichtigen Grundes nicht wahrnimmt.

ThomasG
01.06.2018, 17:25
Nach meinem Menschenbild möchten die allermeisten Menschen eine angemessene Gegenleistung dafür erbringen, dass sie über genügend (finanzielle) Mittel verfügen für sich bzw. evt. ihre Angehörigen bzw. Kinder für ein würdiges Leben.
Leider gibt es wohl Menschen, die sich selbst ein bisschen aufgegeben haben in dieser Hinsicht, weil sie zu wenig Hoffnung haben auf ein einigermaßen erfüllendes Arbeitsleben.
Das erfährt man in der Regel nicht sofort bzw. auf Anhieb, sondern bestenfalls, wenn es einem gelingt genügend Vertrauen aufzubauen.
So mancher gibt sich anders, wie er wirklich denkt, weil er eben kein "Opfer" sein möchte bzw. nicht so wirken möchte.
416 € stehen glaube ich einem Single monatlich zu.
Davon muss er fast alle Lebenskosten tragen.
Angemessene Unterkunfts- und Heizkosten werden übernommen, aber das Geld muss für die Verpflegung, die normale Kleidung und ein Minimum an kleinerem "Luxus" reichen.
Ich käme damit auf Dauer nicht über die Runden und mein Lebensstandard dürfte alles in allem ziemlich gering sein.
Für Essen und Trinken gebe ich wohl deutlich mehr aus, als die meisten anderen, aber nicht weil ich mir teuere Sachen leiste, sondern in erster Linie wegen der Menge (Ausdauersportler verbrennen deutlich mehr und verlieren wesentlich mehr Flüssigkeit als sportlich kaum tätige Menschen).
Ich sehe tagtäglich wie andere Leben und bekomme Eindrücke wie hoch ihr Lebensstandard sein muss.
Das ist was subjektives, aber ich gehe nicht blind durch die Welt.
Es gibt wohl genug Leute, die doch arg viel verdienen müssen so mein Eindruck jedenfalls.
Das bisschen, was den Menschen ziemlich weit unten zugestanden wird, empfinde ich diesbezüglich als unverhältnismäßig wenig.
Ich glaube, es wird relativ selten sanktioniert, weil sich die dafür zuständigen Leute in der Regel wohl eher sehr unwohl dabei fühlen.
Zum Glück dürfte das so sein.
Trotzdem finde ich es nicht in Ordnung, dass es grundsätzlich möglich ist zu sanktionieren.
Man kann durchaus auf so manche soziale Errungenschaft stolz sein als jemand, der hier geboren wurde, hier aufgewachsen ist und hier lebt.
Wir waren schon mal weiter.

ThomasG
06.06.2018, 19:20
Quelle: https://www.grundeinkommen.de/26/05/2018/abschaffung-der-sanktionen-bei-hartz-iv-oeffentliche-anhoerung-im-bundestag.html

https://www.bundestag.de/blob/555784/fab2ba71d3764c9cfd1192f17895b1f8/008_04_05_2018-data.pdf
Das Sanktionssystem beim Arbeitslosengeld II sollte überarbeitet werden. Auf diesen Minimalkonsens lassen sich die Expertenäußerungen einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Vorsitz von Dr. Matthias Bartke (SPD) am Montag, 4. Juni 2018, reduzieren. Von diesem ausgehend, bewegten sich die Vorschläge jedoch von einer stärkeren Flexibilisierung des Systems bis hin zu seiner kompletten Abschaffung. Die Kritik an den oft standardisierten Eingliederungsvereinbarungen zwischen Jobcenter und Arbeitslosen kam von fast allen Seiten, ebenso wie die Forderung nach einer besseren Vermittlungstätigkeit durch die Jobcenter.
Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw23-pa-arbeit-soziales/555092

ThomasG
16.11.2018, 21:23
15.11.18 Grünen-Chef Habeck schlägt in der Debatte um die Zukunft von Hartz IV eine grundlegend neue "Garantiesicherung" vor. Zwänge und Sanktionen würden dann entfallen. Aus SPD und FDP kam bereits Kritik an dem Vorstoß. Neben der SPD-Führung peilt jetzt auch die Spitze der Grünen eine Abkehr vom bisherigen Hartz-IV-System an. Ein Grundsatzpapier von Parteichef Robert Habeck sieht vor, die bisher nebeneinander existierenden Sozialleistungen nach und nach in eine neue "Garantiesicherung" zu überführen. Damit solle den Betroffenen "Hilfe aus einer Hand" angeboten werden können.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=kyx9RNkgYUo&feature=share

Nachtrag:

Robert Habeck hat auf seine Facebook-Seite ein Video zum Thema Abschaffung des bisherigen Hartz-IV-Systems gestellt.
Dort findet man auch in den Kommentaren einen Link zu seinem Debattenbeitrag zum Thema: https://www.facebook.com/habeckrobert/videos/765400930476882/
Dieses Papier soll die Debatte im Rahmen des Grundsatzprogrammprozesses eröffnen. Es baut auf den Parteitagsbeschlüssen seit 2007 auf, setzt sie ins Verhältnis und ist mit ersten Berechnungen hinterlegt. Es skizziert einen Weg und eröffnet eine Debatte.

Die zentralen Elemente eines neuen Garantiesystems sind:
• Anreiz statt Bestrafung
• Die Höhe der Garantiesicherung muss existenzsichernd sein
• Der Zuverdienst wird attraktiver, damit Menschen von ihrer Arbeit wirklich profitieren
• Das Schonvermögen wird deutlich angehoben.
• Die Zahlungen erfolgen bedingungslos, aber bedarfsgeprüft.
• Bündelung aller existenzsichernden Leistungen

Quelle: https://www.gruene.de/ueber-uns/2018/impulse-debattenbeitraege-zum-grundsatzprogramm/anreiz-statt-sanktionen-bedarfsgerecht-und-bedingungslos.html?fbclid=IwAR0OdRhapxGGMUwBN3M9iH cvzXm3CBHeGuCF6CIN8Q_2Kq5pRV1QEZT8Urg

merz
17.11.2018, 06:31
Nun, wirkt wie ein BGE light oder ein erster Schritt dahin, ich habe beim Überfliegen keine Aussage zur Finanzierungsstrategie gefunden, da sind viele BGE-Konzepte recht radikal


m.

ThomasG
17.11.2018, 06:49
Nun, wirkt wie ein BGE light oder ein erster Schritt dahin, ich habe beim Überfliegen keine Aussage zur Finanzierungsstrategie gefunden, da sind viele BGE-Konzepte recht radikal


m.
Im Interview vom Morgenmagazin wird Robert Habeck nach der Finanzierungsstrategie gefragt.
Das alternative System würde laut der Schöpfer etwa 30 Milliarden Euro Mehkosten verursachen im Vergleich zum bestehenden.
Robert Habeck wird mit der Aussage "Das soll durch eine gerechtere Verteilung der Wohlstandsgewinne hereinkommen" konfrontiert verbunden mit der Frage, ob damit Steuererhöhungen gemeint wären.
Habeck reagiert ziemlich cool und meint erst mal ganz nüchtern und ohne den Versuch auch nur ein wenig auszuweichen direkt und recht schnell mit einem "Ja":
Das ist eine recht ungewohnte Art der Reaktion für einen Politiker :-).
https://youtu.be/kyx9RNkgYUo?t=180
Mit den Informationen zu dieser Debatte auf der Internetseite der Grünen habe ich mich noch nicht intensiver auseinandergesetzt.
Das werde ich aber noch tun.

qbz
17.11.2018, 09:49
Ich las den Beitrag von R. Habeck auf der Website der Grünen.

1.
Mir fällt auf, dass er sich zum Arbeitslosengeld I überhaupt nicht äussert. Es wurde nämlich 2003 unter Rot-Grün parallel zur Einführung von Hartz IV die maximale Bezugsdauer von bisher 32 Monaten auf 24 Monate (also 1/4) gekürzt, d.h. fand jemand nach 2 Jahren keinen Job mehr, obwohl er vorher vielleicht 30 Jahre lang arbeitete, musste er Hartz IV beantragen. Vor allem die Gewerkschaften und Linken kritisierten diese Kürzung beim Arbeitslosengeld I und verlangen seither die Aufhebung. Die Arbeitgeber sind natürlich dagegen, weil sie einen Zuschuss zur Arbeitslosenversicherung bezahlen.

2.
Sein Konzept einer bedarfsgeprüften garantierten Existenzsicherung hat mit einem bedingungslosen Grundeinkommen nichts zu tun, auch wenn er es als "bedingungslos" bezeichnet. :Lachanfall: Es entspricht eher der Sozialhilfe vor der Einführung von Hartz IV.

3.
Ich sehe den Hauptunterschied seines Konzeptes zu Hartz IV darin, dass der jetzige "Arbeitsdruck" (Zumutbarkeit jeder Art von Arbeit unabhängig von Qualifikationshöhe) über Sozialleistungskürzungen wegfallen soll und er stattdessen allein mit finanziellen / ideellen Anreizen für Umschulungen, Weiterqualifikation etc. werben will (was jetzt auch schon z.T. passiert, IMHO). Insofern: "Bedingungslos", weil nicht an die Bedingung geknüpft, jede verfügbare Stelle anzunehmen bzw. Hartz IV-Jobs, aber Bedürftigkeitsnachweis als Voraussetzung.

4.
Politisch sehe ich in den Vorschlägen vor allem den Versuch, der SPD weitere Wählerstimmen abzunehmen. Und auch die CDU macht vielleicht in der von den Grünen angestrebten Koalition bei der Umsetzung mit, solange die Änderungen nicht Arbeitgeber belasten bzw. evtl. sogar entlasten bei der jetzigen Arbeitslosenversicherung. ("Von der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung" fordert Habeck).

5.
Es fehlt beim Mindestlohn die Nennung einer konkreten Höhe. Die Mindesthöhe sollte ca. 15.- Euro betragen für eine spätere Rente oberhalb der Grundsicherung. (was mit der CDU bestimmt nicht verhandelbar wäre in einer Koalition.)

Alternative sozialpolitische Konzepte sind z.B. ein Ausbau und eine Stärkung der Arbeitslosenversicherung für alle Beschäftigte mit Erhöhung des Mindestlohnes, weniger prekär Beschäftigte, weniger Niedriglöhner, so dass mehr Erwerbstätige im Fall der Arbeitslosigkeit über einen längeren Zeitraum Arbeitslosengeld I aus der Arbeitslosenversicherung beziehen und weniger Menschen auf die staatliche Existenzsicherung angewiesen sind oder ein echtes Bge.

ThomasG
17.11.2018, 17:20
Danke Juerg für die Mühe beim Lesen und die Zusammenfassung :Blumen:.
Das war bestimmt eine leichte Fingerübung für Dich.
Ich hätte das so gut bestimmt nie hinbekommen.
Später will ich mir das dann auch in Ruhe durchlesen.
Ich war viele Jahre Stammwähler der Grünen.
Der Habeck hat schon Ausstrahlung, finde ich.
Da haben sie einen, mit dem man ordentlich Eindruck machen kann.
Er dürfte aber so ziemlich mit allen Wassern gewaschen sein.
In Talkshows ist mir seine Art aufgefallen.
Er kommt da ziemlich cool und entspannt herüber und lässt die anderen erst einmal quatschen und dabei drehen sich glaube ich die Rädchen bei ihm.
Durch und durch ein Politikprofi denke ich und er weiß, was man machen muss, wie man sich geben und sich anziehen muss, um zu beeindrucken.
Ich denke auch, dass die ganze Sache nicht zuletzt ein "Angriff" ist auf die SPD.
Aber egal, wenn es dadurch zumindest mal in die richtige Richtung geht nach langer, langer Zeit.

ThomasG
18.11.2018, 02:19
Ich habe mir den Beitrag von Robert Habeck auf der Internetseite der Grünen vor ein paar Stunden jetzt auch durchgelesen.
Er wirkt auf mich so, als hätten sich die Grünen noch nicht allzu intensiv damit beschäftigt, wie so ein Wandel ganz konkret eingeleitet, umgesetzt und finanziert werden könnte.
Habeck selbst meinte an einer Stelle sinngemäß etwa, man hätte Gedanken, die bis in das Jahr 2007 zurück in ihren Reihen aufgekommen sind zusammengetragen.
Da könnte man eigentlich schon erwarten, dass man wesentlich mehr zu lesen bekommt, wie das alles genau ablaufen könnte vor allem in Bezug auf die Finanzierung, denn das ist doch letztlich das, was den allermeisten Menschen in den Sinn kommt, wenn es darum geht die Vorhaben bestimmter Parteien für gut oder für schlecht zu halten.
Schönen Sonntag allerseits!

ThomasG
18.11.2018, 05:50
Kürzlich gab es eine Aufruf von Dietmar Barsch von der Linken:

"Der Bundestagsfraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, hat die Spitzen von SPD und Grünen zu gemeinsamen Beratungen über Alternativen zum Hartz-IV-System aufgerufen. Diejenigen, „für die der Sozialstaat nicht eine zu tragende Last, sondern ein Grundpfeiler unserer Demokratie und Gesellschaft ist“, müssten an einem Strang ziehen und diesen Grundpfeiler einer Generalüberholung unterziehen, schreibt Bartsch in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Text."

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/linke-laedt-spd-und-gruenen-zu-hartz-iv-dialog-ein-15895906.html

Ich fände es sehr erfreulich, wenn es gelingen würde, dass sich da gemeinsame Nenner finden ließen und mit vereinten Kräften für die Abschaffung des bestehenden Systems und für die Einführung eines durchdachten, menschlicheren und ethischeren Systems gekämpft würde, wobei es ja möglicherweise vielleicht sogar besser wäre, wenn die genannten Parteien um die Gunst der Wählerschaft in Bezug für unterschiedliche Alternativsysteme konkurrieren würden.
Am Ende müssen sich halt Mehrheiten finden, damit notwendige Änderungen der Gesetzeslage etwa tatsächlich in Kraft treten.
Ich freue mich, dass sich ein entsprechender Wandel immer mehr in den Fokus gerückt und dadurch immer wahrscheinlicher wird.
Wenn über ein Thema öffentlich wirksam zunehmend häufiger diskutiert wird auch von sehr prominenten Politikern, dann steigen die Chancen für einen solchen Wandel doch erheblich.

Nachtrag:

Im Morgenmagazininterview (https://www.youtube.com/watch?v=kyx9RNkgYUo&feature=youtu.be&t=180) war von 30 Milliarden Mehrkosten die Rede, die mit einer Änderung des Systems verbunden wäre, was die Grünen aktuell propagieren.
Es könnte gut sein, dass der Jounalist u.a. nachfolgenden Artikel bei der Recherche für das Gespräch mit Robert Habeck gelesen hat:

"Ablehnung von Arbeit oder Terminversäumnisse würden auch nicht mehr mit Sanktionen belegt. Und wer ehrenamtliches Engagement einer Erwerbsarbeit vorziehe, solle auch dafür staatliche Hilfe erhalten, heißt es in dem Papier mit Titel „Anreiz statt Sanktionen, bedarfsgerecht und bedingungslos“. Habeck, der dieses als Beitrag zur Programmdebatte der Grünen darstellt, erwartet Gesamtkosten von 30 Milliarden Euro im Jahr, die offenbar als Mehrkosten gegenüber dem heutigen Hartz-IV-Budget von 45 Milliarden Euro zu verstehen sind. „Das ist viel Geld, gemessen an der Wirtschaftsleistung aber wiederum nur ein Prozent“, schreibt er. Die Finanzierung müsse „aus einer gerechteren Verteilung der Wohlstandsgewinne“ erfolgen."

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/habeck-konzept-sozialfuersorge-fuer-10-millionen-buerger-15890927.html

qbz
18.11.2018, 08:21
..........
Am Ende müssen sich halt Mehrheiten finden, damit notwendige Änderungen der Gesetzeslage etwa tatsächlich in Kraft treten.
Ich freue mich, dass sich ein entsprechender Wandel immer mehr in den. Fokus gerückt und dadurch immer wahrscheinlicher wird.
Wenn über ein Thema öffentlich wirksam zunehmend häufiger diskutiert wird auch von sehr prominenten Politikern, dann steigen die Chancen für einen solchen Wandel doch erheblich.
.......


Angenommen es käme dazu, dass SPD und Grüne die Abschaffung von Hartz IV und ein sozial faires Modell ins Wahlprogramm aufnehmen (was die Linke schon immer forderte), entscheidet die nächste Bundestagswahl. CDU, FDP bleiben sicher beim jetzigen System, das damals Rot-Grün beschlossen hat. Bei einer Jamaika-, Schwarz-Grünen- oder CDU-SPD-Koalition würde ich keine tatsächlichen Verbesserungen für die ärmeren Schichten erwarten, höchstens "Augenwischerei" und "Politur". Aber ich sehe es auf jeden Fall sehr positiv, wenn wieder eine breitere Diskussion in der Gesellschaft angestossen wird, um die Lage der Ärmeren zu verbessern.

Neben der Diskussion um Hartz IV, Mindestlohn und Arbeitslosversicherung, Renten gehört IMHO unbedingt auch das Thema ausreichend bezahlbarer Wohnraum in den Städten dazu. Solange parallel keine durchgreifenden Massnahmen zur Begrenzung der anhaltenden Immobilien- und Mietenspekulation beschlossen werden, bezahlt der Staat / Steuerzahler die Spekulation auf dem Wohnungsmarkt halt über die Existenzsicherung bzw. über ein erhöhtes Wohngeld mit.

ThomasG
18.11.2018, 19:41
In Großstädten wie Berlin und München muss es für viele Menschen, die darauf angewiesen sind dort zu wohnen, der wahre Horror sein.
So ist der Markt, wenn man ihn zu wenig zügelt.
Wie heißt es so unschön?
Angebot und Nachfrage regeln den Preis.
Glücklicherweise lebe ich eher in der Provinz :-).
Wenn ich eines Tages gehen muss, dann werde ich wohl fast mein ganzes Leben in ein und derselben Stadt gewohnt und gelebt haben.
Und in dem halben Jahr, wo das anders war, da wohnte ich nicht mehr als knapp 10 km von hier weg.

Brenna duats guat (Hubert von Goisern): https://www.youtube.com/watch?v=IqGe8LTdrMI
Heast es ned wie die Zeit vergeht (Hubert von Goisern und die Alpinkatzen): https://www.youtube.com/watch?v=bPwq4GPf3zw

ThomasG
19.11.2018, 04:59
Ich habe eben einen aktuellen Beitrag von Andrea Nahles zur Hartz-IV-Debatte gefunden.
Der Einstieg ist schon mal nicht schlecht ;-).

Zitat:

"Deutschland ist ein reiches Land. Seit zehn Jahren wächst die Wirtschaft, wir haben
Rekordbeschäftigung und die öffentlichen Haushalte sind stabil und solide finanziert.
Unsere Arbeitsvermittlung gehört zu den modernsten der Welt und der Sozialstaat ist
gut ausgebaut. Diese Erfolgsgeschichte trägt die Handschrift der
SPD."

Quelle: https://blog.baukje.de/wp-content/uploads/2018/11/Abstieg-verhindern-Aufstieg-erm%C3%B6glichen.pdf

Aber zum Glück relativiert sie das dann zumindest selber nachfolgend.

Zitat:

"Es gibt aber auch eine andere Realität: ..."

Quelle: https://blog.baukje.de/wp-content/uploads/2018/11/Abstieg-verhindern-Aufstieg-erm%C3%B6glichen.pdf

Dazu gibt es auch einen Kommentar von Baukje Dobberstein, über den ich auf oben genannten Beitrag gekommen bin.

Zitat:

"Nahles möchte H4 in Bürgergeld umbenennen, Sanktionen und Bedarfsprüfungen beibehalten, die Regelsätze unverändert lassen, die Schonvermögen allenfalls minimal anheben, weiterhin jeden in Arbeit bringen, koste es was es wolle und dabei verzweifelt den Lohnabstand wieder herstellen. Dieser Vorschlag ist unkonkret, aber besser wird es wahrscheinlich auch nicht, wenn es mit Zahlen hinterlegt würde."

Quelle: https://blog.baukje.de/die-spd-und-ihr-hartz-iv-dilemma/?fbclid=IwAR1ZjQBqGBWFJhiRTnNwOyFi6SoOxnRuOL2K_eQc Zxh8bZBGRw9QbWnOXWg

Sie geht im Kommentar auch auf die Vorschläge von Robert Habeck ein.
Ich habe beide Beiträge noch nicht vollständig gelesen, werde das aber noch tun.

MarcoZH
19.11.2018, 05:27
Thomas, warum ist dir das Thema so wichtig?

ThomasG
19.11.2018, 06:00
Thomas, warum ist dir das Thema so wichtig?
Ich empfinde die direkten und indirekten Folgen seit dem Inkraftreten der "Hartz-IV-Gesetze" als schlimm.
Unsere Gesellschaft hat sich in den Folgejahren in meinen Augen zum negativen hin verändert.
Aus eigener Erfahrung kenne ich einige der Begleiterscheinungen dieser Gesetze.
Ich war längere Zeit über eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt vor etwa 15 Jahren und habe danach für ein privates Unternehmen gearbeitet, was keinen Betriebsrat hatte.
So war es auch bei dem anderen Unternehmen, bei dem ich im Rahmen der Zeitarbeit gearbeitet habe.
Später wurde ich zwar direkt eingestellt, aber nicht fest sondern zeitlich begrenzt.
Am Ende des Sommerurlaubes erreichte mich ein Schreiben, in dem mir in knappen Worten mitgeteilt wurde, dass mein Vetrag nicht verlängert werden könne.
Ich war da immerhin zwei Jahre und habe wohl ganz gute Arbeit abgeliefert.
Es wurde nämlich nur ein Teil derjenigen eingestellt, die über die Zeitarbeitsfirma dort gelandet sind.
Gegen Ende meiner Zeit dort wurden einige initiativ und wollten einen Betriebsrat gründen.
Für mich war das nur ein "Job", an dem ich nicht so arg gehangen habe.
Ich mochte die Leute dort.
Wir haben versucht uns das Arbeitsklima möglichst angenehm zu machen.
Das gelang oft trotz sehr monotoner Arbeit (Datentypist).
In den Pausen und während der Arbeit war ich mit einigen häufig zusammen, die den Betriebsrat wollten.
Soweit ich weiß, wurde bei allen der Vertrag danach nicht mehr verlängert und zuvor wurde er jemals mehrfach verlängert.
Danach war es ganz ähnlich.
Auch hier wollten die Beschäftigten irgendwann einen Betriebsrat.
Es wurde verhindert und stattdessen kam ein Vertrauensmann (bzw. eher eine Vertrauensfrau mit guten Kontakten zur Führungsebene).
Kurz danach habe ich von mir aus einen Schlußstrich gezogen.
Die Arbeit wurde mir zu nervig.
Sie wollten dann noch, dass man sämtliche Sendungen scannt mit einem mobilen Gerät bevor man sie zustellt.
Das war mir dann endgültig zu unbequem.
Da hätte ich nicht mehr so zustellen können (ich habe Sendungen zugestellt), wie ich es gewohnt war:
Schnell und zügig ähnlich wie ein Fahrradkurrier:
Mit meinem privaten Rad, um die Hüften eine Art Bauchladen und auf dem Rücken einen Rucksack.
Den "Bauchladen" habe ich immer gefüllt, wenn ich eh anhalten musste und ansonsten habe ich mich darum bemüht nur dann vom Rad abzusteigen, wenn es anders nicht ging.
Dadurch war ich vergleichsweise sehr schnell.
Jetzt arbeite ich "nur" noch als Nachhilfelehrer und da wird mit Honorarverträgen gearbeitet bzw. früher auch Beschäftigungsverhältnissen im Rahmen dessen, was über geringfügige Beschäftigungen möglich ist bzw. war.
Für mich sind das Folgen von Hartz-IV.

Angenehmen Tag allerseits!

qbz
19.11.2018, 09:20
Es sind vor allem die 450.- Euro Jobs, die mit Hartz IV neu entstanden. Der Arbeitgeber bezahlt keine Sozialversicherungsbeiträge! Ausserdem werden bei einem Bruttoverdienst zwischen 100.- - 1000.- Euro 80 % mit den Hartz IV Leistungen verrechnet, der Arbeitnehmer darf nur 20 % behalten.https://www.hartz4.de/450-euro-job/

Ich erlebte es, wie im Öffentlichen Dienst Berlin alle festen Stellen aus dem Arbeiterbereich (wie Grünflächenpflege, Handwerker, Hausmeister, Reinigung) gestrichen wurden. Anschliessend vergab die Öffentliche Hand die Aufträge an Firmen, die hauptsächlich geringfügig Beschäftigte oder auch Langzeitseitarbeitslose auf der Basis von sog. 1-Euro Jobs beschäftigten. https://www.hartz4hilfthartz4.de/ein-euro-job/

Mit solchen Jobs, aber auch mit Jobs ausserhalb von Hartz IV auf der Basis des jetzigen Mindestlohnes, kommen die Menschen später nie über eine Rente oberhalb der existentiellen Grundsicherung.

NBer
19.11.2018, 10:19
......Mit solchen Jobs, aber auch mit Jobs ausserhalb von Hartz IV auf der Basis des jetzigen Mindestlohnes, kommen die Menschen später nie über eine Rente oberhalb der existentiellen Grundsicherung.

es ist halt nur ein verschieben der probleme nach hinten nach dem motto "was geht mich das elend in 20-30 jahren noch an". genauso der zwang für H4 empfänger ab einem bestimmten wert ihre lebensversicherungen jetzt aufzulösen und vom aktuellen rückkaufwert zu leben. spart jetzt H4 mittel, lässt die leute aber eben 10, 20, 30 jahre später ohne geld dastehen und wieder auf stütze angewiesen sein.

Helmut S
19.11.2018, 11:01
Der Arbeitgeber bezahlt keine Sozialversicherungsbeiträge!

:confused: Das scheint ne kognitive Verzerrung zu sein - confirmation bias :Cheese:

Zunächst sind 450 EUR Jobs bereits seit 2013 grundsätzlich RV pflichtig. Der AN kann allerdings widersprechen, wenn er das nicht möchte. Dazu gibt es Formulare.

Der AG hat neben den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung auch noch Beiträge nach dem Aufwandsausgleichsgesetz zu tragen. Insgesamt sind das, je nachdem über welchen 450 EUR Jobler wir konkret sprechen, irgendwas um die 30%. Die setzen sich grob so zusammen:

Der AG zahlt 15% in die RV ein. Wenn der AN der RV Pflicht nicht widerspricht, zahlt er (der AN) auch noch mal 3,7% von seinem Gehalt. Dann ist auf den Standardsatz aufgestockt.

Obwohl ein "reiner" 450 EUR Jobler nicht pflichtversichert ist in KV, AV und PV, zahlt der Arbeitgeber aber trotzdem Anteile in diese Töpfe der Solidargemeinschaft. Dann kommen noch n paar KV Umlagen dazu und das ergibt die zirka 30%.

Wer die % Werte ganz konkret wissen will, rufe seinen StB an. :Blumen:

Die Minijobler sind meldepflichtig in der Sozialversicherung - das ganze läuft über die Knappschaft Bahn-See. Auch laufen die Gehälter der Minijobbler in die Meldung an die Unfallversicherer, was zu Beiträgen für den AG führt.

:Blumen:

Neginroeb
19.11.2018, 11:44
Danke Helmut, ich wollte es auch gerade schreiben

qbz
19.11.2018, 11:48
:confused: Das scheint ne kognitive Verzerrung zu sein - confirmation bias :Cheese:

Ich gab nur diese Info-Website zu Hartz IV wieder, mit Quellenangabe. Es geht um Arbeitnehmer, die Hartz IV beziehen und geringfügig beschäftigt (§ 8 Absatz 1 SGB IV) sind.
https://www.hartz4.de/450-euro-job/ (https://www.hartz.de/450-euro-job/).

"Üben Sie zwei oder mehrere 450-Euro-Jobs aus, müssen diese zusammengerechnet werden. Führt dies dazu, dass Ihr Einkommen über der monatlichen Grenze von 450 Euro liegt, handelt es sich nicht mehr um eine geringfügige Beschäftigung, was mit gewissen Konsequenzen verbunden ist:

* Arbeitgeber müssen die Pflege-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung bei einem 450-Euro-Job für ihre Mitarbeiter nicht übernehmen. Dies besagt § 7 Absatz 1 SGB V (Fünftes Sozialgesetzbuch).
* Arbeitnehmer müssen sich daher selbst bei einem 450-Euro-Job um die Rentenversicherung sowie die Sozialversicherung kümmern.
* Übersteigt ihr Verdienst aufgrund von mehreren Jobs auf 450-Euro-Basis allerdings die Verdienstobergrenze, fällt dies in das Aufgabenfeld des Arbeitgebers!"

Aber vielleicht ist das alles eine Fehlininfo des Herausgebers der Website? Ich werde es bei Gelegenheit überprüfen und mich dann wieder melden.

Ich habe jetzt eine Website gelesen, wo ausführlich die aktuelle Versicherungssituation der geringfügig Beschäftigten dargestellt ist, wie Helmut ausgeführt hat. Man muss doch manchmal mehrere Quellen nachschlagen, leider. Sorry!

https://www.financescout24.de/wissen/ratgeber/geringfuegige-beschaeftigung

sybenwurz
19.11.2018, 11:54
:confused: Das scheint ne kognitive Verzerrung zu sein - confirmation bias :Cheese:

Zunächst sind 450 EUR Jobs bereits seit 2013 grundsätzlich RV pflichtig. Der AN kann allerdings widersprechen, wenn er das nicht möchte. Dazu gibt es Formulare.

Der AG hat neben den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung auch noch Beiträge nach dem Aufwandsausgleichsgesetz zu tragen. Insgesamt sind das, je nachdem über welchen 450 EUR Jobler wir konkret sprechen, irgendwas um die 30%. Die setzen sich grob so zusammen:

Der AG zahlt 15% in die RV ein. Wenn der AN der RV Pflicht nicht widerspricht, zahlt er (der AN) auch noch mal 3,7% von seinem Gehalt. Dann ist auf den Standardsatz aufgestockt.

Obwohl ein "reiner" 450 EUR Jobler nicht pflichtversichert ist in KV, AV und PV, zahlt der Arbeitgeber aber trotzdem Anteile in diese Töpfe der Solidargemeinschaft. Dann kommen noch n paar KV Umlagen dazu und das ergibt die zirka 30%.

Wer die % Werte ganz konkret wissen will, rufe seinen StB an. :Blumen:

Die Minijobler sind meldepflichtig in der Sozialversicherung - das ganze läuft über die Knappschaft Bahn-See. Auch laufen die Gehälter der Minijobbler in die Meldung an die Unfallversicherer, was zu Beiträgen für den AG führt.

:Blumen:


Das glaub ich dir gern, aber ehrlich: gehst du davon aus, dass dies ne stabile, ausreichende Rente für die Betroffenen bringt?

Helmut S
19.11.2018, 12:07
gehst du davon aus, dass dies ne stabile, ausreichende Rente für die Betroffenen bringt?

Nein. Ich gehe davon aus, dass das Rentensystem für niemanden einen ausreichende, stabile Rente bringt.

Olli
19.11.2018, 15:27
Was mir an H4 nicht gefälltist, das die Menschen Geld bekommen ohne was zu tun, ich kenne Leute die leben schon seit 20 Jahren von der Stütze haben 5 Kinder und die sind auch wieder H4 Empfänger.
Ich habe nichts da gegen wenn einer nicht arbeiten kann, aber vielen von den H4 Empfänger ist der Blick fürs Leben verloren gegangen, nach meiner Auffassung brauch der Mensch Sozialkontakte und wenn er nur in Vereinen THW Feuerwehr Sport u.s.w. Mit hilft im Büro im Garten u.s.w.
Solche Sozialemkontakte helfen wieder im Leben zurecht zu finden, wer nur auf dem Sofa sitzt und schimpft kommt da nicht raus, sicher gibt es Gruppen den ist nicht zu Helfen aber das sind sicher nur die wenigsten, viele sehen den Wald vor Bäume nicht und daher bin ich dafür das nicht nur Geld gezahlt wird sondern das jeder auch eine Tätigkeit nach gehen muss um z.B. ein Grundgehalt zu bekommen was auch angemessen ist.

captain hook
19.11.2018, 16:11
Unabhängig von den 100% exakten Details ist es trotzdem so, dass Job die "früher" zwar auch nicht gerade üppig bezahlt waren, aber immer noch ein "normales" Beschäftigungsverhältnis darstellten, heute gerne "outgesourced" werden an externe Auftragnehmer, die das ganze dann über die Billiglohnschiene erledigen.

Ob das dann allerdings gesamtgesellschaftlich so gut und "fair" ist??? Vielleicht mag hier der eine oder andere damit argumentieren, dass einfache Tätigkeiten damit ausreichend bezahlt wären. Andererseits... wenn diese dann alle mal die Arbeit niederlegen würde man vermutlich schnell sehen, wie gut das System ohne diese Leute funktioniert. Vermutlich nämlich gar nicht.

Bei Hartz 4, Grundsicherung und Co bin ich immer gespalten. Jedem in einer Notlage sollte in so einem reichen Land tatsächlich ausreichend geholfen werden. Als wichtig würde ich allerdings Sicherungsmechanismen ansehen, die dem Missbrauch dieses Sozialsystems dann effektiv vorbeugen.

Grundsätzlich gibt es ganz sicher Zusammenhänge zwischen einer auskömmlichen Bezahlung und der Motivation sich angesichts eines eh viel zu geringen Einkommens dann auch komplett aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen.

captain hook
19.11.2018, 16:22
daher bin ich dafür das nicht nur Geld gezahlt wird sondern das jeder auch eine Tätigkeit nach gehen muss um z.B. ein Grundgehalt zu bekommen was auch angemessen ist.

Ich kann Dir garantieren, dass es Fälle gibt, in denen es schlicht und ergreifend unmöglich ist, dass bestimmte Menschen dieses tun. Auch wenn Du denken würdest, die könnten es doch einfach und sollen mal den a*sch hochbekommen.

Die Gründe dafür sind vielfälltig. Und nicht in allen Fällen ist die Gesellschaft und ihre Systeme daran unschuldig.

Nehmen wir an, XYZ hat ein psych. Problem. Aufgrund unseres Krankenversicherungssystems erfolgt aber eine medizinische Betreuung maximal in dem Umfang und mit solangen Vorlaufzeiten, dass vielleicht grade so ein Suizid verhindert wird. Kein Scherz... versuch mal mit so einem Problem einen Termin bei einem guten Facharzt zu bekommen.

Grundsätzlich könnte man so einem Menschen helfen, wenn man ihn angemessen betreut und vielleicht könnte der dann sogar arbeiten gehen und Deinem Anspruch gerecht werden.

In der Situation in der er sich aktuell befindet ist dieses allerdings schlicht und ergreifend unmöglich.

Und das ist nur ein Beispiel. Es gibt einfach Fälle, wo ein soziales Netz absolut Sinn ergibt. Man muss nur verhindern, dass sich dort welche hineinlegen, die es ausnutzen.

Helios
19.11.2018, 17:13
Was mir an H4 nicht gefälltist, das die Menschen Geld bekommen ohne was zu tun, ich kenne Leute die leben schon seit 20 Jahren von der Stütze haben 5 Kinder und die sind auch wieder H4 Empfänger.
..............


Servus,

damals waren es 5 Mio Arbeitslose und ein System, bei dem man verschont wurde, wenn man keinen Bock auf Arbeit hatte und der Steuerzahler hat dafür die Tasche aufgemacht - gepaart mit einem Spitzen-Steuersatz von 53%, plus Soli, plus Kirchensteuer macht 61% für die Leistungserbringer.

Wer Leistung erfolgreich brachte, wurde mit 61% bestraft und wer keinen Bock hatte, wurde von den Anderen durchgeschleift, unter Umständen sogar im Luxus lebend - heisst, wenn ein Geschäftführer seinen Laden in den Sand setzte, erhielt er als dann späterer Langzeitarbeitsloser die Hälfte seines letzten Gehalts - also bei 15 kilo pro Monat kamen dann in "Armut" 7,5 kilo pro Monat in der Millionärsvilla lebend, heraus - daß der Mann dann "hoch" ging als man ihm gesagt hat, mit H4 wird nun begrenzt in der Höhe und auf Zeit und danach leb erst mal von deinem Vermögen, alternativ komm in die Gänge und such Dir Arbeit, ist klar.

H4 hieß weg von der Vollkasko-Mentalität zu mehr Eigenverantwortung.

Ich hatte 1992 einen Zeitvertrag in 4b BAT als Ing, verh., 2 Kinder => netto war mein ich 2700,-DM p.m. - in der Bahn traf ich einen Kumpel von der Schule, sein Job war "Stütze" berechnen - er kam auf eine ähnliche Größenordnung für einen Empfänger in gleicher Situation, da hat mir mein Job gleich überhaupts keinen Spaß mehr gemacht.

Ein damaliger Kollege war von seinen Mitbewohnern derartig genervt - sie passten ihn fast jeden Tag ab und erklärten ihm, was sie heute wieder für einen schönen Tag hatten und Arbeiten versaue nur das Leben.

Ein Gedanke hinter H4 war auch: Leistung muss sich lohnen und Leistung muss belohnt werden.

Triasven
19.11.2018, 19:49
Ein Gedanke hinter H4 war auch: Leistung muss sich lohnen und Leistung muss belohnt werden.

Nunja, es gab bestimmt viele Gedanken hinter Hartz 4.
Derjenige, dass sich Leistung lohnen muss, war mit Sicherheit nicht dahinter.
Andernfalls hätte man die, die „Leisten“ belohnt, und nicht die, die nicht „Leisten“ bestraft.
Wie‘s viele Jahre später ansatzweise mit dem Mindestlohn versucht wurde.

NBer
19.11.2018, 20:19
man kann es doch auf einen kurzen nenner bringen: nicht hartz4 ist zu hoch, sondern die löhne zu gering. das das unternehmer anders sehen dürfte auch klar sein, bleibt aber trotzdem fakt.

qbz
19.11.2018, 20:21
H4 entstand 2005 bekanntlich aus der Zusammenlegung der Sozialhilfe, die von den Kommunen ausgestellt wurde, und der Arbeitslosenhilfe, die vom Bund kam. Man gründete eine einheitliche Behörde für erwerbsfähige Personen.

"Das ALG II soll erwerbsfähige Menschen in die Lage versetzen, ihre materiellen Grundbedürfnisse zu befriedigen, soweit sie diese nicht aus eigenen Mitteln oder durch die Hilfe anderer decken können. Damit soll den Leistungsberechtigten ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und somit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes Rechnung getragen werden (§ 1 SGB II).

Grundsatz ist das Prinzip „Fördern und Fordern“: Die Sicherung der Existenz wird nicht bedingungslos erbracht, sondern die Leistungsbezieher sind verpflichtet, alles zu tun, um ihre Hilfsbedürftigkeit zu beenden und an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt mitzuwirken."

https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitslosengeld_II#Grunds%C3%A4tze

NBer
19.11.2018, 21:45
........
Grundsatz ist das Prinzip „Fördern und Fordern“: Die Sicherung der Existenz wird nicht bedingungslos erbracht, sondern die Leistungsbezieher sind verpflichtet, alles zu tun, um ihre Hilfsbedürftigkeit zu beenden und an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt mitzuwirken." [/I]
.......

die frage ist halt wie eng man "alles zu tun" auslegt. wie lange darf zb ein akademiker eine stelle die seiner bildung entspricht suchen? oder sollte sich jeder unverzüglich für einen 1 euro job zum blätterfegen im park melden? mit wahrscheinlich dem effekt, dass er nach einer woche nicht nur dem arbeitsamt, sondern auch der krankenkasse auf der tasche liegt.....

qbz
19.11.2018, 23:18
die frage ist halt wie eng man "alles zu tun" auslegt. wie lange darf zb ein akademiker eine stelle die seiner bildung entspricht suchen? oder sollte sich jeder unverzüglich für einen 1 euro job zum blätterfegen im park melden? mit wahrscheinlich dem effekt, dass er nach einer woche nicht nur dem arbeitsamt, sondern auch der krankenkasse auf der tasche liegt.....

Die Ermessensspielräume sind wirklich recht breit angelegt.

Bevor Akademiker, die nach längerer Suche keinen Arbeitsplatz finden, für 1 Euro Jobs eingesetzt werden, übernimmt nach meiner Kenntnis von Bekannten die Behörde eine Umschulung oder Ausbildung in Berufe, für die es gerade zu wenig Qualifizierte gibt bzw. versucht, für einen Berufswechsel zu motivieren (Z.B. als Queereinsteiger zum Lehrer). Z.B. eine an der HdK ausgebildete Bühnenbildnerin, die ich kenne, arbeitet jetzt als Erzieherin nach einer von der Arbeitsagentur bezahlten Ausbildung. Es geht schon darum, möglichst eine Perspektive für die "Eingliederung" in den 1. Arbeitsmarkt zu finden.

Manchmal werden Arbeitslose allerdings auch in Massnahmen "geschickt", die sie eigentlich nicht wollen, und wo sie täglich hingehen müssen und wo auch Psychologen / Sozialpädagogen beschäftigt sind, die sie wieder für einen Job / Beruf motivieren sollen. Grundkurse in Office Programmen und Bewerbungsschreiben gehören auch immer in solche "Massnahmen". Damit "schönt" man natürlich auch die Arbeitslosenstatistik etwas und verhindert Schwarzarbeit.

Ruben
20.11.2018, 00:06
Soziale Absicherung bzw. das große Überthema Sozialstaat / Soziale Marktwirtschaft und das Thema Gerechtigkeit sind Themen die man vermutlich schwer in einem Forum, einer Talkshow oder bei drei vier fünf gemeinsamen Bier im echten Leben abschließend und zu 100% beantworten kann.

In einem wirtschaftspolitischen Seminar haben wir während des Studiums mal "alle" Möglichkeiten in Seminararbeiten ausarbeiten und dem Plenum vorstellen müssen. War sehr spannend, wenn die einen mit bedingungslosen Grundeinkommen, die nächsten mit Mindestlohn, die dritten mit Pflicht zur Arbeit für Erwerbslose (Fördern und viel Fordern) u.s.w. ihre Themen vorstellen und voller Elan verteidigen.

Vorneweg:
Ich stimme zu, dass das aktuelle System hinkt und krankt und unsere Gesellschaft spaltet. Wie es davor war, kann ich nicht beurteilen, damals war ich noch zu jung.

