Servus!
Sorry zunächst, dass ich nicht real-time hier mitschreiben kann. Meine Alltag gibt das zeitlich im Moment nicht her. Deshalb bitte ich auch um Entschuldigung, falls ich hier irgendwas schreibe, was längst durch ist oder die letzten Beiträge mit meinem Posting nicht direkt adressiere.
Mir fällt auf, dass hier wohl verschiedene Verständnisweisen des Begriffes Moral existieren. Man sollte wirklich aufpassen, dass man das Wort nicht überlädt und am Ende dadurch sogar mit einer Worthülse dasteht. Ähnlich dem begriff "Würde des Menschen" - is ja auch sowas problematisches.
Die Moral
im allerengsten philosophischen Sinne ist ein Regelwerk (normativ) nach dem der
einzelne Mensch (es gibt in diesem Sinne keine Gruppenmoral) sein Handeln ausrichten soll, weil er
ein Mensch ist und aus sonst keinem anderen Grunde. Daran haben sich die Philosophen die Zähne ausgebissen, denn die Tatsache das man Mensch ist, verpflichtet erstmal zu genau überhaupt nichts. Die Verpflichtungen kommen erst später dazu, wenn der Mensch
Rollen in sozialen Gruppen (Herden, Familien, Vereinen, Schulen, Staaten usw. usw.) einnimmt.
Das die biologische Evolution dem Tier Mensch eine genetische Grundausstattung zur
Fähigkeit zur Moral mitgegeben hat ist allerdings wohl unbestritten - soweit ich weiß, gibt es sozialwissenschaftliche Experimente, die selbiges auch bei Primaten zeigen. Das diese Fähigkeit zur Moral auch weiter zum Zwecke der Kooperation verschiedener menschlicher Tiere untereinander entwickelt wurde, darüber besteht wohl auch weitgehend Einigkeit. Ich bin auch der Meinung (und an sich ist das ja offensichtlich), dass diese
Fähigkeit zur Moral der biologischen Evolution unterworfen ist. Ob es im Laufe dieser Evolution zu einer Mutation der Genetik gekommen ist oder noch kommen wird die eben für die Grundfähigkeit zur Moral verantwortlich ist - das weiß ich nicht. Das war es dann aber auch schon mit der Moral, die im Menschen a priori angelgt bzw. eben nicht angelegt ist.
Alleine wenn man die Grundlagen der Evolutionsbiologie kennt, muss aber klar sein, dass Begriffe wie "Strategie" oder "maximaler Ausbreitungserfolg" zumindest auf dieser Ebene nicht zutreffen.
Die biologische Evolution hat keine Strategie, sie fasst keine Pläne, trifft keine Entscheidungen und hat auch kein Ziel. Sie ist blind, mechanisch und undurchdacht. Die Evolution des jeweiligen Organismus hat den
Zweck den Allelen eine erfolgreiche Reproduktion zu garantieren. Sie hat dafür verschiedene Mechanismen, wie z.B. Mutation oder sexuelle Selektion. Ist das gewährleistet und ändern sich keine Umweltbedingungen, dann steht die Evolution für diesen Organismaus auch still ("Stasis"). Die Evolution will auch nicht, dass sich ein Organismus ausbreitet - sie weiß von "Ausbreitung" gar nichts, der Zweck ist die Reproduktion - nicht die Ausbreitung oder etwas anderes. Ausserdem führt die Evolution auch zu
keinem absoluten Maximum, sondern steckt in
lokalen Optima "fest". Ich möchte an der Stelle nochmal auf das Grundlagenbuch der Evolutionsbiologie verweisen, dass ich Seiten vorher schon mal empfohlen habe.
