Es geht ja nicht um Technik, sondern um Deine Definition von „Technikgläubigkeit“, die darauf hinauswill, dass auch Atheisten einen blinden Glauben hätten. Nehmen wir an, wir fänden eine Person, die diesen blinden Technikglauben hat, die also fest an die versprochenen oder eingebildeten Fähigkeiten der Technik glaubt, ohne die Hintergründe zu prüfen. Würdest Du sagen, dass diese Person einen Fehler macht? Genau das ist doch Dein Punkt, oder nicht?
Ich mache ein anderes Beispiel:
Der liebe Klugschnacker ist ein vernünftiger Mensch, trotzdem verwendet er einen großen Teil seiner Freizeit damit, zu schwimmen, Rad zu fahren und zu laufen, um irgendwann und irgendwo an einem Tag möglichst schnell ohne Pause 3.8km zu schwimmen, 180km Rad zu fahren und einen Marathon zu laufen. Ich denke, wir sind uns einig, dass man dort keinerlei Vernunft findet. Ich könnte mir einen einzigen Aspekt, den der Sport für sich in Ansprucht nimmt, nämlich den Gesundheitsaspekt, hernehmen und mich drauf einschießen und dem lieben Klugschnacker sein redliches sportliches Bemühen zu zerlegen versuchen.
Ich könnte also dem Sport eine einzige Bedeutung geben und ihm sein Training vermiesen versuchen. Ebenso wie ich die positiven Aspekte des Sports ausblenden kann, kann Klugschnacker fernab jeglicher Vernunft, die er sonst inne hat, fleißig trainieren.
So ist es auch mit der Religion. Du blendest viele postitiven Aspekte aus oder einfach, dass manche Menschen glauben wollen, und gehst rigoros auf den Wahrheitsapekt ein und gehst der Religion damit an den Kragen.
Ich bin gegen jegliche Form des Rigorismus. Deine Einstellung bzgl. der Religion kommt mir rigoros vor. Wenn sich tatsächlich eine Welt ohne Religion entwickeln sollte, dann ist das gut so. Momentan sehe ich das nicht so, auch weil ich denke, dass ein Teil der Menschen glauben will. Der Mensch ist einfach sehr vielschichtig. Wer denkt, der Mensch braucht die Religion, der liegt falsch. Wer aber sagt, manche Menschen brauchen sie, der liegt richtig.
Schon ein paar Tage her, will mir aber von Anlot nicht vorwerfen lassen, nicht auf Fragen zu antworten.
Zitat:
Zitat von Jörn
Matthias, könntest Du Dir ein Szenario vorstellen, bei dem man der Wissenschaft verbieten sollte, die Funktion eines bestimmten Chromosomen-Abschnitts zu entschlüsseln? Oder sollte hier eine uneingeschränkte Freiheit bestehen, dieses Wissen zu erlangen?
Zu dem Thema wurde schon alles gesagt. Aus meiner Sicht steht keiner über der Moral bzw. kann sich völlig davon freisprechen. Auch ein Wissenschaftler muss die Folgen seiner Forschung im Blick haben. Der Wissenschaftler oder Forscher kann sich nicht vollkommen aus der Verantwortung stellen, indem er den andere (in dem Fall den Ingenieuren) die Verantwortung zuschiebt. Im Gegenzug reden sich die Ingenieure doch dann damit raus, dass sie ja nur Aufträge ausgeführt haben etc.. Im Endeffekt war keiner schuld an der Atombombe.
Der Vollständigkeit halber:
Zitat:
Zitat von Jörn
Könntest Du mir ein Beispiel (den konkreten Namen) eines Wissenschaftlers nennen, der nicht die Wahrheit seiner Forschung zum Ziel hatte, sodass sich alle anderen Dinge der Wahrheit unterordnen mussten? Könntest Du einen Wissenschaftler nennen, der zugunsten anderer Attribute den Wahrheitsaspekt hintan stellte?
s.o. Das Ziel des Manhattan-Projekts war nicht eine neutrale Erforschung der Wahrheit über die Nutzung der Atomkraft.