Ich glaube man findet schon keinen Konsens wenn man fragt was "Gerechtigkeit" bedeuten muss. Leistungs- oder Verteilungsgerechtigkeit? Wir haben in D einen Zwischenweg mit dem gefühlt beide Seiten eher unzufrieden sind.

Gibt man Menschen die Wahl, entweder 100.000€/a zu haben und alle im Umfeld haben 150.000 €/a oder aber sie haben selbst 80.000€/a und alle anderen 60.000€/a entscheidet sich die Mehrheit - auch wenn die Kaufkraft gleich bleibt! - für Variante B, weil sie dann relativ gesehen reicher sind als die anderen... und würden dafür auf reale Kaufkraft verzichten. Bei diesem Fragedesign wird die "aber durch höhere Geldmengen im Umlauf ziehen auch alle Preise an etc.".ausgeklammert. Dieser Punkt wo man sich selbst verorten kann (am besten weiter oben) ist sehr wichtig.

Und nun zum Thema:
Was muss H4 leisten? Grundsicherung? Sorgenfreies Leben? Teilhabe an sportlichen, kulturellen oder sozialen Events?

Es gibt meiner Meinung nach die Pflicht für jeden Menschen dahingehend zu sorgen, dass seine Grundbedürfnisse (Essen, Unterkunft, Hygiene, Kleidung, medizinische Versorgung) zu jeder Zeit erfüllt sind. Und es ist ein Zeichen von Würde und Respekt, dass er gute Scheine, als Geld, und keine Gutscheine, bekommt um selbst zu entscheiden, wie er das macht. Auch wenn das heißt, dass manche alles für Junkfood, Alk und Kippen ausgeben und damit noch ihre Gesundheit ruinieren - aus Trotz oder weil sie es nicht besser wissen. Viele machen mit wenig Geld extrem viel aus ihrem Leben und bekommen das sehr beeindruckend hin. Mancher hat Pech und kommt in H4, mancher hat nicht die besten Voraussetzungen. Kindern und Jugendlichen müssen Perspektiven gezeigt werden, ansonsten gibt es Familien mit H4-Karrieren.

Armut per Definition (60% des Durchschnitteinkommens) wird es quasi per Definition immer geben so lange wir nicht im Sozialismus oder Kommunismus leben.

Nun haben wir aber Arbeitnehmer im sogenannten Niedriglohnsektor. Diese Personen arbeiten vermutlich zwischen 140 - 170 Stunden im Monat. Und zwischen diesem Gehalt und H4 muss es einen deutlichen Abstand geben (und das bezieht sich eben auch auf die Hinzuverdienstregelungen) damit es sich lohnt Vollzeit zu arbeiten. Ansonsten kann ich auch H4 beziehen und legal (oder noch besser: Schwarz) arbeiten und mit viel weniger Zeitaufwand die gleichen finanziellen Mittel am Monatsende haben. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass ein AN der mit 9€/h brutto heimgeht das eher akzeptiert wenn er Hoffnung hat irgendwann auf 11€ oder sogar 12€/h zu steigen. Aber das passiert nicht mehr. Schwache Gewerkschaften, Chefs die die Kosten drücken, große Dax-Konzerne die ihre Tier1-Zulieferer drücken die ihre Folgezulieferer drücken und am Ende steht der kleine Angestellte und Arbeiter. Die aber sind frustriert wenn die BLÖD vorrechnet was eine H4-Familie mit 2 Kindern bekommt und was der in Vollzeit arbeitende Papa bei dem die Frau daheim bei den 2 Kindern ist hat und es nur ein paar hundert Euro Unterschied sind, wenn überhaupt...

Die Lösung? H4 auf einen ehrlichen Satz anheben damit es reicht, Hinzuverdienstregeln (100€ zu 100%, danach 20%) lassen und die niedrigen Einkommensklassen bei Steuer- und Sozialabgaben massiv entlasten. Gegenfinanzierung durch eine Spitzensteuer von ein paar Prozentpunkten die bei einem X-fachen (6 - 10x) des Medianeinkommens liegt. Ergänzend endlich die Torbin-Steuer einführen um Finanzspekulationen zu beenden. Ich frage mich bis heute ob es dem Finanzplatz Deutschland tatsächlich den Todesstoß versetzen würde wenn man das in einem Alleingang durchsetzt und glaube nicht.

Dann geht es aber weiter: Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Neubauten sind selbst für Akademiker mit einem durchschnittlichen Gehalt - wenn nicht in einem Konzern, UB o.ä. angestellt - ohne Vermögen aus der Familie kaum bezahlbar (also im Kauf) und die Investoren werden irgendwann ihre Mietrendite erzielen wollen. Die steigenden Preise sind aber auch z.T. falschen gesetzlichen Vorschriften geschuldet weil wir in Deutschland gerne vorschreiben WIE etwas erreicht werden muss und nicht einfach nur WAS und der Weg frei ist (-> Wohnungsbau, Energiewende...). Also wieder mehr bezahlbare Wohnungen, weil die bezahlt der AN auch mit seinem geringen Einkommen selbst während es bei dem anderen das Amt übernimmt und ich kenne Leute die sagen "H4 sind super Mieter. Amt bezahlt und wenn etwas sein sollte übernehmen die auch die Reparaturen nach dem Auszug"... da spielt man die Armen gegen die Ärmeren aus.

ThomasG
20.11.2018, 02:14
Wenn ich solche Beiträge lese wie den von Ruben, freut mich das immer sehr.
Ich habe ihn, wie ich das erst einmal so gut wie immer mache, nur kurz überflogen.
Er wirkt auf mich so, als hätte sich da ein Mensch mit sehr gute Bildung, aber auch viel Menschlichkeit, ziemlich viel Mühe gemacht seine Gedanken in Worte zu fassen.
Das ist für mich eine tolle Art anderen Respekt zu zollen.
Beim Querlesen bin ich an manchen Stellen kurz gedanklich hängen geblieben etwa, wenn da etwas steht, was meiner Ansicht entgegen steht.
Ich werde mir den Text sicher noch ein paarmal durchlesen und dann langsamer und auch vollständig und mir Gedanke darüber machen.
Danke für die Mühe!
Das dürfte wirklich ein sehr gelungener Beitrag sein.
Da ich ihn wie gesagt noch nicht so intensiv gelesen habe, habe ich es entsprechend zurückhaltend ausgedrückt, obwohl ich mir eigentlich so gut wie sicher bin, dass die Zurückhaltung nicht mehr nötig sein wird, wenn ich mir beim Lesen und Reflektieren mehr Zeit nehme.

Gute Nacht!

qbz
20.11.2018, 12:22
.......
Es gibt meiner Meinung nach die Pflicht für jeden Menschen dahingehend zu sorgen, dass seine Grundbedürfnisse (Essen, Unterkunft, Hygiene, Kleidung, medizinische Versorgung) zu jeder Zeit erfüllt sind. Und es ist ein Zeichen von Würde und Respekt, dass er gute Scheine, als Geld, und keine Gutscheine, bekommt um selbst zu entscheiden, wie er das macht.
Armut per Definition (60% des Durchschnitteinkommens) wird es quasi per Definition immer geben so lange wir nicht im Sozialismus oder Kommunismus leben.
........

Ich würde die Teilhabe an Bildung, Kultur, Sport, Mobilität unbedingt auch stärker wie bisher in den Bedarf miteinbeziehen wollen. In den letzten Jahrzehnten kürzte der Staat die Subventionierung dieser Bereiche, was vor allem die Armen ausschloss. (z.B. die Schwimmbadpreise, Stadtbüchereien usf.).

Neben der Kritik an der Höhe von H4 ist auch ein Kritikpunkt, dass langjährige Beschäftigte bei Arbeitslosikgeit zu früh auf H4-Niveau fallen, weil das Arbeitslosengeld 1 zu wenig lang bezahlt wird. (Die Zeitdauer wurde bei der Einführung von H4 deutlich gekürzt.)


Die Lösung? H4 auf einen ehrlichen Satz anheben damit es reicht, Hinzuverdienstregeln (100€ zu 100%, danach 20%) lassen und die niedrigen Einkommensklassen bei Steuer- und Sozialabgaben massiv entlasten. Gegenfinanzierung durch eine Spitzensteuer von ein paar Prozentpunkten die bei einem X-fachen (6 - 10x) des Medianeinkommens liegt. Ergänzend endlich die Torbin-Steuer einführen um Finanzspekulationen zu beenden. Ich frage mich bis heute ob es dem Finanzplatz Deutschland tatsächlich den Todesstoß versetzen würde wenn man das in einem Alleingang durchsetzt und glaube nicht.

Das wäre sicher eine Möglichkeit. Ich finde, man müsste
- neben dem Spitzensteuersatz die Erbschaftssteuer ab einem bestimmten Vermögen miteinbeziehen, da ansonsten sich die Einkommensschere immer weiter vergrössert,
- statt der Tobinsteuer die umfassendere Finanztransaktionssteuer einführen, um damit evtl. die Spekulation etwas einzudämmen.
- konsequenter die Steuerschlupflöcher (Transfer in Steueroasen) schliessen.

Dann geht es aber weiter: Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Neubauten sind selbst für Akademiker mit einem durchschnittlichen Gehalt - wenn nicht in einem Konzern, UB o.ä. angestellt - ohne Vermögen aus der Familie kaum bezahlbar (also im Kauf) und die Investoren werden irgendwann ihre Mietrendite erzielen wollen. Die steigenden Preise sind aber auch z.T. falschen gesetzlichen Vorschriften geschuldet weil wir in Deutschland gerne vorschreiben WIE etwas erreicht werden muss und nicht einfach nur WAS und der Weg frei ist (-> Wohnungsbau, Energiewende...). Also wieder mehr bezahlbare Wohnungen, weil die bezahlt der AN auch mit seinem geringen Einkommen selbst während es bei dem anderen das Amt übernimmt und ich kenne Leute die sagen "H4 sind super Mieter. Amt bezahlt und wenn etwas sein sollte übernehmen die auch die Reparaturen nach dem Auszug"... da spielt man die Armen gegen die Ärmeren aus.

Ich vermute, eine Liberalisierung der Bauvorschriften bringt effektiv wenig für die Räume mit hoher Bevölkerungszahl. In welchen grossen Städten der Welt funktionieren liberalere Bauvorschriften, um bezahlbare Mieten zu bekommen? Eine Rationalisierung beim Mietshausbau brächte möglicherweise längerfristig Kosteneinsparungen.

Man bräuchte in meinen Augen wieder viel mehr öffentliches Grundstück- und Wohneigentum (das gab es mal in DE, bevor die Gemeinden und der Bund alles meistbietend verkloppten, wo sie z.T. heute noch dabei sind), mehr Sozialwohnungen und an Gemeinnützigkeit gebundene Wohnungsgesellschaften sowie eine staatliche Preisregulierung der Grundstücke und des Mietniveaus und die Abschaffung der Modernisierungsumulage. Konzerne wie Vonovia, welche mit Mietwohnungen an der Börse Maximalprofite erzielen wollen, sollten in Gemeineigentum überführt werden. Ausserdem könnte der Bundestag eine GG-Änderung beschliessen und ein "Recht auf Wohnen" einführen.

Ruben
20.11.2018, 13:57
Thomas: Danke für die Blumen. Bin gespannt, was Du nach dem nochmaligen Lesen sagst.

QBZ:


Bildung , Kultur, Sport & Mobilität stimme ich Dir 100% zu. ÖPNV ist einfach zu teuer. Bei alledem ist das Problem: Wenn der normale Angestellt im Niedriglohnbereich einen deutlich höheren Preis bezahlt verringert es wieder den notwendigen Mindestabstand zwischen H4 und 100%-Stelle... also muss auch das für Gering-Verdiener günstig sein. Dafür sollte ein Staat meines Erachtens tatsächlich sorgen und Geld haben!
Finanztransaktionssteuer: Fehler meinerseits, ich dachte die Tobin-Steuer geht auch auf Aktienhandel etc., ist aber nur auf Devisen beschränkt und das wusstest Du offensichtlich im Gegensatz zu mir. Agree. Allgemeine Finanztransaktionssteuer plus Erbschaftssteuer mit großzügigen Freibeträgen.
Schließung von Steuerschlupflöchern und härtere Bestrafung von Steuerhinterziehung sollte sein - nur ich verliere den Glauben daran.
Man fällt zu schnell auf H4... das ist in der Tat ein großes Problem und ich stimme Dir zu... aber auch das ist wieder in Punkt der in beide Richtungen schwingen kann. Der eine findet nichts und braucht länger. Der andere sagt "Nach zwanzig Jahren in dem Hamsterrad von Firma XY habe ich mir diese Pause verdient. Ich habe etwas überdurchschnittlich verdient und die 2000€ AG1 netto reichen mir aus... also nutze ich die Zeit für Kinder, Enkel, ein oder zwei Langdistanzen... und beginne erst nach 8 - 10 Monaten mit der ernsthaften Suche. Und selbst dann kann ich anspruchsvoll sein und jede Arbeit die mehr als 10% unter meinem bisherigen Einkommen liegt ablehnen, bis ich wieder etwas richtig Gutes habe." Diese "freiwillige" Sucharbeitslosigkeit gibt es und behindert auch eine gewisse Kompromissbereitschaft. Ich glaube das ist vor allem bei Leuten ein Problem die lange bei einer Firma mit einem sehr großzügigen Gehaltsgefüge war, diese, vielleicht gerade aus diesem Grund entlassen muss oder will, und denken, dass alle anderen Firmen ähnlich gut bezahlen können und nur auf sie warten. Ich komme aus dem Großraum Stuttgart, vielleicht fällt dir die eine oder andere Firma ein die exemplarisch hierfür stehen könnte.
Mehr Sozialwohnungen, Genossenschaften etc. auf jeden Fall. Aber nur durch die Bauvorschriften haben sich die Baukosten um 7% erhöht. Ob dies tatsächlich das beste Mittel der Wahl ist um unsere Klimaziele zu erreichen, bezweifle ich. Die Überführung der Vonovia in Gemeineigentum ist, denke ich, nicht machbar, lasse mich aber gerne von etwas anderem überzeugen. Immer daran denken: Es könnte auch deine Rentenversicherung sein die Anteile der Vonovia hält und auf ein Mal bist du enteignet... Wenn ich sehe was hier für Wohnungen und Häuser gebaut werden... alles schick, aber alles mindestens im gehobenen Standard, m²-Preise weit über 4000€... das muss günstiger gehen. Boden ist begrenzt, warum also alles verkaufen, gerade in städtischen Gebieten? Erbpacht-Grundstücke und regionale Zweckgenossenschaften Gründen, solides Niveau zu fairen Preisen...

noam
20.11.2018, 16:23
Das schwierige an der Diskussion ist, dass leider nicht jeder, der in/mit Hartz4 lebt, bestrebt ist zeitnah wieder in sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit zu kommen. Das würde vieles vereinfachen.

Ich bin der Meinung, dass man die alten Floskeln der Liberalen eigentlich sozialisieren muss. Der Klassiker ist ja, dass Arbeit sich lohnen müsse.

Das meint ja nichts anderes, als dass es einen Anreiz geben muss, einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen. Soll heißen: Ich brauche einen deutlichen Anstieg des Lebensstandards von Hartz4 zu Erwerbstätigkeit. Die Lebenswirklichkeit geht allerdings einen eher gegenteiligen Weg. Statistisch steigt das Durchschnittseinkommen und gleichermaßen leben immer mehr Menschen unter der Armutsgrenze. Das bedeutet für mich, dass der Niedriglohnsektor und die Spitzeneinkommen immer mehr werden. Das bedeutet wiederum, dass sich wenige auf Kosten vieler immer mehr die Taschen füllen. Das beschreibt Ruben sehr anschaulich am Beispiel der Fahrzeugindustrie mit ihren Zulieferknebeleien.


Nun haben wir aber Arbeitnehmer im sogenannten Niedriglohnsektor. Diese Personen arbeiten vermutlich zwischen 140 - 170 Stunden im Monat. Und zwischen diesem Gehalt und H4 muss es einen deutlichen Abstand geben (und das bezieht sich eben auch auf die Hinzuverdienstregelungen) damit es sich lohnt Vollzeit zu arbeiten. Ansonsten kann ich auch H4 beziehen und legal (oder noch besser: Schwarz) arbeiten und mit viel weniger Zeitaufwand die gleichen finanziellen Mittel am Monatsende haben. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass ein AN der mit 9€/h brutto heimgeht das eher akzeptiert wenn er Hoffnung hat irgendwann auf 11€ oder sogar 12€/h zu steigen. Aber das passiert nicht mehr. Schwache Gewerkschaften, Chefs die die Kosten drücken, große Dax-Konzerne die ihre Tier1-Zulieferer drücken die ihre Folgezulieferer drücken und am Ende steht der kleine Angestellte und Arbeiter. Die aber sind frustriert wenn die BLÖD vorrechnet was eine H4-Familie mit 2 Kindern bekommt und was der in Vollzeit arbeitende Papa bei dem die Frau daheim bei den 2 Kindern ist hat und es nur ein paar hundert Euro Unterschied sind, wenn überhaupt.


Aber wie das Problem lösen, um allen gerecht zu werden? Ich glaube, dass er förderlich wäre, wenn man alle Gehälter in der Produktionskette vom einfachen Bandarbeiter beim Zulieferer bis hin zum Vorstand des Hauptkonzerns betrachten würde und diese in eine verpflichtende Abhängigkeit setzen würde. Wäre das ähnliche wie ein Mindestlohn, nur würde dieser Ansatz verhindern, dass der einfache Arbeiter beim Mindestlohn hängen bleibt und die Vorstände sich immer mehr die Taschen füllen.


Beim ÖPNV gibt es sicherlich unglaubliche regionale Unterschiede. Hier auf dem platten Land gibt es praktisch keinen ÖPNV. Andererseits kann man einem erwerbslosen sicher zumuten nur eingeschränkt mobil zu sein, da man ja keinerlei wiederkehrende Verpflichtungen hat.

ThomasG
21.11.2018, 05:53
In meinen Augen geht es auf diesem Planeten grundsätzlich sehr ungerecht zu.
Die Vermögen sind völlig ungerecht verteilt und die Recourcen bzw. der Zugang dazu bzw. die Macht darauf Einfluß zu nehmen, was dafür zu zahlen ist und wer sie kaufen kann ebenfalls.
Bringt man dann noch die Tier- und Pflanzenwelt mit in`s Spiel, ist das an Trostlosigkeit kaum mehr zu überbieten.
Wir können jetzt ewig darüber streiten, wer jetzt mehr von anderen profitiert hat und die Erde mehr ausgebeutet hat bzw. das tun würde, wenn sich die Verhältnisse ändern würden oder wir können endlich anfangen zu versuchen im Kleinen - alles andere als perfekt und alles andere als insgesamt gerecht - Schritte in die richtige Richtung einzuleiten, nämlich hin zu einem angenehmeren und menschlicheren Planeten.
Die Tier- und Pfalnzewelt sollten wir natürlich auch daran teilhaben lassen.
Was einem Menschen zusteht, der von Hartz 4 lebt, ist in meinen Augen so wenig, dass es unanständig ist sich darüber im Besonderen Maße aufzuregen oder so zu tun als würde man sich darüber aufregen.
Für das was manche Menschen an einem ganzen Arbeitstag verdienen und dabei müssen sie auch noch unangenehme Begleiterscheininungen oft in Kauf nehmen, würde so mancher morgens nicht einmal geschäftlich mit einem Kunden oder so frühstücken gehen und hauptsächlich Smalltalk halten.
Wer das Glück hat gut ausgebildet zu sein, über einem hohen Intellekt verfügen zu können und beruflich Zugang zu Arbeitsplätzen zu haben, die sehr gut honoriert sind und wo man dafür Sorge trägt, dass derjenige, der den Platz inne hat, sich sehr wohl und ziemlich frei fühlen kann, der hat schon einen sehr viel bessere Position als viele andere.
Leute mit einem eigenen Arbeitsbereich oder gar Büro und Zugang zu einem Rechner durchleben den Arbeitsalltag doch oft ganz anders.
Man klopft an, wenn man mit ihnen Reden will und man bietet um einen Termin u.ä..
Wer im Supermarkt stehen muss oder als Zusteller arbeitet beispielsweise, ist doch viel mehr in Beobachtung.
Da kann man halt nicht einfach sich die Zeit im Internet vertreiben, wenn man nicht ausgelastet ist, weil man sofort negativ auffallen würde.
Nur um ein Beispiel zu nennen, was wahrscheinlich doch viele, die hier oft sind gut nachvollziehen können dürften.
Ich glaube tatsächlich, dass es in unserer Gesellschaft sehr viel Angst gibt davor sozial abzusteigen.
Viele sind so ziemlich den ganzen Tag damit beschäftigt diesen Abstieg zu verhindern.
Ja und damit ist nicht nur der eigene gemeint, sondern oft den der eigenen Kinder.
Man fühlt sich von anderen Gruppen in der Gesellschaft in dieser Hinsicht bedroht, weil viele sich einfach sagen:
Es gibt einen großen Topf und in dem ist alles drin, was allen zu Verfügung gestellt wird bzw. werden kann und wenn eine Gruppe aus diesem Topf mehr nimmt, bleibt für andere bzw. andere Gruppen zwangsläufig weniger übrig.
So ist es ja auch.
Man regt sich aber oft über welche auf, die aus dem Topf verhältnismäßig wenig rausnehmen, weil ihre Macht äußerst begrenzt ist diesbezüglich.
Da gibt es ganz andere Kaliber und die müssen nicht einmal selber in den Topf direkt greifen, sondern die können sich locker andere leisten, die das für sie tun.

So ich gehe jetzt mal Laufen.

Angenehmen Tag!

dherrman
21.11.2018, 08:11
ThomasG:
"Ich glaube tatsächlich, dass es in unserer Gesellschaft sehr viel Angst gibt davor sozial abzusteigen.
Viele sind so ziemlich den ganzen Tag damit beschäftigt diesen Abstieg zu verhindern."

Damit bringst du viele Probleme, die unsere Gesellschaft hat, auf den Punkt.
Es ist normaler geworden als Mann in Elternzeit zu gehen. Aber gleich Teilzeit? Ohweh, dann ist die Karriere aber stark gefährdet. Ich kann nur für meinen IT/Tec spezifischen Bereich sprechen. In sozialen Berufen ist das eher nicht das Problem -sagen Freunden, die als SozPäd's arbeiten. Aber nur 50% :)

Und wenn ich Karriere machen will, oder aber nur nicht aus der Firma rauszufligegen muss ich mich mehr anstrengen, damit es der Firma weiterhin gut geht -dieses "Credo" höre ich als Freiberufler sehr oft. Wird gerne gebetet.
Damit steigt die Chance auf Burnout & Co. und der "soziale Abstieg" ist die Folge, obwohl man doch genau das nicht wollte.

Mit Kindern das gleiche, im Bekanntenkreis höre ich dann, diese Schule ist ein No-Go für mein Kind. Zu viele Migranten, die den Leistungslevel drücken. Da kann mein Kind nix lernen...

Danke für diesen Faden hier.

VG

Trimichi
21.11.2018, 14:19
In meinen Augen geht es auf diesem Planeten grundsätzlich sehr ungerecht zu.
Die Vermögen sind völlig ungerecht verteilt und die Recourcen bzw. der Zugang dazu bzw. die Macht darauf Einfluß zu nehmen, was dafür zu zahlen ist und wer sie kaufen kann ebenfalls.
Bringt man dann noch die Tier- und Pflanzenwelt mit in`s Spiel, ist das an Trostlosigkeit kaum mehr zu überbieten.
Wir können jetzt ewig darüber streiten, wer jetzt mehr von anderen profitiert hat und die Erde mehr ausgebeutet hat bzw. das tun würde, wenn sich die Verhältnisse ändern würden oder wir können endlich anfangen zu versuchen im Kleinen - alles andere als perfekt und alles andere als insgesamt gerecht - Schritte in die richtige Richtung einzuleiten, nämlich hin zu einem angenehmeren und menschlicheren Planeten.
Die Tier- und Pfalnzewelt sollten wir natürlich auch daran teilhaben lassen.
Was einem Menschen zusteht, der von Hartz 4 lebt, ist in meinen Augen so wenig, dass es unanständig ist sich darüber im Besonderen Maße aufzuregen oder so zu tun als würde man sich darüber aufregen.
Für das was manche Menschen an einem ganzen Arbeitstag verdienen und dabei müssen sie auch noch unangenehme Begleiterscheininungen oft in Kauf nehmen, würde so mancher morgens nicht einmal geschäftlich mit einem Kunden oder so frühstücken gehen und hauptsächlich Smalltalk halten.
Wer das Glück hat gut ausgebildet zu sein, über einem hohen Intellekt verfügen zu können und beruflich Zugang zu Arbeitsplätzen zu haben, die sehr gut honoriert sind und wo man dafür Sorge trägt, dass derjenige, der den Platz inne hat, sich sehr wohl und ziemlich frei fühlen kann, der hat schon einen sehr viel bessere Position als viele andere.
Leute mit einem eigenen Arbeitsbereich oder gar Büro und Zugang zu einem Rechner durchleben den Arbeitsalltag doch oft ganz anders.
Man klopft an, wenn man mit ihnen Reden will und man bietet um einen Termin u.ä..
Wer im Supermarkt stehen muss oder als Zusteller arbeitet beispielsweise, ist doch viel mehr in Beobachtung.
Da kann man halt nicht einfach sich die Zeit im Internet vertreiben, wenn man nicht ausgelastet ist, weil man sofort negativ auffallen würde.
Nur um ein Beispiel zu nennen, was wahrscheinlich doch viele, die hier oft sind gut nachvollziehen können dürften.
Ich glaube tatsächlich, dass es in unserer Gesellschaft sehr viel Angst gibt davor sozial abzusteigen.
Viele sind so ziemlich den ganzen Tag damit beschäftigt diesen Abstieg zu verhindern.
Ja und damit ist nicht nur der eigene gemeint, sondern oft den der eigenen Kinder.
Man fühlt sich von anderen Gruppen in der Gesellschaft in dieser Hinsicht bedroht, weil viele sich einfach sagen:
Es gibt einen großen Topf und in dem ist alles drin, was allen zu Verfügung gestellt wird bzw. werden kann und wenn eine Gruppe aus diesem Topf mehr nimmt, bleibt für andere bzw. andere Gruppen zwangsläufig weniger übrig.
So ist es ja auch.
Man regt sich aber oft über welche auf, die aus dem Topf verhältnismäßig wenig rausnehmen, weil ihre Macht äußerst begrenzt ist diesbezüglich.
Da gibt es ganz andere Kaliber und die müssen nicht einmal selber in den Topf direkt greifen, sondern die können sich locker andere leisten, die das für sie tun.

So ich gehe jetzt mal Laufen.

Angenehmen Tag!

Der fundamentale Annahmefehler des Kapitalismus ist, dass es unbegrenztes Wachstum gibt. Unsere Welt basiert auf einer Lüge. Im Kapitalismus werden lineare Abläufe simuliert und in die Realität umgesetzt. In Wirklichkeit gibt es lediglich Kreisläufe und Gleichgewichte. Wissenschaftler sprechen auch von Nullwachstum. Ich rufe einsam in der Wüste nach H4 (bedingungsloses Grundeinkommen) und zwar für alle! Ansonsten lehne auch ich mich zurück, tippe ein bisschen nutzlos im Internet herum, und genieße den Showdown, das gegen die Wand fahren des Planeten. :Cheese:

Laufen war ich schon, gehe noch auf die Rolle.

Angenehmen Buß- und Bettag!

Helios
21.11.2018, 18:34
.............
Kreisläufe und Gleichgewichte. Wissenschaftler sprechen auch von Nullwachstum. Ich rufe einsam in der Wüste nach H4 (bedingungsloses Grundeinkommen) und zwar für alle!
............


H4 steht dann für Hausschweingesellschaft Nr. 4 ??? - alle werden gefüttert und die Wildschweine werden domestiziert?? und verschwinden am End - aha !! ;) - so wird es in der Tat kein Morgen geben :Huhu: - aber jeder wie er meint.

ThomasG
21.11.2018, 18:47
Der fundamentale Annahmefehler des Kapitalismus ist, dass es unbegrenztes Wachstum gibt. Unsere Welt basiert auf einer Lüge. Im Kapitalismus werden lineare Abläufe simuliert und in die Realität umgesetzt. In Wirklichkeit gibt es lediglich Kreisläufe und Gleichgewichte. Wissenschaftler sprechen auch von Nullwachstum. Ich rufe einsam in der Wüste nach H4 (bedingungsloses Grundeinkommen) und zwar für alle! Ansonsten lehne auch ich mich zurück, tippe ein bisschen nutzlos im Internet herum, und genieße den Showdown, das gegen die Wand fahren des Planeten. :Cheese:

Laufen war ich schon, gehe noch auf die Rolle.

Angenehmen Buß- und Bettag!
"Wenn die Bombe tickt hä, wenn sie tickt - dann kann ich ihnen sagen aus eigener Erfahrung - dann ist es eine Zeitbombe!" (Emil Steinberger)
https://www.dailymotion.com/video/x1ammr7
Später schreibe ich vielleicht noch einen etwas ernsthafteren Beitrag.

qbz
21.11.2018, 19:30
Bildung , Kultur, Sport & Mobilität stimme ich Dir 100% zu. ÖPNV ist einfach zu teuer. Bei alledem ist das Problem: Wenn der normale Angestellt im Niedriglohnbereich einen deutlich höheren Preis bezahlt verringert es wieder den notwendigen Mindestabstand zwischen H4 und 100%-Stelle... also muss auch das für Gering-Verdiener günstig sein. Dafür sollte ein Staat meines Erachtens tatsächlich sorgen und Geld haben!
...........
Mehr Sozialwohnungen, Genossenschaften etc. auf jeden Fall. Aber nur durch die Bauvorschriften haben sich die Baukosten um 7% erhöht. Ob dies tatsächlich das beste Mittel der Wahl ist um unsere Klimaziele zu erreichen, bezweifle ich. Die Überführung der Vonovia in Gemeineigentum ist, denke ich, nicht machbar, lasse mich aber gerne von etwas anderem überzeugen. Immer daran denken: Es könnte auch deine Rentenversicherung sein die Anteile der Vonovia hält und auf ein Mal bist du enteignet... Wenn ich sehe was hier für Wohnungen und Häuser gebaut werden... alles schick, aber alles mindestens im gehobenen Standard, m²-Preise weit über 4000€... das muss günstiger gehen. Boden ist begrenzt, warum also alles verkaufen, gerade in städtischen Gebieten? Erbpacht-Grundstücke und regionale Zweckgenossenschaften Gründen, solides Niveau zu fairen Preisen...


Danke für Deine umfangreichen Ausführungen. Wie man juristisch und finanziell einen so grossen Konzern wie Vonovia in Gemeineigentum überführen könnte, damit habe ich mich nicht näher befasst. Ich dachte jetzt nicht an eine entschädigungslose Enteignung. Dem steht die Gesetzeslage und das GG sicher entgegen. Das GG § 14 erlaubt hingegen folgendes:

"(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
"

Die massenhaft angewandten Modernisierungmethoden aus Gründen von überhöhten Mieten und die Vertreibung von Mietern könnte Anlässe liefern, dass gegen § 14 verstossen wird. In Berlin wenden manche Bezirke seit dem Rot-Rot-Grünen Senat aktuell ein gesetzlich beschlossenes Vorkaufsrecht in Einzelfällen an, wenn der Hausverkäufer an einen Eigentümer verkaufen will, wo dann entweder eine Umwandlung in Eigentumswohnungen oder spekulativer Umgang mit dem Hauseigentum zu erwarten ist. Dass nun Parteien, die früher sehr viel an öffentlichen Immobilien verkauften, jetzt wieder teuer einkaufen müssen, ist vor allem dem Druck der Menschen zu verdanken, die hinsichtlich der Mieten so langsam aufwachen.

Ps: Hypo Real Estate wurde auch verstaatlicht. ;)

ThomasG
21.11.2018, 20:03
ThomasG:
"Ich glaube tatsächlich, dass es in unserer Gesellschaft sehr viel Angst gibt davor sozial abzusteigen.
Viele sind so ziemlich den ganzen Tag damit beschäftigt diesen Abstieg zu verhindern."

Damit bringst du viele Probleme, die unsere Gesellschaft hat, auf den Punkt.
Es ist normaler geworden als Mann in Elternzeit zu gehen. Aber gleich Teilzeit? Ohweh, dann ist die Karriere aber stark gefährdet. Ich kann nur für meinen IT/Tec spezifischen Bereich sprechen. In sozialen Berufen ist das eher nicht das Problem -sagen Freunden, die als SozPäd's arbeiten. Aber nur 50% :)

Und wenn ich Karriere machen will, oder aber nur nicht aus der Firma rauszufligegen muss ich mich mehr anstrengen, damit es der Firma weiterhin gut geht -dieses "Credo" höre ich als Freiberufler sehr oft. Wird gerne gebetet.
Damit steigt die Chance auf Burnout & Co. und der "soziale Abstieg" ist die Folge, obwohl man doch genau das nicht wollte.

Mit Kindern das gleiche, im Bekanntenkreis höre ich dann, diese Schule ist ein No-Go für mein Kind. Zu viele Migranten, die den Leistungslevel drücken. Da kann mein Kind nix lernen...

Danke für diesen Faden hier.

VG
Vielen Dank :-)!

Ich bin hier aufgewachsen (Jahrgang 1967) und lebe nach wie vor in meiner Heimatstadt.
In meiner Kindheit habe ich einen langsamen, aber stetigen sozialen Aufstieg meiner Familie miterlebt.
Mein Vater hat ein Jahr vor dem Abi das Gymnasium verlassen, weil er es sich nicht zugetraut hat.
Ab und zu hat er es uns erzählt.
Er bekam seine (zweite) Chance als er mit 27 Jahren noch einmal die Schulbank drückte.
Damals war diese Schule noch keine Fachhochschule, aber sie wurde nur wenig später zu einer solchen.
Gefördert wurde er durch seinen Arbeitgeber.
Er hatte wohl Glück mit der Berufswahl, obwohl es eher Zufall war, dass er diesen Weg einschlug.
Der ehemalige Chef meines Opas erkundigte sich nach meinem Vater und wollte wissen, was der beruflich vorhabe und meinte dann mein Opa solle ihn doch zu ihm schicken und bei ihm eine Ausbildung machen lassen.
Der Beruf passte wie angedeutet sehr gut zu seinen Fähigkeiten und Talenten und machte ihm sehr viel Spaß.
Das Selbstvertrauen und - bewusstsein konnte wachsen.
Drei Jahre lang besuchte er diese Schule und in der Zeit war er sehr selten daheim.*
Meine Mutter war sehr viel alleine mit zwei kleinen Kindern.
Wir wohnten zur Miete in einer Altbauwohnung im Dachgeschoss.
Die Miete wurde glaube ich wöchentlich in bar bezahlt.
Sie war ziemlich gering.
Mein Opa wollte mal auf dem Dachboden was nachsehen oder reparieren, da ist die Decke im Wohnzimmer an einem Eck leicht nach unten gedrückt worden.
Wir haben es schnell genug bemerkt und so wurde es nicht schlimmer.
Mein Vater schloß die Prüfung sehr gut ab und war einer der Besten.
Um ihn herum hauptsächlich Leute, die gerade das Abitur gemacht hatten.
Sie waren ihm anfangs überlegen, aber er hat fast alle überholt.
Zurück im Berufsleben setzte sich seine Karriere so fort.
Er stieg sehr schnell auf und verdiente immer besser.
Sein Job war sehr sicher.
Er meinte öfter, man müsse schon einen goldenen Löffel klauen, um den zu verlieren.
Wir zogen in ein Neubaugebiet, was gerade am entstehen war in eine große Eigentumswohnung.
Meine Schwester und ich hatten beide relativ große eigene Zimmer.
Das Wohnzimmer kam uns anfangs riesig vor.
In der direkten Nachbarschaft gab es auch Sozialwohnungen.
Hier wohnten wesentlich ärmere Familien oft kinderreiche.
Es gab eine Bezeichnung für diese Leute, die wir Kinder nicht verwenden sollten.
Die meisten Eltern versuchten dafür zu sorgen, dass das geschah.
Das Wort lautet "Barackler".
Die Leute haben nicht in Baracken gelebt glücklicherweise, sondern in zwar einfachen und schon recht heruntergekommenen Wohnblöcken, aber die bestanden aus Steinen, Beton und was man sonst noch so für den Wohnungsbau verwendet.
Viele der Kinder aus diesen Blöcken waren in der Schule eher schwach, aber so mancher wurde gegen Ende der Schulzeit deutlich besser.
Die meisten beendeten die Schule mit dem Hauptschulabschluß - ganz im Gegensatz zu den Leuten, die in meiner unmittelbaren Umgebung aufwuchsen.
Sie hatten aber einen großen Vorteil dadurch:
Sehr früh waren sie richtig in das Berufsleben integriert und sehr früh verdienten sie ihr eigenes Geld.
Ein großer Teil stieg sozial auf.
Einige nicht unerheblich.
Manche konnten sich später Eigentumswohnungen leisten und hatten eine eigene Familie mit Kindern (in der Regel wesentlich weniger Kinder als ihre Eltern haben).
Wenn man beispielsweise den Weg einschlug Bäcker zu werden, dann konnte man denke ich schon ganz gut verdienen, einfach weil es starke Belastungen gab.
Es musste ja nachts gearbeitet werden.
Die Menschen erlebten also im Laufe der 1970er bis vielleicht so Ende der 1980er, dass man durchaus zu was kommen kann, auch wenn die Startbedingungen nicht so gut waren.
Natürlich gehörte dazu auch etwas Glück, aber wie gesagt, gibt es nicht so wenige, die dieses Glück hatten.

*http://www.fh-schwetzingen.de/pb/,Lde/Startseite/Die+Hochschule/Geschichte+der+HfR+Schwetzingen

MattF
21.11.2018, 20:12
Ich vermute, eine Liberalisierung der Bauvorschriften bringt effektiv wenig für die Räume mit hoher Bevölkerungszahl. In welchen grossen Städten der Welt funktionieren liberalere Bauvorschriften, um bezahlbare Mieten zu bekommen? Eine Rationalisierung beim Mietshausbau brächte möglicherweise längerfristig Kosteneinsparungen.

Man bräuchte in meinen Augen wieder viel mehr öffentliches Grundstück- und Wohneigentum (das gab es mal in DE, bevor die Gemeinden und der Bund alles meistbietend verkloppten, wo sie z.T. heute noch dabei sind), mehr Sozialwohnungen und an Gemeinnützigkeit gebundene Wohnungsgesellschaften sowie eine staatliche Preisregulierung der Grundstücke und des Mietniveaus und die Abschaffung der Modernisierungsumulage. Konzerne wie Vonovia, welche mit Mietwohnungen an der Börse Maximalprofite erzielen wollen, sollten in Gemeineigentum überführt werden. Ausserdem könnte der Bundestag eine GG-Änderung beschliessen und ein "Recht auf Wohnen" einführen.


Das Thema Wohnen und Miethöhen ist ein schwierige und emotionalbelastes.

Zum letzten Punkt, "Recht auf Wohnen" ich glaube das wäre gar kein Problem das zu gewährleisten, das eigentliche Problem ist aber, dass die Leute nicht da wohnen wollen wo Wohnungen leer stehen.

Ich wette jeder Mensch in D findet sofort ein Wohnung wenn er in irgendeine halb verlassene Gegend zieht wo keiner wohnen will.

Das Problem ist man müsste ein "Recht auf wohnen, da wo die Leute hin wollen" einführen und das sehe ich doch sehr skeptisch. Das ist unmöglich.

Alle wollen in die Städte und da ist kein Platz.
Kein System und keine Regierung und nichts wird dafür sorgen, dass jeder der in München City wohnen will oder Berlin Prenzelberg das auch kann.

Letztlich geht es nur um den Preis. Um den Markt und um Angebot und Nachfrage.

Das Ganze kann man dann ein bisschen sozial abfedern in dem man z.b. verhindert, dass die alte Oma die seit 40 Jahren irgendwo wohnt, das auch kann bis sie stirbt, in dem man z.v. Mieterhöhungen begrenzt..
Oder dass man sozial schwachen Menschen die schon irgendwo wohnen über Wohngeld zb. einen Umzug erspart.

Es wird aber kein System geben, ich wiederhole mich, dass jungen Familien ermöglicht auf jeden Fall dahin zu ziehen wo sie wollen.

Nur mal so als Anmerkung, deshalb hab ich selber auch nicht wirklich ne Lösung für das Problem Wohnen, ausser aussitzen und zu hoffen dass sich der Trend irgendwann umkehrt und die Leute von der City wieder raus wollen aufs platte Hinterland.

qbz
21.11.2018, 23:12
Das Thema Wohnen und Miethöhen ist ein schwierige und emotionalbelastes.
.........


Vielleicht zwei Gedanken dazu:

Viele Menschen können nicht da wohnen, wo die Mieten billiger wären, weil sie dort keine Arbeitsplätze finden. Wer z.B. in der Gastronomie arbeitet, um mal Niedriglöhner zu nehmen, kann nicht auf das wenig besiedelte Land ausweichen. Und im sog. "Speckgürtel" von Berlin passen sich natürlich die Preise an die Stadt an.

Bei Wohnraum handelt es sich um ein begrenztes, knappes Gut im Unterschied zu anderen Waren. Deshalb kann man die Preise nicht dem Markt überlassen und es braucht eine staatliche Regulierung des Marktes.

ThomasG
22.11.2018, 05:50
In einem Artikel von Valerie Höhne für Spiegel online geht es um die Frage warum die Grünen glauben (könnten), dass ihnen die Hartz-IV-Debatte nutzen kann.
Wenn ich von solchen Gedankengängen höre, die oft wie selbstverständlich davon ausgehen strategische Überlegungen würden starken Einfluß auf die Positionierungen von politischen Parteien nehmen, dann frage ich mich häufig warum das nicht öfter grundsätzlich kritisiert wird.
Eigentlich erwarte ich von politisch engagierten Menschen, dass sie sich zunächst für ihre eigenen Überzeugungen stark machen und höchstens an zweiter Stelle daran denken, wie man möglichst viele Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen könnte.
Die "Angst der Mitte" wird gleich als erster Punkt angesprochen.

