Ich verwende den Begriff "erfolgreich" im Sinne des Ausbreitungserfolgs. Erfolgreich ist eine Strategie dann, wenn sie sich durchsetzen und ausbreiten kann. Ich verstehe daher nicht, weshalb Du sagst, es gäbe Strategien, die sich durchgesetzt hätten, gleichzeitig aber nicht erfolgreich wären.
Dann ist das wohl ein Missverständnis. Unter erfolgreich verstand ich jetzt bspw. die Durchsetzung einer Strategie im Gefangenendilemma: es setzt sich dabei eine Strategie durch, die nicht bzw. weniger erolgreich ist. So hatte ich den Begriff verstand. Da du Erfolg hier nur als die Durchsetzungskraft verstehst, kann ich dir zustimmen
Nein, keineswegs! Wie kommst Du zu dieser Einengung? Es muss nicht immer eine Minderheit sein, die eine Mehrheit ausbeutet. Es kann auch umgekehrt gehen. Nämlich dass eine Mehrheit eine Minderheit ausbeutet. In einer Demokratie ist das sogar wahrscheinlich.
Ich bezog doch meine Folgerung, dass die bessere Ausbeutungsökonomie gewinnt, auf Dein Beispiel, dass sich diejenige Sklavenarbeit bei den Pharaonen am besten ausbreitet, wo sie soviel zu Essen erhalten, dass sie noch bauen können.
Solange in der Demokratie das Wirtschaftssystem neoliberaler Kapitalismus dominiert, beutet eine Minderheit weltweit die Mehrheit aus.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Ich gebe Dir mal ein lustiges Beispiel aus dem Tierreich.
Zwei Schweine stehen in einem großen Stall, ein starkes und ein schwaches. An der einen Seite des Stalls befindet sich ein Schalter. Wird er von einem Schwein betätigt, fällt eine Portion Futter in einen großen Trog. Allerdings befinden sich Schalter und Futtertrog an den gegenüberliegenden Seiten des Stalls. Also: Schalter drücken, dann rüberspurten zum Trog und fressen. Dann zurück zum Schalter und alles wieder von vorne.
Am Anfang wollen beide Schweine, das starke und das schwache, den Schalter drücken. Dann rennen sie gemeinsam los zum Futtertrog. Das schwache Schwein verliert jedes dieser Laufduelle gegen das starke Schwein und geht immer leer aus.
Das schwache Schwein lernt schnell, dass seine Strategie nichts taugt. Also verzichtet es auf das Drücken des Schalters und postiert sich von Anfang an direkt vor dem Trog. Soll doch das starke Schwein den Schalter drücken. Sobald das starke Schwein das tut, kann das schwache Schwein bereits futtern, während das starke Schwein noch zwischen Schalter und Trog unterwegs ist. Erst bei dessen Ankunft am Trog wird das schwache Schwein beiseite geschubst.
Dennoch gelingt es dem schwachen Schwein mit dieser Strategie, den Großteil des Futters zu erobern. Diese Strategie ist "evolutionär stabil". Das bedeutet, es gibt für das starke Schwein keinen Ausweg im Sinne einer besseren Strategie. Wenn es wenigstens ein bisschen Futter haben will, muss es zwischen Schalter und Trog hin und her rennen. Jede gerechtere Aufteilung wird das schwache Schwein ablehnen.
In diesem Beispiel beutet das schwache Schwein mühelos das starke aus, welches allein die ganze Arbeit macht. Die zugrunde liegende Strategie fragt nicht nach der Gerechtigkeit, sondern allein nach der Stabilität der Strategie selbst. Ist sie gegeben, breitet sie sich aus.
So etwas meinte ich genau mit meinem ideologie-/wissenschaftskritischen Hinweis auf künstliche Labormodelle. Sie sagen erstmal nur etwas aus über die kognitiven Lernkapazitäten der Schweine unter diesen künstlichen Laborbedingungen (Vorher lernten die Schweine vermutlich einzeln den Schalter zu drücken für die Nahrung, anschliessend fand ein Umlernprozess bei Schwein B statt, weil sich die Situation (zu zweit, Kombination stark und schwach) änderte. Das Experiment zeigt, dass bei Schwein B in der neuen Situation ein instrumenteller Lernprozess stattfindet. Mehr nicht! Die schwächsten Wildschweine sterben in Realität bei zu wenig Nahrung oder werden von Wölfen gefressen.