Zitat:
Zitat von Jörn
Nehmen wir an, es würde bei Gläubigen zu großer Verdrießlichkeit führen, wenn ein Wissenschaftler herausfände, dass Jesus nicht in den Himmel aufstieg. Könnte man dann dem Wissenschaftler verbieten, dies zu erforschen? Wäre diese Forschung moralisch verwerflich, weil sie zur Verdrießlichkeit führt?
Wäre es auch dann verwerflich, wenn der Wissenschaftler die Behauptungen der Gläubigen bestätigen würde? Oder wäre es dann plötzlich moralisch gut? Hängt also die Moral vom Ergebnis ab? Dazu würde mich Deine Meinung interessieren, denn das ist der Kern meines Arguments.
Ich kenne keinen Gläubigen, bei dem diese Erkenntnis zu großer Verdrießlichkeit führen würde. In meinem Bekanntenkreis gibt es zwar viele, die zumindest in unregelmäßigen Abständen in eine Kirche gehen. Von denen glaubt aber keiner, dass alles in der Bibel wortwörtlich war ist, auch wenn das der eine oder andere Papst mehrere Jahrhunderte oder Jahrtausende später so festgelegt hat. Vielmehr ist die überwiegende Meinung, und das ist auch meine Einschätzung, dass es durchaus historische Ereignisse gab, denen die Geschichten der Bibel zugrunde legen. Diese wurden aber über die Jahrhunderte teilweise extrem verfälscht. Wer weiß, vielleicht war der über's Wasser laufende Jesus in Wahrheit einer der ersten Schwimmer in einer zeit, in der keiner schwimmen konnte. (Wäre interessant zu wissen, wie unsere aktuelle Geschichte in 2000 Jahren erzählt wird. Vielleicht erzählt man sich dann auch, dass die Berliner Mauer unter der dröhnenden Stimme eines David (Hasselhoff) zusammengebrochen ist ). Die Frage ist doch aber, spielt es für den Kern der Geschichte jeweils eine Rolle, ob die Geschichte 100% exakt wiedergegeben wurde bzw. wahr ist? Für die Gläubigen wohl nicht. Hier hat keiner derjenigen, die sich als Kirchgänger "geoutet" haben, auf dem absoluten Wahrheitsanspruch bestanden.
Die einzigen, die auf dem Wahrheitsanspruch rumreiten sind interessanterweise die Kirchenkritiker/Atheisten. Weil darauf die Haupt-Argumentation aufbaut: Papst hat gesagt Bibel ist 100% wahr - wenn Bibel nachweisbare Lügen enthält, verliert die Kirche ihre Legitimation - der Glaube ist sinnlos.
Ebenso wird ständig auf das Gottesbild der Kirche verwiesen ("Wie kann ein gütiger Gott das ganze Leid zulassen?")
die Gesamte Argumentation baut auf dem 100% Wahrheitsanspruch der Bibel auf.
Wenn die Aussage aber ist: "Ich glaube daran, dass das Universum durch irgendeine höhere Macht entstanden ist und diese Macht nenne ich Gott." geht diese Argumentation nicht ehr auf. du kannst diesen Glauben allenfalls als irrational bezeichnen (was du auch wiederholt auf eine in der Wortwahl grenzwertige Weise tust), aber du kannst in nicht 100% widerlegen. du kannst allenfalls sagen, dass mit den derzeitigen Mitteln der Wissenschaft keine Beweise für diesen Glauben zu finden sind. Da ein solcher Glaube sich aber auch mit den Mitteln der Wissenschaft nicht 100% widerlegen lässt, wäre die Diskussion an dem Punkt zu Ende.
Sobald sich jemand auf eine andere Form des Glaubens bezieht, die nicht 100% mit dem (amts)kirchlichen Glauben übereinstimmt, wird aber stattdessen darauf verwiesen, dass dies ja kein richtiger Glaube wäre (was soll man mit diesem (sorry) dämlichen Argument eigentlich anfangen??), es wird solange an der Aussage uminterpretiert oder sinnlose Debatten über Begriffsdefinitionen geführt, bis die Argumentation gegen die Amtskirche wieder passt oder es werden "Nebenkriegsschauplätze" eröffnet, z.B. die Diskussion über das Leid, das beim Bau der Kirchen (unzweifelhaft) über die Menschen gebracht wurde und an das man doch bitte beim Aufenthalt im jeweiligen Gebäude denken solle (*).