Zitat:

Erster Punkt: Die Angst der Mitte

Am Montagmittag steht Habeck nach der Bundesvorstandssitzung seiner Partei auf dem Podium in der Bundesgeschäftsstelle in Berlin. Die grüne Spitze stellt montags immer die Themen vor, die sie gerade beschäftigen. Habeck beginnt mit Hartz IV. Er halte die Debatte für zentral, sagt er, auch über die konkrete Armutsbekämpfung hinaus. "Wie vertrauensvoll ist die deutsche Mittelschicht gegenüber der Zukunft? Auch das kann man ja messen - das Vertrauen, dass es unsere Kinder besser haben werden als wir, ist gegenüber den vergangenen Jahrzehnten stark erodiert", sagt Habeck. Er wolle versuchen, das besser zu machen.
Für die Grünen liegt hier ein wichtiger Punkt: Denn die Mittelschicht, das sind auch ihre Wähler. Die, die Angst haben, ihren Wohlstand nicht weiterzuvererben. Die, die etwas zu verlieren haben.

Die Analyse, das Versprechen vom Aufstieg gebe es nicht mehr, ist nicht neu. Seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wabert es durch die Feuilletons als Erklärung für den Rechtsruck, für die Unzufriedenheit und die Wut der Mittelschicht in den USA und Europa.

Zitatende

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/die-gruenen-um-robert-habeck-wollen-die-hartz-iv-debatte-fuehren-aber-warum-a-1239480.html

Ich glaube die Ängste sind größer und tiefgreifender bei vielen Menschen.
Sie beschäftigt nicht so sehr die Frage, ob es ihren Kindern besser gehen wird als ihnen selbst, sondern sie befürchten, dass es ihnen wesentlich schlechter gehen könnte.
Es könnte aber durchaus gut sein, dass man in den oberen Regionen der Mitte der Gesellschaft noch relativ optimistisch in die Zukunft blickt
Ich glaube, dass weiter unten also beispielsweise im unteren Bereich der Mitte die Ängste ausgeprägter sind und in der Gedankenwelt des Alltags eine dominantere Rolle spielen.
Ob auch strategische Überlegungen dazu geführt haben, dass Habeck sich so äußerte, wie er es tat?

qbz
22.11.2018, 08:26
Eine Studie zum Thema "Kommt das Geld bei den Kindern an? (https://www.bertelsmann-stiftung.de/es/themen/aktuelle-meldungen/2018/november/gegen-armut-geld-fuer-familien-kommt-bei-kindern-an/)" brachte jetzt folgende Ergebnisse:

"Kinder profitieren von direkten staatlichen Geldtransfers wie dem Kindergeld. Entgegen bestehender Vorurteile werden diese sogenannten Direktzahlungen von den Eltern in der Regel nicht zweckentfremdet – und etwa für Alkohol, Tabak oder Unterhaltungselektronik ausgegeben. Sie werden vielmehr in größere Wohnungen, aber auch in bessere Betreuung, Bildung und in die Hobbys der Kinder investiert. Zudem reduzieren Eltern aufgrund des Kindergelds nicht ihre Arbeitszeit. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Analyse von Dr. Holger Stichnoth und seinem Team vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim in unserem Auftrag. Untersucht wurde dazu die Verwendung von zwei staatlichen Leistungen für Familien – das Kindergeld sowie das Landeserziehungsgeld in verschiedenen Bundesländern – für den Zeitraum von 1984 bis 2016."

Aus guten Gründen sollte man deswegen das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder, deren Eltern H4 beziehen, durch eine pauschale Summe ersetzen, weil viele die Anträge aus Bürokratiegründen nicht stellen.

"Jüngste Untersuchungen legen nahe, dass bei zweckgebundenen Sach- und Geldleistungen – wie dem Bildungs- und Teilhabepaket – mit rund 30 Prozent ein erheblicher Teil der zur Verfügung stehenden Mittel für Verwaltungsaufwand verbraucht wird. Dazu kommt, dass viele Bedürftige die Mittel gar nicht erst beantragen. Für unseren Vorstand Jörg Dräger wird deshalb deutlich: "Direkte finanzielle Leistungen für Familien sind sinnvoller als aufwändig zu beantragende Sachleistungen. Das Geld kommt den Kindern zugute und wird nicht von den Eltern für ihre eigenen Interessen ausgegeben."

Trimichi
22.11.2018, 08:27
H4 steht dann für Hausschweingesellschaft Nr. 4 ??? - alle werden gefüttert und die Wildschweine werden domestiziert?? und verschwinden am End - aha !! ;) - so wird es in der Tat kein Morgen geben :Huhu: - aber jeder wie er meint.

Nullwachstum bedeutet lediglich, dass die Rendite 0% ist. Aus deiner Aussage ist zu schlusszufolgern, dass jeder, der sich nicht auf Kosten anderer bereichert, ein Hausschwein ist. In Wirklichkeit kommen auf einen Deutschen 60 Sklaven in der dritten Welt, Umweltzerstörung usw. nicht berücksichtigt.

"Die heutige Gesellschaft ist ein Schrotthaufen, den man bestenfalls in einem Krieg verheizen kann."
Buddha

ThomasG
22.11.2018, 19:19
Aus guten Gründen sollte man deswegen das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder, deren Eltern H4 beziehen, durch eine pauschale Summe ersetzen, weil viele die Anträge aus Bürokratiegründen nicht stellen.

Das sehe ich auch so.
Oft sehen sich die Eltern wohl auch fast gezwungen ihre Kinder in eine Nachhilfeschule zu schicken, denn die bieten zwar im Vergleich zu Einzelnachhilfe relativ günstige Gruppennachhilfe an, aber es ist nicht unbedingt gewährleistet, dass die Gruppen so zusammengesetzt sind, dass eine gute Nachhilfe überhaupt möglich ist.
Ein Lehrer ist für alle zuständig und muss oft gedanklich dauernd von einem zum nächsten Thema umschalten, was zu lasten der Qualität und Intensität der Nachhilfe geht - zumindest ist es ziemlich wahrscheinlich.
Mangelhaft motivierte Schüler können eine ganze Gruppe "kaputt" machen, etwa in dem sie die anderen stören und vom konzentrierten Lernen abhalten bzw. den Lehrer stark beanspruchen.
In einem Gesetzestext steht da sinngemäß etwa, dass Leistungen im Rahmen von Bildung und Teilhabe gewährt werden können, wenn sie angemessen sind in Bezug auf die Kosten z.B. o.ä..
Würde man da versuchen Einzelunterricht gewährt zu bekommen von einem Nachhilfelehrer, dann würde das vermutlich äußerst schwierig werden, wegen der vergleichsweise hohen Kosten pro Stunde.
Wenn mich einer fragt, was ich empfehle, dann sage ich den Leuten fast immer sie sollen versuchen jemand zu finden, der zu ihnen nach Hause kommt ohne, dass da eine Nachhilfeschule irgendwie daran beteiligt ist.
Lieber eine Stunde alle zwei Wochen eine individuelle Einzelnachhilfe vom jemandem, der das kann und der sich auch ordentlich anstrengt, als wöchentlich vier Stunden in einer Nachhilfeschule in Kleingruppen.
Bekämen die Menschen direkt einen gewissen Betrag für Nachhilfe über den sie frei verfügen können, dann könnten sie ganz anders agieren

Nachtrag:

Gestern Abend habe ich nach dem Gesetz zur Regelung von B. u. T. gesucht.
Dort ist nicht davon die Rede, dass die Kosten für die Nachhilfe angemessen sein sollen, aber man kann auf die Idee kommen die Formulierung u.a. so auszulegen.
Man ist auf die Hilfe der Schule angewiesen, die bestätigen muss, dass auf andere Art das Erreichen des Klassenziels gefährdet ist.
D.h. so steht das auch wieder nicht, aber so wird es oft interpretiert, was da tatsächlich steht meiner Erfahrung nach.
Die Schulen sind i.d.R. sehr offen in Bezug auf Nachhilfe und bereit ihren Teil dazu beizutragen, dass das klappt mit der Förderung dieser.
Das ist nicht ganz so leicht, besonders für Ganztagsschulen, da dort ja eigentlich Nachhilfeunterricht möglich ist nachmittags und oft auch angeboten wird.
Er nennt sich halt dann u.U. anders.
In der Schule ist normalerweise ein Lehrer für eine ganze Klasse oder einen ganzen Kurs in Klassenstärke zuständig und das sind dann so 25 - 30 Schüler oft.
Die können so ziemlich alle mit ähnlichen Aufgaben "versorgt" werden und ihnen können ähnliche Aufgaben bzw. Themengebiete erklärt werden.
Das ist ein Vorteil. aber die Gruppe ist so viel größer im Vergleich zur üblichen Gruppengröße bei der Nachhilfe in Kleingruppen (bis zu 5 Schüler meist), dass man trotzdem i.d. R. bereit ist eine entsprechende Bestätigung zu verfassen und weiterzugeben.
"(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen."
Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__28.html

MattF
22.11.2018, 19:55
Vielleicht zwei Gedanken dazu:

Viele Menschen können nicht da wohnen, wo die Mieten billiger wären, weil sie dort keine Arbeitsplätze finden. Wer z.B. in der Gastronomie arbeitet, um mal Niedriglöhner zu nehmen, kann nicht auf das wenig besiedelte Land ausweichen. Und im sog. "Speckgürtel" von Berlin passen sich natürlich die Preise an die Stadt an.

Bei Wohnraum handelt es sich um ein begrenztes, knappes Gut im Unterschied zu anderen Waren. Deshalb kann man die Preise nicht dem Markt überlassen und es braucht eine staatliche Regulierung des Marktes.

Nur wie würde für dich ein "Recht auf Wohnen" aussehen?
Darf ich mir dann aussuchen wo ich wohnen will oder wird mir was zugewiesen?


Im übrigen ist deine Aussage

Bei Wohnraum handelt es sich um ein begrenztes, knappes Gut im Unterschied zu anderen Waren.

Komplett falsch, weil jede Ware knapp ist. Das ist das Wesen von Waren.

qbz
22.11.2018, 23:04
Nur wie würde für dich ein "Recht auf Wohnen" aussehen?
Darf ich mir dann aussuchen wo ich wohnen will oder wird mir was zugewiesen?

Im übrigen ist deine Aussage .....
Komplett falsch, weil jede Ware knapp ist. Das ist das Wesen von Waren.
In diesem verlinkten Artikel steht einiges dazu, wie das schon bestehende Menschenrecht auf Wohnen konkretisiert werden kann. Es verpflichtet den Staat für ausreichenden und angemessen, d.h. bezahlbaren Wohnraum entsprechend der kulturellen Standards und mit Erreichbarkeit der Arbeitsplätze zu sorgen. http://www.menschenrechte.org/lang/de/wsk-rechte/das-recht-auf-wohnen-ein-menschenrecht-auch-in-deutschland
Weshalb sollen z.B. die Reinigungskräfte des Bundestages, der Bundesverwaltungen, der Spitäler usf. mit ihren Familien kein Recht darauf haben, in der Stadt Berlin zu wohnen?

Grundstücke und Wohnungen sind begrenzte Waren im Unterschied zu produzierten Waren wie Konsumgüter und Produktionsmittel, bei denen immer auch eine Überproduktionskrise möglich ist oder der Produzent wird sie nicht los, aus verschiedenen Gründen. Exakt aus diesem Grund (begrenztes, knappes Gut), wie SPON heute berichtet, beschloss die Stadt Wien eine neue Bauordnung, nach der 2/3 aller neugebauten Wohnungen nicht mehr als 5.- / m2 kosten dürfen. Davon kann man in DE nur träumen.

Hier einige Zitate aus dem Artikel:
"Grund und Boden sind ein besonderes Gut, das nicht vermehrbar ist. Wir Politiker müssen also etwas tun, um leistbares Wohnen langfristig zu sichern", sagt der Wiener Grünen-Politiker Christoph Chorherr.

In der neuen Bauordnung wird es die Widmung "Gebiete für geförderten Wohnbau" geben. Demnach müssen zwei Drittel aller neuen Wohnungen, die künftig gebaut werden, in die Kategorie "geförderte Wohnnutzfläche" fallen, wie es bürokratisch heißt. Die Miete darf hier nicht mehr als fünf Euro netto pro Quadratmeter betragen.

Schon jetzt ist die Stadt Wien mit 220.000 städtischen Wohnungen in Gemeindebauten und weiteren 180.000 städtisch geförderten Genossenschaftswohnungen der größte Immobilieneigentümer und -verwalter der Welt. Deswegen und wegen einer Gesetzeslage, die Mieter relativ stark schützt, sind die Mieten in Wien im Vergleich zu Städten wie München oder Hamburg relativ niedrig. " http://www.spiegel.de/wirtschaft/wien-fuenf-euro-pro-quadratmeter-wohnung-so-geht-s-a-1239764.html

Helmut S
23.11.2018, 07:09
Ich finde es richtig, was Wien da macht. Ein Recht auf Wohnen seh ich im Moment kritisch. Begrenzte Ressourcen in einer wachsenden, lohnarbeitabhängigen Gesellschaft zu gewährleisten halte ich langfristig für nicht steuerbar. Das ist der Stoff aus dem schwerwiegende Probleme gemacht sind. Urbane Migration insbesondere wegen Arbeit ist nicht zu leugnen. Ein Recht auf Wohnen ist nur in einer veränderten Gesellschaft denkbar. Die Forderung nach Recht auf wohnen ist m.E. ein super Beispiel für einen völlig veralteten Politikansatz. Maßnahmen ohne Gesamtkonzept. Taktik statt Strategie. Es fehlt auch hier die Gesamtvision. In Letzterer kann ein Recht auf Wohnen nur mit dem Ende der Notwendigkeit zur Lohnarbeit einherghen und damit mit nem BGE - etwa in der Form wie ich das schon skizziert habe. Davor wiederum braucht’s insbesondere über mind. zwei Generationen lang eine veränderte Bildungspolitik. :Blumen:

EDIT: Recht auf Wohnen habe ich in diesem Thread so verstanden, dass es um ein Recht auf Wohnen an einem bestimmten Ort geht. Und weiter: Recht auf Wohnen im Sinne von Recht auf eine Möglichkeit an einem bestimmten Ort zu wohnen. Die Putzfrau des Bundestages um - bei qbz zu bleiben - hat selbstverständlich wie jeder andere Bürger auch - das "Recht" in Berlin zu wohnen. Nur hat sie ggf. nicht die Möglichkeit.

MattF
23.11.2018, 12:30
In diesem verlinkten Artikel steht einiges dazu, wie das schon bestehende Menschenrecht auf Wohnen konkretisiert werden kann. Es verpflichtet den Staat für ausreichenden und angemessen, d.h. bezahlbaren Wohnraum entsprechend der kulturellen Standards und mit Erreichbarkeit der Arbeitsplätze zu sorgen. http://www.menschenrechte.org/lang/de/wsk-rechte/das-recht-auf-wohnen-ein-menschenrecht-auch-in-deutschland
Weshalb sollen z.B. die Reinigungskräfte des Bundestages, der Bundesverwaltungen, der Spitäler usf. mit ihren Familien kein Recht darauf haben, in der Stadt Berlin zu wohnen?


Wie würde das in Gesetzesform ausgedrückt?
Welche Zeit für den Arbeitsweg wäre noch angemessen?

Man kann irgendwo in Brandenburg aufs platte Land Wohnblocks ballern für 50.000 Leute und denen dann sagen: Fahrt 2h nach Berlin rein zum Arbeiten. Würde damit dem einklagbaren Recht auf wohnen Genüge getan?

Verstehe mich nicht falsch ich bin für sozialen Wohnungsbau und angemessenes Wohngeld, man sollte den Leuten aber auch keinen Sand in die Augen streuen mit einem "Recht auf Wohnen dort wo man will" was es nie geben kann.

In dem Artikel steht ja im übrigen auch drin, dass es schon Rechte im Bezug auf Wohnen gibt, sich aber keine drum schert. Ein weiteres Recht bringt nichts.


Grundstücke und Wohnungen sind begrenzte Waren im Unterschied zu produzierten Waren wie Konsumgüter und Produktionsmittel, bei denen immer auch eine Überproduktionskrise möglich ist oder der Produzent wird sie nicht los, aus verschiedenen Gründen. Exakt aus diesem Grund (begrenztes, knappes Gut), wie SPON heute berichtet, beschloss die Stadt Wien eine neue Bauordnung, nach der 2/3 aller neugebauten Wohnungen nicht mehr als 5.- / m2 kosten dürfen. Davon kann man in DE nur träumen.

Es gibt auch bei Wohnraum Überproduktionskrisen. Geh mal aufs Platte Land, da steht die Überproduktion von nicht mehr benötigtem Wohnraum. Dass Wohnraum ne andere Ware als Rinderlende ist erschließt sich mir nicht.

Auch Rinderlende ist begrenzt, so dass nicht jeder jeden Tag Rinderlende essen kann.
Und auch die Anzahl von iPhones ist begrenzt, nicht jeder hat eines und nicht jeder hat das Recht eines zu bekommen, ohne dass er dafür den hohen Preis zahlt.
Und für nen hohen Preis bekommt auch jeder ne Wohnung da wo er will!

MattF
23.11.2018, 12:36
Ich finde es richtig, was Wien da macht. Ein Recht auf Wohnen seh ich im Moment kritisch. Begrenzte Ressourcen in einer wachsenden, lohnarbeitabhängigen Gesellschaft zu gewährleisten halte ich langfristig für nicht steuerbar. Das ist der Stoff aus dem schwerwiegende Probleme gemacht sind. Urbane Migration insbesondere wegen Arbeit ist nicht zu leugnen.

Wobei man sagen muss, da müssen auch Arbeitgeber dazu lernen.

Noch eine Firma, Fabrik, Verwaltung was auch immer in der Frankfurter City wird auch für die Arbeitgeber zum Problem.

Führungspositionen wird man noch besetzen können, die haben genug Geld zu Wohnen aber den normalen Mitarbeiter wird man nicht mehr finden, weil er sich das Wohnen in annehmbarer Nähe zum Arbeitsplatz nicht leisten kann oder auch der wird immer teurer werden.

Auch die Firmen muss umdenken und sich da ansiedeln wo für ihre Mitarbeiter auch Wohnraum zur Verfügung steht.

Und das wäre ja nicht schlecht wenn sich Firmen nicht nur in den Megacitys ansiedeln sondern in Mittelstädten von 50.000-100.000 Einwohner. Dann müssen die Menschen von dort nicht abwandern.

Im übrigen haben wir das ja in vielen Bereichen in Deutschland noch so. Viele Mittelständler sind in relativ kleinen Gemeinden und weltweit gesehen Marktführer in ihrem Bereich, gerade in B-W und Bayern.

qbz
23.11.2018, 18:50
Wie würde das in Gesetzesform ausgedrückt?
Welche Zeit für den Arbeitsweg wäre noch angemessen?

Man kann irgendwo in Brandenburg aufs platte Land Wohnblocks ballern für 50.000 Leute und denen dann sagen: Fahrt 2h nach Berlin rein zum Arbeiten. Würde damit dem einklagbaren Recht auf wohnen Genüge getan?

Im Prinzip geht es mir allein darum, dass der Staat die Pflicht wahrnimmt, für bezahlbaren, die ärmeren Schichten leistbaren Wohnraum zu sorgen. Ein ungeregelter freier Markt richtet das nicht von sich aus für die Wohnbedürfnisse der Menschen. Für die Schulpflicht und das Recht auf einen Kitaplatz muss der Staat doch auch mit entsprechenden Bauten vorsorgen, die in zumutbarer Entfernung die Versorgung sicherzustellen. Bevor das Recht gesetzlich verankert wurde, sorgte der Staat nur unzureichend für Kita-Plätze. Heute muss er u.U. Eltern eine Entschädigung zahlen, wenn ihnen für das Kind keinen Platz angeboten werden kann, weil sie deswegen nicht arbeiten können, was zu einer flächendeckenden Versorgung mit Plätzen führte.

Ich bin nach der Rente ca. 2h von Berlin entfernt in die Nähe von Templin gezogen, unter anderem auch weil mir der Mietanteil an der Rente in Berlin zu hoch wurde. Zweimal musste ich in Berlin wegen angeblichen Eigenbedarfs, einmal wegen Modernisierung aus Altbauten umziehen. Darauf hatte ich für die Zeit meiner Rente keinen Bock mehr.

Während meines Arbeitslebens wäre ich nie insgesamt 4h täglich zur Arbeit und zurück gefahren, dafür ist mir meine Lebenszeit viel zu schade. Zumutbar auf Dauer fände ich max. insgesamt 2h pro Tag, ich versuchte sogar immer in der Nähe der Ausbildungsstätte, später des Arbeitsplatzes zu wohnen. Es ist nur eine sehr, sehr kleine Minderheit, die 4h am Tag für den Arbeitsweg aufbringt. Und das sollte auch so bleiben, schon allein aus ökologischen Gründen.

Über die Versorgungslücken mit bezahlbarem Wohnraum gab die Böckler Stiftung eine breite Studie in Auftrag. Sie weist nach, wie gross der Bedarf in DE ist, auf 148 Seiten. Auf S. 10 findet man eine Zusammenfassung, wer sich dafür interessiert. Gedeckt werden kann dieser Wohnungsbedarf nicht mit Bauten für teuere Eigentums- oder Mietwohnungen und Grundstückspekulationen. Geeignet wäre das Wiener Konzept.
https://www.miete-bezahlbar.de/fileadmin/download/kampagne/miete/hintergrund/HBS_Wie-viele-und-welche-Wohnungen-fehlen-in-deutschen-Gro-sta-dten.pdf

In dem Artikel steht ja im übrigen auch drin, dass es schon Rechte im Bezug auf Wohnen gibt, sich aber keine drum schert. Ein weiteres Recht bringt nichts.

Das "Recht auf Wohnen" ist Teil der Menschenrechte und wie ich im Unterschied zu Helmuth finde, sicher nicht "veraltete Politik", sondern an vielen Stellen auf der Welt höchst aktuell einzufordern. Auch wer unter Brücken und auf Parkbänken wohnt, findet ein solches Recht sicher sehr aktuell. https://www.amnesty.de/mit-menschenrechten-gegen-armut/wohnen-wuerde/das-recht-auf-wohnen-stoppt-rechtswidrige-zwangsraeumu

Einfach immer mehr Menschen noch mehr Wohngeld zu geben, führt nur dazu, dass der Staat die Immospekulation zugunsten privater Grosskonzerne wie Vonovia, Deutscher Wohnen etc. unterstützt. Die öffentliche Hand muss hingegen selbst inform gemeinnütziger Gesellschaften und bei Neubauten wie nach dem Wiener Konzept 2/3 der Mieten festlegen und damit die Mieten insgesamt beeinflussen können.

Es gibt auch bei Wohnraum Überproduktionskrisen. Geh mal aufs Platte Land, da steht die Überproduktion von nicht mehr benötigtem Wohnraum. Dass Wohnraum ne andere Ware als Rinderlende ist erschließt sich mir nicht.

Verzichte mal einen Winter auf Deine Wohnung / Haus und einen Winter auf die Rinderlende? Oder frage die Obdachlosen, ob für sie Wohnung und Rinderlende dasselbe bedeuten? Beide Waren verfügen über einen Tauschwert, richtig, aber der Gebrauchswert inbezug auf die menschlichen Grundbedürfnisse unterscheidet sich existentiell und die Menge der Grundstücke in bestimmten Lagen ist fest begrenzt. Ich betrachte die Gebrauchswertfunktion, Du den Tauschwert. Oder betrachte die Milch, die im Überfluss produziert wird. Wer den Fleisch-, Milch-,Handymarkt auf den Wohnungsmarkt anwendet, braucht sich IMHO nicht zu wundern, wenn er keine bezahlbaren Wohnungen findet und stattdessen wenige Konzerne hohe Börsengewinne erzielen.

Ich kenne die ländliche Wohnsituation. Es handelt sich in DE nicht um den Neubau, der am Bedarf vorbei errichtet wurde und zu einer Überproduktion führt, sondern um regional vereinzelten alten, baufälligen Bestand, wo die Energiewerte katastrophal sind, vor allem in den östlichen Bundesländern. Und fast jeder Grundstücksbesitzer wünscht sich nichts mehr, als eine Umwandlung seiner Flächen in Bauland, egal wo. ;)
Templin in Brandenburg, 2h von Berlin entfernt, z.B. modernisierte sogar die Plattenbauten und baut heute neue Wohnhäuser (auf Genossenschaftsbasis) unter einem Bürgermeister der Linke.

Helmut S
23.11.2018, 20:19
und wie ich im Unterschied zu Helmuth finde, sicher nicht "veraltete Politik", sondern an vielen Stellen auf der Welt höchst aktuell einzufordern.

Es scheint sich um ein Missverständnis zu handeln. Du findest in mir einen Mitstreiter für bezahlbaren Wohnraum. Diese Forderung halte ich nicht für veraltet.

Was ich für veraltet halte ist, dass Forderungen wie diese (oder beliebige andere) meist ohne konkretes, übergreifendes Konzept für eine moderne Gesellschaft in den Raum gestellt werden. Das lehne ich ab. Das ist typische Parteitaktik. Sowohl im inneren der Parteien um dort Karriere zu machen als auch zwischen den Parteien um - wie dies Politiker - sagen Stimmen „zu gewinnen“ (dieses wording halte ich übrigens ebenfalls für veraltet und gruselig). Ich kritisiere die Methode, Taktik vor Strategie zu stellen als veraltet - und halte sie sowohl für falsch als auch hauptsächlich mitverantwortlich für viele Schieflagen.

Ich erwarte von der Politik eine vollständige Vision einer modernen Gesellschaft und eine Strategie wie man da hinkommt. Dann und erst dann bin ich bereit über Details vor diesem Hintergrund zu reden. Das verstehe ich unter moderner, zukunftsorientierter Politik. :Blumen:

ThomasG
23.11.2018, 20:47
Was ich für veraltet halte ist, dass Forderungen wie diese (oder beliebige andere) meist ohne konkretes, übergreifendes Konzept für eine moderne Gesellschaft in den Raum gestellt werden. Das lehne ich ab. Das ist typische Parteitaktik. Sowohl im inneren der Parteien um dort Karriere zu machen als auch zwischen den Parteien um - wie dies Politiker - sagen Stimmen „zu gewinnen“ (dieses wording halte ich übrigens ebenfalls für veraltet und gruselig). Ich kritisiere die Methode, Taktik vor Strategie zu stellen als veraltet - und halte sie sowohl für falsch als auch hauptsächlich mitverantwortlich für viele Schieflagen.

Ich erwarte von der Politik eine vollständige Vision einer modernen Gesellschaft und eine Strategie wie man da hinkommt. Dann und erst dann bin ich bereit über Details vor diesem Hintergrund zu reden. Das verstehe ich unter moderner, zukunftsorientierter Politik.
:Blumen:
Gefällt mir, was Du da geschrieben hast :Blumen:!

Nachtrag:

Ich möchte ein Bespiel nennen, was zu Deinen Worten meine ich ganz gut passt.
In einem anderen Forum hörte ich vor inzwischen schon ganz schön langer Zeit erstmals etwas von der Grundidee bedingungsloses Grundeinkommen.
(Ich weiß, dass es in diesem Faden um etwas anderes geht.)
Mir war diese Idee von Anfang an äußerst sympathisch, aber ich hatte erhebliche Zweifel, ob das gut gehen kann.
Wie wohl fast alle Menschen, die mit der Grundidee erstmal konfrontiert werden, fragte ich mich fast refelexartig, wie man das nur verantwortungsvoll und zukunfstträchtig finanzieren soll.
Dann dachte ich nicht mehr besonders intensiv darüber nach.
Eines Tages fand ich eher per Zufall (Gibt es wirklich Zufälle im Leben ;-)?) ein Konzept zu dem die Einführung eines BGE gehört als ganz wichtiger Pfeiler.
Dieses Konzept hat mich so in den Bann gezogen, dass ich anfing glauben zu können, dass es möglich sein kann ein Grundeinkommen einzuführen und lange bestehen zu lassen ohne einen "Bankrott" zu riskieren mit Folgen für die Menschen, die man sich leicht vorstellen kann.
Ich lasse ausnahmsweise mal nähere Infos, welches Konzept ich meine, weg, da ich niemanden provozieren möchte und auch nicht dafür sorgen will, dass sich manche nicht mehr für diesen Faden interessieren.
Man kann viele sehr gute Ideen kaputt machen, wenn die Rahmenbedingungen es nicht erlauben, dass eine entsprechende Umsetzung gut gehen kann.
Ich glaube sogar, dass es manchmal so ist, dass man mal eine Sache zum Schein laufen lässt oder gar initiiert mit dem bösartigen Hintergedanken ihr großen Schaden zuzufügen, indem man sie so scheitern lässt, dass sich danach so schnell keiner mehr traut sie auf andere Art umzusetzen.

qbz
23.11.2018, 22:08
Es scheint sich um ein Missverständnis zu handeln. Du findest in mir einen Mitstreiter für bezahlbaren Wohnraum. Diese Forderung halte ich nicht für veraltet.

Was ich für veraltet halte ist, dass Forderungen wie diese (oder beliebige andere) meist ohne konkretes, übergreifendes Konzept für eine moderne Gesellschaft in den Raum gestellt werden. Das lehne ich ab. Das ist typische Parteitaktik.
......


Muss man nicht konkrete Vorschläge diskutieren und über Mehrheiten politisch umsetzen, wie heute die Städte bezahlbaren Wohnraum realistisch schaffen können? Dazu habe ich einige gemacht und dafür Argumente vorgelegt. Die Menschen brauchen das jetzt bzw. in einem überschaubaren Zeitraum (bezahlbaren Wohnraum) innerhalb unseres Wirtschaftssystems, so gerne ich auch über Visionen diskutiere. Sollten Parteien das auch so tun und praktisch umsetzen, um dieses Ziel zu erreichen, würde ich mich freuen und finde, dass damit viel erreicht wäre. :cool:

qbz
24.11.2018, 00:26
Die "Heute-Show" beschäftigt sich satirisch mit Hartz IV und den Vorschlägen der SPD und der Grünen.
Die Hartz IV Lüge (https://www.youtube.com/watch?v=Y5Zk_z8REns)

ThomasG
24.11.2018, 04:50
Ich habe eben einen ziemlich ausführlichen Artikel von einem Ökonomen gefunden.
Der Mann ist mir schon öfter sehr positiv aufgefallen, weil ich seine Äußerungen bei mir sehr menschlich und menschenfreundlich herübergekommen sind.
Mir scheint, als wäre Marcel Fratzscher ein Mann mit einem Herz für die ärmeren Leute in unserer Gesellschaft.
In diesem Forum wurde schon recht oft der Missstand hervorgehoben, dass es einen wachsenden Teil der Bevölkerung gibt, der trotz (Erwerbs-)Arbeit vergleichsweise arm ist.
Dieser Problematik widmet sich Marcel Fratzscher in dem genannten Artikel besonders.
Es ist nicht einfach ein kurzes Zitat im Text zu finden, was repräsentativ wäre für den gesamten Artikel, deshalb verzichte ich einfach darauf eins in meinen Text einzugliedern.
Wir brauchen ein umfassendes Konzept, damit sich unsere Gesellschaft hin zu einer menschenfreundlicheren hinbewegt, deren Fundament so stark ist, dass wir hier Verhältnisse hinterlassen, die es unseren Nachfolgern erlauben in unserem Sinne weitermachen zu können.
Was interessiert mich mein Geschwätz von vor ein paar Minuten ;-)?
Eine Stelle eignet sich ja vielleicht doch für ein Zitat, was den ganzen Text ganz gut repräsentiert.

Zitat:

Arbeit muss sich wieder mehr lohnen

Eine kluge Reform der Sozialsysteme muss daher aus drei Elementen bestehen: einer Verbesserung der Grundsicherung; attraktiverer Arbeit, die sich lohnt; und einer Stärkung dieser Systeme, um sie nachhaltiger zu machen. Jedwede Reform der Grundsicherung wird kontraproduktiv sein, wenn sie Arbeit immer weniger lohnenswert macht. Bereits heute erhalten Menschen, die zum Mindestlohn arbeiten, nur unwesentlich mehr als das, was sie als Arbeitslose bekommen würden. Die große Mehrheit der Menschen arbeitet trotzdem, weil Arbeit für sie einen Wert hat, weil sie ihnen die Erfüllung gibt, Teil eines Teams zu sein und Anerkennung zu erhalten. Die Gefahr ist groß, dass eine verbesserte Grundsicherung von vielen Menschen als eine Abwertung ihrer eigenen Arbeit wahrgenommen wird.

Zitatende

Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-11/reform-sozialsysteme-hartz-iv-arbeitsmarkt-armut-sozialstaat-politik/komplettansicht
https://de.wikipedia.org/wiki/Marcel_Fratzscher

ThomasG
25.11.2018, 05:55
Später - so gegen 12 Uhr beginnt eine Sendung, in der es um Hartz-IV gehen soll.
Ich schaue sie mir sehr wahrscheinlich erst danach irgendwann an.
Hier ein paar Infos dazu:

"An Hartz IV scheiden sich bis heute die Geister: Die einen sehen darin den Garanten für den beispiellosen Wirtschaftsboom in Deutschland, für die anderen ist es der Totengräber unseres Sozialsystems. Jetzt kommt wieder Bewegung in die Debatte – und zwar ausgerechnet von den Parteien, die die Grundsicherung zu Beginn der 2000er Jahre eingeführt haben. Sowohl SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen wollen sie hinter sich lassen."

Quelle: https://www1.wdr.de/daserste/presseclub/sendungen/hartz-vier-116.html?fbclid=IwAR3GQrouItbKGVtoCk1ECCFVA0V0_Zdd rbh_hwfLxxSXB0bi4lWwC4w6QRw

"Der Presseclub ist eine aktuelle Diskussionssendung, in der das jeweils wichtigste politische Thema der Woche aufgearbeitet wird." heißt es, wenn man das Feld "Informationen zur Sendung angeklickt hat.

Quelle: https://www1.wdr.de/daserste/presseclub/ueberuns/diesendung100.html

Das Thema wird also entsprechend vom Öffentlich-rechtlichen Fernsehen eingeodnet, was ja durchaus sehr erfreulich ist.

Auf WDR 5 hat man gleich im Anschluß an die Sendung die Möglichkeit mit den Journalisten zu diskutieren.
Das nennt sich dann "Presseclub nachgefragt" und wird von Phoenix übertragen.

Quelle: https://www1.wdr.de/daserste/presseclub/ueberuns/nachgefragt100.html

Schönen Sonntag!

merz
25.11.2018, 08:17
Stegemann von Aufstehen!, aber sonst Dramaturg und Buchautor in der FAS:

“Die 45 reichsten Haushalte besitzen in Deutschland so viel, wie die gesamte ärmere Hälfte, also 40 Millionen Menschen.“

Drastisches Schlaglicht, kennt jemand die Zahlen, die solchen Zuspitzungen unterlegen könnten?

m.

qbz
25.11.2018, 09:58
Stegemann von Aufstehen!, aber sonst Dramaturg und Buchautor in der FAS:

“Die 45 reichsten Haushalte besitzen in Deutschland so viel, wie die gesamte ärmere Hälfte, also 40 Millionen Menschen.“

Drastisches Schlaglicht, kennt jemand die Zahlen, die solchen Zuspitzungen unterlegen könnten?

m.

Im Auftrag der Bundesregierung wird in periodischen Abständen ein Armuts- und Reichtsumsbericht über die Einkommens- und Vermögensentwicklung in DE erstellt. Dort bilanzieren die Statistiker in Prozentangaben, d.h. es besitzen 10 % mehr als 60 % an Privatvermögen. Kleiner Einschub: Unter Rot-Grün (Schröder Periode) drifteten die Vermögen- und Einkommensscheren besonders schnell und stark auseinander, unter anderem wegen der Änderungen der Steuersätze (ca. 30 % Steuer-Anteil an der Entwicklung) und der Einführung von Hartz IV (Abnahme des Vermögens von Arbeitslosen!). https://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/a306-5-armuts-und-reichtumsbericht.html

Da sich die Milliardäre und Millionäre bei Stichproben Erhebungen nicht beteiligen und auch Forscher keinen Zugriff auf die Daten der Finanzämter haben, muss man noch Vermögensangaben verwenden, die auf der Forbes Liste beruhen und auf Schätzungen des Vermögens der reichsten Familien. Dann kommt man auf Zahlen, wie Du oben berichtest.
Dieser Artikel bei SPON enthält dazu Quellenangaben.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/vermoegen-45-superreiche-besitzen-so-viel-wie-die-halbe-deutsche-bevoelkerung-a-1189111.html .

Ändern liesse sich die ungleiche Vermögensverteilung vor allem über die Erbschaftssteuer. Das empfahlen schon die Berichterstatter im ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Passiert ist nichts!
Die Linke und z.T. auch Grüne (die die Ungleichverteilung mitzuverantworten haben) haben Änderungen (über die Steuergesetzgebung) im Programm. Wie die Grünen diese aber mit der CDU oder gar Jamaika erreichen wollen, bleibt ihr Geheimnis bis nach der Bundestagswahl. ;)

noam
25.11.2018, 10:07
Wobei ich die Erbschaftssteuer für ungerecht halte, da das erwirtschaftete Kapital ja bereits besteuert worden ist und damit einer zweifachen oder über mehrere Generationen mehrfachen Steuerlast unterliegt.

Ich fände es viel gerechter, Kapitalertrag ab einer bestimmten Summe sehr sehr hoch zu besteuern. Damit das "von alleine Vermehren" von Kapital ab einer bestimmte Höhe aufhört bzw. nicht nur dem Eigner zu Gute kommt.

Darüber hinaus, fände ich es gut, wenn man die "armen" steuerlich entlastet und die "reichen" stärker in die Pflicht nimmt.



Insgesamt würde ich mich auch hier freuen, wenn wir eine europäische Lösung anstreben würden, um die Steuerflucht ins europäische Ausland zu verhindern.


I
...auch Grüne (die die Ungleichverteilung mitzuverantworten haben) haben Änderungen (über die Steuergesetzgebung) im Programm. Wie die Grünen diese aber mit der CDU oder gar Jamaika erreichen wollen, bleibt ihr Geheimnis bis nach der Bundestagswahl. ;)

Die Grünen werden wohl die neue FDP. Der ultimative Koalitionspartner für regierungswillige, wenn man ihnen ein wenig entgegenkommt. Mir scheinen die Grünen sehr bereitwillig Kompromisse einzugehen, was ich einerseits begrüße, aber andererseits die Gefahr birgt, dass man das aufgibt, wofür man eigentlich steht.

merz
25.11.2018, 10:46
Qbz, Danke für den link, ich hatte den Artikel wohl schon wahrgenommen, aber irgendwie verdrängt

m.

qbz
25.11.2018, 12:10
Wobei ich die Erbschaftssteuer für ungerecht halte, da das erwirtschaftete Kapital ja bereits besteuert worden ist und damit einer zweifachen oder über mehrere Generationen mehrfachen Steuerlast unterliegt.

Ich fände es viel gerechter, Kapitalertrag ab einer bestimmten Summe sehr sehr hoch zu besteuern. Damit das "von alleine Vermehren" von Kapital ab einer bestimmte Höhe aufhört bzw. nicht nur dem Eigner zu Gute kommt.

Darüber hinaus, fände ich es gut, wenn man die "armen" steuerlich entlastet und die "reichen" stärker in die Pflicht nimmt.

Insgesamt würde ich mich auch hier freuen, wenn wir eine europäische Lösung anstreben würden, um die Steuerflucht ins europäische Ausland zu verhindern.


Die Einführung der einheitlichen Kapitalertragssteuer von 25 % für alle unter Rot-Grün begünstigte natürlich alle diejenigen mit höheren Steuersätzen, da sie vorher die Ertrage aus Wertpapieren zusammen mit dem Einkommen versteuert haben, d.h. sie wurden davor z.B. mit dem Spitzensteuersatz besteuert, anschliessend nur mit 25 %. Man bräuchte IMHO wieder eine proportionale Anpassung der Sätze bei der Kapitalertragssteuer an die Besteuerung der Einkommen.

Die höhere Besteuerung der Einkommen (incl. der Kapitalerträge) von Superreichen brächte allerdings nach Meinung der Volkswirtschaftler, die ich gelesen haben, keine wesentliche Änderung der extrem ungleichen Vermögensverteilung mehr (zu spät), solange man die Vermögen nicht mit in die Steuer einbezieht. Sie verweisen deswegen auf die Erbschafts- und Vermögenssteuer (ich glaube in DE abgeschafft).

Interessant finde ich die Frage, weshalb das Vermögen dieser kleinen Gruppe so stark im Verhältnis zur Mehrheit angewachsen ist innerhalb von ca. 25 Jahren? Das liegt nur zum Teil am Steuersystem (20-30 %), ein anderer Faktor ist die Lohnentwicklung, ein anderer wahrscheinlich auch wachsender Firmenbesitz bzw. das immer weniger sich immer mehr Anteile fremder Arbeit und Besitztümer aneigneten (wirtschaftliche Konzentrationsprozesse, Produktivitätswachstum etc.). (Fam. Quandt z.B.).

merz
25.11.2018, 12:55
70 Jahre ohne Krieg im Land hilft auch beim Imperiumsbau


m.

Helmut S
25.11.2018, 13:07
Die Menschen brauchen das jetzt bzw. in einem überschaubaren Zeitraum (bezahlbaren Wohnraum) innerhalb unseres Wirtschaftssystems,

Logisch brauchen die das jetzt. Welch eine Überraschung und welch grandioser Blick auf das Offensichtliche. Das hat man aber vor 10 Jahren auch schon gewusst bzw. wissen können. Aber wenn man sich die ganze Zeit um politisches Taktieren kümmert und um den Sport "Wahlen gewinnen" anstatt darum langfristig und zielorientiert Verbesserungen aus einem Guß für die Menschen zu schaffen, dann bleibt nur das von dir beschriebene reagieren anstatt agieren. Dann muss man halt von einem Problemherd zum nächsten wie aufgescheuchte Hühner rennen. Das ist EXAKT(!) das was ich kritisiere.

Wo ist im Thema Wohnraum das Thema Flächenverbrauch? Wo ist das Thema autonomes Fahren, dass ggf. den Flächenverbrauch durch Reduzierung der Verkehrsinfrastruktur berührt? Wo ist das Thema Digitalisierung, dass evtl. so Arbeiten wie das Bundestagsgebäude putzen (dein Beispiel) schlicht von Robotern erledigen lässt? Wo ist die Debatte über die Veränderung der Arbeitswelt? Wo ist das Thema BGE, dass es evtl. gar nicht notwendig macht in die Stadt zu gehen, wo man miese Arbeit für miesen Lohn machen muss? Wo ist die Bildungspolitik, die dazu führt, dass der Mensch nicht danach beurteilt wird, was er für einen Job und was für ein Gehalt hat. Wo ist die Steuerpoitik der Zukunft? Es gibt wahrscheinlich 1000 Themen die den Aspekt günstiger Wohraum mehr oder weniger stark berühren.