Verallgemeinerungen daraus, die über Lernprozesse für Schweine hinausgehen und über die Aussage, auch zum menschlichen kognitiven Lernen gehört instrumentelles Lernen, sind in meinen Augen vollkommen unzulässig bzw. nicht anders zu sehen wie Gleichnisse aus der Bibel, aber halt moderne Gleichnisse (Experimente unter kontrollierten Bedingungen.), wenn man sie unter Verwendung von Begriffen wie Arbeit und Gerechtigkeit erzählt.
So etwas meinte ich genau mit meinem kritischen Hinweis auf künstliche Labormodelle.
Da gebe ich Dir gerne recht. Der Einwand gilt aber für Modelle jeder Art, weil sie eine Idealisierung darstellen, die es in der Wirklichkeit nicht gibt.
Wenn Du vom Feudalismus sprichst, handelt es sich dabei ebenfalls um ein idealisiertes Modell. Die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse, die man damit bezeichnet, sind im Detail alle sehr verschieden. Dennoch kann es Sinn machen, modellhaft und idealisiert vom Feudalismus zu sprechen.
Solange in der Demokratie das Wirtschaftssystem neoliberaler Kapitalismus dominiert, beutet eine Minderheit weltweit die Mehrheit aus.
So wie ich Arne verstehe, will er darauf hinaus, dass es kein Kriterium ist, wer wen ausbeutet. Man kann Beispiele finden, wo eine Minderheit die Mehrheit ausbeutet; aber ebenso Beispiele, wo eine Mehrheit die Minderheit ausbeutet.
Oft wird der Kapitalismus genannt, bei dem z.B. der reiche Westen (Minderheit) diesen Reichtum zu Lasten der ärmeren Länder (Mehrheit) erreicht hat.
Ein gegenteiliges Beispiel wären Steuer- und Sozialsysteme. In Deutschland werden 95% aller Steuern von nur 50% der Bevölkerung bezahlt. 10% der Einzahler stemmen 50% der Steuern. Diese Gesetzgebung wird jedoch von der Mehrheit beschlossen, d.h. die Empfänger bestimmen, was die Einzahler bezahlen müssen. Interessanterweise wird die Debatte darüber mit den Kriterien der Moral geführt. Der Millionär soll (noch) mehr bezahlen, weil es die Moral gebietet. Aber warum haben wir gerade diese Moral und keine andere?
Entschiedend ist alleine, ob die jeweilige Konstellation a) stabil ist, und b) sich ausbreiten und konkurrierende Systeme verdrängen kann.
Ich finde die Debatte darüber auf den letzten Seiten übrigens sehr spannend und interessant.
Das Schweinebeispiel ist für mich vor allem deshalb interessant, weil es ein Beispiel für eine stabile Strategie darstellt. Ich will kurz erläutern, was in diesem Zusammenhang "stabil" oder "nicht stabil" bedeutet.
Eine Strategie ist dann stabil, wenn sie nicht durch eine andere Strategie unterwandert werden kann. Stabile Strategien sind aber nicht immer die besten Strategien im Sinne des Einzel- oder Gemeinwohls.
1. Beispiel: Durch Kriege und Gewalt geschieht viel Unglück. Darum lautet die Strategie des Pazifismus, auf Waffen und Gewalt kategorisch zu verzichten. Konflikte sind gewaltfrei zu lösen. Wenn sich alle daran halten, wird dadurch eine bessere Welt geschaffen.
Diese Strategie ist nicht stabil, da sie leicht unterwandert werden kann. Wenn niemand mehr bewaffnet ist, genügt eine einzige Armee, um alle zu unterwerfen.