Im Grunde wird hier mit Argumenten um sich geworfen, die, so zumindest meine Beobachtung im Bekanntenkreis, für den täglich gelebten Glauben keine Rolle spielen und/oder die an den Gegenargumenten vorbei gehen. Wenn du das nur als Kritik an der katholischen Kirche bzw. deren Würdenträger verstanden haben willst: Das hättest du sicher kürzer haben können. Wenn du deine Argumentation aber als allgemeine Kritik an einem - wie auch immer gearteten - religiösen Glauben verstanden haben willst: Sorry, dafür taugt deine Argumentation nicht.
Ach ja, da du nach meiner Überzeugung fragst:
Aus meiner Sicht darf jeder allein oder in der Gruppe das tun/lassen/glauben/denken, was er will, solange dies keinen Einfluss auf andere hat und derjenige nicht versucht, andere zu beeinflussen oder anderen seine Überzeugung aufzudrücken. Zu letzterem gehören für mich z.B. auch Zeugen Jehovas aber auch (sorry Jörn) Atheisten, die andere vor der Kirche ungefragt Gespräche über ihren Glauben an die Backe drücken.
M.
(*) nur um das klarzustellen: Jede Form von Leid, das unter die Menschheit gebracht wurde, ist zu verurteilen. Und die Kirche hat unzweifelhaft sehr viel Leid unter die Menschen gebracht. Der Verursacher ist aber aus meiner Sicht nicht der Glaube an etwas, sondern, dass dieser Glaube von einer Institution instrumentalisiert wurde/wird.
Hallo keko, nehmen wir an, Religion bereitet den Leuten einfach Vergnügen — dann ersparen wir uns die Debatte, warum das so ist, und ob es richtig oder falsch ist. Manche Leute sausen gerne mit dem Fahrrad durch die Gegend (warum auch immer), und manche Leute erfreuen sich an religiösen Vorstellungen (warum auch immer).
Was hat das mit „Glauben“ zu tun? Nichts. Beide Parteien wissen, dass es ihnen Freude macht, und zwar aufgrund zuvor gemachter Erfahrungen. Beiden Parteien wäre es egal, wenn sie erführen, dass ihr Nachbar dies nicht nachvollziehen kann. Die Freude, die sie haben, ist ein Fakt. Es ist zugleich Wissen, kein Glaube. Sie wissen, dass es ihnen Spaß macht.
Du müsstest ein Beispiel nennen, welches nicht durch Wissen oder Erfahrung erklärt werden kann. Am besten wäre ein Beispiel, bei dem Glaube und Wissen kollidieren, weil wir dann ausschließen können, dass nicht doch bereits vorhandenes Wissen als Glaube ausgegeben wird.
Ich stelle die These auf, dass Glaube nichts weiter ist als eine Kombination aus Unwissen und Wunschdenken. Lässt sich das widerlegen?
Das iPhone X kann nicht durch eine 3D-Maske entsperrt werden, da weitere Sensoren prüfen, ob bestimmte Merkmale von lebenden Menschen vorhanden sind. Etwa eine Infrarot-Kamera (Wärme) oder das Auswerten von minimalen Bewegungen.
Wird ja immer schlimmer. Das System projiziert 30.000 unsichtbare Punkte auf mein Gesicht, erstellt derer ein dreidimensionales Modell, misst Wärme per Infrarot und wertet Bewegungen aus. Und warum? Damit mein Handy gesperrt ist, auf dem ich Snapchat und Facebook habe
...zu schwimmen, Rad zu fahren und zu laufen, um irgendwann und irgendwo an einem Tag möglichst schnell ohne Pause 3.8km zu schwimmen, 180km Rad zu fahren und einen Marathon zu laufen. Ich denke, wir sind uns einig, dass man dort keinerlei Vernunft findet.