Freilich, wenn man all das verpennt hat und nun vor lauter Rennen fahren keine Zeit mehr hat zum Tanken, ja dann ... ist das Kind halt schon in den Brunnen gefallen und man hat nicht nur die Aufgabe die Zukunft zu gestalten, sondern auch noch die Brände zu löschen.

Sorry ... ich erwarte viel mehr von der Politik. Viel mehr.

NBer
25.11.2018, 13:23
.....Wo ist im Thema Wohnraum das Thema Flächenverbrauch? Wo ist das Thema autonomes Fahren, dass ggf. den Flächenverbrauch durch Reduzierung der Verkehrsinfrastruktur berührt? Wo ist das Thema Digitalisierung, dass evtl. so Arbeiten wie das Bundestagsgebäude putzen (dein Beispiel) schlicht von Robotern erledigen lässt? Wo ist die Debatte über die Veränderung der Arbeitswelt? Wo ist das Thema BGE, dass es evtl. gar nicht notwendig macht in die Stadt zu gehen, wo man miese Arbeit für miesen Lohn machen muss? Wo ist die Bildungspolitik, die dazu führt, dass der Mensch nicht danach beurteilt wird, was er für einen Job und was für ein Gehalt hat. Wo ist die Steuerpoitik der Zukunft?......

das problem ist, dass all diese themen seit 2 jahren vom überthema nr.1 erstickt werden, welches im prinzip gar kein vordergründiges thema sein müsste, welches aber von 1-2 parteien dankbar wie eine sau durchs dorf getrieben wird, um von den eigentlichen problemen (siehe dein posting) abzulenken.

ThomasG
25.11.2018, 19:41
Später - so gegen 12 Uhr beginnt eine Sendung, in der es um Hartz-IV gehen soll.
Ich schaue sie mir sehr wahrscheinlich erst danach irgendwann an.
Hier ein paar Infos dazu:

"An Hartz IV scheiden sich bis heute die Geister: Die einen sehen darin den Garanten für den beispiellosen Wirtschaftsboom in Deutschland, für die anderen ist es der Totengräber unseres Sozialsystems. Jetzt kommt wieder Bewegung in die Debatte – und zwar ausgerechnet von den Parteien, die die Grundsicherung zu Beginn der 2000er Jahre eingeführt haben. Sowohl SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen wollen sie hinter sich lassen."

Quelle: https://www1.wdr.de/daserste/presseclub/sendungen/hartz-vier-116.html?fbclid=IwAR3GQrouItbKGVtoCk1ECCFVA0V0_Zdd rbh_hwfLxxSXB0bi4lWwC4w6QRw

"Der Presseclub ist eine aktuelle Diskussionssendung, in der das jeweils wichtigste politische Thema der Woche aufgearbeitet wird." heißt es, wenn man das Feld "Informationen zur Sendung angeklickt hat.

Quelle: https://www1.wdr.de/daserste/presseclub/ueberuns/diesendung100.html

Das Thema wird also entsprechend vom Öffentlich-rechtlichen Fernsehen eingeodnet, was ja durchaus sehr erfreulich ist.

Auf WDR 5 hat man gleich im Anschluß an die Sendung die Möglichkeit mit den Journalisten zu diskutieren.
Das nennt sich dann "Presseclub nachgefragt" und wird von Phoenix übertragen.

Quelle: https://www1.wdr.de/daserste/presseclub/ueberuns/nachgefragt100.html

Schönen Sonntag!
Man kann sich inzwischen die Sendung über die Mediathek anschauen.
https://www.ardmediathek.de/tv/Presseclub/Streit-um-Hartz-IV-Brauchen-wir-ein-ne/Das-Erste/Video?bcastId=311790&documentId=58046804
Das mache ich jetzt gleich.

Schönen Abend!

ThomasG
25.11.2018, 21:04
Man kann sich inzwischen die Sendung über die Mediathek anschauen.
https://www.ardmediathek.de/tv/Presseclub/Streit-um-Hartz-IV-Brauchen-wir-ein-ne/Das-Erste/Video?bcastId=311790&documentId=58046804
Das mache ich jetzt gleich.

Schönen Abend!
Ich habe mir das komplett angesehen und angehört inklusive der nachfolgenden Nachgefragt-Sendung und fand das sehr gelungen.
Die Moderation war Klasse!
Die Diskutanten haben für ein angenehmes Diskussionsklima gesorgt und die Zuschauer haben interessante Fragen gestellt und ihre Anmerkungen waren auch richtig gut.
So etwas bekommt man zur sogenannten Primetime also um 20:15 Uhr oder so äußerst selten zu sehen und zu hören.
Da geht es oft mehr darum sich gegenseitig fertig zu machen, vorzuführen oder auf Kosten anderer zu punkten als um das Thema an sich meiner Erfahrung nach wenigstens.

qbz
26.11.2018, 12:15
......
Es gibt wahrscheinlich 1000 Themen die den Aspekt günstiger Wohraum mehr oder weniger stark berühren.
.......
Sorry ... ich erwarte viel mehr von der Politik. Viel mehr.

Ich erwarte auch viel mehr von der Politik, natürlich, vor allem im Bereich der Steuerung und Regulierung. Mit der heutigen Informationstechnologie liesse sich gerade öffentliche Planung ganz anders und schnell realisieren. Dass noch 1000 Themen den Aspekt X, in dem Fall günstigen Wohnraum, mitbetreffen und in der Gesellschaft "alles mit allem zusammenhängt" ;) , wer sollte da widersprechen. Wer hingegen von X, sei es Entmietung, Mietendruck, Hartz IV Sanktionen, Mindestlohn, Niedriglohn, prekären Arbeitsverhältnissen direkt betroffen ist, wäre froh, wenn X auch ohne die anderen A-Z´s lieber heute als morgen gelöst würde auf dem Weg in die Zukunft :)

trithos
26.11.2018, 13:43
Wobei ich die Erbschaftssteuer für ungerecht halte, da das erwirtschaftete Kapital ja bereits besteuert worden ist und damit einer zweifachen oder über mehrere Generationen mehrfachen Steuerlast unterliegt.

Ich fände es viel gerechter, Kapitalertrag ab einer bestimmten Summe sehr sehr hoch zu besteuern. Damit das "von alleine Vermehren" von Kapital ab einer bestimmte Höhe aufhört bzw. nicht nur dem Eigner zu Gute kommt.

Darüber hinaus, fände ich es gut, wenn man die "armen" steuerlich entlastet und die "reichen" stärker in die Pflicht nimmt.


Ich kann Deinem Argument gegen die "Doppelbesteuerung" oder "Mehrfachbesteuerung" durchaus etwas abgewinnen.

Mich stört allerdings, dass Dieses Argument in der politischen Diskussion fast ausschließlich gegen eine Erbschafts- und/oder Vermögenssteuer verwendet wird. In anderen Lebensbereichen hingegen wird fröhlich doppelt besteuert - ohne, dass es irgendwen juckt.

Ein plakatives Beispiel (zugegebenermaßen aus Österreich, wird aber wohl in Deutschland ähnlich sein): Man tankt um sein sauer verdientes und versteuertes Geld (Steuer 1 = Einkommenssteuer) den Wagen voll und zahlt dann den Grundpreis mit Mineralölsteuer (Steuer 2) und Mehrwertsteuer (Steuer 3).

Außerdem stellt sich grundsätzlich die Frage, ob man Doppelbesteuerung aus Sicht des Kapitals oder aus Sicht des Menschen definiert.

Aus Sicht des Kapitals ist eine Erbschaftssteuer natürlich Doppelbesteuerung. Aus Sicht des Individuums aber nicht. Wenn ich von meinem Vater eine Million erben würde, habe ich dafür noch genau keine Steuer bezahlt (das hat nämlich mein Vater getan), wohingegen ich damit einen Vermögenszuwachs von einer Million habe.

Wenn ich mir den Vermögenszuwachs von einer Million selbst erarbeiten müsste, würde ich vermutlich ca. 2 Millionen verdienen müssen, damit mir dann eine Million tatsächlich übrig bleibt.

Wenn ich hart arbeite, nimmt sich der Staat die Hälfte. Wenn ich viel erbe, darf ich alles behalten. Das widerspricht meinem Gerechtigkeitsgefühl. Ich würde also tatsächlich für Vermögens- und Erbschaftssteuern plädieren, WENN im Gegenzug die Besteuerung von Arbeitseinkommen gesenkt wird.

Dass das derzeit politisch realistisch ist, bezweifelt selbst ein notorischer Optimist wie ich - aber man wird ja noch träumen dürfen :)

Helmut S
26.11.2018, 15:40
Wer hingegen von X, sei es Entmietung, Mietendruck, Hartz IV Sanktionen, Mindestlohn, Niedriglohn, prekären Arbeitsverhältnissen direkt betroffen ist, wäre froh, wenn X auch ohne die anderen A-Z´s lieber heute als morgen gelöst würde auf dem Weg in die Zukunft :)

Das ist richtig. Aus diesem Grunde schrieb ich:

[...] ist das Kind halt schon in den Brunnen gefallen und man hat nicht nur die Aufgabe die Zukunft zu gestalten, sondern auch noch die Brände zu löschen

Diese unglückseelige Situation darf freilich nicht a) Rechtfertigung dafür sein, weiter nur zu agieren anstatt zu reagieren b) Grund sein zu glauben, die Politik der vereinzelten Maßnahmen wäre zukunfstfähig c) in einen Zustand führen, in dem wir kritiklos in die Zukunft treiben, während die Politiker weiterhin versuchen im großen Rattenfängerspiel der maximalen Inkompetenz "Stimmen zu gewinnen". :Blumen:

Helios
26.11.2018, 18:40
................
Wenn ich hart arbeite, nimmt sich der Staat die Hälfte. Wenn ich viel erbe, darf ich alles behalten. Das widerspricht meinem Gerechtigkeitsgefühl. Ich würde also tatsächlich für Vermögens- und Erbschaftssteuern plädieren, WENN im Gegenzug die Besteuerung von Arbeitseinkommen gesenkt wird.
..........


Servas - bei Euch in Österreich wurde die Erbschaftssteuer ja abgeschafft - deshalb gehen ja unsere betuchten Oldies zu Euch.

Bei uns in der BRD gibt es ca. 6 Mio Hartz4 Empfänger (nach der Presseclub-Sendung) - mich interessieren aber mehr die Leute im Spitzensteuersatz, davon soll es derzeit 3 Mio geben (bei einem 80 Mio Volk) - man kommt da "rein" ab (ich mein) 54' zu versteuerndes Einkommen p.a. in der Grundtabelle (solo) oder zusammenveranlagt (Ehepaar) ab 108' p.a. - schaut man sich das Steueraufkommen an, dann macht das mehr Sinn, dafür zu sorgen, dass diese Zahl sich verdoppelt, anstatt die Ausgaben ;)

Vor einem Jahr wurde ich beim Friseur aufmerksam gemacht, dass die und die verstorben sei und ob ich wüsste, wem denn das Häuschen zukommen würde. Ohne nähere Prüfung spontan war meine Antwort: der Verwandschaftsgrad ist zuweit weg, das müsste 50% Erbschaftssteuer sein - ich hätte bei sowas kein Interesse, da ist mir meine Zeit zu schade und dann noch fürs Finanzamt die Kartoffeln aus dem Feuer holen?? äiii gehts noch.

So eine Pulsuhr kann man klasse als Emotionswächter benutzen :) - also wie reagiere ich bei welchen Erbschaftssteuerzahlungen, weil das Vermögen ja erstmal erwirtschaftet werden muss und ab wann macht es für mich keinen Sinn mehr zu sparen - sondern eher zu prassen.

Machts mir was aus, wenn nach meinem Ableben 10' € von meinen Erben ans Finanzamt bezahlt werden müssen?? (das Geld wird wohl aus dem Erbe bestritten, wird also von mir weggespart ;) )

Puls bleibt - keine Reaktion.

Gleiches Spiel mit 100'€ - Puls bleibt - keine Reaktion (bin erstaunt, da hätte ich schon eine Reaktion erwartet)

bei 1 Mio € - Pulsuhr spinnt (jetzt isse hin) - rechnet man das um, würde das ein Vermögen von 6 Mio € zu Grunde liegen, um die Mio fürs Finanzamt zu triggern (Puls beruhigt sich gar nicht mehr - jetzt muss ich aber aufhören mit dem Quatsch)

edit: - Puls ist wieder bei 72 - von 127 - alles im Sitzen

ThomasG
26.11.2018, 22:03
Gestern Abend wurde bei Anne Will das Thema "Arbeitswelt im Wandel - wie muss der Sozialstaat reformiert werden?" diskutiert wie ich eben erst erfahren habe.
Man kann sich die Sendung momentan noch über die Mediathek anschauen (https://www.ardmediathek.de/tv/Anne-Will/Arbeitswelt-im-Wandel-wie-muss-der-Soz/Das-Erste/Video?bcastId=328454&documentId=58060044).
Wenn ich nicht zu müde werde, sehe ich sie mir jetzt an.

Schönen Abend!

qbz
26.11.2018, 22:43
Gestern Abend wurde bei Anne Will das Thema "Arbeitswelt im Wandel - wie muss der Sozialstaat reformiert werden?" diskutiert wie ich eben erst erfahren habe.
Man kann sich die Sendung momentan noch über die Mediathek anschauen (https://www.ardmediathek.de/tv/Anne-Will/Arbeitswelt-im-Wandel-wie-muss-der-Soz/Das-Erste/Video?bcastId=328454&documentId=58060044).
Wenn ich nicht zu müde werde, sehe ich sie mir jetzt an.

Schönen Abend!

ich sah mir die Sendung mal ausnahmsweise an, weil mich das Thema und die Meinung zweier Gäste interessierte.

Helmut S
26.11.2018, 22:45
Dort wurde der übliche Fehler bzgl des BGE gemacht. Alle diskutieren das BGE vor dem Hintergrund der AKTUELLEN Gesellschaft als MASSNAHME zur Verbesserung. Das ist der übliche, alte Ansatz, der funktioniert aber nicht. Das führt höchstens zu dem kleingeistigen, deutschen Reflex: Wer soll das bezahlen?

Das BGE ist aus meiner Sicht keine Maßnahme zur Verbesserung, sondern eine notwendige Konsequenz für eine Gesellschaft in der Zukunft die aus Verbesserungen entsteht. Bevor man das BGE tatsächlich einführen kann, muss aber noch ein Arbeit getan werden, damit diese Gesellschaft erreicht wird. Bildungspolitik ist die Basis für alles. Der Wert des Menschen in der Gesellschaft mus von der Anstellung und dem Einkommen entkoppelt werden. Es muss ein Zustand erreicht werden, in dem es völlig normal ist, dass eine große Zahl von Bürgern wenigsten eine längere Zeit nicht lohnabhängig arbeitet. Dann sind wir reif dafür. Der nächste Meilenstein der gesellschaftlichen Errungenschaften ist die - wenigstens größtenteils - Befreiung vom Zwang zur lohnabhängiger Arbeit :Blumen:

ThomasG
26.11.2018, 23:13
ich sah mir die Sendung mal ausnahmsweise an, weil mich das Thema und die Meinung zweier Gäste interessierte.
Ich habe zwar schön öfter gehört oder gelesen, dass Sahra Wagenknecht von der Grundidee bedingungsloses Grundeinkommen nicht so begeistert ist, aber bis vor ein paar Minuten hatte ich das noch nie von ihr selbst erfahren.
Hoffentlich entstehen da in den nächsten Jahren keine Gräben innerhalb der Linken und damit meine ich nicht unbedingt die Partei, sondern Menschen, die politisch entsprechende Überzeugungen in sich tragen.
Da wäre dann die Gefahr ziemlich groß, dass sich die Flügel gegenseitig ziemlich schaden.
Mir ist Sahra Wagenknecht sehr sympathisch, soweit ich das halt beurteilen kann und da nehme ich halt Aussagen, die ich von ihr gehört oder gelesen habe als Maßstab.
Katja Kippings Aussagen und Worte haben mir auch schon relativ oft (so intensiv beschäftige ich mich ja nicht mit Politik bzw. politischen Themen) ziemlich gut gefallen.
Sie ist der Idee bedingungsloses Grundeinkommmen ja sehr viel aufgeschlossener.
Da habe ich dann schon gehört zumindest andeutungsweise die beiden würden sich gar nicht so arg mögen bzw. wären sozusagen Rivalen.
Das fände ich sehr schade.
Na - jetzt schaue ich mir den Rest auch noch an.
Ich bin zwischendurch glaube ich mal kurz weggetreten und habe eine Passage nicht mitbekommen.
Das lag aber wohl auch daran, dass ich ziemlich viel gegessen habe.

Gute Nacht dann!

Nachtrag: Gegen Ende der Sendung kam vielleicht ein kleiner Seitenhieb von Sahra Wagenknecht.
Sinngemäß meinte sie etwa, dass ein kurz umrissenes Konzept zur Finanzierung eines BGE ja keins der Linken sei, sondern eins von einzelnen Linken.
Wer es sich selbst anhören will, sollte sich das Video nach rund 52 Minuten Spielzeit starten lassen.
Sie hat das etwas unterdückt und schnell, aber auch "untermalt" mit einem etwas kühlen Lächeln gesagt, würde ich sagen.

ThomasG
27.11.2018, 06:32
Ich möchte gerne kurz meine Gedanken zur Diskussion hier und in den in ihr erwähnten Sendungen und Artikel beschreiben:
Es ist wohl ersichtlich, dass eine isolierte Diskussion zum Thema Hartz 4 kaum gelingt.
Das liegt einfach daran, dass hinter Hartz 4 ein wesentlich tiefergehenderes und wesentlich mehr Leute betreffendes Problem steckt.
Die soziale Absicherung in unserer Gesellschaft hat seit einiger Zeit abgenommen und droht noch mehr abzunehmen und das trotz Wirtschaftsboom.
Für diesen Boom haben wir einen Preis zahlen müssen.
Die einen mehr im übertragenen Sinne.
Die anderen knallhart direkt und alltäglich spürbar in ihrem Leben und das ihre Familie.
Andere kämpfen ziemlich verbissen, dass sie eben nicht sozial absteigen und darunter leidet nicht nur ihre Lebensfreude, sondern darunter leidet auch ihr Familienleben insbesondere das ihrer Kinder.
"Angst essen Seele auf" heißt ein Film von Werner Fassbinder, den ich zwar nie vollständig gesegen habe (solllte ich vielleicht endlich mal ändern), aber das ist irgendwie ein gelungener Titel finde ich.
Diese Angst schadet auch sehr dem gesellschaftlichen Klima, in dem wir alle leben.
Eine Bevölkerungsgruppe kann schnell und recht einfach gegen eine andere ausgespielt werden und das geschieht und nicht zu knapp.
Wir brauchen auf lange Sicht umfassende, intelligente, weitsichtige, menschliche Konzepte für die ganzen Probleme, die sich da schon ziemlich lange immer mehr antürmen und von denen uns bisher nur die ersten Ausläufer erreicht haben.
Da meine ich die Menschen, die hier Leben können.
Andere hat der eiskalte Wind längst erreicht und sie bezahlen den Preis für den unerhörten und unanständigen Reichtum weniger.
Aber auch diese Menschen (die Reichen) sind auf lange Sicht vor allem kaum zu beneiden, denn sie werden immer drastischere Mittel anwenden müssen ihren Reichtum zu verteidigen und immer mehr Folgeelend verdrängen müssen, wenn es auf dem Planeten so weitergeht.
Den Betroffenen hilft es, wenn besonders große Unrechte einfach abgeschafft werden, wie z.B. die Möglichkeit Menschen zu sanktionieren und ihnen von dem, was man eigentlich als Minimum sieht, was an einem Menschen hier an finanziellen Mitteln zustehen sollte, was wegnehmen kann.
Selbst wenn letztlich sehr wenigen das genau passiert, hat dieses Drohmittel Auswirkungen auf viele Menschen.
Es steigert ihre Ängste.
Es nimmt ihnen ihr Sicherheitsgefühl, wenn sie es den jemals hatten.
Die Aussagen von Sahra Wagenknecht in Bezug auf die BGE-Konzepte (siehe die letzte Sendung von Anne Will ab Minute 52 etwa: https://www.ardmediathek.de/tv/Anne-Will/Arbeitswelt-im-Wandel-wie-muss-der-Soz/Das-Erste/Video?bcastId=328454&documentId=58060044) nehme ich ernst.
Es soll hier eigentlich um Hartz 4 gehen, aber das geht halt einfach praktisch nicht, weil es nur das Symptom eines tieferen Problems ist.
Man landet fast automatisch eben anderswo thematisch, wenn man etwas intensiver darüber nachdenkt.
Zu denken gibt auch mir, wenn es Befürworter eines BGE gibt, die wirtschaftsliberale Ansichten teilen oder für gut erachten.
Mir fallen gerade kein besseren Worte ein.
Ich hoffe, es ist verständlich, was ich damit meine.
Und diese Leute gibt es ja durchaus.

Angenehmen Tag allerseits!

keko#
27.11.2018, 07:23
Ich hoffe, es ist verständlich, was ich damit meine.
Und diese Leute gibt es ja durchaus.

Angenehmen Tag allerseits!

ThomasG, was du beschreibst, sind die Auswüchse der neoliberalen Agenda, die seit vielen Jahren läuft und nun langsam auch vermehrt in Deutschland ankommt. Das sind keine Zufälle oder politische Misserfolge, sondern ist politisches Kalkül und dient letztendlich nur dem Vermehren von Reichtum und Macht weniger. Längst ist das alles erforscht, dokumentiert und für Jedermann in Beststeller-Büchern zu lesen. Auch Lösungsvorschläge gibt es dazu, allerdings wird die neoliberale Ideologie als Naturgesetz verkauft und ist mittlerweile erfolgreich und quasi unhinterfragt in fast jeder Ecke und jedem Kopf des Lebens angekommen. Wie so oft wird nur an Symptomen herumgedoktert statt die Ursachen zu bekämpfen, denn das würde einige unangenehme Fragen aufwerfen und mächtigen Leuten wehtun. Und während der Arbeitende die Schuld beim Hartzer sucht (oder umgekehrt - oder der Hartzer bei sich selbst) und der Deutsche beim Asylanten (oder umgekehrt), wird der Reiche immer reicher und der Mächtige immer mächtiger. Divide et impera!

ThomasG
27.11.2018, 19:49
Das werde ich mir später mal durchlesen:
"„Neoliberal“ – was ist das?" https://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/090923_m_neoliberal_kurz_text.pdf

Man muss dem Feind tief in die Augen blicken ;-)!

Nachtrag:

"Der Untergang des Sowjetreiches war auch das Ende des Kommunismus. Das einzig funktionierende Wirtschaftssystem sei der Kapitalismus – dachten viele. Spätestens seit der Finanzkrise 2007 scheint diese These mehr als fraglich. In dieser Dokumentation reflektieren mehr als 20 prominente Mitwirkende aus dem Bereich Wirtschaftstheorie die Entwicklung seit 2008 und hinterfragen die wirtschaftspolitischen Denker aus der Geschichte des Kapitalismus."
https://programm.ard.de/TV/arte/der-kapitalismus/eid_28724207537072
https://info.arte.tv/de/die-doku-reihe-zum-thema-kapitalismus

"Der Kapitalismus - Arte Doku Teil 1"
https://www.youtube.com/watch?v=BPqK_sh35zA

Morgen oder so geht`s weiter.
"Der Kapitalismus - Arte Doku Teil 2
" https://www.youtube.com/watch?v=hDw85kcfCLQ

Insgesamt gibt es sechs Folgender Arte Doku zum Thema Kapitalismus.
Sie dauern jeweils rund 50 Minuten.
Alle werde ich mir wahrscheinlich nicht anschauen.

Mich interessiert besonders Folge 2.
In der Beschreibung (https://info.arte.tv/de/die-doku-reihe-zum-thema-kapitalismus) ist hier u.a. zu lesen:
"In dem Bestreben, das Werk zum ökonomischen Testament zu erheben, wurden die sozialpolitischen Überlegungen von Adam Smith einfach außer Acht gelassen."

Folge 3 werde ich mir danach wahrscheinlich nich ansehen, sondern Folge 4.
Neugierig hat mich folgende Aussage in der Beschreibung zur Doku gemacht:
"Ist Marx‘ Kapitalismusanalyse nicht weiterhin eine der scharfsinnigsten Auseinandersetzungen mit der modernen Welt überhaupt?"

Wenn ich dann noch genug Ausdauer habe und Lust mich mit der Dokumentation auseinanderzusetzen, werde ich wahrscheinlich Folge 5 auslassen und direkt zur letzten Folge übergehen.
Nachfolgende Anmerkung zu ihr hat mein Interesse geweckt:
"Polanyis Untersuchungen über die antiken Gesellschaften der Sumerer und Babylonier können aufschlussreiche Erkenntnisse über die Welt nach 2008 liefern, in der sich verschuldete Staaten totsparen müssen und demokratisch gewählte Volksvertreter den anonymen Entscheidungen der Finanzmärkte machtlos ausgeliefert sind."

Noch ein Nachtrag:

Ich habe mir jetzt die ersten vier Teile der Doku angeschaut und will mir auch noch die letzten beiden ansehen.
Wer sich intensiver mit Marx beispielsweise beschäftigt hat, für den ist sie sicher nicht so reizvoll, aber für andere ist sie sicher sehr gut als Einstieg in solche Themengebiete geeignet.
Natürlich kann sie nicht das, was ein (dickes) sachkundiges Buch kann, aber der ein oder anderen wird, nachdem er sie gesehen hat, bestimmt Lust dazu bekommen mal wieder was zu lesen.
Das ist halt schon anstrengender.

Letzter Nachtrag (hoffentlich ;-)!):

Jetzt habe ich mir alle Teile der Dokumentation angesehen.
Einige Passagen habe ich nicht so intensiv mitbekommen.
Nicht weil sie mich gelangweilt hätten, sondern weil ich nach dem Abendessen oft ziemlich müde werde.
Ich empfand die Doku tendenziell von Teil zu Teil immer interessanter, weil es um immer aktuellere Ereignisse ging.

Gute Nacht allerseits!!

ThomasG
11.12.2018, 03:29
Zitat:

Die Idee: 250 Probanden im Hartz-IV-Bezug bekommen über einen Zeitraum von drei Jahren die Garantie, dass jegliche Regelsatzsanktion, jegliche Kürzung, vom Verein „Sanktionsfrei“ ausgeglichen wird – bedingungslos und unbürokratisch. Eine Vergleichsgruppe von ebenfalls 250 Menschen bezieht in demselben Zeitraum unverändert Hartz IV – ohne Garantie.

Alle drei Monate beantworten die Probanden Fragebögen, geben Auskunft über den Zustand ihrer sozialen Beziehungen, ihrer Gesundheit und ihrer Arbeitssituation. „Wir wollen herausfinden, wie sich Sicherheit tatsächlich auf die Menschen auswirkt“, sagt Helena Steinhaus. Sie geht jedoch fest davon aus, dass die Gruppe der „Hartzplus“-Bezieher, wie sie das sanktionslose Modell nennt, in allen Bereichen besser abschneiden werde.

Zitatende

Quelle: http://www.fr.de/wirtschaft/sanktionsfrei-hartz-iv-ganz-ohne-sanktionen-a-1633945


"Es werden zwar nur wenige wirklich sanktioniert, aber alle stehen durch die Androhung unter permanentem Druck. Das hängt wie ein Damoklesschwert über ihnen."

Helena Steinhaus


Quelle: http://www.fr.de/wirtschaft/sanktionsfrei-hartz-iv-ganz-ohne-sanktionen-a-1633945

DocTom
11.12.2018, 03:47
Bist Du mit diesem Werk schon durch:
https://www.amazon.de/Das-Kapital-politischen-Ökonomie-Gesamtausgabe/dp/3963180005/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1544496407&sr=1-2&keywords=karl+marx-das+kapital ?
(...und ausgerechnet ein amazon Link) :Cheese:

ThomasG
11.12.2018, 03:59
Bist Du mit diesem Werk schon durch:
https://www.amazon.de/Das-Kapital-politischen-Ökonomie-Gesamtausgabe/dp/3963180005/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1544496407&sr=1-2&keywords=karl+marx-das+kapital ?
(...und ausgerechnet ein amazon Link) :Cheese:
Ich habe noch nicht einmal angefangen darin zu lesen :o.
Drei dicke Wälzer.
Der Mann hatte Ausdauer und Durchhaltevermögen.
Ich ja teilweise auch, nur leider nicht unbedingt so arg in Bezug auf Lesen.
Das Fernsehen hat mich versaut, fürchte ich.*
In meiner Kindheit und Jugend ( gut - ergänzen wir mal späten Jugend für ewige Schüler zieht die sich ja manchmal ganz schön gewaltig in die Länge ;-)) habe ich schon viel Zeit vor der Glotze verbracht oder sie lief im Hintergrund.
Immerhin habe ich aber sehr häufig Talkshows gesehen und die waren recht oft schon ganz gut.
Live aus dem Schlachthof zum Beispiel.
Die kam glaube ich immer freitags um 19 Uhr.
Da kam ab und zu so ein kleines Filmchen über Ernst Eiswürfel, was ich ganz lustig fand :-).
Das waren halt noch Zeiten :-)!

https://www.youtube.com/watch?v=w-idH7TQu8c
https://www.youtube.com/watch?v=5juvinZ3sto
https://www.youtube.com/watch?v=adyH7KTvaHo

Nachtrag:

Zum Teil hieß die Sendung auch "Live aus dem Alabama".
Ich sah aber fast immer nur "Live aus dem Schlachthof"
Schon ganz amüsant mal zu sehen wie einige, die später - man könnte bösartig behaupten zum Establishment gehörten - damals so drauf waren und wie sie sich gegeben haben.
Michaela Haas :Liebe: :Liebe: :Liebe:
https://www.youtube.com/watch?v=O4njTmN-hLk
* https://www.youtube.com/watch?v=4HLAfX1Xtwk
* https://www.youtube.com/watch?v=yu5OlZ_7EB8

qbz
11.12.2018, 11:52
Bist Du mit diesem Werk schon durch:
https://www.amazon.de/Das-Kapital-politischen-Ökonomie-Gesamtausgabe/dp/3963180005/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1544496407&sr=1-2&keywords=karl+marx-das+kapital ?
(...und ausgerechnet ein amazon Link) :Cheese:

Der Verlag ist in dem Fall "Zweitausendundeins", Versender Amazon.

Es gibt das Kapital, Band I-III auch Online! Die meisten lesen nur Band I, der die Grundlagen und Entstehung der kapitalistischen Produktion behandelt. Das Buch alleine zu lesen, finde ich auch schwierig. Wir beschäftigten uns mit dem ersten Band kapitelweise in einer AG an der Uni im Grundstudium.

Online-Ausgabe (entspricht der MEW, Band 23.):
http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_000.htm

und die Online-Gesamtausgabe von Karl Marx/Friedrich Engels:
http://www.mlwerke.de/me/default.htm

ThomasG
11.12.2018, 19:56
Der Verlag ist in dem Fall "Zweitausendundeins", Versender Amazon.

Es gibt das Kapital, Band I-III auch Online! Die meisten lesen nur Band I, der die Grundlagen und Entstehung der kapitalistischen Produktion behandelt. Das Buch alleine zu lesen, finde ich auch schwierig. Wir beschäftigten uns mit dem ersten Band kapitelweise in einer AG an der Uni im Grundstudium.

Online-Ausgabe (entspricht der MEW, Band 23.):
http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_000.htm

und die Online-Gesamtausgabe von Karl Marx/Friedrich Engels:
http://www.mlwerke.de/me/default.htm
Danke :-)!
Da werde ich in ein paar Minuten mal schauen, ob es da ein Kapitelchen gibt, was ich mir heute Abend noch durchlesen könnte.

Nachtrag:

Irgendwie ist das recht schwer für mich zu lesen.
Vielleicht war ich aber auch nicht wach und fit genug, als ich es kurz mal an mehreren Stellen versucht habe.
Gestern Abend habe ich mir dann letztlich doch lieber noch einen weiteren Vortrag angeschaut von Prof. Mausfeld (die ersten knapp 45 Minuten seines Vortrages im Rahmen der Pleisweiler Gespräche).
Da fällt es mir viel leichter den Worten zu folgen.

ThomasG
11.12.2018, 20:02
Freut mich, dass die Gewerkschaftler sich auch an der Debatte beteiligen :-).
Ich habe den Artikel bis auf die ersten paar Zeilen noch nicht gelesen, aber das hole ich im Laufe des Abends noch nach.

Zitat:

Nach Grünen und SPD spricht sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für eine umfassende Reform des Hartz-IV-Systems aus. Ein zentrales Ziel müsse dabei sein, dass Erwerbstätige künftig nicht mehr so schnell in Hartz IV abrutschen wie bisher, heißt es in einem Positionspapier, das ZEIT ONLINE exklusiv vorliegt.

Zitatende

Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-12/grundsicherung-harztiv-gewerkschaften-reformkonzept-sozialhilfe

qbz
11.12.2018, 22:29
Freut mich, dass die Gewerkschaftler sich auch an der Debatte beteiligen :-).
Ich habe den Artikel bis auf die ersten paar Zeilen noch nicht gelesen, aber das hole ich im Laufe des Abends noch nach.

Zitat:

Nach Grünen und SPD spricht sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für eine umfassende Reform des Hartz-IV-Systems aus. Ein zentrales Ziel müsse dabei sein, dass Erwerbstätige künftig nicht mehr so schnell in Hartz IV abrutschen wie bisher, heißt es in einem Positionspapier, das ZEIT ONLINE exklusiv vorliegt.

Zitatende

Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-12/grundsicherung-harztiv-gewerkschaften-reformkonzept-sozialhilfe

Die bei der Einführung von Hartz IV beschlossene zeitliche Kürzung des Arbeitslosengeldes I auf max. 12 Monate war von Anfang an ein zentraler Kritikpunkt der Gewerkschaften und der Linken. Insofern erstaunt mich die jetzige DGB Forderung nach der zeitlichen Verlängerung des Arbeitslosengeldes I nicht und finde sie auch sehr sinnvoll.

ThomasG
12.12.2018, 02:07
Die bei der Einführung von Hartz IV beschlossene zeitliche Kürzung des Arbeitslosengeldes I auf max. 12 Monate war von Anfang an ein zentraler Kritikpunkt der Gewerkschaften und der Linken. Insofern erstaunt mich die jetzige DGB Forderung nach der zeitlichen Verlängerung des Arbeitslosengeldes I nicht und finde sie auch sehr sinnvoll.
Ja das wäre was, wenn letztlich Grüne, SPD und die Gewerkschaften stark an der Abschaffung der Hartz-IV-Gesetze beteiligt sein und dafür menschlichere und gerechtere Gesetze in Kraft treten werden würden.
Für den Fall, dass sich das dann so würde entwickelt haben können, weil es die Verhältnisse einfach zuließen, so dass es nur recht wenig Widerstand gegeben haben würde, dann wäre das trotzdem sehr erfreulich.
Etwas weniger Unrecht auf diesem Planeten ist auf jeden Fall sehr viel wert, auch wenn sich die Verhältnisse nicht grundlegender ändern, sondern es dazu gekommen ist, weil man bereit war Zugeständnisse zu machen, mit dem Ziel letztlich die eigene Position zu stärken und nicht unbedingt, weil man einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und Humanität leisten wollte.
(Ganz schön krank, wenn man so denkt ;-)?
Kann gut sein ;-)!)
Ich glaube inzwischen, dass die Zeichen der Zeit ziemlich eindeutig darauf hinweisen, dass es zu einer Wende kommen soll bzw. wird.
Mir scheint der Boden dafür wird bereitet, indem man gehäuft entsprechend darüber spricht und zwar so, dass es ein sehr großer Teil der hier lebenden Menschen mitbekommt.
:-O https://www.youtube.com/watch?v=EoN6fgfmzCQ :-O
(wtf :-O? ;-))

Nachtrag:

Jetzt weiß ich endlich, an was mich das Gespräch der beiden feschen Jungs in den noblen Klamotten und den dazu passenden Frisuren erinnert ;-):
"Guter Bulle - schlechter Bulle!"
Vielleicht bin ich aber einfach nur zu krank.

qbz
14.12.2018, 11:40
Ich setze das mal hier rein, den Link auf die Presseerklärung zum Armutsbericht 2017 des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und des DGB. Der Bericht zeigt, dass nur ein kleiner Teil der von Armut betroffenen Menschen von Hartz IV leben. Die meisten arbeiten als Geringverdiener und Mindestlöhner. Es braucht insofern neben einer Veränderung von Hartz IV noch andere Reformen, um die Armut sinnvoll zu bekämpfen.
https://www.der-paritaetische.de/presse/armutsbericht-2018-paritaetischer-korrigiert-falsche-bilder-der-armut-und-fordert-neue-armutspolitik/

"Ein Drittel der erwachsenen Armen in Deutschland ist erwerbstätig, jede*r vierte arme Erwachsene ist in Rente oder Pension und nur ein Fünftel ist arbeitslos, so nur einer der vielen brisanten Befunde des aktuellen Armutsberichts des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Der Verband, für den die Paritätische Forschungsstelle mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels (DIW) gerechnet hat, legt mit dem Bericht eine aktuelle Bestandsaufnahme der Armut in Deutschland vor. Ein Novum ist, dass der Bericht unter anderem erstmals der Frage nachgeht, wer die rund 13,7 Millionen Menschen, die in Deutschland in Armut leben, faktisch sind. Er räumt dabei mit diversen Klischees und Vorurteilen auf. So trifft offenbar auch die gängige Formel, Bildung allein schütze vor Armut, nicht zu: Wie die Analyse des Paritätischen zeigt, weisen fast drei Viertel der ab 25-jährigen Armen ein mittleres oder sogar hohes Qualifikationsniveau auf.
.........
Angesichts der Befunde fordert der Paritätische eine Neujustierung der Armutspolitik, die künftig deutlich breiter verstanden und ausgerichtet sein müsse. „Die Bekämpfung von Kinderarmut und insbesondere der Armut unter Alleinerziehenden, Arbeitslosen und Migranten ist mitnichten obsolet oder zweitrangig. Klar ist jedoch auch: Die armutspolitische Agenda muss deutlich breiter werden. Armut wird niemals in der Breite bekämpft werden können, ohne entsprechende Reformen in der Alterssicherung, ohne eine anspruchsvolle Arbeitsmarkt- und Mindestlohnpolitik und ohne einen Familienlastenausgleich, der arbeitende Eltern zuverlässig vor Armut schützt“, fordert Schneider."

ThomasG
14.12.2018, 18:36
Vielen Dank für den Hinweis auf den Armutsbericht 2018 und Deine kurze Zusammenfassung dessen, was die Autoren aus ihm abgeleitet haben.

Den Artikel zum Bericht habe ich gelesen und habe mir dafür sogar ungewöhnlich viel Zeit gelassen.
Wie gesagt - das Fernsehen hat mich u.a. wohl ziemlich versaut.
Ich zappe mich oft durch die Gegend, wie ich mich früher durch die Fernsehkanäle gezappt habe.
Die Glotze hat schon ziemlich lange Zeit das Internet ersetzt.
Man vergeudet unglaublich viel Energie und Zeit, wenn man so drauf ist, aber es ist sehr schwer was daran zu ändern, wenn man nicht ganz grundsätzlich was an seinem Lebensstil ändert und beispielsweise einfach die Zeit, die man vor dem Rechner verbringt, nach bestimmten Regeln rationiert.

Ich habe mir das Video von den beiden Jungs da ;-) noch mindestens zweimal angeschaut und muss eingestehen, dass es jetzt nicht mehr ganz so krass auf mich wirkt.
Was ich da geschrieben habe, kam stark aus dem Bauch heraus und sehr spontan.
Der Name Augstein sagt ja selbst mir zumindest grob was und das hat schon zu meinem Feindbild gepasst.
Vielleicht wollen die Beiden die Tradition fortsetzen von ihren Vorgängern beim ZDF (war`s glaube ich).
Die haben sich gegenseitig auch immer wieder gefoppt, aber das wirkte auf mich etwas weniger - sagen wir mal arrogant, wobei sich das nach mehrmaligem Sehen und Hören zumindest etwas relativiert hat für mich.
Es war halt schon zu merken, dass denen die kleineren Verbalattacken des Gegenübers nicht so wirklich unter die Haut gegangen sind und ich vermute, dass sie sich im Grunde ganz gut leiden können.

Bei den Rappern gibt es einen Begriff und natürlich hat sich die Jugend den auch zu eigen gemacht.
Man disst sich und das kann man als einen eher spaßigen kleinen Wettkampf auffassen, aber so manches mal wurde auch ein bestimmtes Maß überschritten oder jemand hat die Nerven verloren.
Vor vielen Jahren gab es mal einen Kopfstoß für den Herrn Raab.
Da hatte er es ein bisschen übertrieben wohl.

Zurück zum Armutsbericht bzw. den Wohlfahrstverbänden, die dahinter stecken.
Ich habe mich ein wenig kundig gemacht.
Klingt klasse, was da zu lesen ist :-).

Zitat:

Die Wohlfahrtsverbände sind föderalistisch strukturiert, d. h. die Gliederungen und Mitgliedsorganisationen sind überwiegend rechtlich selbstständig. Sie haben sich in sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege sind geprägt durch unterschiedliche weltanschauliche oder religiöse Motive und Zielvorstellungen. Gemeinsam ist allen, dass sie unmittelbar an die Hilfsbereitschaft und an die Solidarität der Bevölkerung anknüpfen.

Zitatende

Quellen: https://www.der-paritaetische.de/verband/ueber-uns/
https://www.der-paritaetische.de/verband/ueber-uns/
https://www.der-paritaetische.de/presse/armutsbericht-2018-paritaetischer-korrigiert-falsche-bilder-der-armut-und-fordert-neue-armutspolitik/

Danke nochmal :-)!
Peace :cool:

ThomasG
15.12.2018, 06:33
Ich habe mir eben das Statemant zum Armutsbericht 2018 des unten genannten Geschäftsführers durchgelesen und habe daraus ein paar Abschnitte kopiert, die mir besonders ins Auge gesprungen sind.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man manchmal sich einfach nicht dazu überwinden kann sich mit einer Sache etwas intensiver zu beschäftigen, weil es einem einfach zu mühevoll erscheint.
Ich habe mich ein kleines bisschen überwunden und wenn es mir gelingen sollte den ein der anderen dazu zu bewegen sich auch etwas intensiver mit dem Bericht auseinnaderzusetzen, dann macht das vielleicht noch ein kleines bisschen mehr Sinn mal etwas länger bei einem Thema geblieben zu sein, als es sonst bei mir sehr oft der Fall ist.

