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Vollständige Version anzeigen : TV Experiment "Terror"


NBer
18.10.2016, 09:56
Gestern lief in der ARD das lang angekündigte TV Experiment "Terror". Einmal davon abgesehen, dass mich die Deutlichkeit des Zuschauervotums überrascht hat (87% für unschuldig) wird heute in den Medien viel darüber diskutiert..........ob man so ein TV Experiment überhaupt machen darf, und ob damit nicht Populisten Tür und Tor geöffnet wird........ob der Protagnonist zu schön und zu heldenhaft dargestellt wurde, was die Abstimmung beeinflusste......und natürlich auch darüber wer warum wie abstimmte usw. Anscheinend eine Menge Diskussionsbedarf.

Trimichi
18.10.2016, 10:11
Habe ich gesehen und via Festnetztelefon geurteilt.

War hoch interessant!, insb. die Plädoyers im Film, zB der Verweis auf die der Wissenschaft bekannten und moralischen Dilemmata, als auch die Verweise zu Kant, sowie die Einstellung des Jetpiloten Major Koch.

Verteidigungsminister Jung hinterließ bei mir einen guten Eindruck. Hut ab vor Herrn Baum. Auch die Theologin argumentierte gut.

Könnte man darüber nachdenken an Schulen den Film im Religions- bzw. Ethikunterricht zu zeigen.

NBer
18.10.2016, 10:25
ich habe mich halt gefragt, ob es nicht in jedem von uns eine art kreatürliche abwägung gibt. zb wenn eine selbstmörder sich von einer dachkante fallen lässt, mit der einen hand einen greis mit sich zieht, mit der anderen ein kleines kind. man kann zugreifen, aber nur ein mal . also nur einen von beiden retten. da nützt alles "man kann ein leben nicht gegen ein anders aufwiegen" nichts, annähernd 100% würden das kind retten. und so wie man dort ganz unterbewusst das alter gegeneinander abwägt, kann man auch unterbewusst zahlen gegeneinander abwägen. die frage ist halt, ob diese kreatürliche abwägung strafbar ist.
desweiteren wurde angesprochen, dass der pilot den flugzeuginsassen die würde nahm. die verteidigerin argumentierte immer aus der sicht der flugzeuginsassen. meine frage wäre gewesen, was mit der würde des stadioninsassen ist. im strafgesetzbuch kann man auf 2 unterschiedliche arten handeln....durch aktives agieren, aber auch durch unterlassen. auf der einen seite nehme ich durch aktives agieren die würde der flugzeuginsassen, auf der anderen seite hätte ich durch unterlassen einer hilfsaktion die würde der stadioninsassen genommen.
wie sagte noch die theologin bei "hart, aber fair".....in diesem fall gab es für den piloten nur 2 entscheidungsmöglichkeiten: falsch und falscher.

tofino73
18.10.2016, 10:34
Habe ich gesehen und via Festnetztelefon geurteilt.

War hoch interessant!, insb. die Plädoyers im Film, zB der Verweis auf die der Wissenschaft bekannten und moralischen Dilemmata, als auch die Verweise zu Kant, sowie die Einstellung des Jetpiloten Major Koch.

Verteidigungsminister Jung hinterließ bei mir einen guten Eindruck. Hut ab vor Herrn Baum. Auch die Theologin argumentierte gut.

Könnte man darüber nachdenken an Schulen den Film im Religions- bzw. Ethikunterricht zu zeigen.

Fand insbesondere die Plädoyers auch sehr gut gemacht. Auch die Stimmung aus dem Gerichtssaal kam gut rüber. So muss TV heutzutage technisch aufgezogen sein, finde ich

flaix
18.10.2016, 10:35
die frage ist halt, ob diese kreatürliche abwägung strafbar ist.

wenn man diese Abwägung jeweils dem Einzelnen überlässt und keine gesetzliche Regelung dazu als Leitlinie überordnet, dann regiert der Egoismus. TV Experiment geglückt. Weil 87 % so entschieden haben, deswegen ist es klar das das Gesetz genau andersherum urteilen sollte.

Tyrm73
18.10.2016, 10:37
Wobei ich finde, dass man bei den Diskussionen höllisch aufpassen muß über was man redet.

Im Film (Gerichtsverhandlung) geht es um die individuelle Schuld des Soldaten. Die meisten gleiten in eine generelle Diskussion darüber ab ob der Staat töten darf und/oder die Abwägung eines kleineren Übels gegenüber der Rettung vieler.

Beides wichtig, aber sollte man nicht vermischen. Ich hatte den Film schon am letzten Freitag im Kino gesehen und anhand der Beweggründe und Aussagen des Soldaten diesen für schuldig gesprochen (nochmal: in der Gerichtsverhandlung ging es nicht darum ob der Staat töten darf, sondern um die Schuld des Majors).

Warum schuldig:

Aussage 1: Der Staat muß sich vor Terror schützen, deshalb muß es erlaubt sein in Ausnahmefällen unschuldige zu töten. Damit legalisiert er für sich die Tötung, nimmt also den legislativen Teil der Demokratie ein.

Aussage 2: wer in ein Flugzeug steigt macht sich schuldig. Lass ich mal so stehen, über die Abartigkeit dieses Gedankens will ich hier nicht groß diskutieren. Aber damit erfolgt der Schuldspruch und somit der judikative Teil der Demokratie.

Am Ende hat er dann ohne Anweisung und sogar gegen einen direkt Befehl gefeuert (alleine dafür wäre in echt fällig) und somit gehandelt (Exekutive).

Widerspricht schonmal in seiner Gesamtheit der Idee der Demokratie (Gewaltenteilung) und es ist mitnichten so, dass er spontan aus der Situation herausgehandelt hat, sondern sich das ganze schon im Vorfeld (er hat ja selbst gesagt, dass er sich damit Beschäftigt und Referate dazu abgehalten hat) als Begründung und Rechtfertigung zurechtgelegt hat.


Ich denke mal, die meisten haben sich mehr damit Beschäftigt ob der Staat in solchen Fällen ein Flugzeug abschießen darf und dies bejaht und deshalb den Soldaten freigesprochen haben.

NBer
18.10.2016, 10:45
......
Warum schuldig:

Aussage 1: De.........

ich glaube nicht, dass ein soldat in diesem augenblick demokratie, die würde des menschen, auswirkungen auf die terrorbekämpfung usw im kopf hat. der sieht eine einfache mathematische gleichung vor sich: 164 zu 70 000. und wählt das kleinere übel.

Tyrm73
18.10.2016, 10:51
ich glaube nicht, dass ein soldat in diesem augenblick demokratie, die würde des menschen, auswirkungen auf die terrorbekämpfung usw im kopf hat. der sieht eine einfache mathematische gleichung vor sich: 164 zu 70 000. und wählt das kleinere übel.

ein Soldat nicht, dieser Soldat aber schon. Denn er hat ja nicht darauf gewartet bis der Fall eintritt, sondern hat diese Gedanken schon im Vorfeld durchgespielt.

Er hat das ja auf die Frage nach seinen Beweggründen ausführlich erläutert und auch die Aussage der Staatsanwaltin bestätigt, dass er sich mit dem Thema beschäftigt hat.

in der Gerichtsverhandlung an sich, geht es nicht darum ob der Staat Unschuldige töten darf sondern nur um die Schuld des Majors.

Deswegen hab ich ja als erstes geschrieben. Man muß höllisch aufpassen worüber man diskutiert.

LidlRacer
18.10.2016, 11:10
WENN eindeutig klar wäre, dass die Flugzeuginsassen ohnehin nicht zu retten sind UND eindeutig klar wäre, dass das Flugzeug das Fußballstadion mit tausenden von Menschen ansteuert UND es treffen wird, dann ist es mir vollkommen schleierhaft, wie man auf die Idee kommen kann, das Flugzeug nicht abzuschießen.
Da wären mir dann auch Verfassung und theoretische Gedanken über Kant und Menschenwürde ziemlich egal, denn es geht dann gar nicht um die Abwägung "Flugzeuginsassen oder Stadionbesucher" sondern "Flugzeuginsassen oder Flugzeuginsassen und Stadionbesucher".

Das Problem ist nur, dass es in realen Fällen solche Gewissheiten kaum geben wird.

flaix
18.10.2016, 11:15
WENN eindeutig klar wäre, dass die Flugzeuginsassen ohnehin nicht zu retten sind UND eindeutig klar wäre, dass das Flugzeug das Fußballstadion mit tausenden von Menschen ansteuert UND es treffen wird, dann ist es mir vollkommen schleierhaft, wie man auf die Idee kommen kann, das Flugzeug nicht abzuschießen.
Da wären mir dann auch Verfassung und theoretische Gedanken über Kant und Menschenwürde ziemlich egal, denn es geht dann gar nicht um die Abwägung "Flugzeuginsassen oder Stadionbesucher" sondern "Flugzeuginsassen oder Flugzeuginsassen und Stadionbesucher".

