Die Moral kommt womöglich nicht vom Himmel, aber von Idealisten.
Das kann im Einzelfall richtig sein. Es ist dann trotzdem erforderlich, dass die von Idealisten ausgedachte Moral sich ausbreitet und stabil ist. Sonst verschwindet sie wieder. Der Kommunismus und der Pazifismus beispielsweise sind annähernd idealistische Haltungen. Sie erwiesen sich als nicht stabil.
Pazifistische Gesellschaften, falls es je welche gab, werden von bewaffneten Nachbarn erobert. Wir Deutsche gehen ein enges Bündnis mit einer der kriegerischsten Nationen überhaupt ein. Die neutrale Schweiz ist bis an die Zähne bewaffnet.
Dem Kommunismus gelang eine erhebliche Ausbreitung, wurde jedoch von kapitalistischen Strömungen unterwandert, die wirtschaftlich viel erfolgreicher waren. Zudem ist Gemeinnutz als Handlungsmotiv weniger stabil als Eigennutz. Denn eine gemeinnützig handelnde Gesellschaft kann von Egoisten leicht unterwandert werden.
Diese Mechanismen sind komplex. Deshalb halte ich es für sehr unwahrscheinlich, die jeweilige Moral einer Gesellschaft ginge auf einen einzelnen Impuls zurück, etwa auf Moses oder Jesus von Nazareth. So etwas muss sich entwickeln.
Zu dieser Sichtweise passt, dass sich überall auf der Welt sehr ähnliche Moralbegriffe herausgebildet haben.
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Ich halte diese Betrachtungen deshalb für wichtig, weil sie dem Argument begegnen, ohne Religion gäbe es keine Moral. Wir überschätzen und überfordern die Religionen damit. Eine Religion aus der Antike ist nicht in der Lage, den heutigen freiheitlichen Kulturen eine Moral zu geben, die stabil wäre. Darum halten sich heute auch gläubige Menschen nicht an die Moralbegriffe der Religionen, es sei denn, unter Zwang.
Wer kümmert sich heute um die Sexualmoral des Alten Testaments, oder von Augustinus (400 n.Chr) oder von Luther? Wer teilt die Ablehnung des Geldverleihens (Jesus), auf dem unser gesamtes Wirtschaftssystem beruht? Welcher gebildete heutige Mensch hätte nicht kapiert, dass die Aufforderung, uns die Welt untertan zu machen, eine groteske Verkennung der realen Verhältnisse darstellt?
Ich bezog doch meine Folgerung, dass die bessere Ausbeutungsökonomie gewinnt, auf Dein Beispiel, dass sich diejenige Sklavenarbeit bei den Pharaonen am besten ausbreitet, wo sie soviel zu Essen erhalten, dass sie noch bauen können.
Bei den Pharaonen gabs keine Sklaven. Die Bauwerke haben Bauern gebaut in den Zeiten in denen sie nicht auf dem Feld gebraucht wurde. Gegen Bezahlung.
Das kann im Einzelfall richtig sein. Es ist dann trotzdem erforderlich, dass die von Idealisten ausgedachte Moral sich ausbreitet und stabil ist. Sonst verschwindet sie wieder. Der Kommunismus und der Pazifismus beispielsweise sind annähernd idealistische Haltungen. Sie erwiesen sich als nicht stabil.
Pazifistische Gesellschaften, falls es je welche gab, werden von bewaffneten Nachbarn erobert. Wir Deutsche gehen ein enges Bündnis mit einer der kriegerischsten Nationen überhaupt ein. Die neutrale Schweiz ist bis an die Zähne bewaffnet.
Dem Kommunismus gelang eine erhebliche Ausbreitung, wurde jedoch von kapitalistischen Strömungen unterwandert, die wirtschaftlich viel erfolgreicher waren. Zudem ist Gemeinnutz als Handlungsmotiv weniger stabil als Eigennutz. Denn eine gemeinnützig handelnde Gesellschaft kann von Egoisten leicht unterwandert werden.
Diese Mechanismen sind komplex. Deshalb halte ich es für sehr unwahrscheinlich, die jeweilige Moral einer Gesellschaft ginge auf einen einzelnen Impuls zurück, etwa auf Moses oder Jesus von Nazareth. So etwas muss sich entwickeln.