Zitat:

Statement von Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, anlässlich der Präsentation des Paritätischen Armutsberichtes 2018
am 13. Dezember 2018 in der Bundespressekonferenzanlässlich der Präsentation des Paritätischen Armutsberichtes 2018 am 13. Dezember 2018 in der Bundespressekonferenz.

[...]

Mit einer Armutsquote von 16,8 Prozent ist erneut eine neue traurige Rekordmarke seit der Vereinigung erreicht. Es geht um mindestens 13,7 Millionen Menschen, die aktuell zu den Armen gezählt werden müssen. Dabei sind in der Statistik lediglich Menschen erfasst, die über einen eigenen Haushalt verfügen.

[...]

In der längerfristigen Betrachtung der Armutsentwicklung ist dabei seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, als die Armutsquote noch 11 Prozent betrug, ein ganz klarer Aufwärtstrend erkennbar. Die neuesten Ergebnisse lassen es nicht mehr zu, von einer Stabilisierung der Armutsentwicklung zu sprechen, wie dies beispielsweise noch der letzte Armutsbericht der Bundesregierung tat. Es ist tatsächlich ein Aufwärtstrend, der uns angesichts der guten Wirtschaftsdaten der letzten Jahre alarmieren muss: Wirtschaftsentwicklung und Armutsentwicklung sind ganz offensichtlich gänzlich voneinander abgekoppelt. Mit anderen Worten: die Armut ist nicht wirtschaftlich bedingt, sie ist politisch hausgemacht.

[...]

Wer also sind die Armen unter uns? Die Antwort: Es sind in der ganz überwiegenden Zahl hier in Deutschland geborene Menschen und Personen mit zumeist mittlerem oder höherem Qualifikationsniveau. Die meisten erwachsenen Armen, fast drei Viertel, sind entweder erwerbstätig, in Ausbildung oder schon in Rente oder Pension.
Ganz genau ist ein Drittel von ihnen erwerbstätig, ein Viertel in Rente und 12 Prozent sind in Ausbildung. Nur ein gutes Fünftel (21 %) der Armen ist dagegen arbeitslos – und dies, ganz ohne Kinder mitgerechnet zu haben.

[...]

Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht erstaunen, dass die Aussage, arme Menschen seien zumeist auch ungebildet, lediglich einem Vorurteil entspricht: Fast drei Viertel der Armen über 25 Jahren können durchaus ein mittleres oder auch hohes Qualifikationsniveau vorweisen. Bildung ist nicht in erster Linie ihr Problem.

[...]

Wir gehen bei unseren Berechnungen nach wie vor vom Konzept der relativen Einkommensarmut aus. Wir folgen damit den Konventionen der EU und den anerkannten wissenschaftlichen Standards in der Armutsforschung. Armut liegt vor, wenn das Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in einer Gesellschaft beträgt. Dieses Konzept ist in seinen Stärken und Schwächen hinreichend diskutiert, so dass ich uns in Anbetracht Ihrer knapp bemessenen Zeit methodische Ausführungen ersparen möchte. Wir wissen aus unserer wohlfahrtspflegerischen Arbeit heraus, dass die 60 Prozent-Schwelle im Alltag der alleimeisten betroffenen tatsächlich eine Schwelle der Ausgrenzung markiert, die uns von Armut sprechen lassen muss.

[...]

Mit welchen Entbehrungen ist das Leben unterhalb der Armutsschwelle im Alltag verbunden? Und: Wie wirkt sich das auf die Betroffen aus? Wie belastet sind sie im Vergleich zu den nicht Armen?
Die Ergebnisse sind neu, aber nicht ganz unerwartet: Relative Einkommensarmut, wie wir sie messen, geht mit echten materiellen und sozialen Entbehrungen Hand in Hand. Häufig genug kein Geld für einen Internetanschluss, einen kleinen Urlaub, die
Reparatur des Autos oder der Waschmaschine. In nahezu zwei Drittel der Haushalte
ist keinerlei Notgroschen vorhanden. Für die Mehrheit der Armen ist der Besuch einer Sport- oder Kulturveranstaltung die große Ausnahme.

Zitatende

Quelle: http://infothek.paritaet.org/pid/fachinfos.nsf/0/4ad95f37e1634346c1258362002d6db1/$FILE/181213_Armutsbericht2018_Pressestatement_Schneider .pdf

ThomasG
16.12.2018, 18:01
Jetzt im ZDF eine Reportage zum Thema Tafeln: https://www.zdf.de/dokumentation/zdf-reportage/kein-geld-fuern-supermarkt-100.html

Nachtrag:

Mittlerweile kann man sich die Dokumentation über die ZDF-Mediathek anschauen.
Im Begleitext ist u.a. folgendes zu lesen:

"Deutschlandweit werden etwa 1,5 Millionen Tafelkunden von etwa 60 000 ehrenamtlichen Mitarbeitern in mehr als 2000 Läden und Ausgabestellen versorgt.

Aber spätestens, seit die Essener Tafel zeitweise keine Ausländer mehr aufnahm und in Bremerhaven gegen Tafelmitarbeiter wegen Unterschlagung ermittelt wurde, wird auch Kritik an der Tafel lauter. Die Tafeln seien weder sozial noch nachhaltig, sagt Soziologe Prof. Dr. Stefan Selke. Der Staat werde durch sie aus seiner sozialen Verantwortung gelassen.

Wie gehen die Tafeln mit solchem Gegenwind um? Wie sieht ihr Konzept für die nächsten Jahre aus? Die "ZDF.reportage" befragt Tafel-Mitarbeiter und ihre Kunden in West und Ost, in der Stadt und auf dem Land."

Quelle: https://www.zdf.de/dokumentation/zdf-reportage/kein-geld-fuern-supermarkt-100.html

Gespräch mit Soziologe Prof. Dr. Stefan Selke: https://www.swr.de/swr1/rp/programm/25-jahre-tafeln-in-deutschland-gespraech-mit-soziologe-prof/-/id=446640/did=21223584/nid=446640/1ox7312/index.html

keko#
17.12.2018, 07:26
Ich habe mir eben das Statemant zum Armutsbericht 2018 des unten genannten Geschäftsführers durchgelesen und habe daraus ein paar Abschnitte kopiert, die mir besonders ins Auge gesprungen sind.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man manchmal sich einfach nicht dazu überwinden kann sich mit einer Sache etwas intensiver zu beschäftigen, weil es einem einfach zu mühevoll erscheint.
Ich habe mich ein kleines bisschen überwunden und wenn es mir gelingen sollte den ein der anderen dazu zu bewegen sich auch etwas intensiver mit dem Bericht auseinnaderzusetzen, dann macht das vielleicht noch ein kleines bisschen mehr Sinn mal etwas länger bei einem Thema geblieben zu sein, als es sonst bei mir sehr oft der Fall ist.

Siehe auch "Das Märchen vom reichen Land" von Dr. Daniel Stelter.

ThomasG
18.12.2018, 06:19
Robert Habeck hat sich darüber Gedanken gemacht "wie wir die digitalisierte Arbeitswelt gestalten können".
Gleich zu Anfang schreibt er über soziale Sicherung und die aktuelle Hartz-IV-Debatte.
Der Text ist recht lang, aber enthält meiner Meinung nach keine Ansätze, die man noch nicht recht oft gehört hat, wenn man sich für das Thema interessiert und die Berichterstattung in den Medien verfolgt.
Dass er - wenigstens in meinen Augen - doch recht unkonkret formuliert wurde, werte ich nicht unbedingt als ein wirklich gutes Zeichen.
Wir haben ja nicht ewig Zeit anzufangen die Gesellschaft und die Gesetzgebung zu verändern, um den sozialen Frieden und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Unter einem mutigen Kaninchen stelle ich mir etwas anderes vor.
Und Robert Habeck ist ja nicht irgendwer.
Er ist neben Annalena Baerbock Bundesvorsitzender der Grünen.
Da sollte schon viel mehr kommen finde ich, auch wenn der abschließende Absatz in Habecks Blogbeitrag durchaus sehr sympathisch klingt:

"Das entscheidende bei der Hartz IV-Debatte ist nicht, welche einzelne Maßnahme in welcher Ausprägung morgen ergriffen werden muss, sondern dass die Politik die rapide Veränderung unserer Gesellschaft und Arbeitswelt in den Blick nimmt und hoffentlich auch mal handelt. Wenn nicht, zerfällt unser Gemeinwesen. Aber wir müssen keine Gesellschaft der ängstlichen Karnickel sein, wir können uns anders entscheiden. Wir sind politische Individuen. Wir haben es in der Hand, zu definieren, welche Arbeit wir wollen, ja, was Arbeit für uns bedeuten soll und welche Gesellschaft wir sein wollen. Wie es gut wird, wenn es anders wird, müssen wir diskutieren. Aber vielspricht dafür, dass es anders werden muss, damit es gut werden kann. Das wäre dann die Stunde der mutigen Karnickels…."

Quelle: https://www.robert-habeck.de/texte/blog/karnickel-und-schlange/?fbclid=IwAR0qgBz15xvymp2nR8QFIL5gNsyJb-aJfdj4KocdlHTqcJhZW7wn6dehSOk

... "und hoffentlich auch mal handelt" ...

keko#
18.12.2018, 07:15
Robert Habeck hat sich darüber Gedanken gemacht "wie wir die digitalisierte Arbeitswelt gestalten können".
Gleich zu Anfang schreibt er über soziale Sicherung und die aktuelle Hartz-IV-Debatte.
Der Text ist recht lang, aber enthält meiner Meinung nach keine Ansätze, die man noch nicht recht oft gehört hat, wenn man sich für das Thema interessiert und die Berichterstattung in den Medien verfolgt.
Dass er - wenigstens in meinen Augen - doch recht unkonkret formuliert wurde, werte ich nicht unbedingt als ein wirklich gutes Zeichen.

Typisch grünes Blablabla. Wenn ich schon lese
"Heute haben wir fast 1 Mio offene Stellen und befürchten in zehn Jahren 6 Mio Stellen nicht zu besetzen. Das wären dann 15%. Schon heute ist der Fachkräftemangel die Wachstumsbremse für die deutsche Wirtschaft.".
Das müsste man mal genauer hinterfragen (welche 6 Mio Stellen sind das denn?? Amazon-Kartonschubser?)
Ansonsten werden allerlei Dinge, die man ändern könnte, als gegeben und naturgesetzlich hingenommen.
Läuft...! :(

ThomasG
18.12.2018, 07:27
Ansonsten werden allerlei Dinge, die man ändern könnte, als gegeben und naturgesetzlich hingenommen.
Läuft...! :(
Genau!

An einer Stelle des Blogbeitrags bin ich etwas länger hängen geblieben:

"Immer weniger Beschäftigte sind kollektiv abgesichert über Tarifverträge und einen Betriebsrat. Nur noch 29% der Beschäftigten haben einen Tarifvertrag und einen Betriebsrat. 41% haben keins von Beidem. 1998 war das Verhältnis noch etwa umgekehrt (44% vers. 24%)."

Quelle: https://www.robert-habeck.de/texte/blog/karnickel-und-schlange/

keko#
18.12.2018, 07:39
Genau!

An einer Stelle des Blogbeitrags bin ich etwas länger hängen geblieben:

"Immer weniger Beschäftigte sind kollektiv abgesichert über Tarifverträge und einen Betriebsrat. Nur noch 29% der Beschäftigten haben einen Tarifvertrag und einen Betriebsrat. 41% haben keins von Beidem. 1998 war das Verhältnis noch etwa umgekehrt (44% vers. 24%)."

Quelle: https://www.robert-habeck.de/texte/blog/karnickel-und-schlange/

Aber davon rede ich doch schon die ganze Zeit hier im Forum. Das ist die neoliberale Agenda. In dem Fall Schwächung der Gewerkschaften bzw. der Rechte der Arbeitnehmer. Was will der Herr Robert Habeck denn dagegen tun, wenn er überhaupt was dagegen tun kann? (will)

ThomasG
18.12.2018, 07:48
Aber davon rede ich doch schon die ganze Zeit hier im Forum. Das ist die neoliberale Agenda. In dem Fall Schwächung der Gewerkschaften bzw. der Rechte der Arbeitnehmer. Was will der Herr Robert Habeck denn dagegen tun, wenn er überhaupt was dagegen tun kann? (will)
Seine Worte wirken auf mich so, als würde er daran zweifeln etwas dagegen tun zu können.
Der Blogeintrag klingt wie eine Sonntagsrede für mich.
Nur noch 29 % haben das, worauf wir mal völlig zurecht sehr stolz waren.
Krass!
Diese Zahl ist für mich neu.
Die Entwicklung ist schon sehr weit fortgeschritten und je weiter sie fortschreitet, desto schwerer wird es dagegen etwas zu tun und eine Wende herbeizuführen.

MattF
18.12.2018, 08:09
Aber davon rede ich doch schon die ganze Zeit hier im Forum. Das ist die neoliberale Agenda. In dem Fall Schwächung der Gewerkschaften bzw. der Rechte der Arbeitnehmer. Was will der Herr Robert Habeck denn dagegen tun, wenn er überhaupt was dagegen tun kann? (will)

Die Menschen könnten was dagegen tun, in dem sie in die Gewerkschaften eintreten würden und da auch mitmachen.

keko#
18.12.2018, 08:09
Seine Worte wirken auf mich so, als würde er daran zweifeln etwas dagegen tun zu können.
Der Blogeintrag klingt wie eine Sonntagsrede für mich.
Nur noch 29 % haben das, worauf wir mal völlig zurecht sehr stolz waren.
Krass!
Diese Zahl ist für mich neu.
Die Entwicklung ist schon sehr weit fortgeschritten und je weiter sie fortschreitet, desto schwerer wird es dagegen etwas zu tun und eine Wende herbeizuführen.

Manche Dinge sind schon so weit fortgeschritten, dass man sich gar keine Gedanken mehr darüber macht. Z.B. Zeitverträge, der Niedriglohnsektor usw.
Und wenn jemand mal dagegen schimpft, so wie ich, kommen die Leute von selbst mit Verschwörungstheorie. Ziel also erreicht. :(

qbz
18.12.2018, 08:09
Seine Worte wirken auf mich so, als würde er daran zweifeln etwas dagegen tun zu können.
Der Blogeintrag klingt wie eine Sonntagsrede für mich.
Nur noch 29 % haben das, worauf wir mal völlig zurecht sehr stolz waren.
Krass!
Diese Zahl ist für mich neu.
Die Entwicklung ist schon sehr weit fortgeschritten und je weiter sie fortschreitet, desto schwerer wird es dagegen etwas zu tun und eine Wende herbeizuführen.

Den Arbeitgeberorganisationen geht auch der jetzige Zustand noch nicht weit genug. Sobald jemand die "Liberalisierung des Arbeitsmarktes" fordert, läuten bei mir alle Alarmglocken.

keko#
18.12.2018, 08:13
Den Arbeitgeberorganisationen geht auch der jetzige Zustand noch nicht weit genug. Sobald jemand die "Liberalisierung des Arbeitsmarktes" fordert, läuten bei mir alle Alarmglocken.

Begriffe wie "Liberalisierung des Arbeitsmarktes" muss man übersetzen (wie du sicher weißt ;-). Genauso wie "Flexibilisierung des Arbeitsmarktes". Ich glaube, im Internet gibt es diese Übersetzungstabellen auch.

Nobodyknows
18.12.2018, 08:27
Die Menschen könnten was dagegen tun, in dem sie in die Gewerkschaften eintreten würden und da auch mitmachen.

Wo denkst Du hin?
Am 1. Mai auf die Maikundgebung statt zum Start bei "Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt"?
Und dann noch ein Prozent vom Brutto als Monatsbeitrag?
In Müllsäcke mit der Aufschrift "Streik" gewandet und mit Trillerpfeife in der Schnute auf zugigen Firmenparkplätzen lautstark dem Gewerkschaftssekretär zujubeln, der von der Ladefläche des Miet-LKW markige Worte an die Anwesenden richtet?
Nee...laß mal stecken. Da schreibe ich doch lieber, bequem am Schreibtisch oder auf dem Sofa, etwas über die Verschwörung derer "da oben", die neben der neoliberalen Agenda auch noch die Umvolkung durch Annahme des Migrations- und des Flüchtlingspakt umsetzen. Schließlich habe ich darüber ein bis zwei Bücher gelesen.

Außerdem: Wenn Gewerkschaften etwas bringen würden, wären sie verboten.
Also glaube ich zumindest....[/IRONIE]

Gruß
N. :Huhu:

keko#
18.12.2018, 08:31
Nee...laß mal stecken. Da schreibe ich doch lieber, bequem am Schreibtisch oder auf dem Sofa, etwas über die Verschwörung derer "da oben", die neben der neoliberalen Agenda auch noch die Umvolkung durch Annahme des Migrations- und des Flüchtlingspakt umsetzen. Schließlich habe ich darüber ein bis zwei Bücher gelesen.


Das eine schließt das andere nicht aus. Besitzt du diese geistige Flexibiltät oder bist du damit überfordert?

Nobodyknows
18.12.2018, 09:07
Ich: "...Da schreibe ich doch lieber, bequem am Schreibtisch oder auf dem Sofa, etwas über die Verschwörung derer "da oben"...,

Das eine schließt das andere nicht aus. Besitzt du diese geistige Flexibiltät oder bist du damit überfordert?

Ich glaube ich habe zu viel Bodenhaftung um mich mit Verschwörungen jeder Art auseinanderzusetzen. Meist schaue ich mir nur die "Enthüller" an, die mir diesbezüglich etwas mitteilen wollen...

Was das betrifft bin ich also flexibel wie eine Eisenbahnschiene.
Egal ob es um Bilderberger, den Jüdischen Weltkongress, die Illuminaten, die Reptiloiden, George Soros, die Mondlandung (gedreht auf einer Müllkippe hinter München), den Einsturz des WTC, den Mörder von Kennedy und den Tod von Elvis (der in Finnland lebt) geht.

Bist Du denn keko# in einer Gewerkschaft und falls ja in welcher?

Gruß
N. :Huhu:

keko#
18.12.2018, 09:18
Ich glaube ich habe zu viel Bodenhaftung um mich mit Verschwörungen jeder Art auseinanderzusetzen. Meist schaue ich mir nur die "Enthüller" an, die mir diesbezüglich etwas mitteilen wollen...



"Verschwörung" bringst du doch ins Spiel. Das ist doch das eigentlich amüsante. :Huhu:

Im Übrigen habe ich null Interesse mit dir hier zu diskutieren, Nobodyknows. ;)

Nobodyknows
18.12.2018, 10:33
...Das ist die neoliberale Agenda. ... Was will der Herr Robert Habeck denn dagegen tun, wenn er überhaupt was dagegen tun kann? (will)

Im Vergleich zu dir wird Habeck ziemlich konkret:
"Um den von Maschinen statt Menschen produzierten Wohlstand gerecht zu verteilen, gäbe es verschiedene Möglichkeiten: Alle Menschen könnten Eigentum an den „Robotern“ erhalten oder die Eigentümer der Maschinen und Roboter müssten so hoch besteuert werden, dass sich damit – im Falle eines solchen Szenarios — ein Garantieeinkommen für alle anderen Menschen finanzieren ließe."
...
"Verbrauch, Umsatz und Finanztransaktionen besteuern"

Was wäre dein Vorschlag?

Gruß
N. :Huhu:

keko#
18.12.2018, 10:58
Im Vergleich zu dir wird Habeck ziemlich konkret:
"Um den von Maschinen statt Menschen produzierten Wohlstand gerecht zu verteilen, gäbe es verschiedene Möglichkeiten: Alle Menschen könnten Eigentum an den „Robotern“ erhalten oder die Eigentümer der Maschinen und Roboter müssten so hoch besteuert werden, dass sich damit – im Falle eines solchen Szenarios — ein Garantieeinkommen für alle anderen Menschen finanzieren ließe."
...
"Verbrauch, Umsatz und Finanztransaktionen besteuern"

Was wäre dein Vorschlag?

Gruß
N. :Huhu:

Es ist nicht so, dass ich das nicht gut fände. Aber es ist von ihm nur populistisches Gerede. Denn Roboter und KI gibt es längst schon seit vielen Jahren. Menschen verlieren seit Jahren dadurch ihren Arbeitsplatz. Wir sind bereits mitten drin in der Entwicklung. Ist bisher irgendwas in der Richtung geschehen?
Ich hatte bereits eine Demo an der Uni Tübingen erwähnt, an der manche Studenten u.a. gegen die Verbandelung von Lehre und Kommerz demonstrieren (Amazon ist auch dabei). Unterstützt wird das "Cyber Valley" https://cyber-valley.de/de von der grünen Landesregierung und vom grünen OB von Tübingen, Boris Palmer. Alle blasen ins gleiche Horn, wie toll das doch ist.

Und das will Habeck irgendwie ändern? Da fehlt mir komplett der Glaube.

qbz
18.12.2018, 11:06
Im Vergleich zu dir wird Habeck ziemlich konkret:
"Um den von Maschinen statt Menschen produzierten Wohlstand gerecht zu verteilen, gäbe es verschiedene Möglichkeiten: Alle Menschen könnten Eigentum an den „Robotern“ erhalten oder die Eigentümer der Maschinen und Roboter müssten so hoch besteuert werden, dass sich damit – im Falle eines solchen Szenarios — ein Garantieeinkommen für alle anderen Menschen finanzieren ließe."
...
"Verbrauch, Umsatz und Finanztransaktionen besteuern"

Was wäre dein Vorschlag?

Gruß
N. :Huhu:

Wenn ich dazu ungefragt mal etwas bemerken darf: Der erste Vorschlag hört sich für mich kommunistisch an, nämlich Gemeineigentum an den Produktionsmitteln, und bleibt utopisch bei den jetzigen Kräfteverhältnissen. Der zweite Vorschlag scheitert meistens daran, dass die Eigentümter (grossen Monopole) bei zu hohen Steuern mit Abwanderung drohen.

Vom ökonomischen Prinzip her würde ich ihm durchaus zustimmen. Je weniger Menschen für die Herstellung der Güter benötigt werden, je produktiver Arbeit ist, desto höher müssen die Abgaben aus dieser hochproduktiven Arbeit für die Gesellschaft werden.

Von der Umsetzung her würde ich ihn gerne fragen, wie er das in einer Koalition mit der CDU-FDP zu erreichen gedenkt. :Lachen2: In meinen Augen versucht er mit sochen Ideen ausschliesslich Wähler von der linken SPD und der Linke zu gewinnen bzw. an diese nicht zu verlieren, solange er nicht erklärt, wie das die Grünen mit welchen Koalitionspartnern realisieren wollen. Bekanntlich erwägen CDU und FDP die Senkung der Steuern / Abgaben für Unternehmen, um die Sätze den USA unter Trump anzupassen.

MattF
18.12.2018, 11:26
Es ist nicht so, dass ich das nicht gut fände. Aber es ist von ihm nur populistisches Gerede. Denn Roboter und KI gibt es längst schon seit vielen Jahren. Menschen verlieren seit Jahren dadurch ihren Arbeitsplatz. Wir sind bereits mitten drin in der Entwicklung. Ist bisher irgendwas in der Richtung geschehen?

Roboter gibt es seit min 30 Jahren und technische Entwicklung gibt es seit 150 Jahren.

Sind deshalb Arbeitsplätze weg gefallen? Nein es gibt Heute mehr Arbeitsplätze (manchen durchaus auch schlecht bezahlt, nur auch das gab es früher schon) als jemals.

MfG
Matthias

MattF
18.12.2018, 11:29
Von der Umsetzung her würde ich ihn gerne fragen, wie er das in einer Koalition mit der CDU-FDP zu erreichen gedenkt. :Lachen2: In meinen Augen versucht er mit sochen Ideen ausschliesslich Wähler von der linken SPD und der Linke zu gewinnen, solange er nicht erklärt, wie das mit welchen Koalitionspartnern realisiert werden kann. Bekanntlich erwägen CDU und FDP die Senkung der Steuern / Abgaben für Unternehmen, um die Sätze den USA unter Trump anzupassen.

Also sollen die Grünen ihre Arbeit komplett einstellen und am besten einfach die Parteiprogramme von SPD UND CDU übernehmen, damit man gut koalieren kann?

Im übrigen in B-W sind die Grünen stärkste Partei, da können sie sehr viel politisch durchsetzen. Vielleicht kommt das im Rest von D auch noch und dann wird wirklich relevant was Harbeck sagt.

keko#
18.12.2018, 11:31
Roboter gibt es seit min 30 Jahren und technische Entwicklung gibt es seit 150 Jahren.

Sind deshalb Arbeitsplätze weg gefallen? Nein es gibt Heute mehr Arbeitsplätze (manchen durchaus auch schlecht bezahlt, nur auch das gab es früher schon) als jemals.

MfG
Matthias

KI ist etwas anderes. Konnte der Maschinenarbeiter ins Büro ziehen, um von dort die Maschine zu steuern, ist die Frage, wohin er nun geht.

Nobodyknows
18.12.2018, 11:38
Grundsätzlich: Wenn man das Haar in der Suppe sucht, dann findet man es. :Cheese:

...Der zweite Vorschlag scheitert meistens daran, dass die Eigentümter (grossen Monopole) bei zu hohen Steuern mit Abwanderung drohen.

Meistens ist ja nicht immer. Manchmal laufen Entwicklungen auch entgegen den Vorstellungen von denen "da oben".
Gerade gestern beschloß die EU schärfere CO₂-Grenzwerte für Autos.
Glaubst Du, dass danach in Wolfsburg, Stuttgart und München die Korken knallten?

Und wenn sich Eigentümter (grosser Monopole) bei zu hohen Steuern aus einem Land verabschiedet haben und eine Ödnis von darbenden Arbeitslosen zurücklassen, dann verabschieden sie sich auch von einem Markt und potentiellen Kunden.


...In meinen Augen versucht er mit sochen Ideen ausschliesslich Wähler von der linken SPD und der Linke zu gewinnen, solange er nicht erklärt, wie das mit welchen Koalitionspartnern realisiert werden kann....

Muß er das wirklich in seinem persönlichen Blog erklären?
Ab wann bist Du zufriedengestellt? Wenn er einen Entwurf eines eventuellen Koalitionsvertrages anfügt und der vierte Absatz des darin enthaltenen sechsten Paragrafen öffentlich zerredet und jede Diskussion über den Ist-Zustand abgewürgt wurde? Darf er in seinem persönlichen Blog keine "Maximalforderungen" erdenken und die "reine, grüne Lehre" für die er innerhalb seiner Partei steht benennen und vertreten?

Machen das andere Politiker anders und besser als er?

Steht nicht in jedem Parteiprogramm jeder Partei sinnbildlich ein "Wir wollen..." und kein "Wir werden..."?

Die AfD wird ja auch gewählt obwohl ihr Wahlprogramm Punkte erhält für deren Umsetzung eine Grundgesetzänderung erforderlich wäre, die -zum Glück- für die Partei unerreichbar ist. Da fragt niemand nach einem Koalitionspartner.

Gruß
N. :Huhu:

keko#
18.12.2018, 12:21
Und wenn sich Eigentümter (grosser Monopole) bei zu hohen Steuern aus einem Land verabschiedet haben und eine Ödnis von darbenden Arbeitslosen zurücklassen, dann verabschieden sie sich auch von einem Markt und potentiellen Kunden.

Für internationale Konzerne ist das kein Problem, wenn in einem anderen Land ein neuer Markt entsteht.
Daimler verkauft 2017 zwei von fünf Autos in China. Wenn ich mir keinen Daimler leisten kann, spielt das keine Rolle, wenn dafür ein Chinese das Auto kauft. Das ist doch der Sinn der Globalisierung ;-)

Nobodyknows
18.12.2018, 12:48
Wenn ich mir keinen Daimler leisten kann, spielt das keine Rolle, wenn dafür ein Chinese das Auto kauft. Das ist doch der Sinn der Globalisierung ;-)

Um dich mache ich mir auch keine Sorgen.
Als Fan der Bücher von Dirk Müller bist Du vermutlich auch ein Fan seines Aktienfonds, hast entsprechend investiert und bist damit a.) Profiteur der Globalisierung und b.) auf der sicheren Seite. Denn der Müller, der kennt sich aus. Der weiß wie man mit den dunklen Mächten umgehen muß um sein Geld zu retten.

Gruß
N. :Huhu:

MattF
18.12.2018, 13:18
KI ist etwas anderes. Konnte der Maschinenarbeiter ins Büro ziehen, um von dort die Maschine zu steuern, ist die Frage, wohin er nun geht.

Sehe ich anders.

Als die Dampfmaschine erfunden wurde, hat sicher auch wer gesagt jetzt würde alles anders. Gekommen ist es Anders :Cheese:

Die Arbeit geht uns nicht aus und wie ich schon sagte, dann reduzieren wir halt für alle. Mehr Freizeit, mehr Trainingszeit.

keko#
18.12.2018, 13:29
Um dich mache ich mir auch keine Sorgen.
Als Fan der Bücher von Dirk Müller bist Du vermutlich auch ein Fan seines Aktienfonds, hast entsprechend investiert und bist damit a.) Profiteur der Globalisierung und b.) auf der sicheren Seite. Denn der Müller, der kennt sich aus. Der weiß wie man mit den dunklen Mächten umgehen muß um sein Geld zu retten.

Gruß
N. :Huhu:

Was habe ich davon, wenn ich eine tolles Triathlonrad habe, aber kann auf keinen Triathlon, weil es sich niemand mehr leisten kann? ;)

MattF
18.12.2018, 13:32
Was habe ich davon, wenn ich eine tolles Triathlonrad habe, aber kann auf keinen Triathlon, weil es sich niemand mehr leisten kann? ;)

Was du davon hast? Du gewinnst. :dresche

keko#
18.12.2018, 13:33
Sehe ich anders.

Als die Dampfmaschine erfunden wurde, hat sicher auch wer gesagt jetzt würde alles anders. Gekommen ist es Anders :Cheese:

Die Arbeit geht uns nicht aus und wie ich schon sagte, dann reduzieren wir halt für alle. Mehr Freizeit, mehr Trainingszeit.

Also Modelle gibt es sicher genug, aber ob man die auch anpackt?
Ist so ähnlich wie mit dem Klimawandel. Jeder weiß bescheid, kaum einer macht was dagegen.

Ich frage mich auch immer, welche Jobs da entstehen. Ob man von denen noch Leben kann?

Da bin ich auch wieder beim Klima. In der Hoffnung, dass es die zukünftige Generation schon irgendwie hinbringt.

keko#
18.12.2018, 13:34
Was du davon hast? Du gewinnst. :dresche

:Cheese: :Cheese:

Nobodyknows
18.12.2018, 13:35
Was habe ich davon, wenn ich eine tolles Triathlonrad habe, aber kann auf keinen Triathlon, weil es sich niemand mehr leisten kann? ;)

Dann jettest Du nach China...
IRONMAN 70.3 Chongqing ▻
IRONMAN 70.3 Qujing ▻
IRONMAN 70.3 Shanghai ▻
IRONMAN 70.3 Liuzhou ▻

Es wird sich was finden. :Cheese:

Gruß
N. :Huhu:

MattF
18.12.2018, 13:42
Ich frage mich auch immer, welche Jobs da entstehen. Ob man von denen noch Leben kann?



Das ist doch eine Verteilungsfrage.
Unser Wirtschaftssystem ist ein Verteilungssystem.

Welche Sinn würde es für eine Wirtschaft oder Gesellschaft machen, wenn z.b. 50% der Bevölkerung nicht überleben könnte, wenn man gleichzeit im ÜBerfluss lebt, weil die Fabriken Dinge nur mit Robotern ohne menschliches Zutun herstellen.

Wer soll das zeug was die Roboter herstellen denn alles kaufen, wenn die Menschen kein Einkommen haben? Das macht doch alles keinen Sinn!

D.h. man wird letztlich in meinen Augen zwangsläufig zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen müssen. Alles andere macht keinen logischen Sinn.

Schon Hr. Ford wusste, dass er nur viel Geld verdient wenn auch seine Arbeiter (und nicht nur eine kleine Oberschicht) seine Autos kaufen kann und so ist das Heute noch.

Selbst wenn ich davon ausgehe, dass es eine Oberschicht gibt die alles lenkt (mehr oder minder im Geheimen), brauchen die Konsumenten die das Zeug kaufen was hergestellt wird.

keko#
18.12.2018, 13:55
Selbst wenn ich davon ausgehe, dass es eine Oberschicht gibt die alles lenkt (mehr oder minder im Geheimen), brauchen die Konsumenten die das Zeug kaufen was hergestellt wird.

Es gibt das Modell Surfer. Schlecht ausgebildete Menschen üben schlecht bezahlte Jobs aus. Das Geld und Hirn reicht gerade, um im Internet einen "Kaufen"-Button zu klicken. Gelenkt wird diese (finanziell verschuldete) Masse von einer hoch augebildeteten und mächtigen Oberschicht. Der Staat hat lediglich die Aufgabe, bei Bedarf Geld bereit zu stellen und das System zu überwachen.

Sind wir schon auf dem guten Weg dahin? :Lachen2:

qbz
18.12.2018, 16:42
......
Muß er das wirklich in seinem persönlichen Blog erklären?
Ab wann bist Du zufriedengestellt? Wenn er einen Entwurf eines eventuellen Koalitionsvertrages anfügt und der vierte Absatz des darin enthaltenen sechsten Paragrafen öffentlich zerredet und jede Diskussion über den Ist-Zustand abgewürgt wurde? Darf er in seinem persönlichen Blog keine "Maximalforderungen" erdenken und die "reine, grüne Lehre" für die er innerhalb seiner Partei steht benennen und vertreten?

Machen das andere Politiker anders und besser als er?

Steht nicht in jedem Parteiprogramm jeder Partei sinnbildlich ein "Wir wollen..." und kein "Wir werden..."?
.............


ich habe da ziemlich klare Vorstellungen, wie der Weg aussehen würde, um solchen Forderungen überhaupt eine Chance geben zu können bzw. welche Voraussetzungen notwendig sind, um sie durchzusetzen. Dazu notwendig wäre eine Verschiebung des politischen Kräfteverhältnisses mit einer starken Linke.
Solche radikalen Forderung aufzustellen und gleichzeitig Bündnisse mit der CDU-FDP im Bund anzustreben widerspricht sich und das eine oder andere schliesst sich 100 % aus. Wer das anders sieht, täuscht sich selbst oder andere.

MattF
18.12.2018, 16:55
Es gibt das Modell Surfer. Schlecht ausgebildete Menschen üben schlecht bezahlte Jobs aus. Das Geld und Hirn reicht gerade, um im Internet einen "Kaufen"-Button zu klicken. Gelenkt wird diese (finanziell verschuldete) Masse von einer hoch augebildeteten und mächtigen Oberschicht. Der Staat hat lediglich die Aufgabe, bei Bedarf Geld bereit zu stellen und das System zu überwachen.

Sind wir schon auf dem guten Weg dahin? :Lachen2:

Also wir haben damit festgestellt, dass es keine massenhafte Altersarmut geben wird :Cheese:

Nobodyknows
18.12.2018, 17:03
ich habe da ziemlich klare Vorstellungen, wie der Weg aussehen würde, um solchen Forderungen überhaupt eine Chance geben zu können bzw. welche Voraussetzungen notwendig sind, um sie durchzusetzen. Dazu notwendig wäre eine Verschiebung des politischen Kräfteverhältnisses mit einer starken Linke.
...
Wer das anders sieht, täuscht sich selbst oder andere.

Das alte Debakel: Mitgestalten durch mitregieren mit dem Zwang zum Kompromiss
oder in die Opposition gehen?
Bambi Lindner vor 13 Monaten: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“

Bekommen ist das der FDP nicht besonders:
https://www.wahlrecht.de/umfragen/
Diesbezüglich müssen die Erfinder und Umsetzer der "neoliberalen Agenda" noch etwas an ihrer Performance arbeiten. :Cheese:

Gruß
N. :Huhu:

qbz
18.12.2018, 17:15
..........
Meistens ist ja nicht immer. Manchmal laufen Entwicklungen auch entgegen den Vorstellungen von denen "da oben".
Gerade gestern beschloß die EU schärfere CO₂-Grenzwerte für Autos.
Glaubst Du, dass danach in Wolfsburg, Stuttgart und München die Korken knallten?
.......


In dem Fall gaben wohl die EU-Abgeordneten den Ausschlag und es spielte eine Rolle, dass viele EU-Länder keine Autoindustrie besitzen, während DE in der EU immer als Vertreter der Autoindustrie auftritt.
https://www.tagesschau.de/ausland/co-zwei-grenzwerte-101.html
Die Autoindustrie hat übrigens noch fast jede staatliche Reglemtierung beklagt, das ist doch nichts Neues, und cie Entscheidung hat mit "Oben" und "Unten" wenig zu tun in meinen Augen, sondern mit unterschiedlichen Interessenlagen von wirtschaftlichen Sektoren und Ländern.

Nobodyknows
18.12.2018, 17:22
Sind wir schon auf dem guten Weg dahin? :Lachen2:

Danke für das Fragezeichen am Satzende. :Blumen:

Der Staat hat lediglich die Aufgabe, bei Bedarf Geld bereit zu stellen und das System zu überwachen.

Warum jammern die Neoliberalen dann immer, wenn jemand auf die Idee kommt ein kleines bißchen mehr Geld bereitzustellen? :Gruebeln:
Arbeitgeber protestierten scharf gegen zusätzliche Belastungen. (https://www.zeit.de/news/2018-06/06/milliarden-entlastung-fuer-kassenmitglieder-beschlossen-180606-99-603455)

Gruß
N. :Huhu:

qbz
18.12.2018, 17:26
Das alte Debakel: Mitgestalten durch mitregieren mit dem Zwang zum Kompromiss
oder in die Opposition gehen?
Bambi Lindner vor 13 Monaten: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“

Bekommen ist das der FDP nicht besonders:
https://www.wahlrecht.de/umfragen/
Diesbezüglich müssen die Erfinder und Umsetzer der "neoliberalen Agenda" noch etwas an ihrer Performance arbeiten. :Cheese:

Gruß
N. :Huhu:

Da kommen wir wieder auf den Ausgangspunkt zurück. Die Grünen holen mit linken Forderungen linke Wählerstimmen, um sie dann in eine Koalition mit der CDU einzubinden. Das ist auch eine Folge der Schwäche der SDP, welche diese Aufgabe nicht mehr erfüllen kann.

Die Alternative wäre, für ein Bündnis mit starker linken Mehrheit zu werben, welches dann solche Forderungen gemeinsam umsetzen könnte.

Nobodyknows
18.12.2018, 17:32
Die Autoindustrie hat übrigens noch fast jede staatliche Reglemtierung beklagt, das ist doch nichts Neues, und cie Entscheidung hat mit "Oben" und "Unten" wenig zu tun in meinen Augen, sonder mit unterschiedlichen Interessenlagen von wirtschaftlichen Sektoren und Länden.

Moooooooment! ;)
keko# hat hier
http://www.triathlon-szene.de/Forum/showpost.php?p=1425729&postcount=125
die Eliten, die "da oben" aufgezählt.
An allererster Stelle seiner Aufzählung: Die Familie Quandt.
Um wem gehört jetzt noch einmal zu großen Teilen BMW? :Cheese:

Gruß
N. :Huhu:

Nobodyknows
18.12.2018, 17:44
Da kommen wir wieder auf den Ausgangspunkt zurück.

Dann können wir beide ja unseren Dialog zum Habeck'schen Blogeintrag an dieser Stelle beenden. ;)

Zumal in diesem Forum augenzwinkernd behauptet wird, dass das alles...
http://www.triathlon-szene.de/forum/showpost.php?p=1425301&postcount=72

Gruß
N. :Huhu:

MattF
18.12.2018, 17:49
Warum jammern die Neoliberalen dann immer, wenn jemand auf die Idee kommt ein kleines bißchen mehr Geld bereitzustellen? :Gruebeln:
Arbeitgeber protestierten scharf gegen zusätzliche Belastungen. (https://www.zeit.de/news/2018-06/06/milliarden-entlastung-fuer-kassenmitglieder-beschlossen-180606-99-603455)

Gruß
N. :Huhu:

Show? Folklore?

Jammern gehört zum Handwerk?


Die besten Jammerer sind ja die Bauern.

ThomasG
19.12.2018, 06:38
Sandra Stalinski hat für die Internetpräsenz der Tagesschau einen Überblick erstellt über die Vorstellungen der Parteien in Bezug auf Arbeitslosengeld II ("im Volksmund Hartz IV genannt").
Ich versuche nachfolgend zu jeder Partei stichpunktartig die Positionen zu umschreiben:

SPD:

Ausweitung der Leistungen ( "Bürgergeld"), Sanktionen als letztes Mittel

Grüne:

"Bedingungslose Garantiesicherung" als Ersatz für "ALG-II-Regelsätze, Sozialhilfe, Kosten der Unterkunft, Wohngeld, BAföG", Anhebung des Existenzminimums, Einführung einer Kindergrundsicherung Schonvermögen 100 000 €

Linkspartei:

Mindestsicherung von 1050 € (Erwachsene) bzw. 564 € (Kinder) für Menschen, "die über kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügen", Abschaffung von Sanktionen und Verpflichtungen für Bezieher der Mindestsicherung, die Linkspartei hält ein Schonvermögen von 100 000 € für zu hoch

FDP:

"Liberales Bürgergeld" (nicht bedingungslos, keine konkreten Angaben zur Höhe)
Zusammenfassung unterschiedlicher Sozialleistungen ("Regelleistung und Unterkunftskosten des Arbeitslosengelds II, Grundsicherung im Alter, Sozialhilfe, Kinderzuschlag, Wohngeld")

AfD:

"Aktivierende Grundsicherung" statt Hartz IV in Form eines "staatlichen Unterstützungsbeitrags", der sich mit wachsendem Einkommen verringert, "derjenige, der arbeitet" soll laut Grundsatzprogramm auf jeden Fall mehr zur Verfügung haben als "derjenige, der nicht arbeitet"

Union:

Festhalten am bestehenden Hartz-IV-System

Was in Anführungsstrichen in den Text integriert ist, habe ich wörtlich aus dem Beitrag von Sandra Stalinksi übernommen.

Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/konzepte-hartz-iv-ersatz-101.html

keko#
19.12.2018, 06:57
...
Warum jammern die Neoliberalen dann immer, wenn jemand auf die Idee kommt ein kleines bißchen mehr Geld bereitzustellen? :Gruebeln:


Gier!