Das Problem ist nur, dass es in realen Fällen solche Gewissheiten kaum geben wird.

ich bin mir sicher das Du zu 100% Zustimmung finden wirst. Trotzdem kann man dem nicht Tür und Tor öffnen. Deswegen MUSS der Rechtsstaat den Piloten schuldig sprechen. Das Strafmass ist dann eine ganz andere Sache. Ich bin mir sicher ein Richter würde das zu balancieren wissen.

captain hook
18.10.2016, 11:21
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2006/02/rs20060215_1bvr035705.html

Hier das Verfassunggerichtsurteil zu diesem Thema. Man hat sich bei der Entscheidung dazu schon differenziert damit auseinandergesetzt. Viele der vorgetragenen Dinge, wie zB, dass man sich mit Einsteigen in ein Flugzeug dieser Situation aussetzt (Teil der "Waffe" zu werden) etc.

Trotz der differenzierten Betrachtungsweise kommt man schlussendlich dort zu einem anderen Ergebnis.

Lesen lohnt sich, weil man auch die unterschiedlichen Vorträge der unterschiedlichen beteiligten Parteien gut erkennen kann.

Inkl. Bespiel aus der Praxis, wo man vielleicht abgeschossen hätte damals, es aber schlussendlich garnicht zum Einschlag kam... soviel zur 100% Gewissheit.

Ich würde so einen Fall nicht entscheiden wollen.

LidlRacer
18.10.2016, 11:24
ich bin mir sicher das Du zu 100% Zustimmung finden wirst. Trotzdem kann man dem nicht Tür und Tor öffnen. Deswegen MUSS der Rechtsstaat den Piloten schuldig sprechen. Das Strafmass ist dann eine ganz andere Sache. Ich bin mir sicher ein Richter würde das zu balancieren wissen.

Im Film war er des Mordes (https://de.wikipedia.org/wiki/Mord_(Deutschland))angeklagt. Wenn er da schuldig wäre, gäbe es nicht viel Spielraum beim Strafmaß.

sandmen
18.10.2016, 11:26
Ich finde die Diskussion, ob man durch das Fernsehformat hiermit dem Populismus Tür und Tor öffnet, etwas abwegig. Besonders unrühmlich ist ja diesbezüglich der ehemalige Innenminister Baum aufgetreten. Insbesondere das Argument, wer die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht kennt, braucht gar nicht mitzudiskutieren ist m.E. abwegig.

Dies stellt die Urteile deutscher Strafrichter total in Frage. Die Strafkammer am Landgericht in der 1. Instanz besteht bei schweren Fällen grundsätzlich aus 3 Berufsrichtern und 2 Schöffen. Die Schöffen verfügen nun gerade nicht über juristischen Sachverstand und sollen ihren gesunden Menschenverstand einbringen. Wenn das Argument von Herrn Baum richtig wäre, dass nur jemand mitreden darf, der die nötige Fachkompetenz hat, dann könnte man das Schöffensystem in Deutschland komplett abschaffen und nur Berufsrichter zur Urteilsfindung einsetzen.

Letztlich finde ich die Entscheidung für Freispruch gut. Letztlich wäre aber die andere Variante einer Verurteilung wegen Mordes und einer Reduzierung der Schuld genauso gut vertretbar gewesen. Auch, wenn es schon etwas her ist, spiegelt es m.E. den Diskussionsstand wieder, der im 1. Semester des Jurastudium gelehrt wird und der auch die Bandbreite Freispruch wegen Fehlens der Schuld bis zur Verurteilung in einem minder schweren Fall abdeckt.

NBer
18.10.2016, 11:30
......Das Problem ist nur, dass es in realen Fällen solche Gewissheiten kaum geben wird.

100% nicht, ich weiss nicht, ob es aktuell noch den begriff der "hinreichenden gewissheit" gibt. sprich in dem konstruierten fall war für den piloten kein anderes ergebnis als der einschlag des flugzeuges ins stadion mehr denkbar. alle im gerichtssaal konstruierten szenarien (eindringen von passagieren ins cockpit, überwältigen der entführer, flugzeug wieder vom stadionkurs abbringen) sind nur noch theoretischer natur. für den piloten ist der einschlag ins stadion unabwendbar (es wurde ja auch vom letztmöglichen augenblick gesprochen, sprcih das stadion mehr oder weniger schon in sichtweite und das flugzeug im sinkflug exakt mit aufschlagkurs stadion). alles andere sind konstruktionen im nachhinein, hätte wenn und aber, wunschdenken.

mum
18.10.2016, 11:32
Letztlich finde ich die Entscheidung für Freispruch gut. Letztlich wäre aber die andere Variante einer Verurteilung wegen Mordes und einer Reduzierung der Schuld genauso gut vertretbar gewesen. Auch, wenn es schon etwas her ist, spiegelt es m.E. den Diskussionsstand wieder, der im 1. Semester des Jurastudium gelehrt wird und der auch die Bandbreite Freispruch wegen Fehlens der Schuld bis zur Verurteilung in einem minder schweren Fall abdeckt.

das wäre (rot) die für mich korrekte variante gewesen.

der soldat hat in diesem sinne "eigenmächtig" gehandelt. er hatte den BEFEHL für den abschuss ausdrücklich NICHT und es ist nicht SEINE aufgabe, in der LUFT politik zu betreiben.

in diesem sinne für mich schuldig, ABER mit SEHR reduzierter STRAFE.

sybenwurz
18.10.2016, 11:42
Warum schuldig:

Aussage 1: Der Staat muß sich vor Terror schützen, deshalb muß es erlaubt sein in Ausnahmefällen unschuldige zu töten. Damit legalisiert er für sich die Tötung, nimmt also den legislativen Teil der Demokratie ein.

Aussage 2: wer in ein Flugzeug steigt macht sich schuldig. Lass ich mal so stehen, über die Abartigkeit dieses Gedankens will ich hier nicht groß diskutieren. Aber damit erfolgt der Schuldspruch und somit der judikative Teil der Demokratie.

Am Ende hat er dann ohne Anweisung und sogar gegen einen direkt Befehl gefeuert (alleine dafür wäre in echt fällig) und somit gehandelt (Exekutive).

Widerspricht schonmal in seiner Gesamtheit der Idee der Demokratie (Gewaltenteilung) und es ist mitnichten so, dass er spontan aus der Situation herausgehandelt hat, sondern sich das ganze schon im Vorfeld (er hat ja selbst gesagt, dass er sich damit Beschäftigt und Referate dazu abgehalten hat) als Begründung und Rechtfertigung zurechtgelegt hat.


Ich denke mal, die meisten haben sich mehr damit Beschäftigt ob der Staat in solchen Fällen ein Flugzeug abschießen darf und dies bejaht und deshalb den Soldaten freigesprochen haben.

Jupp. Bin voll bei dir.

Habs aber grad bei FB geschrieben: dieser konstruierte Fall findet eine viel alltäglichere Anwendung z.B. bei der Programmierung selbstfahrender Autos.
Natürlich ohne den ganzen Background mit staatlicher Gewaltenteilung, Befehlsgehorsam von Soldaten usw., allerdings imho kein Stück weniger brisant.

NBer
18.10.2016, 12:01
interessant in dem zusammenhang auch die frage......sind 9 von 10 deutschen bereit sich selbst zu opfern, wenn sie selbst im flugzeug sitzen würden?
wenn ich in so einem flugzeug sitzen würde und die entscheidung wäre nicht mehr leben oder sterben, sondern nur noch beim aufprall im stadion sterben oder durch den abschuß.......ich würde mich sozusagen als letzte gute tat für den abschuß entscheiden.

Frau Müller
18.10.2016, 12:12
Habs aber grad bei FB geschrieben: dieser konstruierte Fall findet eine viel alltäglichere Anwendung z.B. bei der Programmierung selbstfahrender Autos.

Finde ich einen ganz guten Vergleich. Ist ja auch eine sehr bewusst emotionale Debatte, die insbesondere die Automobilhersteller unter Druck setzt, vielleicht nicht nur das Leben der Insassen zu schützen, was ja normalerweise primäres Ziel wäre.

Noch ein Vergleich, noch alltäglicher:
Filter-Algorithmen in sozialen Netzwerken. Bestimmen, welche Inhalte oder Werbung angezeigt werden. Das hat mal gar nichts mehr mit Objektivität zu tun und beeinflusst schon heute massiv große Teile der Gesellschaft. Gibt es einen lesenswerten Artikel zu.

http://www.spiegel.de/netzwelt/web/digitale-diskriminierung-luecke-zwischen-algorithmus-und-mensch-a-1082219.html

flaix
18.10.2016, 12:29
Anklage wegen Mordes ist in dem Fall natürlich Unsinn.