Zu dieser Sichtweise passt, dass sich überall auf der Welt sehr ähnliche Moralbegriffe herausgebildet haben.
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Ich halte diese Betrachtungen deshalb für wichtig, weil sie dem Argument begegnen, ohne Religion gäbe es keine Moral. Wir überschätzen und überfordern die Religionen damit. Eine Religion aus der Antike ist nicht in der Lage, den heutigen freiheitlichen Kulturen eine Moral zu geben, die stabil wäre. Darum halten sich heute auch gläubige Menschen nicht an die Moralbegriffe der Religionen, es sei denn, unter Zwang.
Wer kümmert sich heute um die Sexualmoral des Alten Testaments, oder von Augustinus (400 n.Chr) oder von Luther? Wer teilt die Ablehnung des Geldverleihens (Jesus), auf dem unser gesamtes Wirtschaftssystem beruht? Welcher gebildete heutige Mensch hätte nicht kapiert, dass die Aufforderung, uns die Welt untertan zu machen, eine groteske Verkennung der realen Verhältnisse darstellt?
Warum gibt es weltweit nur 5 Steueroasen und Spielerparadise die nicht verschuldet sind?
Was ich so spannend an Arnes These finde ist, dass sie eine Erklärung für die Inhalte der Moral liefert. Warum haben wir diese Inhalte und keine anderen? Welche Inhalte hätten überhaupt die Chance, sich durchzusetzen? Wie lässt sich das ohne Abrakadabra erklären?
Wie frei sind wir, eine Moral festzulegen? Denn wenn ich Arne richtig verstehe, ergibt es sich evolutionär durch stetes Variieren, bis eine stabile Kombination von Werten gefunden wurde. Was bleibt, bleibt deswegen, weil es stabil ist, und nicht, weil die Werte so vorzüglich wären. Es ist dennoch beweglich, falls die Umstände sich ändern sollten oder eine bessere/stabilere Variation gefunden würde.
Es erklärt auch, warum die Kirchen der Moral stets hinterherlaufen anstatt sie anzuführen. Für mich ist nämlich nicht sichtbar, dass die Kirchen einen nennenswerten Einfluss auf die Moral haben. Stattdessen haben sie sich mit meist erheblicher Verzögerung an den vorherrschenden Konsens/Mainstream angepasst. Arnes These würde erklären, warum das zwangsläufig so ist: Niemand postuliert eine neue Moral, sondern sie bildet sich langsam heraus, wobei stabile Bestandteile bestehen bleiben und fragile Bestandteile wegfallen, wobei die Stabilität selbst das entscheidende Kriterium ist.
Das würde bedeuten, dass die (angeblichen) Lehren von Jesus oder von irgendeinem Papst keine große Rolle spielen — sie haben in dieser Mechanik die gleichen Chancen wie alle andere Lehren oder Einsichten, und vermutlich sind sie selbst ebenfalls nur das Ergebnis einer sich verändernden „Volksweisheit“ (und keineswegs vom Himmel gefallen).
Das Schweinebeispiel ist für mich vor allem deshalb interessant, weil es ein Beispiel für eine stabile Strategie darstellt. Ich will kurz erläutern, was in diesem Zusammenhang "stabil" oder "nicht stabil" bedeutet.
Eine Strategie ist dann stabil, wenn sie nicht durch eine andere Strategie unterwandert werden kann. Stabile Strategien sind aber nicht immer die besten Strategien im Sinne des Einzel- oder Gemeinwohls.
[indent]1. Beispiel: Durch Kriege und Gewalt geschieht viel Unglück. Darum lautet die Strategie des Pazifismus, auf Waffen und Gewalt kategorisch zu verzichten. Konflikte sind gewaltfrei zu lösen. Wenn sich alle daran halten, wird dadurch eine bessere Welt geschaffen.
Diese Strategie ist nicht stabil, da sie leicht unterwandert werden kann. Wenn niemand mehr bewaffnet ist, genügt eine einzige Armee, um alle zu unterwerfen. .....
In den USA, wo der freie Schusswaffenbesitz erlaubt ist, passieren pro Tag deutlich mehr Morde pro Einwohner als in Ländern, wo das verboten ist und der Staat für die Einhaltung des Verbotes sorgt. Solange der Staat sein Gewaltmonopol bei uns durchsetzt, bekommen wir keine amerikanischen Verhältnisse. In den USA sorgt hauptsächlich die Waffenlobby dafür, dass sich die Leute bewaffnen, und weltweit sorgt der Profit der Rüstungskonzerne für Kriege.