Spielt bei den Superreichen irgendwann Geld gar keine Rolle mehr, kommt die Transzendenz ins Spiel. Das Übermenschliche, das Göttliche. Man will der Welt etwas hinterlassen, will sie zu einer besseren Welt formen - natürlich nach seinen eigenen Vorstellungen ;)
Zuckerberg redet manchmal daher wie ein Messias. Die Auftritte von Steve Jobs hatten etwas Religiöses. Die Anhänger lechzten nach seinen Produkten. Vielleicht werden die Beiden irgendwann mal heilig gesprochen :Cheese:

Maslowsche-Bedürfnishierarchie:

https://i.ibb.co/GnczhMk/Maslowsche-Bed-rfnishierarch.jpg

ThomasG
19.12.2018, 07:45
Da muss man aber wahrscheinlich wohl einfach die Bodenhaftung verlieren, wenn man auf seine Konten schaut und mit dem Gedanken spielt, man hätte sich das alles wirklich verdient ;-).
Die haben es auch nicht immer leicht die Superreichen.
Irgendwann, so stelle ich es mir zumindest mal vor, sind fast nur noch Leute um dich herum, die dich scheinbar oder tatsächlich supergut finden, vielleicht auch, weil sie was von dir wollen.
Tja - bei uns hat so ein riesiger Amazonladen aufgemacht (https://de.wikipedia.org/wiki/The_World%E2%80%99s_Billionaires :-O).
Ich fahre da oft mir dem Rad vorbei.
Da latschen öfter ziemlich viele frohen Mutes und gut gelaunt wohl zu ihrer Arbeitsstätte, also so sieht es zumindest aus, wenn ich da vorbeifahre ;-).
Vielleicht werde ich auch Paketschubser oder so was in der Art.
Ich muss allerdings noch ein Weilchen warten :-(.
Zur Zeit ist da wohl nix zu machen: https://www.amazon.jobs/de/landing_pages/versandmitarbeiter?utm_source=Search&utm_medium=Tomorrow_TTH&utm_content=DE

keko#
19.12.2018, 08:01
Da muss man aber wahrscheinlich wohl einfach die Bodenhaftung verlieren, wenn man auf seine Konten schaut und mit dem Gedanken spielt, man hätte sich das alles wirklich verdient ;-).


Warum? Die Basisideologie unsere Gesellschaft ist, dass jemand zurecht oben ist, wenn er oben ist und jemand zurecht unten, wenn er unten ist.
Paketschubser ist wohl einer dieser Jobs, den die Digitaliserung bringt. Maul also nicht rum, schaff was!!

ThomasG
19.12.2018, 08:11
Warum? Die Basisideologie unsere Gesellschaft ist, dass jemand zurecht oben ist, wenn er oben ist und jemand zurecht unten, wenn er unten ist.
Stimmt auch wieder!
Es ist nämlich nicht nur so, dass die Lämmer schweigen.
Nein, nein!
Es gibt halt auch Neidhammel, die anderen ihr hart erarbeites Vermögen einfach nicht gönnen!
Die US-Amerikaner sollen da gaaanz anders sein, habe ich zumindest öfter schon gehört, aber ich kann das schlecht wirklich beurteilen, weil ich bei denen noch nie war.
Paketschubser ist wohl einer dieser Jobs, den die Digitaliserung bringt. Maul also nicht rum, schaff was!!
Ach - was wird mir warm um`s Herz wenn ich an die schöne Zeit zurückdenke, wo ich da frohen Mutes und gut gelaunt Sendungen sortieren und verteilen durfte (leider nicht bei Amazon).
War das schön!
Vor allem im Winter :-)!
Man muss aber Prioritäten setzen und ich muss jetzt endlich mal mit dem Training anfangen!

Bis dann :-)!

Nachtrag: Do isser widder, aber blos gonz korz! :-)
:Blumen: https://www.youtube.com/watch?v=wTP2RUD_cL0:Blumen:

keko#
19.12.2018, 11:10
Stimmt auch wieder!
Es ist nämlich nicht nur so, dass die Lämmer schweigen.
Nein, nein!
Es gibt halt auch Neidhammel, die anderen ihr hart erarbeites Vermögen einfach nicht gönnen!
Die US-Amerikaner sollen da gaaanz anders sein, habe ich zumindest öfter schon gehört, aber ich kann das schlecht wirklich beurteilen, weil ich bei denen noch nie war.

In den USA herrscht ein anderer Geist. Dieses Surfer-Modell, das ich oben beschrieb, gibt es in den USA in anderer Form schon viele, viele Jahre.
Es ist auch die Frage, wo Neid anfängt und echte Kritik aufhört. Und wenn schon Kritik, dann natürlich ordentlich und fählervrei vorgetragen, sonst ist sie ja scheinbar auch wieder weniger wert ;)

ThomasG
19.12.2018, 17:54
In den USA herrscht ein anderer Geist. Dieses Surfer-Modell, das ich oben beschrieb, gibt es in den USA in anderer Form schon viele, viele Jahre.
Es ist auch die Frage, wo Neid anfängt und echte Kritik aufhört. Und wenn schon Kritik, dann natürlich ordentlich und fählervrei vorgetragen, sonst ist sie ja scheinbar auch wieder weniger wert ;)
Surfen kann ich auch :-), aber nur im Internet :-(!
Meine Rechtschreibung ist auch nicht sooo der Knaller und Abi habe ich auch keins :-(.
Man soll halt immer schön fleissig Vokabeln lernen!
Das war nicht so mein Fall.
Es ging gut bis zur 9. Klasse im Gymnasium.
Tja dann aber Englisch, Französisch 5 :-( und mit Ausgleichen war natürlich auch nichts zu machen).
Da bin ich halt runter.
So fing die Misere im Prinzip an.
Hätte ich nämlich Abi, dann hätte ich bestimmt was ganz anders studiert.
Wenn sie mich durch die Sportprüfung hätten durchkommen lassen (äußerst unwahrscheinlich!), dann hatte ich Sportwissenschaften studiert und wäre heute super berühmt.
Kritisieren konnte ich schon immer ganz gut.
Man nannte mich mal Regimekritiker.
Tja, wenn einigermaßen Englisch könnte, ja dann könnte ich ja in das gelobte Land* übersiedeln.
Eins wisst ihr ja noch gar nicht.
Den 11. September 2001 habe ich gewissermaßen voll verpennt.
Da war ich Sendungen verteilen (da kamen gerade die Telefonrechnungen an dem Tag also dreimal so viel Post wie an normalen Tagen) bzw. machte einen kurzen Zwischenstop daheim bevor ich weiter zur Nachhilfe fuhr.
Da war natürlich gerade die Glotze an.
Ich weiß bis heute nicht so richtig, wie das alles so war, was man da live on TV dargeboten bekam.
So oder so es war natürlich ein sehr, sehr, sehr trauriger Tag, aber den Opfern nützt es ja nix, wenn ich heute meine gute Laune unterdrücke.
Ich hoffe, es ärgert sich keiner allzu sehr über diesen Beitrag.
Es tut gut, wenn man ab und zu mal einfach völlig albern ist und wenn die Lage noch so bescheiden ist.
https://www.youtube.com/watch?v=PH9AB16Crjk*

ThomasG
21.12.2018, 03:32
Bei Stern TV ging es am 12. Dezember um das Thema Sanktionen.
Das habe ich eben erst zufällig entdeckt.
Heinrich Alt erwähnte, dass das Bundesverfassungsgericht über deren Rechtsmäßigkeit am 15. Januar 2019 verhandeln wird.
https://www.stern.de/politik/deutschland/themen/hartz-iv-4540418.html
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Termine/DE/2018/Sanktionen.html
https://www.hartziv.org/news/20181210-bundesverfassungsgericht-prueft-zulaessigkeit-von-hartz-iv-sanktionen.html

Ich habe den Schwestern und Brüdern noch nie getraut ;-)!
Die Wirtschaftsweisen haben sich gegen die Abschaffung der Sanktionen ausgesprochen. :-(

Zitat

Die Debatte um die Sozialleistungen, konkret Hartz IV bzw. das Arbeitslosengeld II, wird inzwischen aus mehreren Blickwinkeln geführt. Jetzt haben sich auch die Wirtschaftsweisen zu Wort gemeldet. Sie halten an den Sanktionen für Hartz IV Empfänger fest. Alles andere wäre zu teuer und ginge zulasten der Schwächsten, so Christoph Schmidt und Peter Bofinger.

Zitatende

Quelle: https://www.hartziv.org/news/20181123-hartz-iv-sanktionen-wirtschaftsweisen-sind-gegen-abschaffung.html

Was - die nehmen nicht jeden :-( :-( :-( ;-)?

"Ausgeliefert - Das Paketprekariat | NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böhmermann - ZDFneo"
https://www.youtube.com/watch?v=Rp1hERCvGKo

Wie es sich gehört:
Am Schluß kommt das Beste :-)!
https://youtu.be/Rp1hERCvGKo?t=751

ThomasG
22.12.2018, 03:11
Zitat

Joe Kaeser im stern: "Wer 40 Jahre Jahre gearbeitet hat, der soll im Alter würdig leben können"

Zitatende

Kaeser spricht sich im Artikel für eine Transaktionssteuer für u.a. Hochgeschwindigkeitsgeschäfte und gegen eine Maschinensteuer aus.
Da meinte er, die würde nur den Fortschritt behindern.
Man solle sich die Wirtschaftszweige anschauen, die wenig nutzen für die Allgemeinheit bringen.
Es ist wahrscheinlich reiner Zufall, dass Siemens wohl zukünftig von unbesteuerter Maschinenarbeit profitieren würde oder sollte ich besser schrieben wird ;-)?
Nein!
Wer wird denn so pessimistisch sein?!
Selbstverfreilich ist nicht zu erwarten, dass unbedingt jeder Siemensmitarbeiter von Maschinenarbeit profitieren wird - versteht sich.
Solche Kaliber lassen sich wohl eher nicht dazu hinreißen aus ihrem Herzen keine Mördergrube zu machen und einfach mal breit zugänglich zu sagen oder zu schreiben, was sie denken, sondern da wird sorgfälltig über jede Formulierung nachgedacht.
Gedanklich dürfen wir den obigen Satz in Anführungsstrichen dann sehr gerne fortführen, aber man unterstehe sich, dass dann auch konkret zu tun und zwar so, dass es recht viele mitbekommen, denn das käme dann schnell unverschämten Unterstellungen gleich ;-).
Das kommt mir bekannt vor:
https://www.youtube.com/watch?v=Sa2epRI8n4I
Die Jungs haben recht ;-)!
Es muss endlich mal einer aussprechen ;-)!
Wer nicht mindestens 40 Jahre alles tut und so ziemlich alles in Kauf nimmt, um seine Erwerbskarriere niemals auch nur kurzfristig zu unterbrechen, der hat es einfach nicht verdient im Alter würdig leben zu können ;-).
Punkt. ;-)
Um Missverständnissen vorzubeugen:
Eine Transaktionssteuer fände ich klasse :-)!

Hier ein Link zum Stern-Artikel, der sich mit den Worten des Siemens-Chef Joe Kaeser auseinandersetzt:
https://www.stern.de/wirtschaft/news/siemens-chef-joe-kaeser-spricht-sich-im-stern-fuer-eine-grundversorgung-im-alter-aus-8497142.html?utm_campaign=artikel-sticky&utm_medium=share&utm_source=facebook&fbclid=IwAR2gXHmu74a-A0y5IEjtAN7gLTO6_CdJ4QJOwpLdYKE4Dkb9e7Z9WawQtUw

ThomasG
02.01.2019, 02:52
Zitat:

Am 15. Januar 2019 findet vor dem Bundesverfassungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Es geht um die Frage, ob Sanktionen nach dem SGB II mit der Verfassung vereinbar sind. Tacheles e.V. ist als sogenannter sachverständiger Dritter zu der mündlichen Verhandlung geladen. Für das Bundesverfassungsgericht wird die Frage, welche Wirkungen Sanktionen nach dem SGB II erzielen, voraussichtlich eine große Rolle spiele. Das ist keine rechtliche Frage, sondern eine Frage nach Erfahrungen. Wir führen diese Umfrage durch, um möglichst viele Erfahrungen aus der Praxis zusammenzutragen. Die Ergebnisse wollen wir in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 15.1.2019 einbringen.

Die Umfrage ist anonym. Die Umfrage dauert ungefähr 5 Minuten.

Euer Tacheles - Team

Zitatende

Quelle: https://www.umfrageonline.com/s/Sanktionsumfrage?fbclid=IwAR2v49kvBQY9vX6uBUYPpBQC ImCmy-61rbVT7GHgpVTe6Fp5mIlU-9O2r-s

Zitat:

Über Tacheles

[...]

Unser Name ist Programm

Der Verein Tacheles redet Tacheles, wenn es um die Rechte sozial benachteiligter und erwerbsloser Menschen geht. Seit nunmehr über 23 Jahren macht der Verein auf Prozesse sozialer Ausgrenzung sowie die Einschränkung der Rechte "Armer" aufmerksam und formuliert im Namen der Betroffenen Forderungen an verantwortliche Stellen (mehr dazu hier…). Gegründet wurde der Verein 1994 als Selbsthilfeinitiative von Betroffenen für Betroffene. Durch seine erfolgreiche Arbeit und klare Positionierung auf der Seite von Leistungsbeziehenden hat es Tacheles zu bundesweiter Bekanntheit und Anerkennung gebracht.

Zitatende


Quelle: https://tacheles-sozialhilfe.de/ueber-tacheles/

https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/

Nachtrag:

Zu der Verhandlung über die Verfassungsmäßigkeit von Sanktionen nach dem SGB II gibt es eine Vorgeschichte.

Zitat:

Das Sozialgericht in Gotha stellt inzwischen Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger generell in Frage. Einem Beschluss des Gerichtes widersprechen Kürzungen des ALG II sogar dem Grundgesetz, wie Gerichtssprecher Jens Petermann erläutert: "Es ist geregelt, dass der Mensch ein soziokulturelles Existenzminimum haben muss. Es muss ihm ein Mindestmaß an finanziellen Möglichkeiten verbleiben, damit er seine Existenz sichern kann, damit er am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Das ermöglicht die Sanktionsregelung des SGB II nach Ansicht des Gerichts nicht mehr."

Die Richter aus Gotha haben ihren Beschluss an das Bundesverfassungsgericht geschickt, mit der Bitte, diesen zu prüfen. Noch in diesem Jahr soll eine Entscheidung fallen.

Zitatende

Quelle: https://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/strafen-fuer-hartz-vier-bezieher-100.html

https://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/videosextern/fragwuerdige-strafen-fuer-hartz-iv-bezieher-100.html

Zitat:

Kurz & bündig: Das Wichtigste zum Bundesverfassungsgericht und Hartz-4-Sanktionen

1. Als eines von fünf Verfassungsorganen des Bundes ist die Wahrung des Grundgesetzes die Hauptaufgabe des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG). Es steht über allen anderen Gerichten.
2. Auch mit Hartz-4-Sanktionen beschäftigt sich das BVerfG immer wieder, denn Kritiker solcher Sanktionen berufen sich darauf, dass das Existenzminimum von Hartz-4-Empfängern nicht mehr gesichert und ihre Gesundheit gefährdet sei.
3. Bereits 2010 urteilte das BVerfG, die Berechnungsgrundlagen entsprächen nicht der Realität – 2014 prüften die Richter und Richterinnen des BVerfG noch einmal, ob die Vorgaben umgesetzt und die Regelsätze angepasst wurden.
4. Ob und wann das Bundesverfassungsgericht Hartz-4-Sanktionen ganz abschafft oder das Hartz-4-Gesetz an sich Bestand haben wird, ist noch unklar. Allerdings setzen sich Politiker immer öfter für alternative Konzepte wie das bedingungslose Grundeinkommen ein.

Zitatende

Quelle: https://www.hartz4hilfthartz4.de/bundesverfassungsgericht/

ThomasG
14.01.2019, 05:44
Zu der Verhandlung über die Verfassungsmäßigkeit von Sanktionen nach dem SGB II gibt es eine Vorgeschichte.

Zitat:

Das Sozialgericht in Gotha stellt inzwischen Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger generell in Frage. Einem Beschluss des Gerichtes widersprechen Kürzungen des ALG II sogar dem Grundgesetz, wie Gerichtssprecher Jens Petermann erläutert: "Es ist geregelt, dass der Mensch ein soziokulturelles Existenzminimum haben muss. Es muss ihm ein Mindestmaß an finanziellen Möglichkeiten verbleiben, damit er seine Existenz sichern kann, damit er am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Das ermöglicht die Sanktionsregelung des SGB II nach Ansicht des Gerichts nicht mehr."

Die Richter aus Gotha haben ihren Beschluss an das Bundesverfassungsgericht geschickt, mit der Bitte, diesen zu prüfen. Noch in diesem Jahr soll eine Entscheidung fallen.

Zitatende

Quelle: https://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/strafen-fuer-hartz-vier-bezieher-100.html

So morgen ist es dann soweit.
Es würde mich sehr freuen, wenn das Bundeverfassungsgericht die Sanktionen nach dem SGB II für verfassungswidrig erklären würde.
Ich habe eben einen längeren Artikel für den Deutschlandfunk von Anja Nehls gefunden.
Bisher habe ich ihn nur überflogen, aber ich lese ihn noch aufmerksamer und langsamer durch.
Im Artikel kommt unter anderem nachfolgendes Zitat vor:

„Es ist ja so, dass seit dem 1.1.2005 in dieser Republik ein Phänomen besteht. Nämlich das Phänomen, dass Menschen, die keinerlei Straftaten begangen haben, tatsächlich aber aufgrund eines Verhaltens gegenüber der Sozialverwaltung, was möglicherweise von der Sozialverwaltung nicht für korrekt angesehen wird, in ihren Rechten erheblich beschnitten und eingeschränkt werden – soweit eingeschränkt werden, dass sich die Frage stellt, ob die Einschnitte so schwerwiegend sind, dass es auch Menschenrechtsverletzungen darstellen könnte.“

Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/wenn-ein-minimum-gekuerzt-wird-karlsruhe-verhandelt-ueber.724.de.html?dram:article_id=438173

ThomasG
15.01.2019, 06:42
Der Tag ist gekommen.
Heute wird das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit von Sanktionen nach dem SGB II verhandeln.
Ich habe eben noch einmal nach Informationen gesucht und folgendes gefunden.

Zitat:

Was hat das Gericht zu entscheiden?

Das Bundesverfassungsgericht soll klären, ob Leistungskürzungen für Hartz-IV-Empfänger Grundrechte verletzen. Konkret geht es um einen Arbeitslosen, der ein ihm zugewiesenes Jobangebot ablehnte, weil er nicht zu einer Arbeit gezwungen werden wollte. Zunächst kürzte ihm das Jobcenter Erfurt 30 Prozent des Regelsatzes. Als der Mann ein weiteres Angebot ablehnte – vom Jobcenter hatte er einen Gutschein zur Erprobung bei einem Arbeitgeber erhalten –, wurden ihm 60 Prozent der Grundsicherung gekürzt. [...]

Zitatende

Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-01/bundesverfassungsgericht-hartz-iv-sanktionen-strafen-verfassungswidrigkeit-faq#was-hat-das-gericht-zu-entscheiden

Zitat:

Welche Sanktionen sind bei Hartz IV heute möglich?

Wer Grundsicherung bezieht, muss nach dem Gesetz auch Pflichten erfüllen. Kommt man diesen nicht nach, sind Maßregelungen zulässig. Das steht in Paragraf 31 des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II), das die rechtliche Grundlage für die Sanktionen bildet. Hier sind auch Beispiele für Leistungskürzungen aufgeführt: Dazu gehört etwa die Weigerung, einen zumutbaren Job anzunehmen, oder, eine Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht anzutreten oder abzubrechen. Auch sind Kürzungen möglich, wenn man nicht nachweisen kann, dass man sich "ausreichend" bemüht hat, einen neuen Job zu finden. [...]

Zitatende

Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-01/bundesverfassungsgericht-hartz-iv-sanktionen-strafen-verfassungswidrigkeit-faq#welche-sanktionen-sind-bei-hartz-iv-heute-moeglich

Zitat:

Warum wurde die Verfassungsmäßigkeit der Sanktionen bisher nicht gerichtlich geprüft?

Obwohl das Arbeitslosengeld II zusammen mit der Möglichkeit zu Sanktionen schon vor 14 Jahren eingeführt wurde, gab es bislang keinen Fall, der es bis zum Bundesverfassungsgericht schaffte. Damit die Frage der Verfassungsmäßigkeit in Karlsruhe geklärt werden kann, muss sich entweder ein Betroffener durch alle Instanzen klagen oder aber ein anderes Gericht muss diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. [...]

Zitatende

Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-01/bundesverfassungsgericht-hartz-iv-sanktionen-strafen-verfassungswidrigkeit-faq#warum-wurde-die-verfassungsmaessigkeit-der-sanktionen-bisher-nicht-gerichtlich-geprueft

Zitat:

Was geschieht, wenn das Gericht Sanktionen für verfassungswidrig erklärt?

Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass die Sanktionen ganz gekippt werden, allerdings könnten Teile davon für verfassungswidrig erklärt werden. Dazu könnten die härteren Sanktionen für Menschen unter 25 Jahren oder die Totalsanktionen gehören. Doch eine Reform der Grundsicherung ist ohnehin in der Diskussion. [...]

Zitatende

Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-01/bundesverfassungsgericht-hartz-iv-sanktionen-strafen-verfassungswidrigkeit-faq#was-geschieht-wenn-das-gericht-sanktionen-fuer-verfassungswidrig-erklaert

Nachtrag:

Um zehn Uhr soll die Verhandlung beginnen: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Termine/DE/2018/Sanktionen.html

qbz
15.01.2019, 11:03
Der Tag ist gekommen.
Heute wird das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit von Sanktionen nach dem SGB II verhandeln.
..............


Vorsitzender des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes ist ein ehemaliger CDU-Abgeordneter, der im Juni 2018 noch im Bundestag für die Hartz IV Sanktionen in ihrer jetzigen Form stimmte. Eigentlich müsste er bei diesem Prozess aus Befangenheitsgründen auf die Ausübung der Richtertätigkeit verzichten, IMHO.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-kritiker-werfen-verfassungsrichter-harbarth-befangenheit-vor-a-1248077.html

Der Gang zum Bundesverfassungsgericht bedeutet immer auch ein gewisses Risiko für die Betroffenen. Bis zur letztinstanzlichen Entscheidung haben die unteren Gerichte nämlich mehr Entscheidungsspielraum bei Klagen, was sich auch zugunsten der Betroffenen auswirken kann. In dem Fall gab ein Geicht aus Gotha den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung, weil es offenbar nicht selbst ein Urteil fällen wollte.

Zunächst handelt es sich IMHO um eine politische Entscheidung der Legislative, die Berechtigung und die Höhe der Grundsicherung und des Arbeitslosengeldes festzulegen. Insbesondere die SPD und die Grünen sind aufgerufen, ihrer Kritik an dem von ihnen beschlossenen Hartz IV Taten folgen zu lassen. Die Linke lehnte bekanntlich die Sanktionen bei Hartz IV immer ab. Wie die Grünen oder SPD in einer Koalition mit der CDU/CSU eine Revision umsetzen wollen, bleibt aber ihr Geheimnis.

ThomasG
16.01.2019, 07:04
Vorsitzender des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes ist ein ehemaliger CDU-Abgeordneter, der im Juni 2018 noch im Bundestag für die Hartz IV Sanktionen in ihrer jetzigen Form stimmte. Eigentlich müsste er bei diesem Prozess aus Befangenheitsgründen auf die Ausübung der Richtertätigkeit verzichten, IMHO.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-kritiker-werfen-verfassungsrichter-harbarth-befangenheit-vor-a-1248077.html

Da hast Du vermutlich wieder mal locker aus dem Ärmel etwas geschüttelt, was ich zuvor nicht wusste.
Und ich teile Deine Auffassung in Bezug auf die von Dir genannten Fakten.
Ist halt vermutlich schon auch schick so ein rotes Teil zu tragen und immer wieder mal ein bisschen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen ;-).
Das legt man nicht sooo gerne ab nicht einmal so erwürdige Gesellen wie Bunderverfassungsrichter (den Begrifff kann man doch hoffe ich mal verwenden).

Der Gang zum Bundesverfassungsgericht bedeutet immer auch ein gewisses Risiko für die Betroffenen. Bis zur letztinstanzlichen Entscheidung haben die unteren Gerichte nämlich mehr Entscheidungsspielraum bei Klagen, was sich auch zugunsten der Betroffenen auswirken kann. In dem Fall gab ein Geicht aus Gotha den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung, weil es offenbar nicht selbst ein Urteil fällen wollte.
Auch diese Argumentation leuchtet mir ein und kam mir nicht unbedingt recht spontan in den Sinn, wenn ich an die aktuelle Sache denke.
Du hast dafür gesorgt, dass sich das ein bisschen (ich vergesse bsiweilen recht schnell) geändert hat.

Zunächst handelt es sich IMHO um eine politische Entscheidung der Legislative, die Berechtigung und die Höhe der Grundsicherung und des Arbeitslosengeldes festzulegen. Insbesondere die SPD und die Grünen sind aufgerufen, ihrer Kritik an dem von ihnen beschlossenen Hartz IV Taten folgen zu lassen. Die Linke lehnte bekanntlich die Sanktionen bei Hartz IV immer ab. Wie die Grünen oder SPD in einer Koalition mit der CDU/CSU eine Revision umsetzen wollen, bleibt aber ihr Geheimnis.
Ja die Linke kann man schon wählen, wenn man sein Herz am rechten Fleck trägt :-).
Sogar, wenn man Rammstein mag ;-).
https://www.youtube.com/watch?v=9bJP7Qe41Fk

ThomasG
16.01.2019, 07:23
So ich bitte um Nachsicht in Bezug auf meinen Versuch ein wenig für das Unterhaltungsprogramm beizusteuern.

Zurück zum Ernst des Lebens.
Ich bin ja durchaus manchmal recht naiv.
Es wird laut der Verlautbarungen wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, bis wir ein Urteil vom Bunderverfassungsgericht zu hören bekommen.
Tobias Kaiser überschrieb seinen Artikel mit den Worten "In der Hartz-IV-Frage wird Karlsruhe viele enttäuschen".
Hoffentlich hält die sich am Ende zumindest einigermaßen in Grenzen.

Zitat:

Zudem werden drei von vier Sanktionsfällen ohnehin nicht Gegenstand des Verfahrens sein: Wenn Bezieher von Arbeitslosengeld II, das landläufig Hartz IV genannt wird, ihren Meldepflichten nicht nachkommen und etwa einen Termin unentschuldigt versäumen, wird die Regelleistung um zehn Prozent gekürzt. Auch um diese kleineren Kürzungen werde es nicht gehen, sagte Richter Harbarth. Zuletzt entfielen 77 Prozent der Sanktionen auf Terminversäumnisse und ähnliche Verletzungen von Meldepflichten.

Urteil erst in einigen Monaten erwartet

Zitatende

Quelle: https://www.welt.de/wirtschaft/article187137938/Hartz-IV-Verfassungsgericht-verhandelt-Sanktionen.html

MattF
16.01.2019, 08:23
Vorsitzender des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes ist ein ehemaliger CDU-Abgeordneter, der im Juni 2018 noch im Bundestag für die Hartz IV Sanktionen in ihrer jetzigen Form stimmte. Eigentlich müsste er bei diesem Prozess aus Befangenheitsgründen auf die Ausübung der Richtertätigkeit verzichten, IMHO.

Sehe ich nicht so.

Ein Richter ist in D eine Instanz und insbesonder die höchsten Richter urteilen in meinen Augen streng nach Recht und Gesetz und wissenschaftlich fundiert.

Ein Richter am obersten Gericht kann in meinen Augen intellektuell trennen zwischen seiner persönlich Meinung und dem Gegenstand den er da betrachtet.

Wäre es nicht so könnte wir uns die ganze Sache auch sparen, mit den höchsten Gerichten.

Dazu kommt, er ist vielleicht Vorsitzender aber er ist ja nicht allein und hat einen wissenschaftlichen Stab, der auch Gründe finden muss für eine Entscheidung.
Solche Entscheidungen werden am Gericht nicht wie im Bundestag rein vom Gewissen her getroffen sondern rechtswissenschaftlich gut begründet.

Wärst du auch dafür, dass ein Richter der gegen die Sanktionen gestimmt oder sich geäussert hat, als befangen abgelehnt würde?

Grundsätzlich finde ich es mittlerweile eher lächerlich, dass Personen des öffentlichen Lebens allgem. immer ihre Vergangeheit vorgehalten wird.
Dabei wird extrem unlogisch vorgegangen.
Z.b. Andrea Nahles wird vorgeworfen sie hätte nie gearbeitet, wäre reine Politikerin ohne Ahnung von der Welt.

Wenn jetzt jemand einen beruflichen Hintergrund hat und von einem Hedgefond kommt oder Bayer/Monsanto oder Mercedes / VW im Lebenlauf stehen hat ist er ein Lobbiist.

Sorry was wäre denn der ideale Politiker? Oder der ideale Verfassungsrichter? Darf er sich vorher nicht politisch engagiert haben, damit er nicht in Verdacht gerät befangen zu sein?

Warte doch erstmal das Urteil und die Urteilbegründ ab.

qbz
16.01.2019, 09:10
Sehe ich nicht so.
........
Wärst du auch dafür, dass ein Richter der gegen die Sanktionen gestimmt oder sich geäussert hat, als befangen abgelehnt würde?
.......


Ja natürlich. Habe ich mich etwa so undeutlich ausgedrückt?

Es geht um die saubere Trennung, Gewaltenteilung von Legislative und Judikative. Die ist nicht gegeben, wenn die gleichen Personen über Gesetze urteilen, die sie selbst beschlossen haben, und es liegt objektiv und faktisch in diesem Fall eine klare Befangenheit vor. Als Abgeordneter und Jurist hat er doch pflichtgemäss das von ihm mitverabschiedete Gesetz schon ein Mal auf Verfassungsmässigkeit geprüft und jetzt soll er dasselbe nochmals als Verfassungsrichter prüfen.

Richter sind auch Menschen und die Trennung der Person auf verschiedene Rollen funktioniert nur bedingt. Im allgemeinen fordern Unbefangenheit gerade die Gerichte selber von ihren Sachverständigen und Gutachter und es handelt sich um einen anerkannten Grundsatz in der Rechtssprechung. Ich durfte z.B. kein Sorgerechtsgutachten oder andere Gutachten im Auftrag eines Gerichtes über Personen erstellen, die bei mir früher in Psychotherapie waren, aus Gründen der Befangenheit. Was würdest Du und Dein Anwalt sagen, wenn der Richter bei einem Gerichtsverfahren, wo Du Kläger oder Beklagter bist, mit der anderen Partei eng befreundet ist und direkt in der Sache früher selbst einseitig parteilich aktiv involviert war: "Ist nicht relevant, er kann die Rollen intellektuell und wissenschaftlich trennen und er hat noch einen 2. Richter und Schöffen an der Seite." Viel Glück bei dieser Art von Justiz, kann ich da nur sagen, und ein schlechter Anwalt, der in dem Fall keinen Befangenheitsantrag stellen würde, es sei denn er sucht einen späteren hundertprozentigen Revisionsgrund.

Ansonsten holst Du sehr weit aus, was alles mit dem zutreffenden Befangenheitsargument Null zu tun hat.

ThomasG
24.01.2019, 05:39
Leider wird seit einiger Zeit nicht mehr so oft und intensiv über Hartz IV diskutiert.
Wenn man nach Artikeln u.ä. sucht, findet man relativ wenig bzw. hauptsächlich welche, die schon älter sind.
Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich ja momentan mit der Frage, ob die Sanktionen verfassungswidrig sind.
Da sich das einige Zeit hinziehen dürfte bis es zu einer Verkündung des Urteils kommen wird, könnte es gut sein, dass sich das eher lähmend auswirkt:
Die Leute warten einfach darauf bis es soweit ist und erst dann wird die Diskussion vermutlich wieder auffachen.
Am 22. Januar gab es eine Tagung bei der Hans-Böckler-Stiftung.
Hier wurde über die Zukunft von Hartz IV gesprochen.
Es gibt dazu einen Stream und auch schriftliches Material.
Ich habe mir das noch nicht angeschaut und angehört, aber das werde ich bald machen.

"Tagung
Hat Hartz IV eine Zukunft?"
https://www.boeckler.de/veranstaltung_117398.htm

Ein Bericht zur Tagung: https://www.boeckler.de/veranstaltung_118107.htm

DGB-Papier "Soziale Sicherheit statt Hartz IV": https://www.dgb.de/themen/++co++68e8aeb0-f93e-11e8-b4a4-52540088cada

qbz
03.02.2019, 13:44
Da wir in diesem Thread auch intensiver über die starken Mietpreissteigerungen in den Städten diskutierten - schliesslich belasten sie gerade die unteren Einkommenschichten überproportional und verdrängen sie aus vielen Wohngegenden - verlinke ich hier mal einen Beitrag des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu der auch von mir hier befürworteten Möglichkeit, grosse Wohnungskonzerne zu vergesellschaften.

Von Canan Bayan im Tagesspiegel:
"Die in meinem Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg entstandene Initiative will die großen privaten Wohnungsbauunternehmen (ab 3000 Wohnungen) in Berlin nach Artikel 15 des Grundgesetzes (GG) vergesellschaften. Mit dem Ziel, der Verdrängung von Mietern entgegenzuwirken und die Mietpreise in der Stadt stabil zu halten.

Ende letzten Jahres wandte ich mich an den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags mit Fragen zur Vergesellschaftung gemäß Artikel 15 GG. Und erhielt nun eine Antwort, die manche Kritiker vielleicht überrascht. Der Tenor der Antwort: Es würde gehen, wenn man politisch will und es gut gemacht ist. Jedenfalls widerspricht das Gutachten den Kritikern, die die Umsetzung der Ziele der Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ für unmöglich halten.

Artikel 15 GG setzt seinem Wortlaut nach ein Gesetz voraus: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Art. 14 Absatz 3 entsprechend.“ Ein solches Gesetz könnte vom Land Berlin erlassen werden, führt das Gutachten aus, da der Bund bisher von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. In einem solchen Sozialisierungsgesetz müsste aufgelistet werden, unter welchen Voraussetzungen Wohnungen beziehungsweise Grundstücke sozialisiert werden sollen.
"
https://www.tagesspiegel.de/berlin/gruene-bundestagsabgeordnete-in-friedrichshain-kreuzberg-vergesellschaftung-ist-moeglich/23940116.html

qbz
06.02.2019, 18:31
Unzulässiger Trick bei Hartz IV: BSG kippt Mietobergrenzen vieler Jobcenter (https://www.n-tv.de/ratgeber/BSG-kippt-Mietobergrenzen-vieler-Jobcenter-article20837301.html)

ThomasG
06.02.2019, 20:29
Es ist leider ganz schön ruhig geworden in Bezug auf die Hartz-IV-Debatte.
Das Urteil des Bundesverfassungsgericht bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionen wurde noch nicht verkündet.
Eben habe ich drei Artikel von heute gefunden.
Andrea Nahles meinte „Wir wollen Hartz IV hinter uns lassen“.
Sie möchte eine neue Grundsicherung in Form eines sogenannten Bürgergeldes einführen.
Das wäre denke ich durchaus schon ein ganz ordentlicher Fortschritt.

Zitat:

Mit dem Bürgergeld will Nahles, die sich eine Klanzlerkandidatur zutraut, nun eine Übergangsphase von zwei Jahren einführen, in der beispielsweise die Angemessenheit der Wohnung nicht infrage gestellt wird. Die Menschen brauchten ihre Kraft, um einen neuen Job zu finden, nicht eine günstigere Wohnung, sagte die SPD-Chefin dem RND.
Auch unsinnige Sanktionen müssten weg, sagte Nahles. Dazu zählten die Strafen für unter 25-Jährige. „Sanktionen, die Obdachlosigkeit zur Folge haben, werden wir abschaffen“, erklärte Nahles.

Zitatende

Quelle: https://www.abendblatt.de/politik/article216381371/Hartz-IV-abschaffen-So-will-SPD-Chefin-Nahles-den-Sozialstaat-umbauen.html

Zitat:

Hartz IV abschaffen, ein neues Bürgergeld einführen, Sanktionen streichen und das Arbeitslosengeld verlängern: Im RND-Interview verrät Andrea Nahles erstmals, wie ihr Konzept für den „Sozialstaat 2025“ aussieht. Und auch über eine Kanzlerkandidatur denkt die SPD-Chefin schon nach.

Zitatende

Quelle: http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Hartz-IV-Plaene-von-Andrea-Nahles-So-reagieren-Union-und-FDP

Aus den Reihen der FDP kommt u.a. der Vorwurf Andrea Nahles ginge es darum Wahlgeschenke zu verteilen.

Zitat:

Widerstand gegen die Pläne der SPD-Chefin kommt auch vom Koalitionspartner CSU. „Das Programm von Frau Nahles würde Deutschland zum Sanierungsfall machen“, so CSU-Generalsekretär Markus Blume. „Die Erfolge am Arbeitsmarkt, die Hartz IV erreicht hat, dürfen nicht gefährdet werden.“

Zitatende

Quelle: https://www.abendblatt.de/politik/article216381371/Hartz-IV-abschaffen-So-will-SPD-Chefin-Nahles-den-Sozialstaat-umbauen.html

Zitat:

Die SPD-Chefin will den Sozialstaat umbauen – und die Kritik lässt nicht lange auf sich warten: CDU- und FDP-Politiker halten das Vorhaben der SPD für unrealistisch und „töricht“. Aus der Union wird der Vorwurf laut, die SPD verliere den Koalitionsvertrag aus den Augen.

Zitatende

Quelle: http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Hartz-IV-Plaene-von-Andrea-Nahles-So-reagieren-Union-und-FDP

Nachtrag: Erfreulicherweise ist die Debatte wieder angefacht worden.
Man findet wieder recht viele Artikel und Berichte u.ä., wenn man im Netz danach sucht.
So hat beispielsweise auch die Tagesschau gestern Abend einen Beitrag gesendet zum Thema.
https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-502449.html
https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-502619.html
https://www.youtube.com/watch?v=qW1r2b55GxM
https://www.tagesspiegel.de/politik/buergergeld-statt-hartz-iv-andrea-nahles-will-bis-zu-33-monate-arbeitslosengeld-i-zahlen/23954068.html
https://www.tagesspiegel.de/politik/andrea-nahles-buergergeld-bei-hartz-iv-schmerzen-die-narben-der-spd/23956448.html
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_85207486/spd-wirbt-fuer-buergergeld-andrea-nahles-wir-lassen-hartz-iv-hinter-uns-.html
http://www.taz.de/!5571226/
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/andrea-nahles-spd-chefin-will-aelteren-laenger-arbeitslosengeld-zahlen-a-1251769.html
https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgergeld

qbz
07.02.2019, 20:00
......
Andrea Nahles meinte „Wir wollen Hartz IV hinter uns lassen“.
Sie möchte eine neue Grundsicherung in Form eines sogenannten Bürgergeldes einführen.
......


Mir fehlt bei den Vorschlägen von Andrea Nahles die Erhöhung der Regelsätze in Verbindung mit einem besseren Mindestlohn, die generelle Streichung der Sanktionen und die Aufgabe des Prinzips, die Grundsicherung mit Sanktionen an "Fördern und Fordern" zu binden. So handelt es sich in meinen Augen um Kosmetik, neuer Name für altes Modell, um weiterhin Menschen in Jobs mit geringstem Einkommen zu treiben. Typisch für die rechte SPD.

ThomasG
07.02.2019, 20:41
Mir fehlt bei den Vorschlägen von Andrea Nahles die Erhöhung der Regelsätze in Verbindung mit einem besseren Mindestlohn, die generelle Streichung der Sanktionen und die Aufgabe des Prinzips, die Grundsicherung mit Sanktionen an "Fördern und Fordern" zu binden. So handelt es sich in meinen Augen um Kosmetik, neuer Name für altes Modell, um weiterhin Menschen in Jobs mit geringstem Einkommen zu treiben. Typisch für die rechte SPD.
Ich habe den Eindruck viele Deutsche haben eine ziemlich enge Sicht in Bezug auf Arbeit bzw. Erwerbsarbeit.
Da lässt man gar nicht oder selten Gedanken zu, dass es durchaus einen Haufen Leute gibt, die unbezahlt Leistungen vollbringen, für die andere durchaus entlohnt werden.
Und das sind nicht nur Arbeiten, die mehr oder weniger zum eigenen Vergnügen erledigt werden.
Wenn man das Glück hat beruflich das tun zu dürfen, was man sehr gerne tut und was einem viel gibt, dann hat man eine ganz schön priviligierte Position finde ich.
Ich denke so groß ist der Anteil der Leute bei uns nicht, die das aus vollem Herzen von sich behaupten können.
Unter diesen Voraussetzungen kann man natürlich ganz andere Arbeitsergebnisse abliefern, als der große Rest, der halt oft recht unmotiviert und nicht gerade begeistert seiner Erwerbtätigkeit nachgeht.
Wenn die Arbeit mit relativ viel Frust verbunden ist, dann ist oder kann das natürlich auch ein Nährboden dafür sein diejenigen abzulehnen, von denen man einfach annimmt, sie haben einfach nur keine Lust ähnliches in Kauf zu nehmen, was man selber halt notgedrungen in Kauf nimmt.
Der Mensch ist halt auch Gewohnheitstier.
Wenn man sich mal einigermaßen mit seiner Rolle abgefunden hat, dann bleibt man halt dabei.
Man weiß ja nicht so genau, wie es kommt, wenn man mal bereit ist ein Risiko einzugehen und beispielsweise seinen Job zu kündigen, weil man zu wenig Erfüllung und Sinn ihn ihm finden kann.
Ich käme mit dem Hartz-IV-Satz nie über die Runden.
Und ich habe viele Dinge nicht, die man eigentlich haben sollte und die die große Mehrheit hier hat.
Manche bilden sich ein damit über die Runden kommen zu können oder behaupten es und haben das ihrer Meinung nach sogar schon mal phasenweise bewiesen.
Schaut man genauer hin, dann würde man aber leicht erkennen, dass sie höchstwahrscheinlich auch Reserven eingesetzt haben, die eben da waren, weil es für sie eben auch andere Zeiten gab.
Viele Menschen könnten locker mal zwei, drei Jährchen gar keine Klamotten kaufen beispielsweise.
Sie haben ja so viel davon.
Tja, aber irgendwann sind die Reserven aufgebraucht.

keko#
07.02.2019, 21:07
Wenn man das Glück hat beruflich das tun zu dürfen, was man sehr gerne tut und was einem viel gibt, dann hat man eine ganz schön priviligierte Position finde ich.
Ich denke so groß ist der Anteil der Leute bei uns nicht, die das aus vollem Herzen von sich behaupten können.