Im Film war er des Mordes (https://de.wikipedia.org/wiki/Mord_(Deutschland))angeklagt. Wenn er da schuldig wäre, gäbe es nicht viel Spielraum beim Strafmaß.

JENS-KLEVE
18.10.2016, 12:42
Der Zuschauer der sich äußern durfte war gut. Er sagte, dass man nicht Tür und Tor für zukünftige Attentäter öffnen dürfte, die sich in Sicherheit wiegen könnten sobald sie menschliche Schutzschilde hätten. Außerdem hätte er vorher das Szenario mit seiner Frau durchdiskutiert - sie ist für Abschuss, obwohl sie selber Stewardess ist und zwei Kinder hat.
Ich wäre auch für Abschuss selbst wenn meine Familie drin sitzt, weil sie im Beispiel dem Tode geweiht waren und erst im letzten Moment abgeschossen wurden, so hat der Tod wenigstens noch etwas Gutes.

Trimichi
18.10.2016, 13:08
interessant in dem zusammenhang auch die frage......sind 9 von 10 deutschen bereit sich selbst zu opfern, wenn sie selbst im flugzeug sitzen würden?
wenn ich in so einem flugzeug sitzen würde und die entscheidung wäre nicht mehr leben oder sterben, sondern nur noch beim aufprall im stadion sterben oder durch den abschuß.......ich würde mich sozusagen als letzte gute tat für den abschuß entscheiden.

Ich würde den oder die Terroristen bekämpfen. Dh ich würde versuchen, wie es den Passagieren im Flugzeug 4 am 9. September 2001- sollte glaub ich auf Camp David gelenkt werden - geglückt ist damals, die Terroristen zu überwältigen oder zumindest zu bekämpfen. Flugzeug 4 hat Camp David nicht getroffen.

Entscheidet der Jetpilot oder der Stab am Boden die Maschine abzuschießen, habe ich Pech gehabt und akzeptiere mein Ende.

Bumppo
18.10.2016, 13:21
Leider war mir der Film etwas zu konstruiert und ging zum Teil am Thema vorbei.

So ging es in den Beispielen im Plaedoyer der Staatsanwaeltin immer nur um die Abwaegung, wer sterben muss: Gruppe A oder Gruppe B. Der verhandelte Fall lag jedoch ganz anders: Gruppe A war in jedem Fall, sei es durch Absturz oder durch Abschuss, zum Sterben verurteilt. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied, der in meinen Augen zu kurz kam.

Die Alternativszenarien der Evakuierung des Stadions (in 15 Minuten?!?) und das Einschlagen der Cockpittuer durch Fluggaeste sind aeusserst unrealistisch. Letzteres wissen wir spaetestens seit dem erweiterten Selbstmord des Germanwings Piloten. Sehr viel realistischer waere, dass der Pilot die Maschine im letzten Moment in einen Acker stuerzen laesst, um wenigstens den Stadionzuschauern das Leben zu retten. Das aendert jedoch nichts daran, das Flugzeuginsassen verloren sind.

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captain hook
18.10.2016, 13:43
Leider war mir der Film etwas zu konstruiert und ging zum Teil am Thema vorbei.

So ging es in den Beispielen im Plaedoyer der Staatsanwaeltin immer nur um die Abwaegung, wer sterben muss: Gruppe A oder Gruppe B. Der verhandelte Fall lag jedoch ganz anders: Gruppe A war in jedem Fall, sei es durch Absturz oder durch Abschuss, zum Sterben verurteilt. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied, der in meinen Augen zu kurz kam.

Die Alternativszenarien der Evakuierung des Stadions (in 15 Minuten?!?) und das Einschlagen der Cockpittuer durch Fluggaeste sind aeusserst unrealistisch. Letzteres wissen wir spaetestens seit dem erweiterten Selbstmord des Germanwings Piloten. Sehr viel realistischer waere, dass der Pilot die Maschine im letzten Moment in einen Acker stuerzen laesst, um wenigstens den Stadionzuschauern das Leben zu retten. Das aendert jedoch nichts daran, das Flugzeuginsassen verloren sind.

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Du setzt aber ziemlich viele Dinge als gesetzt voraus, die bei zweimal drüber nachdenken vielleicht nur zu 80% zutreffen. Vielleicht kommt es weder zu einem Absturz noch zu einem Einschlag?! Und ab wann glaubst Du, dass Du das mit so einer hohen Zuverlässigkeit voraussagen kannst, dass du auf dieser Basis 100 Leute im Flieger abschießt? Und... was passiert wenn Du den Flieger abschießt, der sich in einer Situation befindet, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in das Stadion krachen wird? Wenn Du das in Berlin machst, schießt Du da einen Flieger in vielleicht 200m Höhe über dicht bevölkertem Gebiet ab. Vermutlich voll mit Treibstoff. Kannst Du die Folgen voraussagen? Wieviel Tode wird es zusätzlich am Boden geben?

Verfassungsgerichtsurteil mit Begründung gelesen? Fast alle Deine Punkte wurden dort behandelt.

Mo77
18.10.2016, 14:22
Dieses doofe Dilemma löst man am besten technisch auf!!

Wir bauen Flugzeuge so, dass sie vom Boden gesteuert werden können!!

Dass immer alle so geil aufs abschießen sind??

trithos
18.10.2016, 14:26
Dieses doofe Dilemma löst man am besten technisch auf!!

Wir bauen Flugzeuge so, dass sie vom Boden gesteuert werden können!!

Dass immer alle so geil aufs abschießen sind??

Und was machst Du dann gegen Terroristen, die die Bodenstation in ihre Gewalt bringen oder die Fernsteuerung hacken?

tomcat
18.10.2016, 14:43
Hier ein differenzierter und fundierter Blick von einem bekannten BGH-Richter zum Thema. Er lässt kein gutes Haar an der Sache: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terror-ferdinand-von-schirach-fischer-im-recht

Mo77
18.10.2016, 14:45
Und was machst Du dann gegen Terroristen, die die Bodenstation in ihre Gewalt bringen oder die Fernsteuerung hacken?

Abballern...


Gegen das hacken gib es gute Möglichkeiten.

Am Boden haste nicht das Problem, dass da 250 Mannen als "Pfand" genommen wurden.
Lässt sich auch besser bewachen und ggfls. zugreifen.

Es verändert auf jeden Fall grundlegend das Szenario. Natürlich wird es theoretisch immer ein Szenario geben an dem man an dem Punkt steht wo man geneigt ist zu opfern.

Nur in dem speziellen Fall sehr ich technisch recht einfach Möglichkeit.

Vermutlich geht es nicht so einfach. Sonst würden sie es ja machen??

mum
18.10.2016, 15:06
Hier ein differenzierter und fundierter Blick von einem bekannten BGH-Richter zum Thema. Er lässt kein gutes Haar an der Sache: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terror-ferdinand-von-schirach-fischer-im-recht

"empfunden" habe ich die sache sehr ähnlich wie beschrieben. als nicht-jurist könnte ich dies niemals so fundiert beschreiben.

ich habe auf alle fälle nach ca. 45 min. den fernseher abgestellt, da es mich gelangweilt hat......und war auf der anderen seite seeehr ueberrascht, dass es hier (im forum...) und auch in der grössten tageszeitung in der schweiz so prominent wieder diskutiert wurde/wird.

NBer
18.10.2016, 15:08
es war ja nur EIN szenario. man hätte auch ein anders konstruieren können. zb einen terroristen am knopf einer atombombe oder ähnliches.
es ging letztendlich um die frage darf man einige töten um viele zu retten. und zusätzlich sah das szenario vor, das die zu tötenden zum zeitpunkt der tat schon unrettbar verloren sind. ich habe es so verstanden, das es der letztmögliche zeitpunkt für einen abschuß vor dem einschlag war, also auch jedes rettungsmanöver innerhalb des fliegers zu spät gewesen wäre. wir reden von sekunden vor dem einschlag, nicht mehr minuten. damit sind nämlich viele wenn, hätte und falls überflüssig.

alpenfex
18.10.2016, 15:57
Ich habe nicht alles gesehen, wohl aber, dass diskutiert wurde, warum das Stadion nicht geräumt wurde, obwohl es innert möglicher Zeit keinerlei Problem gewesen wäre. Ist das noch weiter diskutiert worden?

Ich habe vorhin einen befreundeten, ehemaligen Jetpiloten (deutsch) gefragt, wie er dazu steht. Es war gar keine Frage für ihn. Ein Jetpilot befolgt seiner Meinung nach IMMER und AUSNAHMSLOS den Befehl, dern er erhält. Alles andere funktioniert nicht und würde ein unglaublich unkalkulierbares Risiko in Form des Piloten darstellen. Von daher, ganz klar schuldig.