Moral im weitesten Sinne breitet sich lokal aus, das ist
abhängig von den Gruppen und den Rollen in denen sich der Mensch befindet. Sie tritt hier in verschiedensten Formen in Erscheinung: Als Vorgaben in Religionen, als ungeschriebene Gesetze in Familien oder unter Kollegen, als Gesetzestexte von Staaten, im Völkerrecht, als Wertesysteme usw. All diese "Regelwerke" sind aber
Konzepte, die vom Menschen erdacht wurden und ohne Menschen nicht existieren. Aus diesem Grunde sind sie auch nicht ursächlich - sondern nur indirekt - einer Evolution unterworfen.
Einer Evolution unterworfen ist das Denken der Menschen und nur über eine Veränderung dessen, sind solche Konzepte überhaupt veränderbar. Die Einflüsse für verändertes Denken sind manigfaltig und in der Geschichte findet man Tausende: Entdeckung des Feuers, Erfindung des Rades, Industrialisierung, Aufklärung, Kriege, Epidemien, usw. usw. Auch hier in diesem Thread wurden ja viele Situationen genannt, die das menschliche Denken - und damit auch den Moralbegriff (im weitesten Sinne) - verändert haben. Aber auch hier gilt: Die absolute Moral gibt es nicht und wird es m.E. auch nicht geben.
Aus den o.g. Gründen, sind m.E. übrigens Apelle "an die Menschheit" völlig für die Katz:
Der Mensch (in der Rolle als Mensch) schert sich nichts um die Menschheit. Erst in komplexeren Rollen schert er sich um Mitglieder seiner sozialen Einheit. Als Konsequenz kann man m.E. die Welt ein Stück besser machen in dem wir selbst bei uns anfangen und "
moralische Milleus" erzeugen, in denen die Moral quasi "ansteckt". Das ist mein persönlicher, praktischer Ansatz. Darüber hinaus versuche ich meine beiden Kinder ebefalls in diesem Sinnezu erziehen.
Warum überall auf der Welt "ähnliche" Wertesysteme usw. existieren? Das ist m.E. einfach: Gewalt. Gerade die Europäer haben sich als Seefahrernationen (angefangen mit den Wickingern aber) spätestens seit Ende des 15. Jahrhunderts ja alles "einverleibt" was ging. Allen voran die Spanier, die Portugiesen und die Engländer. Es wurden Eingeborene versklavt, Menschenhandel getrieben, Krankheiten eingeschleppt, die wiederum ganze Kulturen ausgeschlöscht haben, Kriege geführt und Masaker angerichtet, ausgebeutet, kolonialisiert und christianisiert was ging - undzwar nahezu weltweit.
Das Argument, das es ohne Religion keine Moral gäbe, habe ich noch nie gehört. Das Religion Grundlage für eine (ganz bestimmte) Moral dienen kann, aber schon. Die Diskussion um erfolgreiche, stabile Stategien ist eine Scheindiskussion - eigentlich geht es um das Wesen des Menschen. Und ich fürchte, das die Ergebisse dieser Diskussion nicht besonders fröhlich stimmen. Schoppenhauer hat schon gesagt: "Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier. Wir kennen es bloß im Zustande der Bändigung und Zähmung, welcher Zivilisation heißt." Womöglich nenen wir all das "moralisch" was in die Bändigung und Zähmung passt.
Was die Spieltheorie betrifft: Ich hab ja (in grauer Vorzeit) Informatik mit Nebenfach Mathe (zuerst BWL, dass war mir dann aber zuviel zu lernen) studiert. Dort habe ich Spieltheorie als Feld der Mathematik kennengelernt, deren Anwendungsgebiete vielfältig sind: Psychologie, Biologie, Wirtschaft ...
Anyway ... mein persönöliches Fazit ist: Leben und leben lassen. Das gilt auch für Religionen. Wo Weltanschauungen allerdings einschränken, unfrei machen und Leid über die Menschen bringen hört der Spaß auf. Idealerweise fange ich bei mir selber, in meinem "moralischen Millieu" an, die Welt ein Stück besser zu machen.
So ... jetzt wieder was arbeiten, damit auch noch genug Zeit für ein Läufchen heute Abend übrig bleibt.
LG Helmut