Religion und Wissenschaft haben insofern den gleichen Gegenstand, als dass sie den Anspruch haben, sich mit der Wahrheit zu befassen. Die Religionen haben dabei einen umfassenderen Wahrheitsanspruch als die Wissenschaften.
Dass die Religionen sich dabei mit imaginären Dingen beschäftigen wie zum Beispiel "Sünden" tut nichts zur Sache. Der Wert einer Aktie ist ebenso imaginär wie die Schwere einer Sünde. Die Rechtswissenschaften beschäftigen sich mit imaginären Konstrukten wie "juristischen Personen" und Gesetzen. Es ist also ein Missverständnis, festzusetzen, dass die Wissenschaft im Reich der imaginären Objekte nichts verloren habe.
Dass sich die Religion mit rein imaginären Objekten beschäftigt, wird in erster Linie von den Religionen selbst bestritten. Es ist beispielsweise ein katholisches Dogma, dass Maria nicht symbolisch und imaginär, sondern ganz konkret mitsamt ihrem Leib in den Himmel aufgestiegen sei. Sie hinterließ angeblich keine Leiche.
Wissenschaft und Wissen ist für den Glauben sehr wichtig, denn das Wissen trennt Glaube von Aberglaube. Ruht die Erde auf dem Rücken einer Schildkröte? Können wir uns Adam und Eva tatsächlich als die ersten Menschen vorstellen? Wurde das Universum in 7 Tagen erschaffen?
Die Antwort auf jede dieser Fragen lautet "Nein" und befindet sich aus der Perspektive des heutigen Wissens im Reich des Aberglaubens. Indem man versucht, die Religion gegen das voranschreitende Wissen und alle Wissenschaft zu immunisieren, wird der Glaube zwangsläufig immer mehr zum Aberglaube. Er verliert an Glaubwürdigkeit und Relevanz.
Ich sehe keinen vernünftigen Grund, warum man Daseinsfragen oder ethische Fragen nach unserem Zusammenleben vom voranschreitenden Wissensstand abkoppeln sollte. Wissenschaft ist keine Bedrohung für unsere Spiritualität, sondern eine ihrer Hauptschlagadern.
Ist es erlaubt, auf die heutigen (22. April) Kundgebungen hinzuweisen, die weltweit für mehr Wissenschaft eintreten?
MARCH FOR SCIENCE
»Eine internationale Kundgebung, die am 22. April in 514 Städten auf der ganzen Welt für den Wert von Wissenschaft, Fakten und Evidenzbasiertheit in Zeiten von “alternativen Fakten” (= Lügen) eintritt. Wissenschaft ist etwas, was alle angeht. Insofern gehen am 22.4. nicht nur Wissenschaftler/innen auf die Straße, sondern alle, denen diese Dinge ebenfalls wichtig sind.«
Berlin / Potsdam: 13:00 Uhr, Humboldt-Universität
Bonn / Köln: 12:00 Uhr, Hofgartenwiese
Dresden: 13:30 Uhr, Theaterplatz
Espelkamp: 14:00 Uhr am Atrium
Frankfurt / Rhein-Main: 13:00 Uhr, Bockenheimer Warte
Freiburg: 11:00 Uhr, Platz der Weißen Rose
Göttingen: 11:00 Uhr (Warm-up ab 10:00 Uhr), Gänseliesel
Greifswald: 15:00 Uhr, Marktplatz
Hamburg: 14:00 Uhr, Rathausmarkt
Heidelberg: 15:00 Uhr, Friedrich-Ebert-Platz
Helgoland: 13:30 Uhr, Südhafen
Jena: 10:00 Uhr, Universitätshauptgebäude
Kassel: 14:00 Uhr, Bebelplatz
Koblenz: 12:00 Uhr, Zentralplatz
Kiel: Vorabendveranstaltung am 21.4. ab 20:30 Uhr, Audimax (ab 21:00 Uhr Lightshow am Uni-Hochhaus)
Leipzig: 13 Uhr, Naturkundemuseum (Lortzingstraße 3)
München: 10:30 Uhr Karlsplatz/Stachus
Münster: 15:00 Uhr, Domplatz
Rostock: 13:00 Uhr, Rathaus/Neuer Markt
Stuttgart: 10:30 Uhr, Schlossplatz
Trier: 13:00 Uhr, Porta Nigra
Tübingen: 13:00 Uhr, Neckarinsel
Wie kommst Du zu der Auffassung, all das habe nichts mit einer Wirkung auf imaginäre Objekte zu tun, sondern entspringe einem menschlichen Bedürfnis, welches unabhängig von den imaginären Objekten existiert?