LidlRacer
18.10.2016, 16:04
Ich habe vorhin einen befreundeten, ehemaligen Jetpiloten (deutsch) gefragt, wie er dazu steht. Es war gar keine Frage für ihn. Ein Jetpilot befolgt seiner Meinung nach IMMER und AUSNAHMSLOS den Befehl, dern er erhält. Alles andere funktioniert nicht und würde ein unglaublich unkalkulierbares Risiko in Form des Piloten darstellen. Von daher, ganz klar schuldig.

Es war im TV schon etwas komplizierter. Es gab zwar keinen ausdrücklichen Befehl, weil es wegen des Verfassungsgerichts keinen geben durfte, aber trotzdem die klare Erwartung von Seiten des/der Vorgesetzten, dass die Piloten das Nötige tun.

alpenfex
18.10.2016, 16:15
Es war im TV schon etwas komplizierter. Es gab zwar keinen ausdrücklichen Befehl, weil es wegen des Verfassungsgerichts keinen geben durfte, aber trotzdem die klare Erwartung von Seiten des/der Vorgesetzten, dass die Piloten das Nötige tun.

Erwartungen.....?!?!!!!????? Das kann nicht der Ernst der Verantwortlichen sein. Ein Jetpilot ist Befehlsempfänger, nicht Entscheider. Nicht anders darf es sein.

mum
18.10.2016, 16:25
Ich habe nicht alles gesehen, wohl aber, dass diskutiert wurde, warum das Stadion nicht geräumt wurde, obwohl es innert möglicher Zeit keinerlei Problem gewesen wäre. Ist das noch weiter diskutiert worden?

Ich habe vorhin einen befreundeten, ehemaligen Jetpiloten (deutsch) gefragt, wie er dazu steht. Es war gar keine Frage für ihn. Ein Jetpilot befolgt seiner Meinung nach IMMER und AUSNAHMSLOS den Befehl, dern er erhält. Alles andere funktioniert nicht und würde ein unglaublich unkalkulierbares Risiko in Form des Piloten darstellen. Von daher, ganz klar schuldig.

10000% einverstanden.

ich hatte mal einen kumpel, der hat sich als ch-militärpilot beworben etc.

die machen ja viele test's etc.

eine frage des test's: du hast den auftrag, haus x zu bombardieren, beim anflug siehst du kinder darin spielen. was machst du?
bei der falschen antwort (ich bombardiere nicht), war der militär-pilot aus dem selektionsverfahren RAUS.

der pilot hat sinn/unsinn seines befehls NICHT zu hinterfragen sondern die befehle auszuführen.

so funktioniert eben militär............

captain hook
18.10.2016, 16:26
Es war im TV schon etwas komplizierter. Es gab zwar keinen ausdrücklichen Befehl, weil es wegen des Verfassungsgerichts keinen geben durfte, aber trotzdem die klare Erwartung von Seiten des/der Vorgesetzten, dass die Piloten das Nötige tun.

Schon klar. Wie immer wenn keiner die Verantwortung übernehmen will. Man bricht es runter bis zu dem, der ausführen muss und überträgt dem schwächsten Glied in der Kette die Entscheidung darüber. Soll das ein Witz sein? Keiner will nen Befehl erteilen, aber das kleinste Licht in der Kette soll 160 Menschen wegbomben? Wenn unser Rechtsstaat soweit kommt, dann sollte man drüber nachdenken, ob man auswandert.

Das Urteil des Verfassungsgerichts ist rechtskräftig. Fertig.

Wem das nicht passt, kann ja erneut Verfassungsbeschwerde einreichen, dass er sich unangemessen gefährdet sieht bei dieser Rechtslage.

Wer das Urteil gelesen hat, bekommt eine ungefähre Vorstellung darüber, warum das so ist. Und eine kalkulierte Rechtsunsicherheit hinzunehmen und den Piloten mit dem Finger am Abzug in einer Stresssituation entscheiden lassen zu wollen, bzw. ihn in dieser Situation zu einer Entscheidung zwingen zu wollen, weil man es nicht geschafft hat eine bekannte und diskutierte Situation vorher sinnvoll zu regeln... mir fehlen die Worte!!!

Trimichi
18.10.2016, 16:37
10000% einverstanden.

ich hatte mal einen kumpel, der hat sich als ch-militärpilot beworben etc.

die machen ja viele test's etc.

eine frage des test's: du hast den auftrag, haus x zu bombardieren, beim anflug siehst du kinder darin spielen. was machst du?
bei der falschen antwort (ich bombardiere nicht), war der militär-pilot aus dem selektionsverfahren RAUS.

der pilot hat sinn/unsinn seines befehls NICHT zu hinterfragen sondern die befehle auszuführen.

so funktioniert eben militär............

Hat der Major Koch einen Befehl zum Nichtfeuern erhalten? So klar kam das mE nicht rüber, da der Stab, salopp gesagt, nicht auf Zack war und keine eindeutige Entscheidung am Boden gefällt wurde. Oder ist mir etwas entgangen? Soweit ich weis, hatte man das Stadion nicht evakuieren lassen, weil man a) hoffte, dass die Passagiere die Terroristen überwältigen und b) weil man am Boden wusste, dass Major Koch bei unklarer Lage - er hatte zweimal mit dem Boden Kontakt aufgenommen - feuern würde. Oder einfacher: das Stadion hätte, wäre der Befehl zum Nichtabschuß (unter keinen Umständen feuern) erteilt worden, evakuiert werden müssen.

flaix
18.10.2016, 16:39
Der Zuschauer der sich äußern durfte war gut. Er sagte, dass man nicht Tür und Tor für zukünftige Attentäter öffnen dürfte, die sich in Sicherheit wiegen könnten sobald sie menschliche Schutzschilde hätten. Außerdem hätte er vorher das Szenario mit seiner Frau durchdiskutiert - sie ist für Abschuss, obwohl sie selber Stewardess ist und zwei Kinder hat.
Ich wäre auch für Abschuss selbst wenn meine Familie drin sitzt, weil sie im Beispiel dem Tode geweiht waren und erst im letzten Moment abgeschossen wurden, so hat der Tod wenigstens noch etwas Gutes.

Jens, wann wäre der "letzte Moment". Denkst Du nicht auch das man als Betroffener da wahrscheinlich ganz anders drüber denkt? Könnte ja noch eine irrwitzige Wendung irgendeine Hoffnung erbringen......

ein wirklich verflixtes Thema

JENS-KLEVE
18.10.2016, 17:32
Der Pilot flog fast eine Stunde neben dem Flugzeug, hat alles versucht was zu versuchen war und wenn er nur eine Minute später abgedrückt hätte, wäre das Flugzeug ins Stadion und direkt daneben gestürzt. Ich bin ja auch nur Laie und würde mir nicht anmaßen wirklich zu urteilen oder Gesetze zu beschließen.

Ich verstehe die Sendung als Unterhaltung, Denkanstoß und Meinungsbild. Nicht als Revolution oder Volksabstimmung.

Früher in meiner Kindheit, als es nur 3 Fernsehsender gab, diskutierten alle am nächsten Tag über Derrick, Verstehen sie spaß, Wetten dass.. etc. , weil alle das gleiche guckten. Diese "Nachbesprechungen" vermisse ich im Alltag ein bisschen, darum fand ich das mal wieder schön.

RolandG
18.10.2016, 17:39
Ich habe vorhin einen befreundeten, ehemaligen Jetpiloten (deutsch) gefragt, wie er dazu steht. Es war gar keine Frage für ihn. Ein Jetpilot befolgt seiner Meinung nach IMMER und AUSNAHMSLOS den Befehl, dern er erhält. Alles andere funktioniert nicht und würde ein unglaublich unkalkulierbares Risiko in Form des Piloten darstellen. Von daher, ganz klar schuldig.

Es war im TV schon etwas komplizierter. Es gab zwar keinen ausdrücklichen Befehl, weil es wegen des Verfassungsgerichts keinen geben durfte, aber trotzdem die klare Erwartung von Seiten des/der Vorgesetzten, dass die Piloten das Nötige tun.

Erwartungen.....?!?!!!!????? Das kann nicht der Ernst der Verantwortlichen sein. Ein Jetpilot ist Befehlsempfänger, nicht Entscheider. Nicht anders darf es sein.


Das sieht das deutsche Recht aber anders. Das erwartet sogar die Abwägung von Befehlen. § 11 Abs. 2 Soldatengesetz: "Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Untergebene den Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird."
http://www.gesetze-im-internet.de/sg/__11.html

Jeder Bundeswehrsoldat ist also verpflichtet, rechtswidrigen Befehlen den Gehorsam zu verweigern, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Dazu muss er gedanklich prüfen, ob dieser Fall vorliegen könnte. Ja, auch ohne juristische Vorbildung.