Eine Sache aus Spaß zu machen, ist ein vernünftiger Grund. Warum behauptest Du, es gäbe keinerlei vernünftigen Grund für Triathlon? Es macht mir Spaß, befriedigt meinen Ehrgeiz sowie das Verlangen, meinem Trainingskumpel den Tag zu versauen. Ich bin gerne draußen und strenge mich gerne an.
Zitat:
Zitat von keko#
So ist es auch mit der Religion. Du blendest viele postitiven Aspekte aus oder einfach, dass manche Menschen glauben wollen, und gehst rigoros auf den Wahrheitsapekt ein und gehst der Religion damit an den Kragen.
Mir scheint, Du möchtest ausdrücken, dass auch vermeintlich unnütze, vielleicht sogar unwahre Dinge für bestimmte Menschen einen Wert haben können. Götter und Teufel existieren nicht, und haben daher keine Auswirkung auf die Welt. Aber die Religionen existieren zweifellos. Sie haben gute und schlechte Auswirkungen. Niemand bestreitet das.
Mich persönlich (Du hattest ja Jörn gefragt) interessiert der Nützlichkeitsaspekt der Religionen nicht sonderlich. Er ist relevant, aber ich überlasse dieses Feld gerne anderen. Mich interessiert der Wahrheitsaspekt. Wenn ein Papst sich detailliert darüber äußert, was die Götter von uns wollen, dann interessiert mich, woher er diese Kenntnis hat.
Unter anderem interessiert mich das deshalb, weil es über die Autorität dessen entscheidet, der sich über den göttlichen Willen äußert. Sagt er etwas Wahres? Irrt er sich vielleicht? Lügt er bewusst? Was hat beispielsweise Papst Ratzinger unternommen, um seine Kenntnisse abzusichern (zu prüfen, ob sie korrekt sind), wenn er sich über geschiedene Menschen äußert?
Ich finde nicht, dass das am Kern des Christentums vorbei geht.
Du müsstest ein Beispiel nennen, welches nicht durch Wissen oder Erfahrung erklärt werden kann. Am besten wäre ein Beispiel, bei dem Glaube und Wissen kollidieren, weil wir dann ausschließen können, dass nicht doch bereits vorhandenes Wissen als Glaube ausgegeben wird.
Ich versuche es:
Ich stelle die Frage: wer hat dich gemacht?
Der 100% Christ sagt: Gott.
Von dir erwarte ich: niemand.
Die Erde hat keinerlei kosmische Bedeutung, auch wenn sie uns um die Ohren fliegt. Es ist nach unserem aktuellen Wissen völlig egal. Wenn du also nicht überzeugt mit "niemand" antwortest, glaubst du schon an irgendwas.
In meinem Bekanntenkreis gibt es zwar viele, die zumindest in unregelmäßigen Abständen in eine Kirche gehen. Von denen glaubt aber keiner, dass alles in der Bibel wortwörtlich wahr ist, ...
Wenn die Aussage aber ist: "Ich glaube daran, dass das Universum durch irgendeine höhere Macht entstanden ist und diese Macht nenne ich Gott." geht diese Argumentation nicht mehr auf.
Versehe ich Dich richtig, dass Du für eine spezielle Version des Christentums argumentierst, und Dich ärgerst, dass wir über eine andere Version diskutieren?
Mir fehlt zum besseren Verständnis noch das Argument, warum die private Version Deiner Bekannten oder Dir selbst ein größeres Gewicht oder einen höheren Wahrheitsanspruch als die offizielle Version, oder eine der paartausend anderen privaten Versionen hätte.
Dies nur zu meinem Verständnis, falls das nicht viel Mühe macht.
(So oder so kannst Du glauben was Du willst. Für Deine Glaubensfreiheit stehen auch Atheisten ein. Religiöse Menschen haben vor allem untereinander Konflikte, etwa Katholiken gegen Protestanten oder Muslime gegen Christen und umgekehrt. Vor den Atheisten braucht man sich als glaubender Mensch nicht fürchten.