Menschen handeln mitunter schuldhaft, was daher kommt, daß sie in sozialen Gemeinschaften leben und sich damit jeweils bestimmten Regeln unterwerfen. Wenn sie diese brechen, fühlen sie sich schuldig und es entsteht gegebenenfalls das Bedürfnis sich dieses Schuldgefühls zu entledigen. Das ist das zugrundeliegende Phänomen.
Um dies äußerlich zu vollziehen, bieten Religionen symbolische Handlungen, Rituale an, die auch bestimmte sprachliche Ausdrücke wie Sünde und Vergebung beinhalten können. Mysteriöse Objekte und Wirkungen kommen nur bei dem in Betracht, der die Sprachlogik mißversteht und zwanghaft hinter jedem Satzsubjekt ein Objekt und und hinter jedem Satzprädikat eine Wirkung suchen muß.
Ein menschliches Bedürfnis nach Reinigung von diesen imaginären Sünden existiert nur insofern, als dass die Sünden Konsequenzen im Jenseits haben.
Ich denke hier liegst du falsch. Es gibt durchaus rein menschliche Gründe, und sei es bei einer Beichte stellvertretend, um Verzeichnung zu bitten, ohne dies aus Furcht vor dem Fegefeuer zu tun.
Noch ne Frage: Der Jörn und du: Seid ihr eigentlich Vulkanier?
Für die Kirchen ist es nicht nur ein symbolischer Akt. Für die Kirchen sind die Sünde und deren Konsequenzen so konkret wie eine Brezel. Man kann das in den Schriften der jeweiligen Kirchen nachlesen.
Ich war letztes Jahr im Petersdom, um durch die "Heilige Pforte" zu schreiten, wodurch angeblich alle Sünden vergeben werden. Dort herrschte Mord- und Totschlag, weil es den Menschen existenziell (!) wichtig war, die richtige Tür zu erwischen. Es gab Geschrei und es flossen Tränen. Die Stadt war voll von Pilgern, viele aus den USA und aus Asien, und es herrschte eine religiöse Raserei. Diesen Leuten mitzuteilen, es sei alles nur symbolisch, wäre vermutlich ungesund.
Es gibt durchaus rein menschliche Gründe, und sei es bei einer Beichte stellvertretend, um Verzeichnung zu bitten, ohne dies aus Furcht vor dem Fegefeuer zu tun.
Wäre dann eine Beichte, die von einem Wissenschaftler abgenommen wird, der sich zufällig in einer Kirche aufhält, ebenso wirksam wie die Beichte gegenüber einem Priester, der sich zufällig in einem Atom-Institut aufhält?
Religion und Wissenschaft haben insofern den gleichen Gegenstand, als dass sie den Anspruch haben, sich mit der Wahrheit zu befassen. Die Religionen haben dabei einen umfassenderen Wahrheitsanspruch als die Wissenschaften.
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Alle streben nach Wahrheit. Aber haben denn alle Disziplinen - Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaft, Philosophie, Theologie, Kunst, usw. - diesselbe Methode der Wahrheitsfindung? Beruhen alle menschlichen Handlungsweisen und Überlegungen, die nicht die naturwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung den Vorrang einräumen, auf einem Irrtum? Oder auf einem anderen Interesse? Sind solche per se unberechtigt?
Den Aberglauben, der hier immer untergeschoben wird, vertritt doch heute überhaupt kaum noch jemand. Warum wird das immer wieder aufgewärmt? Das ist auf dem Diskussionsstand des 17. Jahrhunderts.
Den Aberglauben, der hier immer untergeschoben wird, vertritt doch heute überhaupt kaum noch jemand. Warum wird das immer wieder aufgewärmt? Das ist auf dem Diskussionsstand des 17. Jahrhunderts.
Welche Glaubenssätze, die im 17. Jahrhundert galten, gelten heute nicht mehr? Ich kann Dir versichern, dass der Katechismus der rk-Kirche praktisch unverändert ist.
Der folgende Link führt zur "Kurzfassung" des Katechismus, herausgegeben von Papst Benedikt. Es ist also sehr aktuell. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa (bekannt durch Kaiser Konstantin) ist wörtlich enthalten. Es stammt aus dem Jahr 451.