Nach dem BVerfG-Urteil von 2005, der seinerzeitigen öffentlichen Diskussion dazu und den sicherlich in seiner Folge durchgeführten Schulungen der Kampfpiloten kann sich kein Pilot der Bundesluftwaffe darauf berufen, er habe nicht erkennen können, dass ein Abschlussbefehl rechtswidrig war.

LidlRacer
18.10.2016, 17:59
Wer es nicht gesehen hat oder nochmal Details prüfen will:
http://www.ardmediathek.de/tv/Terror-Ihr-Urteil/Terror-Ihr-Urteil/Das-Erste/Video?bcastId=38173372&documentId=38373746

Darunter auch die 2 möglichen Urteile.

LidlRacer
18.10.2016, 18:09
Ich frage mich gerade, warum in diesem Zusammenhang nur ein "außergesetzlicher Notstand" diskutiert wird.
Es gibt ja einen Notstandsparagraphen, der m.E. ziemlich treffend ist:
"§ 34 StGB
Rechtfertigender Notstand

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden."

Strittig ist hier doch "nur", ob "das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt". Alles andere ist klar erfüllt, und meiner Meinung nach auch dieser Punkt.

TriBlade
18.10.2016, 18:24
Strittig ist hier doch "nur", ob "das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt". Alles andere ist klar erfüllt, und meiner Meinung nach auch dieser Punkt.

Dies ist der Kern des Problems, die geschützten Interessen können die beeinträchtigten nicht überwiegen. Bei beiden geht es um die Würde des Menschen, die eine Würde kann nicht die andere überwiegen. Man kann hier nicht aufzählen.

Daher keine Rechtfertigung. Die Frage ist ob es dem Piloten zumutbar war sich an Recht und Gesetz zu halten. Dazu §35 StGB entschuldigender Notstand. Tatbestandsmäßig und Rechtswidrig war die Tat aber auch schuldhaft?

LidlRacer
18.10.2016, 19:27
Zur Frage der möglichen (oder auch nicht) Stadionräumung:

Ich weiß nicht, ob ich was überhört habe, aber mir scheint, es gab in diesem TV-Fall keine Kommunikation mit dem Piloten oder Entführer bzgl. des Ziels. Es wurde also allein aus der Flugbewegung auf das Ziel geschlossen. Es hieß, das Stadion könne innerhalb einer Viertelstunde evakuiert werden. Wenn wir mal vorsichtig eine Fluggeschwindigkeit von 500 km/h annehmen (die Germanwings z.B. war schneller), ist der Flieger eine Viertelstunde vor dem Aufprall 125 km entfernt. Da ist es völlig unmöglich, das Ziel auch nur annähernd vorherzusehen, zumal der Kurs jederzeit geändert werden kann.

Und wenn das Ziel unklar ist, kann man natürlich auch nicht abschießen.

Nebenbei:
Erinnere ich mich richtig, dass der Entführer den Piloten zwingen wollte, ins Stadion zu fliegen? Das scheint mir auch schwer vorstellbar. Wenn der Entführer nicht selbst fliegen kann, dürfte der Pilot eine Möglichkeit finden, die Maschine anderswo runterzubringen, wo es weniger Opfer gibt.

merz
18.10.2016, 21:00
dann weicht die TV-Fassung, die ich nicht gesehen habe (trotz Martina Gedeck), von der Textfassung des Stücks, das ja landauf - landab gespielt wurde (ich hatte das Vergnügen) in wesentlichen Punkte ab - was die Befehlslage angeht und den Informationsstand des Piloten


die Meinung v. Schirachs selbst, k.A. ob das hier schon verlinkt wurde, ist übrigens eindeutig

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-112638562.html

(copy & paste in den Text der Staatsanwältin in "Terror" :))

m.
P.S.: Auchanochmal übrigens sind die beiden ersten Büchern von Schirachs m.E. richtig "must reads", über den Rest mag man so oder so urteilen

Stairway
18.10.2016, 21:18
Würde mich interessieren: sollte der Pilot die Maschine nicht abschießen( was dann rechtens wäre) , wird er dann wegen Unterlassen der Hilfe zu 70.000 fachen Mord angeklagt??? Dann hat er praktisch in jedem Fall die A....Karte gezogen.Und was hätte die Nebenklägerin dann gesagt, wenn ihr Mann im Stadion gesessen hätte? Ganz ehrlich, da stimmt doch keine Rechtsprechung mehr.

Verstehe nicht wie man hier auf Schuldig plädieren kann.

merz
18.10.2016, 21:27
Verstehe nicht wie man hier auf Schuldig plädieren kann.

wenn man den ganzen Kant mal weglässt, wozu ich momentan tendieren würde, hängt das an Nuance des (Stück-)Textes.
Meiner Lesart (aus der Erinnerung) nach hat der Pilot keinen Befehl zum Abschuss und auch keine Freigabe zu tun, was er in der Situation für richtig hält und daneben keine Ahnung, was sich am Boden tut....

wenn man so ziemlich alles weglässt, ist es das Trolley-Problem
(https://de.wikipedia.org/wiki/Trolley-Problem) ein Klassiker der Ethik, experimentellen (Neuro-)Philosophie und Psychologie. Wie alles klassische in der Philosophie, hat das mal wieder keine Lösung, ein Lösungsansatz hier:

https://youtu.be/-N_RZJUAQY4

(SCNR)

m.

Stairway
18.10.2016, 21:30
wenn man den ganzen Kant mal weglässt, wozu ich momentan tendieren würde, hängt das an NUance des (Stcük_)Textes. Meiner Lesart nach hat er keinen Befehl zum Abschuss aber auch keine Freigabe zu tun, was er für richtig hält und daneben keine Ahnung, was sich am Boden tut

wenn man so ziemlich alles weglässt, ist es das Trolley-Problem

m.

ich habe es nicht gesehen , schaue kaum noch TV .
Aber er hatte doch auch keinen ausdrücklichen Befehl nicht zu schießen? Oder liege ich da falsch?

merz
18.10.2016, 21:42
wir haben es dann beide nicht im TV nicht gesehen, meiner Erinnerung an das Stück oder den Text nach, fragt der Pilot nach der Freigabe zum Abschuss, die er nicht bekommt.
(aber, und da wird die Erinnerung bei mir leider etwas dunkel), indem man ihm nicht antwortet

m.

P.S:: Edit: einmal kurz rumgefragt - die Sachlage im Stück scheint so, daß es klar den Befehl an den Piloten gibt, nicht abzuschiessen. Das ist jetzt wirklich ein bisschen "ungeschickt", dass es hier um Unterschiede in der Textfassung gehen könnte.

Stairway
18.10.2016, 21:54
wir haben es dann beide nicht im TV nicht gesehen, meiner Erinnerung an das Stück oder den Text nach, fragt der Pilot nach der Freigabe zum Abschuss, die er nicht bekommt.
(aber, und da wird die Erinnerung bei mir leider etwas dunkel), indem man ihm nicht antwortet

m.

Ok ; danke.
Das deckt sich aber mit einem Bekannten , ist Patient bei meiner Frau schon sehr lange.
Zufällig ist der auch Jetpilot, war in Afghanistan. Er erzählt oft das die Sog. Führung keine " Eier" hat und sie oft allein gelassen werden mit ihren Entscheidungen.
Ist denn doch nicht so weit her geholt der Film gestern Abend
Wohl nach dem Motto " keiner will die Verantwortung übernehmen, der Pilot macht das schon"
Mir fehlt hier immer die "Rückendeckung" unseres Staates für unsere Soldaten und vor allem Polizisten. Was die Männer so durchmachen , vor allem in Großstädten - man ,man man.
Das sind auch nur Menschen und machen mal einen Fehler. Sich aber rechtfertigen wenn sie einen Schwerverbrecher erschießen ( sieh Axtmörder) ist zu ko..

RolandG
18.10.2016, 22:06
Würde mich interessieren: sollte der Pilot die Maschine nicht abschießen( was dann rechtens wäre) , wird er dann wegen Unterlassen der Hilfe zu 70.000 fachen Mord angeklagt??? Dann hat er praktisch in jedem Fall die A....Karte gezogen.Und was hätte die Nebenklägerin dann gesagt, wenn ihr Mann im Stadion gesessen hätte? Ganz ehrlich, da stimmt doch keine Rechtsprechung mehr.

Verstehe nicht wie man hier auf Schuldig plädieren kann.


Wird er natürlich nicht. Das ist kein Fall der unterlassenen Hilfeleistung.

Sowas ist der Grund, warum Urteile in Deutschland nicht per TED, sondern von Berufsrichtern gefällt werden. Dann stimmt auch die Rechtsprechung.

RolandG
18.10.2016, 22:09
Sich aber rechtfertigen wenn sie einen Schwerverbrecher erschießen ( sieh Axtmörder) ist zu ko..