Bei mir ist das definitiv so. So Gott will und ich gesund bleibe, werde ich nach 40 Jahren mal in Rente gehen und das Gefühl haben, nie gearbeitet zu haben. Die weiteste Strecke bin ich schon gegangen ;-)

ThomasG
07.02.2019, 21:42
Bei mir ist das definitiv so. So Gott will und ich gesund bleibe, werde ich nach 40 Jahren mal in Rente gehen und das Gefühl haben, nie gearbeitet zu haben. Die weiteste Strecke bin ich schon gegangen ;-)
Das ist schön und bestimmt nicht nur gut für Dich, sondern so kannst Du mit den Menschen in Deinem Umfeld ganz anders umgehen und ihnen eine Hilfe sein.
Heute morgen sind mir zweimal die Jungs von der Müllabfuhr über den Weg gelaufen bzw. ich ihnen.
Einer hat ein bisschen auf nette Art und Weise mit mir ein kurzen, gut gelaunten Smaltalk abgehalten :-).
Es war ihm anzumerken, dass er stolz auf seine Arbeit ist und sie gerne macht und das völlig zu recht :-).
Hoffentlich bleibt er körperlich lange genug fit, da mithalten zu können.
Das Tempo, was die da vorlegen, ist durchaus beeindruckend.
Allerdings frage ich mich immer, ob die sich auf diese Art und Weise die Arbeitsbedingungen nicht selber immer schwerer machen.
Es kommt mir so vor, als gäbe es da erst einmal gewisse Anreize die Touren möglichst flott zu absolvieren bzw. früh fertig zu sein.
Tja - aber ich befürchte da wird im Hintergrund auch ganz genau Statistik darüber geführt, was geht, wenn man das so macht wie die Jungs von heute morgen.
Da wird vom Wagen hinten abgesprungen noch im Fahren zu den Mühlsäcken im Laufschritt hingelaufen und wieder zurück zum Wagen und der Sack im Laufschritt mit einem gekonnten Wurf zielgenau hinkatapultiert, wo er hin soll.
Ich glaube ältere und erfahrene und bewährte Leute haben irgendwann die Chance so einen Müllwagen fahren zu dürfen, wenn sie zu alt geworden sind oder zu viele Wehwehchen haben für das Herumgehetze und Herumgespringe.
Das Problem ist halt.
Da ist ein Fahrer und zwei oder drei Leute sammeln die Müllsäcke ein.
Die sind ein Team.
Mindestens einer des Außenteams muss sehen, wo er bleibt, wenn es draußen einfach nicht mehr geht ... :-(

dherrman
07.02.2019, 23:10
Das ist schön und bestimmt nicht nur gut für Dich, sondern so kannst Du mit den Menschen in Deinem Umfeld ganz anders umgehen und ihnen eine Hilfe sein.
Heute morgen sind mir zweimal die Jungs von der Müllabfuhr über den Weg gelaufen bzw. ich ihnen.
Einer hat ein bisschen auf nette Art und Weise mit mir ein kurzen, gut gelaunten Smaltalk abgehalten :-).
Es war ihm anzumerken, dass er stolz auf seine Arbeit ist und sie gerne macht und das völlig zu recht :-).
Hoffentlich bleibt er körperlich lange genug fit, da mithalten zu können.
Das Tempo, was die da vorlegen, ist durchaus beeindruckend.
Allerdings frage ich mich immer, ob die sich auf diese Art und Weise die Arbeitsbedingungen nicht selber immer schwerer machen.
Es kommt mir so vor, als gäbe es da erst einmal gewisse Anreize die Touren möglichst flott zu absolvieren bzw. früh fertig zu sein.
Tja - aber ich befürchte da wird im Hintergrund auch ganz genau Statistik darüber geführt, was geht, wenn man das so macht wie die Jungs von heute morgen.
Da wird vom Wagen hinten abgesprungen noch im Fahren zu den Mühlsäcken im Laufschritt hingelaufen und wieder zurück zum Wagen und der Sack im Laufschritt mit einem gekonnten Wurf zielgenau hinkatapultiert, wo er hin soll.
Ich glaube ältere und erfahrene und bewährte Leute haben irgendwann die Chance so einen Müllwagen fahren zu dürfen, wenn sie zu alt geworden sind oder zu viele Wehwehchen haben für das Herumgehetze und Herumgespringe.
Das Problem ist halt.
Da ist ein Fahrer und zwei oder drei Leute sammeln die Müllsäcke ein.
Die sind ein Team.
Mindestens einer des Außenteams muss sehen, wo er bleibt, wenn es draußen einfach nicht mehr geht ... :-(


Schön geschrieben. So tickt halt unser System, bei denen o.g. ist dann wirklich Feierabend wenn Sie sich beeilen. Als Freiberufler bin ich in viele Firmen unterwegs und kann das beobachten, das viele sich "beeilen" im Job, aber nie fertig werden... Glück, wer im Alter in einer Festanstellung ein Abstellgleis bekommt. Findet sich selten, gibt es aber manchmal. Sonst "gute" Abfindung und Tschüss...

Ich bin echt gespannt, wie unser Bereich der IOT und Industrie 4.0 sich entwickelt. Momentan bin ich guter Dinge, das die Szenarien vom Wegfall vieler Jobs in der Produktion nicht so schnell kommen werden. Es ist eine Transformation, aber eine langsame. Denke ich an KI muss ich herzhaft lachen. Ein Reebot tut immer gut ;)

Aber schaun mer mal, was mit Harz4 passieren wird.

VG

ThomasG
08.02.2019, 06:54
Schön geschrieben. So tickt halt unser System, bei denen o.g. ist dann wirklich Feierabend wenn Sie sich beeilen. Als Freiberufler bin ich in viele Firmen unterwegs und kann das beobachten, das viele sich "beeilen" im Job, aber nie fertig werden... Glück, wer im Alter in einer Festanstellung ein Abstellgleis bekommt. Findet sich selten, gibt es aber manchmal. Sonst "gute" Abfindung und Tschüss...

Ich bin echt gespannt, wie unser Bereich der IOT und Industrie 4.0 sich entwickelt. Momentan bin ich guter Dinge, das die Szenarien vom Wegfall vieler Jobs in der Produktion nicht so schnell kommen werden. Es ist eine Transformation, aber eine langsame. Denke ich an KI muss ich herzhaft lachen. Ein Reebot tut immer gut ;)

Aber schaun mer mal, was mit Harz4 passieren wird.

VG
Wenn die Leute nicht so richtig dazugehören und dauernd wechseln, fällt es denjenigen, die das dann auszuführen haben, häufiger recht leicht sie vor die Tür zu setzen, wenn sie nicht mehr erwünscht sind.
Da lässt man einfach einen Zeitvertrag auslaufen o.ä. und teilt schriftlich noch mit, dass das einem Leid täte, aber sein müsste, da es keine Möglichkeiten mehr gäbe einer Weiterbeschäftigung oder so ähnlich.
Jeder von uns kann es tagtäglich mitbekommen wie sich Zusteller, Putzpersonal oder Pflegepersonal einem abrödelt, um eine Chance zu haben das zu erledigen, was sie erledigen müssten oder müssen.
Oft geht das dann natürlich nur halbherzig oder schlampig und es leidet nicht nur derjenige darunter, der sich genötigt fühlt seine Aufgaben entsprechend zu erledigen.
Ruckzuck zeigt sich, wen man wie stark unter Druck setzen kann und mit welchen Mitteln oder Worten und wen nicht so.
Als ich als Zusteller gearbeitet habe, habe ich das nur aus einem Grund relativ lange durchgehalten (gut zwei Jahre):
Innerlich wusste ich, dass ich jederzeit sofort kündigen werde, wenn es mir zu arg wird.
Das kann und konnte nicht jeder und man merkte es den Leuten deutlich an, die der Ansicht waren sie könnten sich diese Mentalität nicht leisten.
Wenn ich morgens sah, dass das unmöglich in der Zeit auch nur annähernd zu packen ist für die man mich engagiert hatte, dann habe ich irgendwann aufgehört Sendungen zu sortieren und habe die unsortierten Sendungen in einer Kiste gegeben oder auch mehrere und die einfach im Depot zurückgelassen.
Ich habe nicht gefragt, ob ich das darf.
Ich habe gesagt das lasse ich da das ist einfach zu viel das kann ich nicht schaffen und bin nach einem tiefen Blick in die Augen des gegenüber gegangen.
Es hat so geklappt.
Man muss dem Feind ;-) nur tief uin die Äuglein blicken, dann fängen die inneren Rädchen an zu ticken und die Bereitschaft ein wenig mitzufühlen steigt manchmal sogar auch.
Da gibt es so einen Typ Kutzweil heißt der glaube ich, der blickt seinen Worten nach zu urteilen ganz anders in die Zukunft wie Massen seiner Zeitgenossen.
Er zeichnet da Bilder von paradiesischen Zuständen in gar nicht allzu ferner Zukunft.
Maschinen und Roboter bereiten uns sozusagen ein wunderbar bequemes und sicheres Leben - befreien uns von allen lästigen Arbeiten und sie tun dies nicht nur für besonders betuchte, sondern für alle.
Da frage ich mich, wie man in einer Welt wie sie derzeit ist dazu kommen kann, daran zu glauben, dass sie sich so zu einer solchen ändern wird und das auch noch recht bald.
Die meisten sind ja zumindest immer ein bisschen auf der Suche ihrem Dasein wenigstens eine Spur Sinnhaftigkeit abzuringen.
Im Schlaraffenland könnte es sehr eng werden in dieser Hinsicht.
Ich bin aber recht zuverlässig, dass das so schnell nicht kommen wird auf diesem Planeten, also zumindest nicht für die große Mehrheit der Wesen, die hier wandeln.
Immerhin ein Trost ;-)!

Ja tvoi sluga(ich bin dein Sklave)
ja tvoi rabotnik(Ich bin dein Arbeiter)
Wir laden unsre Batterie jetzt sind wir voller Energie
wir sind die Roboter wir sind die Roboter
wir sind die Roboter wir sind die Roboter
Wir funktioniern automatik jetzt wolln wir tanzen mechanik
wir sind die Roboter wir sind die Roboter
wir sind die Roboter wir sind die Roboter
ja tvoi sluga
ja tvoi rabotnik
ja tvoi sluga
ja tvoi rabotnik ...

(Quelle: https://www.songtexte.com/songtext/kraftwerk/die-roboter-33c158f9.html)

https://www.youtube.com/watch?v=5DBc5NpyEoo

keko#
08.02.2019, 08:26
Ich bin echt gespannt, wie unser Bereich der IOT und Industrie 4.0 sich entwickelt. Momentan bin ich guter Dinge, das die Szenarien vom Wegfall vieler Jobs in der Produktion nicht so schnell kommen werden. Es ist eine Transformation, aber eine langsame.

Interessant ist eher, welche neuen oder anderen Stellen nach dieser Transformation dann geschaffen werden und ob man davon noch leben kann. Ich denke, es wird in der Bevölkerung langfristig einen kleinen Teil hochausgebildeter Spezialisten/Intellektueller geben und eine große, willfährige Masse. Genau so, wie es früher einmal war.
In den 90er Jahren hat mir diese Theorie oder Idee ein amerikanischer Freund näher gebracht, als ich dort lebte und ihm in langen Diskussionen meine Erfahrungen in den USA mitteilte. Damals habe ich ihn noch schräg angeschaut, aber mittlerweile sehe ich auch in Deutschland die Tendenz deutlich dorthin. Die USA sind uns in vielen Dingen einfach voraus.

qbz
08.02.2019, 09:01
Interessant ist eher, welche neuen oder anderen Stellen nach dieser Transformation dann geschaffen werden und ob man davon noch leben kann. Ich denke, es wird in der Bevölkerung langfristig einen kleinen Teil hochausgebildeter Spezialisten/Intellektueller geben und eine große, willfährige Masse. Genau so, wie es früher einmal war.
In den 90er Jahren hat mir diese Theorie oder Idee ein amerikanischer Freund näher gebracht, als ich dort lebte und ihm in langen Diskussionen meine Erfahrungen in den USA mitteilte. Damals habe ich ihn noch schräg angeschaut, aber mittlerweile sehe ich auch in Deutschland die Tendenz deutlich dorthin. Die USA sind uns in vielen Dingen einfach voraus.

Ich bin zu alt, um in die Zukunft zu schauen. :) Deswegen ein Blick in die Vergangenheit: die Abiturabschlüsse und akademischen Ausbildungen nahmen im Vergleich zu vor 50 Jahren stetig zu. Die "Masse" erhält heute mehr Ausbildungsjahre wie früher. Wäre das für die Wirtschaft in der Zukunft nicht mehr notwendig, würden die Staaten in Europa das öffentliche Bildungswesen abbauen.

Schwarzfahrer
08.02.2019, 09:21
Interessant ist eher, welche neuen oder anderen Stellen nach dieser Transformation dann geschaffen werden und ob man davon noch leben kann. Ich denke, es wird in der Bevölkerung langfristig einen kleinen Teil hochausgebildeter Spezialisten/Intellektueller geben und eine große, willfährige Masse. Genau so, wie es früher einmal war.
In den 90er Jahren hat mir diese Theorie oder Idee ein amerikanischer Freund näher gebracht, als ich dort lebte und ihm in langen Diskussionen meine Erfahrungen in den USA mitteilte. Damals habe ich ihn noch schräg angeschaut, aber mittlerweile sehe ich auch in Deutschland die Tendenz deutlich dorthin. Die USA sind uns in vielen Dingen einfach voraus.
Die Vision ist noch älter, aber deshalb nicht unwahrscheinlicher. Kurt Vonnegut beschrieb so eine Welt bedrückend in Player Piano (https://www.amazon.de/Player-Piano-Novel-Kurt-Vonnegut/dp/0385333781). In den letzten Jahren mußte ich häufiger daran denken, und habe es deshalb kürzlich wieder gelesen.

Ich bin zu alt, um in die Zukunft zu schauen. :) Deswegen ein Blick in die Vergangenheit: die Abiturabschlüsse und akademischen Ausbildungen nahmen im Vergleich zu vor 50 Jahren stetig zu. Die "Masse" erhält heute mehr Ausbildungsjahre wie früher. Wäre das für die Wirtschaft in der Zukunft nicht mehr notwendig, würden die Staaten in Europa das öffentliche Bildungswesen abbauen.
Es gibt aber auch nicht ganz von der Hand zu weisende Ansichten, nach denen das Mehr an Abiturienten und Akademikern nur zu geringem Teil auch mehr höher Qualifizierte bedeutet; in vielen Bereichen ist mit diesen Titeln ein deutlich niedrigeres Leistungs- und Bildungsnivea verknüpft, als vor 50 Jahren. Die Fähigkeiten der Menschen sind nach Gauss verteilt, und die Fähigkeit zu hochqualifizierten Jobs wird immer nur eine Minderheit tatsächlich haben, egal wo wir die Grenze zu Titeln wie Abitur oder Bachelor oder Master ziehen, oder ob wir einfache Jobs mit hochtrabenden neuen Namen versehen (s. Facility Manager vs. Hausmeister). Und ich fürchte die Wirtschaft braucht in folge der Digitalisierung und Automatisierung einen stetig wachsenden Anteil an höherer Qualifikation, also auch höhere Anforderung an die Fähigkeiten, als was die Gaussverteilung der Menschheit hergibt. Deshalb planen schon große Firmen wie BASF für eine Zukunft ohne Menschen in der Fabrik, da sie keine Chance sehen, den Bedarf voll decken zu können. Und zu mehr einfachen Jobs mit geringen Anforderungen will niemand zurück - es ist ja unwirtschaftlich.

keko#
08.02.2019, 09:27
Ich bin zu alt, um in die Zukunft zu schauen. :) Deswegen ein Blick in die Vergangenheit: die Abiturabschlüsse und akademischen Ausbildungen nahmen im Vergleich zu vor 50 Jahren stetig zu. Die "Masse" erhält heute mehr Ausbildungsjahre wie früher. Wäre das für die Wirtschaft in der Zukunft nicht mehr notwendig, würden die Staaten in Europa das öffentliche Bildungswesen abbauen.

Letzteres tun sie auch. Zumindest in DE. Wir haben Bachelor auf dem Niveau eines Vordiploms. Wir haben G8 und Realschulen, auf denen zum großen Teil Hauptschüler sind und man in den ersten Jahren nicht mehr durchfallen kann (hier in BaWü). Wir haben Einwanderung vorwiegend in die unteren Bildungsschichten.
Zudem heißt eine formale Bildung nicht, dass man eigenständig denken gelernt hat. Das geht durch eine komprimierte, wirtschaftskonforme Ausbildung verloren.
Meiner Meinung nach rüstet sich DE sehr gut für die Zukunft. Unsere führenden Politiker sind alles andere als Dummköpfe.

qbz
08.02.2019, 10:13
........
Es gibt aber auch nicht ganz von der Hand zu weisende Ansichten, nach denen das Mehr an Abiturienten und Akademikern nur zu geringem Teil auch mehr höher Qualifizierte bedeutet; in vielen Bereichen ist mit diesen Titeln ein deutlich niedrigeres Leistungs- und Bildungsnivea verknüpft, als vor 50 Jahren.
..........


Die IQ-Tests wurden in den Industrieländern in gewissen Perioden jeweils neu "geeicht", weil der IQ in den vergangenen hundert Jahren stetig zugenommen hat. (sog. Flynn-Effekt).
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/iq-warum-die-menschheit-immer-schlauer-wird-a-1036825.html

Es gibt allerdings auch eine norwegische Studie, die für den Beginn des 21. Jahrhunderts eine Abflachung bis Rückgang des IQ festgestellt haben will.

Nimm als Beispiel einfach mal den Beruf des früheren Bauern im Vergleich zum heutigen Landwirt, der einen ganz anderen Bildungsumfang für seine Arbeit benötigt.

qbz
08.02.2019, 10:30
Letzteres tun sie auch. Zumindest in DE. Wir haben Bachelor auf dem Niveau eines Vordiploms. Wir haben G8 und Realschulen, auf denen zum großen Teil Hauptschüler sind und man in den ersten Jahren nicht mehr durchfallen kann (hier in BaWü). Wir haben Einwanderung vorwiegend in die unteren Bildungsschichten.
Zudem heißt eine formale Bildung nicht, dass man eigenständig denken gelernt hat. Das geht durch eine komprimierte, wirtschaftskonforme Ausbildung verloren.
Meiner Meinung nach rüstet sich DE sehr gut für die Zukunft. Unsere führenden Politiker sind alles andere als Dummköpfe.

Zu meiner Abizeit (in der Schweiz Matura) 1966 waren es ca. 12-15 % eines Jahrganges, 1990 in DE ca. 30 %, heute ca. 50 %. Damit ist IMHO eindeutig die Bildung für einen breiten Teil der Bevölkerung gewachsen, auch wenn vielleicht die Anforderungen insgesamt für das Abi niedriger wurden. Zu Beginn meines Studiums in Psychologie 1970 gab es zwar auch schon einen NC. Heute braucht man fast ein Einser Abi, um Arzt / Psychologie zu studieren, was ich persönlich für völlig überzogen (und für eine falsche Berufsselektion) halte, wenn jemand z.B. Psychotherapeut werden will. Entsprechend "karriereangepasst" verhalten sich viele Praktikanten aus diesen Studienfächern von der Uni.
https://www.zeit.de/2017/14/schulabschluss-abitur-angestiegen-verfall

Schwarzfahrer
08.02.2019, 10:40
Nimm als Beispiel einfach mal den Beruf des früheren Bauern im Vergleich zum heutigen Landwirt, der einen ganz anderen Bildungsumfang für seine Arbeit benötigt.
Stimmt. Und heute sind 2 % der Beölkerung in D Bauern, in 1950 waren es noch 24 %, um 1900 sogar 38 % (Jahrhundertvergleich (https://www.bauernverband.de/12-jahrhundertvergleich)). Neben der steigenden Produktivität hat es möglicherweise auch damit zu tun, daß weniger Bauern den notwendigen Bildungsumfang schaffen, um auf dem heute notwendigen Niveau Landwirtschaft zu betreiben. Dieses Beispiel belegt auf jeden Fall nicht, daß sich die Gauss-Kurve der Fähigkeiten nach rechts verschieben würde.

qbz
08.02.2019, 10:58
Stimmt. Und heute sind 2 % der Beölkerung in D Bauern, in 1950 waren es noch 24 %, um 1900 sogar 38 % (Jahrhundertvergleich (https://www.bauernverband.de/12-jahrhundertvergleich)). Neben der steigenden Produktivität hat es möglicherweise auch damit zu tun, daß weniger Bauern den notwendigen Bildungsumfang schaffen, um auf dem heute notwendigen Niveau Landwirtschaft zu betreiben. Dieses Beispiel belegt auf jeden Fall nicht, daß sich die Gauss-Kurve der Fähigkeiten nach rechts verschieben würde.

Soll ich jetzt alle alten und neuen Berufe listen, die ein gestiegenes Qualifikationsprofil benötigen? Wir haben nachweislich viel, viel weniger Arbeitsplätze, die keine Ausbildung benötigen im Vergleich zu 50-100 Jahren.

Das Anwachsen des IQ in den letzten hundert Jahren belegt doch der von mir genannte Flynn-Effekt (https://de.wikipedia.org/wiki/Flynn-Effekt).
"Eine Metastudie von 2015 zeigte, dass der weltweite IQ, ermittelt aus 219 Studien aus 31 Staaten im Zeitraum von 1909 bis 2013, um volle 30 Punkte gestiegen ist.[15]"

keko#
08.02.2019, 11:35
Zu meiner Abizeit (in der Schweiz Matura) 1966 waren es ca. 12-15 % eines Jahrganges, 1990 in DE ca. 30 %, heute ca. 50 %. Damit ist IMHO eindeutig die Bildung für einen breiten Teil der Bevölkerung gewachsen, auch wenn vielleicht die Anforderungen insgesamt für das Abi niedriger wurden. Zu Beginn meines Studiums in Psychologie 1970 gab es zwar auch schon einen NC. Heute braucht man fast ein Einser Abi, um Arzt / Psychologie zu studieren, was ich persönlich für völlig überzogen halte, wenn jemand z.B. Psychotherapeut werden will. Entsprechend "karriereangepasst" verhalten sich viele Praktikanten aus diesen Studienfächern von der Uni.
https://www.zeit.de/2017/14/schulabschluss-abitur-angestiegen-verfall

Ich zweifel die bisherige Entwicklung auch gar nicht an. Im Fach Mathematik hat man z.B. in den vergangenen 35 Jahren das eine oder andere Thema gestrichen (auch im Schuljahr 2018/19), dafür gehen die Schüler nun kürzer in die Schule und haben zusätzliche Aufgaben (GFS, Referate, Hausarbeiten), die es bei uns in den 80er Jahren so nicht gab. Waren bei uns die guten Schüler vorwiegend die, die es einfach drauf hatten, gibt es heute gute Schüler, die einfach knallhart büffeln und ihre Schullaufbahn planen.
Mir ging es um die zukünftige Entwicklung bzgl. einer weiteren Digitalisierung. Selbstverständlich werden Spezialisten benötigt, die diese Produkte entwerfen und damit umgehen können. Doch bin ich der Überzeugung, dass wir eine sehr breite Masse reiner Konsumenten und billiger Arbeitskräfte benötigen. Insofern bin ich mit der aktuellen Migrationspolitik einverstanden. Man muss nur aufpassen, auf welcher Seite der Gesellschaft man landet. Da ich in der Entwicklung von digitalen Produkten im Bereich Industrie 4.0 arbeite, kann es mir recht sein, wenn cheap labour diese bedienen. Je dümmer die Bediener, desto mehr Hirn muss ich reinstecken und desto besser werde ich bezahlt :Cheese:

ThomasG
19.02.2019, 20:09
Zitat:

Ifo-Reformvorschlag
Mehr Arbeit soll sich für Hartz-IV-Empfänger mehr lohnen

In der Debatte um Hartz IV schlägt das Ifo-Institut eine Reform der Zuverdienstregeln vor: Mehr Arbeit soll sich vor allem für Eltern deutlich mehr lohnen - und die Lebensleistung beim Schonvermögen berücksichtigt werden.

[...]

Peichl und seine Ifo-Kollegen Clemens Fuest und Maximilian Blömer wollen die Zuverdienstregeln daher deutlich ändern. Dabei sollen Haushalte mit Kindern - und hier insbesondere Alleinerziehende - immer und teils deutlich besser gestellt werden als bislang. Singles würden hingegen erst bei relativ hohen Einkommen von der Reform profitieren, ansonsten reale Einbußen erfahren:

* Für Singles soll der bisherige Freibetrag von 100 Euro entfallen - und das Einkommen bis zu einer Grenze von 630 Euro im Monat komplett auf die Grundsicherung angerechnet werden. Im Gegenzug würden von jedem Euro Einkommen über dieser Grenze nur noch 60 Cent angerechnet.
* Für Haushalte mit Kindern bleibt der Freibetrag von 100 Euro. Danach dürfen sie bis zu der Grenze von 630 Euro von jedem Euro 20 Cent behalten - wie bislang. Von jedem Euro über der Grenze von 630 Euro dürfen sie jedoch 40 Cent behalten - also mehr als bislang.

Zitatende (Textformatierung leicht verändert)

Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-mehr-geld-bei-mehr-arbeit-ifo-institut-schlaegt-reform-vor-a-1253887.html

ThomasG
22.02.2019, 07:03
Mit Statistiken ist es ja bekanntlich sehr oft so eine Sache:
Es kommt sehr häufig darauf an, wer sie gef ... bzw. gemacht hat und welche Interessen er vertritt.
Katja Kipping hat sich mit der Sanktionsquote beschäftigt und kam mit den Daten des Jahres 2017 auf einen Anteil von 8,3 %.
Tja - andere meinen aber die Quote wäre ja nur bei 3 % gelegen.
Wie kommt`s ?
Guckst Du!
-> https://www.morgenpost.de/politik/article216480729/Hartz-IV-Jobcenter-Sanktionen-sorgen-fuer-Aerger-droht-neuer-Skandal.html

Zitat:

Linke: Hartz-IV-Sanktionen sind mehr als doppelt so hoch

Linke-Chefin Katja Kipping dagegen kommt auf eine viel höhere Zahl. Nach ihrer Rechnung, die auf Daten der Bundesagentur für das Jahr 2017 basiert, die die Parteichefin erfragt hat, wurden mehr als doppelt so viele Empfänger bestraft wie die Behörde und die Bundesregierung stets angeben.

[...]

Ganz genau seien es 8,3 Prozent, sagte Kipping unserer Redaktion. „Im Jahr 2017 war fast jeder zwölfte erwerbsfähige Hartz-IV-Leistungsbeziehende von mindestens einer Sanktion betroffen“, so Kipping. Betrachte man nur die Empfänger unter 25 Jahren, liege die Quote sogar bei neun Prozent. Das sei fast jeder Elfte, dem die Leistungen gekürzt würden.

[...]

Hartz-IV-Sanktionen: So rechnet die Bundesagentur

Die Bundesagentur geht bei der Ermittlung ihrer – niedrigeren – Sanktionsquote anders vor: Sie zählt jeden Monat, wie viele erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger an einem bestimmten Tag von einer Sanktion betroffen waren.

[...]

„Diese stichtagsbezogene Monatsquote hat den Vorteil, dass diese differenziert und lokal für jedes Jobcenter ausgewiesen werden kann“, erklärt eine Sprecherin der Behörde. Die Zahlen seien gut vergleichbar.

Die Daten, nach denen die Linke-Chefin gefragt habe, „beantwortet dagegen die Frage, wie viele Menschen in einem bestimmten Zeitverlauf mindestens einmal von einer Sanktion betroffen waren“.

Die Antwort könne nur für ganz Deutschland ermittelt werden, erklärt die Sprecherin und räumt ein: „Für die Hochrechnung der Anwesenheitsgesamtheit für Jobcenter gibt es noch kein einheitliches Konzept.“

Quelle: https://www.morgenpost.de/politik/article216480729/Hartz-IV-Jobcenter-Sanktionen-sorgen-fuer-Aerger-droht-neuer-Skandal.html (Ich habe lediglich den Text kopiert, aber darauf verzichtet die Schriftgröße an den Originaltext anzupassen)

qbz
29.07.2019, 01:29
In diesem Interview erläutert die IG-Metall Sekretärin die Vorstellungen des DGB zum Umbau des Sozialsystems, spez. Hartz IV sowie die Konsequenzen von Hartz IV in der Praxis auf den Lohnsektor insgesamt.
Das Hartz-IV-System als Hungerpeitsche für Erwerbslose (https://www.nachdenkseiten.de/?p=53741)

"Erstes Ziel ist es, zu vermeiden, dass Menschen überhaupt auf eine wie auch immer gestaltete Grundsicherung angewiesen sind. Dazu müssen wir gute Arbeit und gute Löhne stärken. Das heißt: Tarifbindung erhöhen, prekäre Beschäftigung zurückdrängen, den Mindestlohn heraufsetzen und wirksam kontrollieren. Zweitens gilt es, den Schutz der Arbeitslosenversicherung auszubauen: Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und die Rahmenfrist müssen wieder verlängert werden. Auch der soziale Schutz für Beschäftigte, die jahrzehntelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, muss verbessert werden.

Drittens müssen die Zumutbarkeitskriterien reformiert werden, damit sie nicht zu De-Qualifizierung und prekären Beschäftigungs-“Karrieren“ führen. Sowohl in der Arbeitslosenversicherung als auch im Hartz-IV-System gilt es, Weiterbildungsbemühungen massiv zu verstärken, gerade auch um den Menschen im Zuge des digitalen und ökologischen Strukturwandels Brücken in neue Beschäftigung zu bauen. Nicht zuletzt müssen wir Hartz IV durch eine Grundsicherung ersetzen, die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht und prekären Beschäftigungsverhältnissen keinen Vorschub leistet."

ThomasG
29.07.2019, 01:53
Ich freue mich immer sehr über solche veröffentlichen Interviews, wie das mit Katrin Mohr.
Die Frau hat ein starkes soziales Gewissen und macht sich viele Gedanken über andere Menschen insbesondere über diejenigen, die stark unterpriviligiert sind.
Wenn es solche Leute nicht gäbe oder kaum, hätte ich fast gar keine Hoffnung mehr.
Folgende Passagen finde ich auch sehr stark:

Was sind die schwersten Auswirkungen?

Die Drohkulisse, die ein solches System erzeugt, macht erpressbar: Sie nötigt Erwerbslose, nahezu jeden Job anzunehmen – auch weit unter der bisherigen Qualifikation und dem vorigen Einkommen. Aber auch Beschäftigte werden dadurch gedrängt, Abstriche bei Löhnen, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit hinzunehmen. Das Hartz-IV-System wirkt damit nicht nur als „Hungerpeitsche“ für Erwerbslose, sondern auch als Disziplinierungsinstrument für Beschäftigte. Es ist mitverantwortlich dafür, dass Deutschland mittlerweile den größten Niedriglohnsektor Europas hat. Ein Viertel der Beschäftigten arbeitet darin.

[...]

Wozu hat Hartz IV noch geführt?

Hartz IV – und ich nehme das als Chiffre für alle Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 – hat die Angst vor dem eigenen Abstieg befördert und damit zu einem gesellschaftlichen Klima der sozialen Verunsicherung beigetragen, das sich bis weit in die Mittelschichten hineingefressen hat. Verunsicherung ist jedoch – das wissen wir aus einer Reihe wissenschaftlicher Studien (zum Beispiel Klaus Dörre) – eine zentrale Ursache für den Auftrieb von Rechtspopulismus. Ich denke daher, dass die Agenda-2010-Reformen, die ja neben den Hartz-Reformen als weitere wesentliche Elemente auch die Schwächung der gesetzlichen Rente und die Deregulierung von Arbeitsverhältnissen beinhalteten, sehr wohl zu diesem Klima beigetragen und damit den Aufstieg von AfD & Co. begünstigt haben.

Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?p=53741

qbz
05.11.2019, 11:35
Nun kommen hoffentlich bald die dringenden Änderungen bei Hartz IV und nicht nur die Abschaffung der grundgesetzwidrigen Sanktionen.

"Der Staat darf Hartz-IV-Empfängern künftig nicht mehr so schnell und so weitreichend Leistungen kürzen wie bisher. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Grundsätzlich seien Sanktionen aber zulässig.

Sind Hartz-IV-Sanktionen mit dem menschenwürdigen Existenzminimum vereinbar? Diese Frage musste das Bundesverfassungsgericht beantworten. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen Regeln teilweise verfassungswidrig sind.

Mit dem Grundgesetz unvereinbar sind insbesondere die Kürzungen um 60 Prozent oder mehr, wie Vizegerichtspräsident Stephan Harbarth sagte. Um 30 Prozent dürfen die Leistungen weiter gekürzt werden."
https://www.tagesschau.de/inland/hartz-vier-urteil-101.html

Schwarzfahrer
05.11.2019, 14:02
Nun kommen hoffentlich bald die dringenden Änderungen bei Hartz IV und nicht nur die Abschaffung der grundgesetzwidrigen Sanktionen.

Grundsätzlich ist eine Überarbeitung sicherlich nicht falsch, es gibt einiges an Verbesserungspotential. Allerdings fehlt mir für den speziellen Fall des Klägers das Verständnis komplett (außer, die Berichte verschweigen wesentliche Aspekte).
Er hatte 2014 einen Job als Lagerarbeiter ausgeschlagen, weil er lieber in den Verkauf wollte. Auch einen weiteren Job hatte er nicht angenommen.
Mir würden als Fallbeispiel für ungerechtfertigte Sanktionen ganz andere Fälle enfallen(z.B. alleinerziehende Mutter eines schwerst-mehrfachbehinderten Kindes, die einen Ganztagsjob 40 km entfernt annehmen soll). Ich (Ingenieur) würde nach mehreren Jahren Arbeitslosigkeit jederzeit auch als Lagerarbeiter oder Hausmeister anfangen, wenn's nichts anderes gibt, bevor ich länger rumhocke und anderen auf der Tasche liege.

ThomasG
05.11.2019, 21:09
Endlich hat es der Bundesverfassungsgericht geschafft eine Entscheidung zu finden und diese zu verkünden.
Ein paar Wochen bis Monate war das Thema ganz schön im Fokus der Politik, aber das ist einige Zeit her und andere Themen haben die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Leute mit einem tollen, reizvollen, angesehenen und gut bezahlten Job, der Ihnen Erfüllung und Anerkennung bringt, haben leicht reden, finde ich.
Wie lange müssen sie arbeiten bis sie den aktuellen Satz zusammen haben?
Tja - und je angesehener die Arbeit ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass man wesentlich mehr Freiheiten hat und wesentlich weniger kontrolliert wird, davon bin ich überzeugt.
Wenn man beispielsweise Verkäufer ist und es ist nichts los, da steht man sich halt die Beine in den Bauch oder langweilt sich zu Tode.
Das ist schon ganz schön ...

Estebban
05.11.2019, 21:24
Wenn man beispielsweise Verkäufer ist und es ist nichts los, da steht man sich halt die Beine in den Bauch oder langweilt sich zu Tode.
Das ist schon ganz schön ...[/QUOTE]

Prinzipiell hast du sicher recht - aber der Verkauf ist das am leichtesten kontrollierbare Geschäft. Klar, dein Chef muss Dir nicht dauernd auf die Finger schauen und wenn’s läuft hast du viele Freiheiten (je nach Branche). Andererseits musst du täglich / wöchentlich / monatlich usw Zahlen liefern, wie viel hast du verkauft. Und glaub mir - der Stress wenn die Zahlen nicht stimmen und kein Kunde ist in Sicht.... „schon ganz schön“ fällt mir da nicht zu ein ;)

ThomasG
05.11.2019, 21:31
Ich gehe fast täglich einkaufen und das so gut wie immer in Supermärkten.
Da sehe ich, was da immer abgeht.
Sehr viele junge Menschen, die sich so gut wie immer voll das Brett geben.
Und relativ oft gibt es noch den Typ Mensch, der nicht besonders gut damit umgehen kann, wenn man ihm eine Vorgesetztenfunktion gibt.
Ab und zu sind auch Gebietsleiter da.
Das merkt man direkt.
Dann ist der Laden oft besser besetzt als üblich und alle sind nervös und angespannt.
Sind die Teams alleine, ist der Zusammenhalt oft sehr groß und darüber freue ich mich immer sehr :-).

Meik
05.11.2019, 21:39
Leute mit einem tollen, reizvollen, angesehenen und gut bezahlten Job, der Ihnen Erfüllung und Anerkennung bringt, haben leicht reden, finde ich.


Haben die leicht reden? Die meisten die ich in solchen Jobs kenne haben sich den Weg dahin aber auch mehr oder weniger hart erarbeitet. ;)

Und ob die Jobs immer so toll und reizvoll sind wenn man hinter die Kulisse guckt ...

Mir gefällt mein Job und ich verdiene recht gut dabei. Was die Neider nicht sehen: Ständig ausgefallene Mittagspausen, unbezahlte Überstunden, Wochenendarbeit, Fortbildungen am Abend oder Wochenende, Umsatzbeteiligung wo die Zeiten wo kein Kunde kommt dann doch nicht so entspannt sind, ...

Und der Weg dahin mangels reicher Eltern ein überwiegend selbst finanziertes Studium. Ich hab als Schüler schon in einer Gärtnerei gearbeitet, im Studium nachts Pakete geschleppt, LKW gefahren, ... neben Sport und Studium.

Da fällt so manches schon schwer wenn man auf seinem Weg selber Jobs gemacht hat für den sich viele zu fein sind.

Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Die Grenze wo Sanktionen IMHO gerechtfertigt sind und wo nicht mehr ist auch nicht so scharf. Aber grundlegend ist es völlig richtig dass jemand der nicht will, nicht zu Terminen erscheint etc.. auch mit Konsequenzen zu leben hat. Traurig finde ich es dabei nur dass oft Kinder unverschuldet darunter leiden müssen. Ein Patentrezept wie man das hinbekommt habe ich auch nicht. :(

ThomasG
05.11.2019, 21:46
Hast Du gut geschrieben Meik und mich zum nachdenken angeregt.
Ich kenne die Welt derjenigen nicht, die ich vielleicht leichtfertig in dem Absatz beschrieben habe, den Du zitiert hast.
Jeder hat halt so seine Vorurteile und "Feindbilder" ich natürlich auch, obwohl ich mich sehr oft ziemlich darum bemühe sie nicht zu haben.

Meik
05.11.2019, 22:07
Ich kenne die Welt derjenigen nicht, die ich vielleicht leichtfertig in dem Absatz beschrieben habe, den Du zitiert hast.

Och, die Leute die zu deinen "Vorurteilen" passen gibt es sicherlich auch zu genüge, so ist das ja jetzt nicht. Man muss halt "da oben" wie "da unten" vorsichtig sein mit Pauschalisierungen. Es gibt überall solche und solche. :Blumen:

ThomasG
06.11.2019, 07:38
Stimmt Meik und das merke ich ja insbesondere ja auch in diesem Forum oft, in dem sich wohl mehrheitlich höchstwahrscheinlich ziemlich gebildete Leute mit einem angesehenen und gut bezahlten Job arbeiten, aufhalten.
Jedesmal freue ich mich ganz besonders, wenn jemand, den ich so einschätze wie oben beschrieben, Mitgefühl zeigt mit Leuten, die eben Hilfeistungen in Anspruch nehmen.
Von der angesprochenen Gruppe erwarte ich das aber im Grunde auch, denn je gebildeter und intelligenter man ist, desto eher denke ich, dass man zu solchen Ansichten einfach kommen muss, wenn man zusätzlich noch das Herz am rechten Fleck trägt.
Natürlich kann ich mir nicht sicher sein, dass meine Einschätzungen stimmen, aber ich kann Menschen ganz gut einschätzen auch, wenn ich nicht so arg viel von Ihnen weiß, wenigstens empfinde ich das so und bekomme das auch öfter von anderen zu hören.
Vorurteile zu haben ist ganz natürlich.
Man sollte sich nur klar sein, wie stark sie auf das Weltbild Einfluß nehmen können und auf die Sicht der Mitmenschen und es muss eine hohe Bereitschaft da sein, sein inneres Urteil oder seine Beurteilung jederzeit zu korrigieren, zu relativieren oder zu hinterfragen.
Auch ich habe mich manchesmal gewundert, wie sehr ich mich in Menschen im Positiven wie im Negativen geirrt haben dürfte.
Niemand kann wirklich sehen, was der andere tatsächlich denkt und wie er innerlich wirklich ist.
Das kann man nicht mal, wenn man jemanden meint sozusagen in und auswendig zu kennen, weil es sehr viel und sehr intensiven Kontakt gibt bzw. über viele Jahre zuvor gab.

qbz
06.11.2019, 12:30
Grundsätzlich ist eine Überarbeitung sicherlich nicht falsch, es gibt einiges an Verbesserungspotential. Allerdings fehlt mir für den speziellen Fall des Klägers das Verständnis komplett (außer, die Berichte verschweigen wesentliche Aspekte).
.......
Mir würden als Fallbeispiel für ungerechtfertigte Sanktionen ganz andere Fälle enfallen(z.B. alleinerziehende Mutter eines schwerst-mehrfachbehinderten Kindes, die einen Ganztagsjob 40 km entfernt annehmen soll). Ich (Ingenieur) würde nach mehreren Jahren Arbeitslosigkeit jederzeit auch als Lagerarbeiter oder Hausmeister anfangen, wenn's nichts anderes gibt, bevor ich länger rumhocke und anderen auf der Tasche liege.

Ich kenne den einzelnen Fall jetzt nicht.

Das Bundesverfassungsgericht traf eine grundsätzliche Entscheidung. Demnach hat Bestrafung, und darum handelt es sich bei der Leistungskürzung um 60 %, im Sozialgesetzbuch (https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-urteil-das-sozialgesetzbuch-ist-kein-strafrecht-kommentar-a-1295007.html) nichts verloren. Seit der Einführung von Hartz IV kritisierten die Linke, die Gewerkschaften, die Sozialverbände, die meisten Verfassungsjuristen die Sanktionen als nicht verfassungsgemäss und als klaren Verfassungsbruch. Das trotzdem über 15 Jahre lang die Arbeitsagenturen Menschen in die Obdachlosigkeit und ein Leben unter dem menschenwürdigen Existenzminimum gebracht haben, finde ich den eigentlichen Skandal, der von SPD, Grüne, CDU, FDP zu verantworten ist. Zum Glück muss das jetzt wenigstens sofort gestoppt werden.