2. Beispiel: Zurück zum Schweinebeispiel. Nehmen wir an, beide Schweine einigen sich darauf, dass zunächst nur das eine Schwein frisst, bis es satt ist. Das andere Schwein drückt währenddessen pausenlos den Futterschalter. Danach werden die Rollen getauscht. So werden beide satt, und jedes Schwein muss nur ein einziges Mal den Stall durchqueren.
Diese Strategie ist ebenfalls nicht stabil. Sie kann dadurch unterwandert werden, dass eines der beiden Schweine einfach nicht mitmacht, sondern stur am Futtertrog wartet und sich satt frisst, ohne ein einziges Mal den Schalter zu betätigen.
Diese Strategie der Nicht-Kooperation ist hingegen stabil. Sie kann vom benachteiligten Schwein nicht unterwandert werden, außer vielleicht durch Mord.
In beiden Fällen ist die stabile Strategie nicht die beste Strategie für alle Beteiligten. Eine Welt ohne Waffen wäre insgesamt besser als ein mit Waffen, doch das ist kein stabiler Zustand. Stabile Strategien können ausgesprochen nachteilig für alle Beteiligten sein.
Stabile Strategien setzen die Normen für unsere Moral und Wertvorstellungen. Deshalb orientieren sich diese Normen nicht am größtmöglichen Gemeinwohl, denn das Gemeinwohl ist für die Stabilität einer Strategie nicht ausschlaggebend.
Aber könnte sich nicht auch eine Moralvorstellung entwickeln, die sich an einem unerreichbaren Ideal orientiert? Und die wegen dieser Unerreichbarkeit nicht durch die Realität herausgefordert/verdrängt werden kann?
Beispielsweise das Ideal der Feindesliebe? Oder Ideale, die aufgrund ihres Urhebers als Ideale angesehen werden?
In diesem Fall würde die Sau auch dann an ihrer Moral festhalten, wenn sie dadurch nichts zu fressen bekäme.*
Oder man könnte sich eine Moral vorstellen, bei der ein besonders fetter Futtertrog im Jenseits versprochen wird. Oder nicht?
*Aber dann würde sie vermutlich aussterben. Ich sehe das Problem.
Diese Vorstellung kann eine Strategie, die viele Nachteile hat, stabil machen. Man denke beispielsweise an den Zölibat oder das Fahrverbot für Frauen oder das Kastenwesen, oder umständliche Ernährungsregeln.
Voraussetzung ist, dass sie nicht unterwandert werden kann durch eine konkurrierende Strategie, die noch größere Belohnungen verspricht. Dem entsprechend liegen die Versprechungen der großen Religionen am Maximum dessen, was überhaupt vorstellbar ist: Das ewige Paradies, Unsterblichkeit. Wer gegen die Regeln verstößt, wird maximal bestraft, also ewiges Höllenfeuer.
Unterwandert wird diese Strategie durch die realen Vorzüge unserer modernen Lebensweise. Etwa beim Gebrauch von Verhütungsmitteln.
So wie ich Arne verstehe, will er darauf hinaus,....
Entschiedend ist alleine, ob die jeweilige Konstellation a) stabil ist, und b) sich ausbreiten und konkurrierende Systeme verdrängen kann.
Wie ich schon festgestellt hatte: Fressen und gefressen werden. Wurde darauf hin sofort geleugnet. Jetzt wurde es so aber erneut konstatiert, kann man auch wie folgt umschreiben:
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Eine Strategie ist dann stabil, wenn sie nicht durch eine andere Strategie unterwandert werden kann. Stabile Strategien sind aber nicht immer die besten Strategien.
Stabile Strategien setzen die Normen für unsere Moral und Wertvorstellungen. Deshalb orientieren sich diese Normen nicht am größtmöglichen Gemeinwohl, denn das Gemeinwohl ist für die Stabilität einer Strategie nicht ausschlaggebend.
Moral wird dabei ausgeblendet, siehe z.B. hier:
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Belohnung im Jenseits.
Und hier liegt der große Irrtum begraben. Die Moral kommt womöglich nicht vom Himmel, aber von Idealisten.
Realismus allein schafft keine Moral, nur Tatsachen, aber keine ZIELE.
Daher noch einmal: Wahrheit muss keinen Sinn ergeben. Fiktion schon.