Sich nach Schusswaffeneinsatz mit Todesfolge rechtfertigen zu müssen, ist ja wohl das Selbstverständlichste. So funktioniert das in einem Rechtsstaat.

Stairway
18.10.2016, 22:14
Sich nach Schusswaffeneinsatz mit Todesfolge rechtfertigen zu müssen, ist ja wohl das Selbstverständlichste. So funktioniert das in einem Rechtsstaat.

das sie was schreiben müssen , weiß ich auch und das die Sache untersucht wird.
Aber das sich Politiker dann hinstellen und dann sagen , "das hätte man doch auch anders lösen können"
Nein hätte man nicht , in dem Fall jedenfalls.

merz
18.10.2016, 22:46
Nein hätte man nicht , in dem Fall jedenfalls.

wenn das die ordentliche Untersuchung ergibt, ich weiss nicht, was der Sachstand ist, nehme aber sehr stark an, daß Du richtig liegst.

Ich glaube mit dieser Wendung sind wir dann bei einem anderen (realen) Fall inklusive einem Politiker-tweet. - die wären gut beraten (außer einem, der damit vielleicht seine Niederlage herbeischreibt :)), diese Twitter-Nutzung mal drastisch für sich einzuschränken.

Aber eigentlich wollte ich nur kurz dokumentiere, dass ich das "Edit" in meinem Post nach Deinem Zitat eingefügt habe -
Thematisch aber interessant wie gesagt: ungeschickt, daß sich zwischen Stücktext, Inszenierungen, Film und TV die Fakten verschieben.

m.

MatthiasM
19.10.2016, 01:11
Ich war weder im Theaterstück noch habe ich mir den Film gegönnt.
ABER: Ich hab mich mit dem Problem schon lange befaßt. In dem Zusammenhang interessant zu lesen:
Depenheuer, Otto. Selbstbehauptung des Rechtsstaates. 2. Aufl.
Schönburger Gespräche zu Recht und Staat 8. Paderborn: Schöningh, 2007.
(Inhalt (http://www.gbv.de/dms/ilmenau/toc/548255776.PDF))


Vorausgeschickt: Nach abgeschlossenem Elektrotechnikstudium und der Auskunft, mit dieser Vorbildung im Wehrdienst z.B. Karriere als Richtschütze Raketenartillerie machen zu können (Hurra, der Mann am Knöpfchen, ggf. deutsche Lance (https://de.wikipedia.org/wiki/MGM-52_Lance) mit taktischen US-Nuklearsprengköpfen, großartig:-(( ) war ich KDV (verweigert noch im Studium, 1991, als der Golfkrieg von Bush Senior losging) den Ersatzdienst nach dem Diplom geleistet. Dann gab es eine Phase, wo ich mir rückwirkend überlegt hätte, vielleicht doch Bundeswehr genommen zu haben (die ersten humanitären und ggf. Blauhelm-Einsätze noch vor der 2004 verkündeten Struck'schen am Hindukusch verteidigten deutschen Sicherheit). Spätestens mit der aktuellen Doktrin (siehe Weißbuch 2016 (https://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pNyydL3y1Mzi4q TS5Ay9lPzyvJz8xJRi_YJsR0UAIHdqGQ!!/)) wäre ich in der gleichen Situation wahrscheinlich wieder KDV mit wortwörtlich derselben Begründung wie damals, eventuell aber inzwischen sogar Totalverweigerer mit allen Konsequenzen. Eine ganz alte KDV mit Prüfungsausschuß hätte ich möglicherweise versemmelt, weil ich im konkreten Fangfragenbeispiel (Freundin mit Dir allein im Wald und böser Mann und Du Knüppel und so..) selbstverständlich dem Angreifer den Schädel einschlagen würde. Für mich widerspruchsfrei zur KDV.
Der entscheidende Unterschied ist ja, im Wald hab ich nicht "Befehl ist Befehl".

OK, zum Thema:

WENN ich denn trotzdem in der konkreten Situation des Piloten Koch wäre? Ich weiß es nicht. Ich würde für mich nicht ausschließen, dann in letzter Sekunde, nein, nicht zu schießen, sondern mich vor der lebenslangen Schuld, etwas getan oder unterlassen zu haben, was falsch oder falscher ist, zu drücken und das Passagierflugzeug mit meinem Jet zu rammen, ohne jeden Gedanken, den Scheudersitz zu ziehen.

Schuldfrage für Major Koch? Verweigere die Beantwortung. Ratlose Enthaltung. So wie Major Koch nur das falsche oder das noch falschere machen konnte, sind beide Urteile falsch oder noch falscher.

lG Matthias, verzweifelter oder verzweifelnder Anarchopazifist (https://de.wikipedia.org/wiki/Anarchopazifismus).

Mo77
19.10.2016, 09:49
das sie was schreiben müssen , weiß ich auch und das die Sache untersucht wird.
Aber das sich Politiker dann hinstellen und dann sagen , "das hätte man doch auch anders lösen können"
Nein hätte man nicht , in dem Fall jedenfalls.

Wer und Wann?
Da bin ich mal gespannt.

Stairway
19.10.2016, 10:13
Wer und Wann?
Da bin ich mal gespannt.

das weist du genau , die Aussage von Frau Kühnast zum Axt Mörder. Gibt noch mehr Beispiele.

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/renate-kuenast-tweet-ueber-wuerzburg-taeter-empoert-das-netz-14347242.ht

mum
19.10.2016, 10:22
Würde mich interessieren: sollte der Pilot die Maschine nicht abschießen( was dann rechtens wäre) , wird er dann wegen Unterlassen der Hilfe zu 70.000 fachen Mord angeklagt??? Dann hat er praktisch in jedem Fall die A....Karte gezogen.Und was hätte die Nebenklägerin dann gesagt, wenn ihr Mann im Stadion gesessen hätte? Ganz ehrlich, da stimmt doch keine Rechtsprechung mehr.

Verstehe nicht wie man hier auf Schuldig plädieren kann.

weil der pilot nur auf befehl handeln darf. den abschussbefehl hatte er nicht.

die "schuldigen" sind in diesem sinne die politiker.

toent doof - ist aber so.

Stairway
19.10.2016, 10:26
weil der pilot nur auf befehl handeln darf. den abschussbefehl hatte er nicht.

die "schuldigen" sind in diesem sinne die politiker.

toent doof - ist aber so.

Hatte ich weiter oben aber schon geschrieben das er auch keinen Befehl nicht zu schießen.
Mit der Schuldfrage sind wir uns ja dann einig, glaube ich.

Mo77
19.10.2016, 11:38
das weist du genau , die Aussage von Frau Kühnast zum Axt Mörder. Gibt noch mehr Beispiele.

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/renate-kuenast-tweet-ueber-wuerzburg-taeter-empoert-das-netz-14347242.ht

Du verdreht das ganze allerdings etwas.
Sie wirft eine Frage auf. (Meiner Meinung nach unangebracht und ungeschickt es zu tun bevor man sich informiert hat)
Du stellst es aber hin als ob sie behauptet hätte es wäre zwangsläufig auch anders gegangen.

Ist aber auch vollkommen oftoppic.
:Blumen:

Stairway
19.10.2016, 11:44
Ist aber auch vollkommen oftoppic.
:Blumen:

ja das stimmt! deswegen lassen wir das , ich sehe es aber trotzdem anders als du. Und nun gehe ich laufen , wenn ich schon mal frei habe:)

RolandG
19.10.2016, 11:47
Hatte ich weiter oben aber schon geschrieben das er auch keinen Befehl nicht zu schießen.

Das ist ja auch nicht erforderlich. Dürfen staatliche Waffenträger etwa frei umherschießen, weil sie keinen konkreten Befehl haben, ihre Waffen nicht einzusetzen? Ne, natürlich nicht.

Der Nichteinsatz ist die Regel. Davon abzuweichen ist die Ausnahme, die einer Anweisung bedarf.

Stairway
19.10.2016, 11:50
Der Nichteinsatz ist die Regel. Davon abzuweichen ist die Ausnahme, die einer Anweisung bedarf.

das ist nicht ganz richtig, ich brauche als Polizist keine Anweisung wenn es sich um Notwehr handelt.

Mo77
19.10.2016, 12:47
ja das stimmt! deswegen lassen wir das , ich sehe es aber trotzdem anders als du. Und nun gehe ich laufen , wenn ich schon mal frei habe:)

Ja viel Spaß beim Laufen.
:dresche

RolandG
19.10.2016, 13:20
das ist nicht ganz richtig, ich brauche als Polizist keine Anweisung wenn es sich um Notwehr handelt.