Wir stellen also zwei ESS fest, eines in DE, eines in den USA, und ein Übergang der USA zu DE-analogen Waffengesetzen ist nicht 100 % auszuschliessen oder umgekehrt. Die Pazifisten und Abrüstungsgegner engagieren sich analog zum staatlichen Gewaltmonopol für eine wirksame Kontrolle der Abrüstung und wirksame Einhaltung des Völkerrechtes, und das kann wiederum eine stabile Strategie darstellen (wie in DE das Verbot des privaten Waffenbesitzes), existiert eine weltweite, wirksame Abrüstungskontrolle mit Sanktionen. Ein Übergang dazu kann man nicht ausschliessen.
So wie oben formuliert, dient die ESS-Theorie einfach zur ideologischen Legitimierung eines Status Quo, vergleichbar einem modernen Bibelgleichnis.
Ps:
By the way:
Die Militärausgaben der CH im Verhältnis zum BIP sind übrigens fast um die Hälfte kleiner wie in DE.
So wie oben formuliert, dient die ESS-Theorie einfach zur ideologischen Legitimierung eines Status Quo.
Bis zum obigen Zitat habe ich Dir ungefähr zugestimmt. Jedoch: Die von mir dargestellte Sichtweise auf die Herkunft von Wertesystemen legitimiert nichts. Sie beschreibt lediglich einen Mechanismus.
Ebenso beschreibt die Theorie zur biologischen Evolution einen Mechanismus. Sie legitimiert dadurch nicht die Existenz der Affen, sondern erklärt einfach, warum sie da sind.
Die Einbettung in eine Ideologie kann geschehen. Ein Beispiel wäre die Vereinnahmung der Evolutionstheorie durch die Nazis. Es wäre aber ein Missverständnis, wenn wir die Evolutionstheorie abtun würden mit der Bemerkung: "Diese Theorie dient einfach zu ideologischen Legitimierung des Status Quo".
In der Antike konnten die Menschen sich die Herkunft der Welt nicht erklären. Wie konnte aus einfachen Anfängen etwas so komplexes entstehen wie Menschen? Die naheliegendste Erklärung lautete, ein Schöpfer müsse diese Komplexität aus dem Nichts heraus geschaffen haben.
Später entdeckte man den Mechanismus der Evolution. Dieser erklärt elegant und überzeugend, wie aus ganz einfachen Anfängen hochkomplexe Dinge entstehen können. Die dabei wirkenden Gesetze, Variantenbildung und Auslese, sind sehr einfach.
Heute fragen wir uns, wie hochkomplexe kulturelle Dinge entstehen konnten, zum Beispiel Wirtschaftssysteme oder moralische Regelwerke. Die christliche Religion sagt, dass uns die moralischen Regeln vom Himmel offenbart wurden. Eine mögliche andere Erklärung besteht darin, dass sie sich aus einfachen Anfängen entwickelt hat, und dabei komplexer wurde. Komplexität wäre auch hier das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung.
Die Gesetzmäßigkeiten, die man bei der kulturellen Entwicklung erwarten wird, sind sehr wahrscheinlich wiederum sehr einfach, so wie das bereits bei der biologischen Evolution der Fall ist. Denn Verhaltensweisen gibt es nicht erst seit es Menschen gibt. Sondern bereits bei viel einfacheren Arten, die viel älter sind als die Menschen. Dass die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten gar erst mit dem ersten Auftreten menschlicher Produktions- und Besitzverhältnisse entstanden sind, halte ich für unwahrscheinlich. Ich denke, dass wir auf sehr viel ältere, sehr einfache Prinzipien stoßen werden.
Ein wenig habe ich das auf den letzten Seiten bereits beschrieben. Ich klebe aber nicht an dem Gedanken. Wenn jemand eine bessere Erklärung für das Vorhandensein weltweit ähnlicher Wertesysteme hat, soll es mir recht sein.
Eine Vorstufe aus dem Tierreich könnte vielleicht die Notwendigkeit zur Kooperation gewesen sein? Gerechte Verteilung der Beute nach gemeinsamer Jagd, usw.