KalleMalle
06.11.2019, 13:03
... Skandal, der von SPD, Grüne, CDU, FDP zu verantworten ist.
Der Postillion bringt es mal wieder auf den Punkt:

Politikerin, die half, Hartz-IV-Sanktionen durchzusetzen, bezeichnet deren Abschaffung als ein Gebot des Respekts und der Menschenwürde (https://www.der-postillon.com/2019/11/goering-eckardt.html#more)

ThomasG
06.11.2019, 19:38
In der Schule hat man mir jahrelang beigebracht soziale Errungenschaften zu schätzen und für äußerst wichtig für den Frieden und die Gerechtigkeit innerhalb einer Gemeinschaft zu erachten.
Eine Gemeinschaft, die was auf sich hält, bemüht sich darum diese immer mehr auszuweiten.
Jeder Aushöhlungsversuch und jede vollzogene Aushöhlung ist ihr mehr als nur peinlich.

Mirko
06.11.2019, 20:24
In der Schule hat man mir jahrelang beigebracht soziale Errungenschaften zu schätzen und für äußerst wichtig für den Frieden und die Gerechtigkeit innerhalb einer Gemeinschaft zu erachten.
Eine Gemeinschaft, die was auf sich hält, bemüht sich darum diese immer mehr auszuweiten.
Jeder Aushöhlungsversuch und jede vollzogene Aushöhlung ist ihr mehr als nur peinlich.

Naja so einfach ist das nicht. Unser Arbeitslosensystem ist eine tolle Sache und ich bin froh das man darin aufgefangen wird wenn man seine Arbeit verliert.
Das System ist aber nicht dafür gedacht das Leute dauerhaft davon leben können oder sollen. Daher müssen Arbeitslose eben alles ihnen mögliche tun, um wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Tun sie das nicht bekommen sie eben Sanktionen. Ich finde das richtig so.
Arbeitsunwilligen Leute durch Sanktionen zu motivieren was zu arbeiten ist für mich keine Aushöhlung und auch nicht peinlich.
Für Leute die wirklich nicht mehr arbeiten können gibt es andere soziale Errungenschaften (Pflege- und Rentenkasse).

Sicher kann den all unseren sozialen Systemen noch was verbessert werden und ganz wichtig ist das die dort arbeitenden Leute einen guten Job machen, aber grundsätzlich gibts glaub nicht sooo viele Länder in denen das besser läuft als bei uns.

ThomasG
06.11.2019, 20:51
Es wird das Existenzminimum gekürzt und es ist sehr umstritten, ob das nicht viel zu niedrig angesetzt ist.
Das ist und bleibt meiner Meinung nach einfach in hohem Maße unanständig.

Mirko
06.11.2019, 21:06
Es wird das Existenzminimum gekürzt und es ist sehr umstritten, ob das nicht viel zu niedrig angesetzt ist.
Das ist und bleibt meiner Meinung nach einfach in hohem Maße unanständig.

Schwieriges Thema auf jeden Fall! Es ist für mich auch unanständig die geforderten Maßnahmen des Arbeitsamtes einfach zu ignorieren und weiterhin bewusst von Steuergeldern anderer Menschen zu leben. Die Kürzungen unter das Existenzminimum kommen ja nicht grundlos! Wie gesagt, dafür ist das System nicht gedacht und gemacht.

tandem65
06.11.2019, 21:17
Hi Mirko,

Naja so einfach ist das nicht. Unser Arbeitslosensystem ist eine tolle Sache und ich bin froh das man darin aufgefangen wird wenn man seine Arbeit verliert.

da scheint mir ein Missverständnis vorzuliegen.
Das Hartz-IV wird zwar auch Arbeitslosengeld II genannt, hat aber mit der Arbeitslosenversicherung nichts zu tun. Es sind Sozialleistungen.
Wir definieren ein Existenzminimum, einigen uns als Gesellschaft darauf daß niemand unter diesem leben muß und dann schaffen wir Sanktionen um das doch wieder zu ermöglichen.
Das ist auf jeden Fall nicht so ganz durchdacht.;)

ThomasG
06.11.2019, 21:17
Schwieriges Thema auf jeden Fall! Es ist für mich auch unanständig die geforderten Maßnahmen des Arbeitsamtes einfach zu ignorieren und weiterhin bewusst von Steuergeldern anderer Menschen zu leben. Die Kürzungen unter das Existenzminimum kommen ja nicht grundlos! Wie gesagt, dafür ist das System nicht gedacht und gemacht.Ich finde es auch nicht gut sich nicht darum zu bemühen unabhängig zu sein von Hilfeleistungen.
In einigen Supermärkten arbeiten sehr viele junge Menschen und die Fluktuation ist groß.
Vielleicht kann man solche Arbeit einfach irgendwann nicht mehr ertragen oder will sie nicht mehr ertragen.
Wenn man das beurteilen können will, muss man erst einmal selbst eine solche Arbeit entsprechend lange machen.
Es gibt noch mehr Berufe oder Branchen, wo man einen auffallend großen Anteil an jungen Leuten sieht.
Die Leute können oder wollen diese Arbeitsbedingungen größtenteils wohl einfach nicht lange ertragen.

tandem65
06.11.2019, 21:24
Die Kürzungen unter das Existenzminimum kommen ja nicht grundlos! Wie gesagt, dafür ist das System nicht gedacht und gemacht.

Naja, die Kürzungen sind erdacht worden um Menschen unter das Existenzminimum zu schicken oder in 1,-€ Jobs. Jedenfalls nicht um Menschen das Existenzminimum zu sichern.

ThomasG
07.11.2019, 06:42
Noch einmal möchte ich hiermit daran erinnern, wie das Existenzminimum berechnet wird und warum die angewendete Berechnungsmethode so umstritten ist.
Man vergisst ja so schnell vor allem, wenn man sich relativ leicht von einem zum anderen Thema ablenken lässt und von einem zum nächsten Gedankensprung.
Genau dazu verführt sehr stark das Internet.
Drei mal Klicken und man landet u.U. weit weg von dem Thema, was einen zunächst interessiert hat.
Ich lese mir die Ausführungen jetzt noch einmal durch.
Es ist noch nicht so lange her, da habe ich angenommen die Hartz-IV-Sätze würden mit Hilfe von Warenkörben o.ä. ermittelt.
Tatsächlich ist es aber so, dass die durchschnittlichen Ausgaben des ärmsten Teiles der Bevölkerung dazu herangezogen werden.
Lutz Hausstein hat sich im Rahmen einer Studie damit beschäftigt, was sich für ein Hartz IV-Regelbedarf ergibt, wenn man den mit Hilfe der Warenkorbmethode bestimmt.
"Erst 730 Euro Hartz-IV-Satz decken das soziokulturelle Existenzminimum" (Stand Mai 2015) so haben die Nachdenkseiten seine Studienergebnisse kurz zusammengefasst und als Überschrift gewählt für ein Interview mit ihm:

https://www.nachdenkseiten.de/?p=26257
https://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/Studie_Was_der_Mensch_braucht_2015.pdf

Trimichi
07.11.2019, 09:27
Noch einmal möchte ich hiermit daran erinnern, wie das Existenzminimum berechnet wird und warum die angewendete Berechnungsmethode so umstritten ist.
Man vergisst ja so schnell vor allem, wenn man sich relativ leicht von einem zum anderen Thema ablenken lässt und von einem zum nächsten Gedankensprung.
Genau dazu verführt sehr stark das Internet.
Drei mal Klicken und man landet u.U. weit weg von dem Thema, was einen zunächst interessiert hat.
Ich lese mir die Ausführungen jetzt noch einmal durch.

Gilt das für alle? Oder ist was dran an dem Vorurteil / Stereotyp: "Flüchtlinge kriegen alles was sie wollen, Hartzer werden schikaniert."

Ich lese mir die Ausführungen nicht durch, da ich hier vor Ort erfahren habe, wie Flüchtlinge hofiert, Inländer schikaniert werden. Dabei habe ich zwei mit mir befreundete Personen, sie sich nicht kennen, verglichen. Der eine wurde durchs Amt schikaniert (heute selbständig bei der Firma DATEV). Der andere, mein "Patenkind" ein lieber Geselle aus Syrien macht nun den Sprachkurs B2 und hat auch einen Job und eine Wohnung gefunden.

Wie gesagt, ich will nicht Minderheiten gegeneinander ausspielen. Auch ein mir bekannter AfD-Wähler gammelt und macht nichts, und dann kam der Spruch zu mir "Sie gefallen mir", weil ich meinte, dass er AfD wählen könne und ich als Psychologe kein Problem darin sehe. Er hatte mich gefragt wen ich gewählt hatte (Hinweis: ich wohne in Bayern, und die diese bezügliche Schwesterpartei hatte irgendwas gesagt von wegen GroKo nicht so geschmeidig, aber "im Maschinenraum wird noch gearbeitet", womöglich handelt es sich um einen STAR-TREK-Flügel innerhalb dieser Partei....-).

Die als Schikane empfunden Behandlung durch das Arbeitsamt ist nun auf maximale Schadenswirkung von -30% Kürzung begrenzt worden. Vorher waren es ja -60%. Sind -30 % zumutbar? Lässt sich nicht verallgemeinern, meine ich. Wenn zum Beispiel drei Kiddies am Start sind im Rahmen einer Patchworkfamilie und die beiden Partner Hartz IV bekommen, lässt sichs gut vom Kindergeld leben.

Aber, sind nur Nebenschauplätze. Zum Beispiel kam hier in der Gegend der Bus in aller Herrgottsfrühe und die Flüchtlinge wurden (Police war auch vor Ort) abgeholt. Angeblich zurück dahin wo sie herkommen. Dem AfD-Wähler hat es wohl gefallen, dass jetzt am Dorfplatz wieder Ordnung herrscht, bis auf ein paar wenige aus Albanien.
Allerdings glaube ich beobachtet zu haben, dass der Bus 20km im nächsten Kaff gehalten hat und man dort die Flüchtlinge untergebracht hat. Zumindest spielten dort, in dem anderen Ort, viele Kinder, die ich aus dem anderen Ort her glaube zu kennen. Denen ging es gut. Die haben gespielt und gelacht. Draußen. Also
vor einem alten Gasthof auf dem Parkplatz.

Ist eben auch eine Mentalitätsfrage. Die Hartzer wissen oft gar nicht, wie gut sie es haben. Weil eben viele Langzeitalkoholiker dabei sind. Zum Beispiel. Oder eben auch welche, die sich aus irgendwelchen Gründen verweigern kooperativ zu sein. Oder welche, sie die soziale Hängematte gemeinsam strapazieren.

Insgesamt hatte ich ja deswegen DIE LINKE gewählt. Weil ich für ein bedingungsloses Grundeinkommen war. Ich glaube heute, dass bedingungslos nicht geht, also zumindest noch nicht. Allerdings ist die Begrenzung der Schikane von -60% auf -30 % zu begrüßen. Hoffe, die Zahlen stimmen. Der Restalkohol. sorry und nur mein Senf.

ThomasG
07.11.2019, 20:10
Wenn zum Beispiel drei Kiddies am Start sind im Rahmen einer Patchworkfamilie und die beiden Partner Hartz IV bekommen, lässt sichs gut vom Kindergeld leben.

Was sind wir doch für ein sozialer Staat ;-)!
Kindergeld wird auf Hartz IV angerechnet

Klingt komisch und ungerecht, dass das Kindergeld auf Sozialleistungen von Hilfebedürftigen angerechnet wird, ist aber so. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11.03.2010 (Az. 1 BvR 3163/09) entschieden. Eine Familie hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt und ist vor dem höchsten deutschen Gericht gescheitert.
Quelle: https://www.hartziv.org/hartz-iv-und-kindergeld.html

merz
07.11.2019, 20:31
Post der Woche, Danke

m.

qbz
07.11.2019, 20:35
Ich finde, dieser Artikel im Freitag stellt das Urteil sehr differenziert dar. Es kommt jetzt auf politische Mehrheitsverhältnisse an, ob es gelingt, Hartz IV durch bessere, humanere, gerechtere Gesezte zu ersetzen.

"Jetzt haben wir zumindest eine gewisse Klarheit nach jahrelangem Warten auf eine Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts. Und wenn auch die Schlagzeilen nach der Urteilsverkündung beherrscht werden von dem Hinweis auf die – teilweise – Verfassungswidrigkeit der Sanktionen im Hartz-IV-System, sollte man sich klarmachen, dass die vielen Hoffnungen und Erwartungen auf ein generelles Ende der Sanktionierung, also einer Absenkung des staatlich definierten Existenzminimums, nun bitter enttäuscht wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat den Jobcentern die härtesten Ausformungen des Sanktionsregimes genommen, und das allein ist schon eine gute Nachricht für viele Betroffene, die sowieso schon am Rand leben und oftmals in den Abgrund gestoßen wurden, wenn sie in die Sanktionsmaschinerie gekommen sind. Das Fallbeil der Leistungskürzung wird etwas entschärft, denn mehr als 30 Prozent Kürzung gehen nicht mehr, und auch die starre dreimonatige Dauer kann verkürzt werden, wenn der Betroffene auf den „rechten Weg“ zurückkehrt oder das – wie? – glaubhaft machen kann.

Auf der anderen Seite müssen wir zur Kenntnis nehmen: Die Verfassungsrichter haben die Hoffnung auf ein Verbot des Unterschreitens des Existenzminimums abgeräumt. Wir haben nun die höchstrichterliche Bestätigung einer 70-Prozent-Existenz in unserem Land. Es gibt in der Konsequenz also ein neues, abgesenktes Existenzminimum, was eines der logischen Probleme war, mit denen sich die Richter herumgeschlagen haben. Denn ihre Vorgänger hatten noch 2010 von einem „unabdingbaren Grundrecht“ gesprochen. Gleichsam die letzten Zuckungen dieser weitreichenden Formulierung von damals finden sich im neuen Urteil in so einer an sich wunderbaren Formulierung: „Die den Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich ‚unwürdiges‘ Verhalten nicht verloren.“ Der eine oder andere mag an dieser Stelle ein Aufblitzen der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens zu erkennen glauben, aber das ist ein Trugschluss. Schon der nächste Satz räumt das ab: „Das Grundgesetz verwehrt es dem Gesetzgeber aber nicht, die Inanspruchnahme existenzsichernder Leistungen an den Nachranggrundsatz zu binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können, sondern wirkliche Bedürftigkeit vorliegt.“
der-freitag/fallbeil-leicht-entschaerft (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/fallbeil-leicht-entschaerft)

merz
07.11.2019, 20:51
Das letzte höchstrichterliche Zitat im Zitat habe ich jetzt viermal gelesen und verstehe es nicht .... zu dumm ... derweil fährt die BILD seit Tagen welfare queen stories auf der 1, besetzen aber mit Männern, nervt

m.

ThomasG
07.11.2019, 21:49
Vielleicht lese ich mir mal die ausführliche Version der Begründung der Entscheidung des Verfassungsgerichts durch.
Da wird es mir nicht besser gehen wie meinem "Vorredner".
Wahrscheinlich muss ich einige Sätze zehnmal lesen und bin mir dann immer noch nicht sicher, ob ich sie verstanden habe.
Womöglich gibt`s da gar nicht so viel zu verstehen ;-) :-O!
Ein kleiner Trost also vielleicht ;-)!
Ich bin mal gespannt, was da für Klimmzüge kommen auf der einen Seite eine Sanktionierung von 60 % für verfassungwidrig und eine von 30 % für verfassungskonform zu erklären.

qbz
08.11.2019, 01:32
Ich habe es so verstanden, dass die Richter darüber schreiben, welches Mass an Strafen eventuell hilfreich für die Zielsetzung: Job sein könnte, wenn Menschen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen, um wieder einen Job auszuüben bzw. ihre Existenz durch Arbeit zu bestreiten. Da keine Studien vorliegen, welche den Erfolg der Hartz IV Sanktionen belegen, wandten sie die Küchenpsychologie bzw. ihre Erfahrungen als Eltern an. Dort glauben sie vielleicht oder haben erfahren, dass es wirkt, ihrem Kind die Kindersendung an dem Tag zu streichen, wo es die Schulaufgaben nicht macht, aber rein gar nichts nützt, die Kindersendungen der ganzen Woche pauschal zu streichen. Analog: Kompletter Essensentzug pauschal für 3 Monate bewirkt keine Mitwirkung, aber Kartoffeln ohne Hauptgericht und Nachtisch als unmittelbare Konsequenz einer Pflichtverletzung (wie z.B. zu wenig Bewerbungen, Ablehnung einer Massnahme) begrenzt bis zum Eintreten der erwünschten Handlung ("Absitzen" der Massnahme) möglicherweise schon.

Mit den Zusammenhängen gesellschaftlicher, struktureller Arbeitslosigkeit, individueller unterschiedlicher Leistungsfähigkeiten und Selektion haben sich die Richter nicht beschäftigt. Zum Beispiel bezahlen in Berlin 2/3 der Betriebe lieber Abgaben für die vorgeschriebenen Behindertenarbeitsplätze als behinderte Erwerbsfähige einzustellen.

ThomasG
08.11.2019, 05:26
Zum Vergleich der finanziellen Lage von Familien, die von Hartz IV und solchen, die von Erwerbsarbeit leben, gab es einmal einen ziemlich bösartigen Vergleich, der verbreitet wurde.
Daran habe ich mich erinnert.
Glücklicherweise wurde wenigstens auch publik gemacht, was man rechnerisch angestellt hatte, damit sich ein entsprechendes Bild ergibt.
Leider dürften wesentlich mehr Leute direkt oder indirekt von bösartigen Informationen beeinflusst worden sein als von den Worten, die das aufgedeckt haben.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) hält es für falsch, über eine beschleunigte Erhöhung der Hartz-IV-Sätze nachzudenken. Arbeitslose würden schon heute im Vergleich zu Arbeitnehmern zu viel Geld bekommen, meint sie – und hat sich das vom sozialstaatskritischen Verein „Bund der Steuerzahler“ bestätigen lassen. Doch der rechnete falsch. Und seine fehlerhaften Zahlen finden gerade große Verbreitung.
[...]
Der Vergleich, den der Steuerzahlerbund für die FAZ angestellt hat, ist falsch – es fehlt ein entscheidendes Element: das Kindergeld. Das bekommen zwar auch Hartz-IV-Empfänger; bei ihnen wird es aber mit den sonstigen Bezügen verrechnet. Es verändert die Bilanz bei Familien deutlich zugunsten der Arbeitnehmer.
Quelle: https://uebermedien.de/26389/bringt-hartz-iv-mehr-geld-als-arbeit-faz-verbreitet-falsche-zahlen/

ThomasG
08.11.2019, 06:51
Wenn ich das Wort Bundesverfassungsgericht höre oder lese und die Damen und Herren in ihren noblen Roben sehe, dann denke ich immer an eine moralische Instanz.
Vielleicht ist das einfach eine ganz grundsätzliche Fehlansicht von mir ;-).

Ich möchte mal aufdecken, wie mein Bezug ist zu Sanktionierungen und dem Kontakt zu Stellen, die im Prinzip helfen sollen, aber eben halt auch bei denjenigen, die sich dort hinwenden ziemlich ungute Gefühle aufkommen lassen.
Einige Jobs hatte ich in meinem Leben, die waren nicht so dolle.
Damals kannte ich das Wort noch nicht.
Es waren prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Ich kam zu einem Job über eine Zeitarbeitsfirma, wurde aber später wie viele andere, bei denen das auch so war, direkt über Zeitverträge beschäftigt, die öfter verlängert wurden.
Es gab da keinen Betriebsrat.
Leute, mit denen ich in den Pausen und während der Arbeit oft zusammen war, haben sich darum gekümmert das zu ändern.
Ich war da kaum aktiv in erster Linie aus Bequemlichkeit, Egoismus (soziales Engagement kostet Zeit und Energie und die wollte ich lieber für den Sport z.B. investieren) und weil mir der Job an sich nicht so wahnsinnig wichtig war.
Relativ viele Kollegen mochte ich sehr und habe es genossen mit ihnen Zeit zu verbringen.
Wir sind öfter auch nach der Arbeit zusammen weggegangen.
Das war das, was mich an diesem Job in erster Linie gehalten hat.
Die Arbeit an sich wäre ohne die nette Umgebung nur äußerst schwer erträglich gewesen.
Wir machten es uns aber ganz schuckelig.
Wenn Rammstein im Hintergrund läuft, dann geht so manches lockerer von der Hand.
Es ist dann lustig, wenn das läuft und es kommt jemand kurz vorbei, der was zu sagen hat und man hört im "Off" gerade "Heirate mich!"*.
Keiner hat was gesagt dazu jemals und es gab auch niemals Ärger deshalb.
Sie hatten wohl Schiss ;-).
Spässle :-)!
Zurück zum Ernst des Lebens.
Ich hatte damals glaube ich die dritten Zeitvertrag und der wurde schließlich nicht mehr verlängert offiziell mit Bedauern und weil das Arbeitsvolumen zurückgegangen war.
Eigenartigerweise ging es allen so, mit denen ich häufig Kontakt hatte während der Arbeit und wie gesagt waren da einige sehr engagiert in Sachen Gründung eines Betriebsrates.
In meinem Sommerjahresurlaub erfuhr ich davon, dass mein Engagement diesmal nicht verlängert werden würde und zwar in der letzten von drei oder vier Urlaubswochen.
Bis dahin hatte ich glaube ich nie Kontakt zum Arbeitsamt (so sagte man damals noch) und bin dann trotzdem reichlich verpätet hin und meldete mich arbeitssuchend und beantragte finanzielle Unterstützung.
Es ging mir, wenn ich mich recht entsinne, in erster Linie darum weiterhin krankenversichert zu sein und das Amt übernahm die Kosten dafür nur, wenn ich das komplette Paket beantragte.
Daraufhin bekam ich eine Sperre in Bezug auf die finanzielle Unterstützung von drei Monaten, weil ich mich eben nicht rechtzeitig gemeldet hatte.
Die Geschichte geht noch weiter, denn nach einiger Zeit begann ich anderswo zu arbeiten und auch dieses Arbeitsverhältnis war auch eher prekär und einen Betriebsrat gab es selbstverfreilich auch nicht.
Mir geht aber für heute die Puste aus.
Vielleicht kommt irgendwann die Fortsetzung.
* https://www.youtube.com/watch?v=UImiGifUYT4

Nogi87
08.11.2019, 08:11
Zum Vergleich der finanziellen Lage von Familien, die von Hartz IV und solchen, die von Erwerbsarbeit leben, gab es einmal einen ziemlich bösartigen Vergleich, der verbreitet wurde.
Daran habe ich mich erinnert.
Glücklicherweise wurde wenigstens auch publik gemacht, was man rechnerisch angestellt hatte, damit sich ein entsprechendes Bild ergibt.
Leider dürften wesentlich mehr Leute direkt oder indirekt von bösartigen Informationen beeinflusst worden sein als von den Worten, die das aufgedeckt haben.

Quelle: https://uebermedien.de/26389/bringt-hartz-iv-mehr-geld-als-arbeit-faz-verbreitet-falsche-zahlen/

Der Vergleich ist aber trotzdem nicht so falsch. Ich ziehe aber andere Schlüsse daraus. Nicht Hartz 4 ist zu hoch, sondern die Löhne sind in vielen Fällen zu niedrig um einen Arbeitsanreiz zu schaffen.

Als Single ist der Hartz 4 Satz extrem niedrig. Etwas mehr als 400 Euro plus Wohnung. Würde ich nicht wollen und wäre extrem motiviert eine Arbeit zu finden.

Habe ich Frau + 3 Kinder erhalte ich im Moment 2.025 Euro Hartz 4, wenn ich eine Wohnung mit 1000 Euro Warmmiete anneheme, was bei 5 Personen nicht ungewöhnlich ist.

Ich erhalte im Moment mit einem Wirtschaftswissenschaftsstudium und 8 Jahren Berfserfahrung im sozialen Bereich 1900 Euro Netto. Würde dann noch 588 Euro Kindergeld bekommen, also ca 2500 Euro. Es gibt viele Leute die in der Pflege usw. arbeiten die noch deutlich weniger verdienen.

Ich weiß nicht ob ich für 450 Euro mehr im Monat so super motiviert wäre mir unbedingt einen Job suchen zu wollen. Dementsprechend sind es viele Leute die noch weniger bekommen schon gar nicht.

Es ist in der heutigen Zeit klar, dass es ein Existenzminimum geben muss, da es eben deutlich mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt. Dieses Minimum zu bestimmen ist sehr schwierig, da es hoch genug sein muss um ein menschenwürdiges Leben zu erlauben, aber auch nicht zu hoch sein darf um Arbeitsanreize völlig abzuwürgen. Obwohl ich Sozialmanagement und Soziale Sicherung als Vertiefungsfächer im Studium hatte maße ich es mir nicht an über die Höhe zu urteilen wie leider die Meisten mit weniger Ahnung vom Thema.

qbz
08.11.2019, 08:35
Der Vergleich ist aber trotzdem nicht so falsch. Ich ziehe aber andere Schlüsse daraus. Nicht Hartz 4 ist zu hoch, sondern die Löhne sind in vielen Fällen zu niedrig um einen Arbeitsanreiz zu schaffen.

...........
Es ist in der heutigen Zeit klar, dass es ein Existenzminimum geben muss, da es eben deutlich mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt. Dieses Minimum zu bestimmen ist sehr schwierig, da es hoch genug sein muss um ein menschenwürdiges Leben zu erlauben, aber auch nicht zu hoch sein darf um Arbeitsanreize völlig abzuwürgen. Obwohl ich Sozialmanagement und Soziale Sicherung als Vertiefungsfächer im Studium hatte maße ich es mir nicht an über die Höhe zu urteilen wie leider die Meisten mit weniger Ahnung vom Thema.

Dass die Löhne in DE zu niedrig sind, dazu kann man erstmal nur beipflichten. Alle Sozialverbände und die Linke z.B. verlangen auch einen höheren Mindestlohn, der von der Regierung und dem Bundestag beschlossen wird. Der Maßstab für die angemessene Höhe wäre unter anderem, dass jemand keine zum Mindestlohn ergänzenden Hartz IV Leistungen beziehen muss und nach 45 Jahren Berufstätigkeit eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhält. Der Mindestlohn würde nach diesen Kriterien bei 12,63 Euro liegen müssen, im Unterschied zu 9,19 aktuell. Würde der Bundestag einen solchen Mindestlohn beschliessen, hätte das sicherlich positive Auswirkungen auf das gesamte Tarifgefüge in den Niedriglohnsektoren und auf die Hartz IV Sätze (Grundsicherung).
https://www.linksfraktion.de/themen/a-z/detailansicht/mindestlohn/
Ich wäre auch nicht in der Lage, so etwas zu berechnen, und halte mich deswegen an Berechnungen entsprechender Fachleute (wie die der Gewerkschaften z.B.).

Ps.: Bist Du in einer Gewerkschaft? Verdi? Die "relative "Schwäche" der Gewerkschaften macht sich halt leider bei den Löhnen negativ bemerkbar, wobei die Einrichtung sovieler prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Flexibilisierung aus Sicht der Arbeitgeber) und die Privatisierungen öffentlicher Betriebe die Mitgliederzahlen stark schrumpfen liessen. Die Einführung des Mindestlohnes wurde unter anderem ja aufgrund des Fehlens der gewerkschaftlichen Organisationen in diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen überhaupt erst notwendig.

ThomasG
08.11.2019, 21:04
Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Scheele, sagte im Deutschlandfunk, man habe am Tag des Urteils gemeinsam mit Bund und Ländern vereinbart, in den nächsten Wochen keine Sanktionen auszusprechen.
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/hartz-iv-urteil-sanktionen-gegen-arbeitslose-vorerst.1939.de.html?drn%3Anews_id=1067433&fbclid=IwAR2TTuzaMcz4lF4m0kZwQ34Hr8fXIZ7HtB95bFWYF Kl6KQcG8in-xpJaLUY

Kein schlechter Anfang Herr Scheele :-O :-)!

fras13
08.11.2019, 22:08
das halte ich für ein Gerücht, oder eine Fehlinterpretation eines Journalisten,
wo auch immer diese Einschätzung herkommt...:confused:

EDIT: Das Interview gelesen, ändert sich aber nichts an meiner Aussage:

An der Basis ist davon nix angekommen...

ThomasG
08.11.2019, 23:08
das halte ich für ein Gerücht, oder eine Fehlinterpretation eines Journalisten,
wo auch immer diese Einschätzung herkommt...:confused:

EDIT: Das Interview gelesen, ändert sich aber nichts an meiner Aussage:

An der Basis ist davon nix angekommen...
Das ist natürlich schlecht vor allem, wenn es bei den Mitarbeitern der Jobcenter noch nicht bekannt sein sollte.
Scheele hat davon gesprochen in den nächsten zwei bis drei Wochen soll auf Sanktionen gänzlich verzichtet werden.
So ist das zumindest in einem weiteren Artikel zu lesen anlässlich eines Gesprächs von Sarah Zerback mit Detlef Scheele:

Scheele: Wir haben am Nachmittag des Urteils zusammengesessen mit den Ländern, der Bundesregierung, dem BMAS, und den kommunalen Spitzen und haben vereinbart, in den nächsten zwei, drei Wochen zunächst mal keine Sanktionen auszusprechen, auch nicht im Jugendbereich, weil ich vermute, dass Artikel eins als grundrechtliche Norm auch für unter 25-Jährige gilt. Insofern machen wir erst mal gar nichts, sondern gucken uns das Urteil an. Dann können wir auch keinen Fehler machen, denn wir müssen klären, wie wollen wir mit Jugendlichen umgehen, die vom Verfassungsgericht nicht behandelt worden sind, und wir müssen klären, wie wir mit den Ermessensfragen umgehen, die wir jetzt bekommen haben, in Richtung Härtefälle und der Flexibilität von Sanktionen, sie auch eher aufzuheben, wenn jemand auf die Idee kommt, wieder mitzuwirken. Da müssen wir Regeln schaffen, die für unsere Mitarbeiter und auch für die Betroffenen transparent und nachvollziehbar sind, und das kann man nicht ad hoc über Nacht. Darum haben wir uns gemeinsam mit unseren Partnern entschieden, hier zunächst mal gar nichts mehr zu machen, bis wir Klarheit haben.

Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/ba-chef-scheele-zu-hartz-iv-wir-haben-unser-ermessen-immer.694.de.html?dram:article_id=462829

Mo77
09.11.2019, 11:19
Dass die Löhne in DE zu niedrig sind, dazu kann man erstmal nur beipflichten. Alle Sozialverbände und die Linke z.B. verlangen auch einen höheren Mindestlohn, der von der Regierung und dem Bundestag beschlossen wird. Der Maßstab für die angemessene Höhe wäre unter anderem, dass jemand keine zum Mindestlohn ergänzenden Hartz IV Leistungen beziehen muss und nach 45 Jahren Berufstätigkeit eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhält. Der Mindestlohn würde nach diesen Kriterien bei 12,63 Euro liegen müssen, im Unterschied zu 9,19 aktuell. Würde der Bundestag einen solchen Mindestlohn beschliessen, hätte das sicherlich positive Auswirkungen auf das gesamte Tarifgefüge in den Niedriglohnsektoren und auf die Hartz IV Sätze (Grundsicherung).
https://www.linksfraktion.de/themen/a-z/detailansicht/mindestlohn/
Ich wäre auch nicht in der Lage, so etwas zu berechnen, und halte mich deswegen an Berechnungen entsprechender Fachleute (wie die der Gewerkschaften z.B.).

Ps.: Bist Du in einer Gewerkschaft? Verdi? Die "relative "Schwäche" der Gewerkschaften macht sich halt leider bei den Löhnen negativ bemerkbar, wobei die Einrichtung sovieler prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Flexibilisierung aus Sicht der Arbeitgeber) und die Privatisierungen öffentlicher Betriebe die Mitgliederzahlen stark schrumpfen liessen. Die Einführung des Mindestlohnes wurde unter anderem ja aufgrund des Fehlens der gewerkschaftlichen Organisationen in diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen überhaupt erst notwendig.

Ich bin wirtschaftswissenschaftlich nicht geschult. Würde ein höherer Mindestlohn nicht unmittelbar zu einer Preissteigerung führen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass höhere Löhne zu Gewinnminimierung führen werden. Ein Teil bestimmt, der Rest wird meiner Meinung nach auf die Endkunden gewälzt.
Ein großartiger Kaufkraftgewinn würde sich dann aus höheren Regelsätzen nicht ergeben.
Wie gesagt hab ich nicht so den Überblick und weiß nicht wo ein Großteil der Beschäftigten mit Mindestlohn arbeitet.

Ich finde das Wort Existenzminimum ungut.
Es lebt bestimmt die halbe Welt mit weniger als dem deutschen Existenzminimums.
Wir können uns als durchaus reiche Gesellschaft bei geschickter Verteilung und Steuerung viel leisten.
Ich bin für den Begriff: Teilhabebetrag. Den könnte man von der reinen Existenzsicherung trennen. Die Differenz könnte dann der Spielraum für Sanktionen sein wenn es denn demokratisch so gewollt ist.

qbz
09.11.2019, 11:50
Ich bin wirtschaftswissenschaftlich nicht geschult. Würde ein höherer Mindestlohn nicht unmittelbar zu einer Preissteigerung führen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass höhere Löhne zu Gewinnminimierung führen werden. Ein Teil bestimmt, der Rest wird meiner Meinung nach auf die Endkunden gewälzt.
Ein großartiger Kaufkraftgewinn würde sich dann aus höheren Regelsätzen nicht ergeben.
Wie gesagt hab ich nicht so den Überblick und weiß nicht wo ein Großteil der Beschäftigten mit Mindestlohn arbeitet.
......


Es gibt halt nicht die eine Volkswirtschaftslehre wie eine Naturwissenschaft, sondern unterschiedliche, in Teilen kontroverse. Diejenige, von denen die Gewerkschaften und andere ausgehen, sehen in höheren Löhnen eine Stärkung der Nachfrage und des Binnenmarktes, d.h. die Konzerne steigern den Umsatz und gleichen damit insgesamt die Lohnerhöhungen aus. Es führt auch zu mehr Abgaben, wodurch wiederum der Staat die Lohnerhöhungen bei seinen Beschäftigten finanziert und die Sozial-/Versicherungskassen gestärkt werden. Dass möglicherweise Preissteigerungen eintreten, könnte durchaus auch vorkommen, das hängt letztlich davon ob, inwiefern höhere Löhne durch mehr Produktivität ausgeglichen werden und welche Produktkonkurrenz auf dem Markt gegeben ist. Ich erlebte noch Zeiten mit Inflationsraten, Lohnzuwächsen von 4 %-6%, Wirtschaftswachstum und lohnenden Zinsen für Sparer.

DE wurde in den vergangenen Jahren oft von internationalen Organisationen wie der OECD kritisiert, dass der Binnenmarkt, die Inlandsnachfrage, zu schwach wäre, und der Export zu stark mit Nachteilen für andere Länder, und von diesen aufgefordert, den Binnenmarkt zu stärken, was aber nicht passiert ist.

Bei der Einführung des Mindestlohnes 2014 argumentierte übrigens die andere, sog. neoklassische Volkswirtschaftslehre, die Einführung würde sich negativ auf die Beschäftigungszahlen auswirken, was sich nicht bewahrheitete.
Eine Million Jobverluste in Deutschland? Zur Diskussion über die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen (https://www.nachdenkseiten.de/?p=2000)

ThomasG
09.11.2019, 19:38
Die Jusos wollen auf dem SPD-Parteitag im kommenden Monat über die Abschaffung aller Hartz-IV-Sanktionen abstimmen lassen.

Dies kündigte der Juso-Vorsitzende Kühnert an. Er sagte der „Rheinischen Post“ aus Düsseldorf, statt Strafen sollten Förderung, Ermutigung und der Rechtsanspruch auf Weiterbildung im Mittelpunkt stehen.

Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/spd-bundesparteitag-jusos-fuer-wegfall-aller-hartz-iv.1939.de.html?drn%3Anews_id=1066970&fbclid=IwAR1NLO-Bkw8NP-2YBl10XDhJ5CIu1aW72fU_u2nAgAJfjlfIFkq0tWL9EYo

Der Kevin soll ruhig mal ordentlich Rabatz machen :-)!
Wir werden es aber trotzdem nie vergessen, wer uns damals verraten hat :-P!
https://www.youtube.com/watch?v=8vFL0QWxugI

Last uns ihre Sklaven sein!
https://www.youtube.com/watch?v=XQlQvg_TFTE

qbz
27.11.2019, 01:02
"- Das Bundesverfassungsgericht hatte Hartz-IV-Kürzungen von mehr als 30 Prozent als verfassungsrechtlich nicht zumutbar eingeschätzt.
- Plänen von Arbeitsministerium und Bundesagentur für Arbeit zufolge sollen noch höhere Kürzungen aber auch künftig möglich sein.
- So sollen verschiedene Sanktionen kombiniert werden können, die die 30 Prozent zusammen deutlich überschreiten, heißt es in dem Entwurf."

hartz-iv-bundesverfassungsgericht-kuerzungen-sanktionen (https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-bundesverfassungsgericht-kuerzungen-sanktionen-1.4698013)

ThomasG
27.11.2019, 05:31
Man fasst es nicht!
Was geht in den Köpfen von Leuten nur vor, die nur drei Wochen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, was eindeutig feststellte, dass Hartz-IV-Kürzungen von 60 % verfassungswidrig sind, einen solchen Entwurf zu verantworten haben?
Für mich ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass man eben nicht auf das entsprechende verfassungswidrige Druckmittel verzichten will und wenn man sich dafür noch so schäbige "Tricks" ausdenken muss.

Das Karlsruher Urteil hat sich nicht ausdrücklich mit den 10-Prozent-Sanktionen befasst, wie sie wegen versäumter Termine beim Jobcenter verhängt werden. Eine Kürzung um 30 Prozent hielt das Gericht unter engen Voraussetzungen für gerade noch zulässig. Drastische Sanktionen von 60 Prozent - bisher vorgesehen bei wiederholter Ablehnung eines Jobs - seien dagegen auf der Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse "nicht zumutbar und deshalb verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen". Ein derart tiefer Eingriff ins Existenzminimum sei eine Belastung von "außerordentlicher Härte", heißt es in dem Urteil.

Sonycson
27.11.2019, 09:39
Den Leuten werden ja nicht ohne Grund Leistungen gekürzt. Irgendwie finde ich die Debatte schräg und stark am Thema vorbei. Meine Frage wäre eher: Warum nehmen die Personen ihre Pflichttermine nicht wahr und schlagen Jobangebote aus?

Meine persönliche Meinung: Deutschland leistet sich einen viel zu großen Sozialstaat und das auch noch mit dem Gießkannenprinzip. Dazu noch die wahnsinnige Regulierungswut. Dazu kommt noch die fehlende finanzielle Bildung der Gesamtbevölkerung inkl. unserer Politiker.

MattF
27.11.2019, 15:27
Den Leuten werden ja nicht ohne Grund Leistungen gekürzt. Irgendwie finde ich die Debatte schräg und stark am Thema vorbei. Meine Frage wäre eher: Warum nehmen die Personen ihre Pflichttermine nicht wahr und schlagen Jobangebote aus?



Und was wären mögliche Antworten?

Sonycson
27.11.2019, 16:08
Und was wären mögliche Antworten?

Neben den berechtigten Gründen (wie z. B. Krankheit, welche durch eine Krankmeldung attestiert wurde).......Faulheit, Unzuverlässigkeit, Vergesslichkeit. Die Liste kann gerne erweitert werden. Die Frage ist halt, ob man das als Gesellschaft akzeptiert oder nicht.

Ich weiß, dass ich mich mit so einer Aussage nicht beliebt mache. Nur nervt mich die einseitige Berichterstattung aktuell.

captain hook
27.11.2019, 16:37
Den Leuten werden ja nicht ohne Grund Leistungen gekürzt. Irgendwie finde ich die Debatte schräg und stark am Thema vorbei. Meine Frage wäre eher: Warum nehmen die Personen ihre Pflichttermine nicht wahr und schlagen Jobangebote aus?

Meine persönliche Meinung: Deutschland leistet sich einen viel zu großen Sozialstaat und das auch noch mit dem Gießkannenprinzip. Dazu noch die wahnsinnige Regulierungswut. Dazu kommt noch die fehlende finanzielle Bildung der Gesamtbevölkerung inkl. unserer Politiker.

Du kannst also die Frage in Fett nicht selbst beantworten, kannst aber im zweiten Absatz zu einer Schlussfolgerung kommen?

Hast Du Dich mit solchen Fragen (und der Praxis in solchen Zusammenhängen) mal intensiv beschäftigt oder gar mal eigene Erfahrungen damit gesammelt?

Weites Feld. Das geht von absoluter Ausnutzung des Sozialstaates bis hin zu ernsten Problemen Betroffener die "das Amt" nicht berücksichtigt, nicht richtig einschätzt oder gar nicht kennt. Und natürlich alles dazwischen.

Um dir mal einen kleinen Einblick zu erlauben... da kannst Du mit einer nicht eindeutig diagnostizierten psychischen Erkrankung Probleme haben Dein Leben überhaupt zu regeln, was am Ende vom "Amt" aber ausgelegt wird, als würdest Du Dich einfach völlig verweigern. Am Ende kann es in solchen Fällen dazu kommen, dass die Leistungen komplett eingestellt werden und jemand aus Satz 1 seine Wohnung verliert und dann inkl. seiner psychischen Probleme auf der Straße sitzt. Unter Druck und mit Zwangsmaßnahmen erreichst Du bei solchen Leuten gar nichts. Das wirft die so aus der Bahn, dass sie, selbst wenn sie wollten überhaupt nicht mehr in der Lage sind einen Termin wahrzunehmen oder sich Hilfe zu suchen. Kannst Du dir ggf nicht vorstellen, dann danke Gott oder wem auch immer, dass Du von Depressionen und schlimmen anderen Problemen in Deinem Leben verschont geblieben bist.

Um Sanktionen verhängen zu dürfen, die Menschen ggf in lebensbedrohliche Situationen bringt (Obdachlos werden oder nichts zu Essen zu haben gehört für mich dazu) müsste die Qualität der Verhältnismäßigkeitsprüfung extrem ausgebaut werden.

Es gibt Betrüger, ja. Aber man kann nicht wegen der Betrüger alle über einen über einen Kamm scheren und das als Kollateralschaden betrachten.