In gewisser Weise schon. Die wird aber allgemein durch die Polizeigesetze der Länder gegeben. Vgl. z.B. für Hessen die §§ 60 ff. HSOG: http://www.polizeirecht.de/HSOG.htm#Allgemeine_Vorschriften_fuer_den_Schusswa ffengebrauch Einer Einzelfallanweisung bedarf es dann aber nicht mehr, das stimmt.

Im Fall lag aber ohnehin keine Notwehrsituation vor, so dass es eigentlich nicht darum geht.

flaix
19.10.2016, 13:48
wir haben es dann beide nicht im TV nicht gesehen, meiner Erinnerung an das Stück oder den Text nach, fragt der Pilot nach der Freigabe zum Abschuss, die er nicht bekommt.
(aber, und da wird die Erinnerung bei mir leider etwas dunkel), indem man ihm nicht antwortet

m.

P.S:: Edit: einmal kurz rumgefragt - die Sachlage im Stück scheint so, daß es klar den Befehl an den Piloten gibt, nicht abzuschiessen. Das ist jetzt wirklich ein bisschen "ungeschickt", dass es hier um Unterschiede in der Textfassung gehen könnte.

hab gestern mal in die Mediathek reingeschaut. Die haben den 28 Minuten fliegen lassen und haben ohne weitere Kommunikation auf die Bildschirme gestarrt. Und dann hat er Eigeninitiative ergriffen.

Der Lidl hatte da gestern bei mir einen Punkt angestossen. Eine Anklage wegen Mordes ist nach der juristischen Definition von Mord völlig absurd.

LidlRacer
19.10.2016, 14:03
Der Lidl hatte da gestern bei mir einen Punkt angestossen. Eine Anklage wegen Mordes ist nach der juristischen Definition von Mord völlig absurd.

Soo absurd auch wieder nicht.

"Mörder ist, wer

aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,

heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder

um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

einen Menschen tötet."
https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html

Die drei Bedingungsgruppen sind mit "oder" verknüpft, es reicht also eine Bedingung.
Die wäre hier das gemeingefährliche Mittel.

Demnach ist es eigentlich Mord. Fraglich bleibt nur, ob der hier ausnahmsweise entschuldbar ist.

RolandG
19.10.2016, 15:40
Die wäre hier das gemeingefährliche Mittel.

Demnach ist es eigentlich Mord.

Nö, wäre es wohl eher nicht. Gemeingefährlich ist ein Mittel dann, wenn es der Täter im konkreten Fall nicht beherrschen kann und es eine Gefahr für eine unbestimmte Zahl von Menschen mit sich bringt.

Im Fall konnte der Pilot den Abschuss der Rakete beherrschen und die Anzahl der gefährdeten Menschen war auch klar. Spricht gegen die Gemeingefährlichkeit.

LidlRacer
19.10.2016, 16:15
Nö, wäre es wohl eher nicht. Gemeingefährlich ist ein Mittel dann, wenn es der Täter im konkreten Fall nicht beherrschen kann und es eine Gefahr für eine unbestimmte Zahl von Menschen mit sich bringt.

Im Fall konnte der Pilot den Abschuss der Rakete beherrschen und die Anzahl der gefährdeten Menschen war auch klar. Spricht gegen die Gemeingefährlichkeit.

Ich würde eher das Gegenteil behaupten:
Ganz offensichtlch werden hier Teile der Allgemeinheit - nämlich die Flugzeuginsassen und evtl. weitere Menschen am Boden - massivst gefährdet. Ob die Zahl berechenbar ist, dürfte irrelevant sein.

"Gemeingefährlich
Als gemeingefährlich werden im Rechtsjargon Handlungen und Situationen bezeichnet, die eine Gefahr nicht nur für einzelne bestimmte Personen, sondern für die Allgemeinheit darstellen.

Eine Handlung ist dann gemeingefährlich, wenn der Täter sie im Einzelfall nicht sicher zu beherrschen vermag und sie geeignet ist, Leib und Leben mehrerer Menschen zu gefährden.

Beispiele sind

der Einsatz von Sprengstoff
..."
https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeingef%C3%A4hrlich

Der "Täter" im Kampfjet kann die Situation offensichtlich nicht derart beherrschen, dass er nur den Entführer unschädlich macht und keinen anderen gefährdet.

Aber ich bin kein Jurist.
Du?

captain hook
19.10.2016, 16:23
Nö, wäre es wohl eher nicht. Gemeingefährlich ist ein Mittel dann, wenn es der Täter im konkreten Fall nicht beherrschen kann und es eine Gefahr für eine unbestimmte Zahl von Menschen mit sich bringt.

Im Fall konnte der Pilot den Abschuss der Rakete beherrschen und die Anzahl der gefährdeten Menschen war auch klar. Spricht gegen die Gemeingefährlichkeit.

Abschuss eines betankten Flugzeugs über bewohntem Gebiet ist eine kontrollierte Handlung mit absehbaren Folgen? Dazu fehlt mir die Phantasie.

flaix
19.10.2016, 16:37
Soo absurd auch wieder nicht.

"Mörder ist, wer

aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,

heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder

um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

einen Menschen tötet."
https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html

Die drei Bedingungsgruppen sind mit "oder" verknüpft, es reicht also eine Bedingung.
Die wäre hier das gemeingefährliche Mittel.

Demnach ist es eigentlich Mord. Fraglich bleibt nur, ob der hier ausnahmsweise entschuldbar ist.

kann mM nach auf einen Soldaten nicht angewendet werden.
weil...hätten Sie ihn dann auch auf unterlassene Hilfelesitung mit Todesfolge in 70.000 Fällen verklagt ?

RolandG
19.10.2016, 17:03
Ich würde eher das Gegenteil behaupten:
Ganz offensichtlch werden hier Teile der Allgemeinheit - nämlich die Flugzeuginsassen und evtl. weitere Menschen am Boden - massivst gefährdet. Ob die Zahl berechenbar ist, dürfte irrelevant sein.

"Gemeingefährlich
Als gemeingefährlich werden im Rechtsjargon Handlungen und Situationen bezeichnet, die eine Gefahr nicht nur für einzelne bestimmte Personen, sondern für die Allgemeinheit darstellen.

Eine Handlung ist dann gemeingefährlich, wenn der Täter sie im Einzelfall nicht sicher zu beherrschen vermag und sie geeignet ist, Leib und Leben mehrerer Menschen zu gefährden.

Beispiele sind

der Einsatz von Sprengstoff
..."
https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeingef%C3%A4hrlich

Der "Täter" im Kampfjet kann die Situation offensichtlich nicht derart beherrschen, dass er nur den Entführer unschädlich macht und keinen anderen gefährdet.

Aber ich bin kein Jurist.
Du?

Abschuss eines betankten Flugzeugs über bewohntem Gebiet ist eine kontrollierte Handlung mit absehbaren Folgen? Dazu fehlt mir die Phantasie.

kann mM nach auf einen Soldaten nicht angewendet werden.
weil...hätten Sie ihn dann auch auf unterlassene Hilfelesitung mit Todesfolge in 70.000 Fällen verklagt ?



Ich zitiere mal den BGH-Richter Fischer:
Zweitens ist eine Lenkrakete in 30.000 Fuß Höhe vielleicht kein "gemeingefährliches Mittel", sondern einfach das Mittel der Wahl, um dieses Flugzeug abzuschießen. Mit dem Mordmerkmal ist es also nicht so weit her.
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terror-ferdinand-von-schirach-fischer-im-recht/komplettansicht

Der "Täter" im Kampfjet kann die Situation offensichtlich nicht derart beherrschen, dass er nur den Entführer unschädlich macht und keinen anderen gefährdet.

Die Anführungszeichen brauchst Du nicht. Der Pilot ist Täter. Es geht doch bei diesem Mordmerkmal nicht darum, dass nur der Entführer gefährdet wird und nicht die anderen Passagiere. Sondern um eine Unberechenbarkeit. Wenn jemand irgendwo eine Bombe hochgehen lässt, wird idR nicht vorhersagbar sein, wie viele dadurch gefährdet sind. Wenn ein Flugzeug abgeschossen wird, weiß man, wie viele dadurch gefährdet werden. Die (All)Gemeinheit ist eben idR nicht gefährdet.

Aber ich bin kein Jurist.
Du?

Ja. Seit 20 Jahren Anwalt.

kann mM nach auf einen Soldaten nicht angewendet werden.
weil...hätten Sie ihn dann auch auf unterlassene Hilfelesitung mit Todesfolge in 70.000 Fällen verklagt ?

Natürlich nicht. Das ist schon weiter oben gefragt worden. Hier liegt kein Fall einer unterlassenen Hilfeleistung vor. Es geht weder um einen Unglücksfall noch um (all)gemeine Gefahr oder Not. Zudem fehlt es an der Zumutbarkeit der Hilfeleistung, da sie nur durch die rechtswidrige Tötung der Flugzeuginsassen hätte erbracht werden können.

zappa
19.10.2016, 17:03
Die Diskussion kann ziemlich abgekürzt werden, wenn wir dem Kollegen Fischer aus "Der Zeit" folgen:

Der Pilot handelt in jedem Fall "rechtswidrig", gegen ein Verfassungsgerichtsurteil mit Gesetzesrang.

Die Frage der "Schuld" ist davon zu trennen, damit hat sich das Verfassungsgericht seinerzeit gar nicht befasst. Fischer: "Pilot Koch könnte also, wenn die Voraussetzungen vorliegen, ohne weiteres freigesprochen werden."

Voraussetzungen sind: "Schuldlosigkeit des einzelnen trotz Rechtswidrigkeit seiner Tat, auf der Grundlage einer umfassenden Bewertung seiner individuellen (!), persönlichen (!) Lage und der Zumutbarkeit (!) rechtmäßigen Verhaltens."

flaix
19.10.2016, 17:14
Die Diskussion kann ziemlich abgekürzt werden, wenn wir dem Kollegen Fischer aus "Der Zeit" folgen:

Der Pilot handelt in jedem Fall "rechtswidrig", gegen ein Verfassungsgerichtsurteil mit Gesetzesrang.

Die Frage der "Schuld" ist davon zu trennen, damit hat sich das Verfassungsgericht seinerzeit gar nicht befasst. Fischer: "Pilot Koch könnte also, wenn die Voraussetzungen vorliegen, ohne weiteres freigesprochen werden."

Voraussetzungen sind: "Schuldlosigkeit des einzelnen trotz Rechtswidrigkeit seiner Tat, auf der Grundlage einer umfassenden Bewertung seiner individuellen (!), persönlichen (!) Lage und der Zumutbarkeit (!) rechtmäßigen Verhaltens."

hahahahaha, das nennst Du abkürzen?

flaix
19.10.2016, 17:17
.....

bitte mach es mal kurz für uns.
Schuldig? oder nein?

RolandG
19.10.2016, 17:19
Diese Art der 140-Zeichen-Hau-ruck-Entscheidungen, wie Du sie anscheinend bevorzugst, gibt es nicht. Die Frage der Schuldhaftigkeit rechtswidrigen Handelns ist komplex.

zappa
19.10.2016, 17:31
hahahahaha, das nennst Du abkürzen?

Ja, weil es so ist und wir 2 Sachverhalte trennen müssen.

Rechtswidrige Handlung: Ja.

Schuld: Kommt drauf an. Dazu müsste die individuelle persönliche Lage ausführlich erörtert werden, was der Film nicht ausreichend gemacht hat. Ebenso die Rahmenbedingungen im Detail. So wie der Film es sehr grob dargestellt hat, sehr wahrscheinlich "nicht schuldig".

Lies den Fischer Artikel, der ist lang, aber sehr gut und bislang weitgehend unwidersprochen.

flaix
19.10.2016, 18:42
Diese Art der 140-Zeichen-Hau-ruck-Entscheidungen, wie Du sie anscheinend bevorzugst, gibt es nicht. Die Frage der Schuldhaftigkeit rechtswidrigen Handelns ist komplex.

nenee, können schon auch 160 Zeichen sein.
Was ich gerne wissen wollte: ist er aus Sicht eines Juristen eher ein Mörder oder nein?
Wir reden ja hier alle hauptsächlich nur Quark.
Wollte nur wissen wofür Du dich entscheiden würdest auf Basis der vorliegenden Informationen
Mir leuchtet das Mörder-Konstrukt nicht ein.

RolandG
19.10.2016, 20:05
Mordmerkmale sehe ich nicht verwirklicht.

Totschlagstatbestand wurde sicherlich rechtswidrig verwirklicht. Der Kernfrage bleibt die Schuldhaftigkeit. Das ist immer das Schwerste in solchen Fällen.

captain hook
19.10.2016, 20:29
Ich zitiere mal den BGH-Richter Fischer:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terror-ferdinand-von-schirach-fischer-im-recht/komplettansicht



.

Ich wollte nix behauptet haben. Ich habe ledigich in Frage gestellt, ob man bei einem Flugzeugabschuss über dicht besiedeltem Gebiet von einer kontrollierbaren Aktion ausgehen kann.

Ich find eine Projektion auf den Piloten eh eine Sauerei. Den da oben mit unklaren Anweisungen oder halben oder keinen "verhungern" zu lassen geht in meinen Augen garnicht. Zumal wenn man vorher am Boden Fakten schuf, zB dadurch, dass man das Stadion nicht räumte oder wissentlich die Situation nicht eindeutig so klärt, dass nicht in einer Stresssituation irgendwas übers Knie gebrochen werden muss. Schon deshalb kann man dem in meinen Augen eh keinen Vorwurf machen.

tomerswayler
19.10.2016, 20:46
Ich wollte nix behauptet haben. Ich habe ledigich in Frage gestellt, ob man bei einem Flugzeugabschuss über dicht besiedeltem Gebiet von einer kontrollierbaren Aktion ausgehen kann.

Hast du nicht aufgepasst, als es um Wurfparabeln in der Schule ging? ;)
Nördlich von München gibts relativ viele landwirtschaftliche Flächen...

captain hook
19.10.2016, 21:39
Hast du nicht aufgepasst, als es um Wurfparabeln in der Schule ging? ;)
Nördlich von München gibts relativ viele landwirtschaftliche Flächen...

Dann hoffe ich, dass man sich mit der Gewerkschaft der Terroristen darauf einigt, dass sowas nur in München stattfinden darf.

Raimund
19.10.2016, 23:27
Ich zitiere mal den BGH-Richter Fischer:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terror-ferdinand-von-schirach-fischer-im-recht/komplettansicht

(...)

Dieser Artikel sagt im Grunde alles, was es zu dem Film zu sagen gibt. Trotzdem finde ich es gut, dass der gemeine Fernsehzuschauer mal ein bisschen seinen Grips anstrengen musste und sich nicht vom Tatort berieseln ließ...

Aus philosophischer Sicht sind beim Trolley-Problem für mich beide Handlungen nicht zu verurteilen. Trotzdem würde ICH immer von meinem Gefühl abhängig machen, welche "Lösung" ich wähle. Eins ist klar: Schlecht ist mir nach beiden Handlungen...:(

alpenfex
20.10.2016, 09:37
Dieser Artikel sagt im Grunde alles, was es zu dem Film zu sagen gibt. Trotzdem finde ich es gut, dass der gemeine Fernsehzuschauer mal ein bisschen seinen Grips anstrengen musste und sich nicht vom Tatort berieseln ließ...

Aus philosophischer Sicht sind beim Trolley-Problem für mich beide Handlungen nicht zu verurteilen. Trotzdem würde ICH immer von meinem Gefühl abhängig machen, welche "Lösung" ich wähle. Eins ist klar: Schlecht ist mir nach beiden Handlungen...:(

DANKE für den Link. Wahrlich lesenswert! :Blumen:

flaix
20.10.2016, 10:10
Mordmerkmale sehe ich nicht verwirklicht.

Totschlagstatbestand wurde sicherlich rechtswidrig verwirklicht. Der Kernfrage bleibt die Schuldhaftigkeit. Das ist immer das Schwerste in solchen Fällen.

wenn ich das richtig verstehe kann der Richter aber nur über schuldig/nichtschuldig nach der Anklage entscheiden?

Also wenn Anklage auf Mord und Mordmerkmale zwiefelhaft dann Freispruch? Und nicht automatisch Wandlung auf zB Totschlag?

RolandG
20.10.2016, 11:22
DANKE für den Link. Wahrlich lesenswert! :Blumen:

Oy, der war von mir. :Blumen:

wenn ich das richtig verstehe kann der Richter aber nur über schuldig/nichtschuldig nach der Anklage entscheiden?

Also wenn Anklage auf Mord und Mordmerkmale zwiefelhaft dann Freispruch? Und nicht automatisch Wandlung auf zB Totschlag?

Daher wird ein Staatsanwalt, wenn er sieht, dass eine Verurteilung wegen Mordes mangels Tatbestandsverwirklichung oder Nachweisbarkeit nicht erfolgen wird, in der Hauptverhandlung auch seinen Antrag auf Verurteilung wegen Totschlags ändern.

Bei einer Verböserung der Anklage wird der Angeklagte durch § 265 StPO vor "Überrumpelung" geschützt.

Das stumpfe Festhalten am Ursprungsantrag mit abschließender Hopp-oder-Top-Entscheidung gibt es nur in der Fiktion aus dramaturgischen Gründen.

Übrigens: Das Gericht entscheidet, nicht "der Richter". Bei Mord eine Große Strafkammer des LG als Schwurgericht (§§ 74 Abs. 2 Nr. 4, 76 GVG)