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-   -   Gesundheitspolitik nach japanischem Vorbild? (https://www.triathlon-szene.de/forum/showthread.php?t=43646)

Acula 14.02.2018 16:22

Gesundheitspolitik nach japanischem Vorbild?
 
Ich denke wir alle wissen, dass es in Deutschland immer mehr übergewichtige gibt und diese nicht nur ihre eigene Gesundheit einschränken (Herzkreislauf Erkrankungen, Lungenerkrankungen, Gelenkverschleiß) sondern auch das Gesundheitssystem stark belasten. Gesundheitsbewusstsein ist im Großteil der Gesellschaft und nicht nur in den niedrigeren Bildungsschichten nicht sehr stark ausgeprägt. Themen wie Ernährung werden in der Schule Stiefmütterlich behandelt und in den Medien findet (leider) Informationen jeglicher Qualität, von gefährlich über absurd zu kompetent.

Japan, ein Land mit einer ohnehin geringen Übergewichtsquote, hat Aufgrund des drohenden Anstiegs übergewichtiger bereits vor Jahren einen radikalen Schritt vollzogen. Große Firmen (oder alternativ öffentliche Stellen/Ämter) müssen ein mal im Jahr die Gesundheit jedes Mitarbeiters überprüfen (nur grob mit Gewicht und Taille-Hüft-Quotient). Bei Überschreitung der Grenzwerte wird dieser Mitarbeiter darauf hingewiesen und angeregt einen gesünderen Lebensstil zu wählen. Dazu werden Ernährungsberatungen sowie sportliche Aktivitäten vom Unternehmen bezahlt. Nach einer späteren (ich glaube so um die 3 Monate) Untersuchung wird erneut überprüft ob sich die Situation verbesser oder verschlechtert hat. Kommt es nicht zu einer Verbesserung, wird das Unternehmen mit Geldstrafen vom Staat belegt. Das ist die grobe Umsetzung/Idee.

Ich würde gerne wissen, was ihr von dem System haltet. Um eines Vorweg zunehmen, es ist erwiesener Maßen sehr effektiv.
Nachteile sehe ich persöhnlich in der starken Bevormundung (was zu einer geringen Akzeptanz führen dürfte). Eine weitere Gefahr ist in meinen Augen die mögliche Diskreminierung Übergewichtiger Personen. Wenn eine Firma wie Audi eine Stelle besetzen möchte und es bewerben sich zwei Personen mit gleicher Qualifikation, von denen eine Übergewichtig ist, dann sehe ich die Gefahr, dass Aufgrund der evtl. höheren Kosten die schlankere Person bevorzugt wird. Ob dies aber wirklich ein valides Argument ist dürfte aber zumindest angewzeifelt werden, da für die schlanke Person bei einer Gewichtszunahme ja die gleichen Kosten drohen.
Ich denke, dass so schon der Anreiz eines gesünderen Lebensstils erhöht und vor allem auch das Wissen über einen gesünderen Lebensstil erhöht werden kann. Viele Übergewichtige und vor allem Adipöse Personen schaffen den Ausweg aus ihrer Lebenssituation alleine nicht und benötigen dabei Hilfe. Diese Hilfe ist in Deutschland aktuell aber nicht ausgeprägt genug. Adipöse Personen werden eher gemieden und spöttisch belächelt als Unterstützt und auch das Gesundheitssystem ist in Deutschland nur eine eingeschränkte Hilfe wenn es um die finanzielle Untersützung bei Ernährungsberatung und Sportangeboten gibt und das obwohl Prävention billiger ist als Therapie & Rehabilitation.

Mir ist bewusst, dass sich ein solches System nur schwer auf unsere Gesellschaft drücken lässt, da einfach soviele Personen Übergewichtig und Adipös sind. Vom Widerstand der Individuen und der Wirtschaft mal ganz zu schweigen. Nichtsdesto trotz wäre die Reduktion von Übergewicht eine Erleichterung für das Gesundheitssystem und würde über mehrere Generationen zu einer gesünderen Gesellschaft führen. Die Nachkommen übergewichtiger Eltern werden mit höherer Wahrscheinlichkeit ebenfalls Übergewichtig. Übergewicht vor und während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Komplikationen und spätere Erkrankungen der Kinder massiv. Die Reduktion von Übergewicht würde also nicht nur der direkt betroffenen Generationen helfen, sondern auch zukünftiger die durch das Verhalten ihrer Eltern beeinflusst werden.

Sicherlich gäbe es auch andere Möglichkeiten:
- Veränderungen des Gesundheitssystems (Abrechnungen von ärztlichen Tätigkeiten, Leistungen der Krankenkassen)
- Weiterentwicklung des Bildungssystems, so dass auch auf Ernährung eingegangen werden kann. In meinen Augen eine große Baustelle, wobei auch Nahrungszubereitung, Esskultur oder Schulthemen wie das Fach "Care" in unserer Bildung einen Platz haben sollten
- Anreize/Förderung für/bei Sport schaffen

Alles in allem Fände ich, dass es ein spannendes Gedankenexperiment ist. Es gibt sicherlich genügend Punkte die einer genauen Abwägung benötigen würden (was sind die Grenzwerte bei Hüft/Taillienumfang, wobei es da zumindest gute wissenschaftliche Daten gibt oder auch was die höhe der Geldstrafen für Unternehmen wäre. Eventuell wäre auch das umgedrehte System mit Belohnung/Förderung eine sinnvollere Alternative).

Als wir dies in der Uni in einem Seminar diskutiert haben, kamen wir zu dem Schluss, dass wir einen Schritt in diese Richtung begrüßen würden. Wir glauben es ist unwahrscheinlich und in Deutschland nicht vermittelbar/durchsetzbar, aber es wäre eine Maßnahme die etwas bewirken würde (wenn auch nicht nur gutes?). Ein ähnliches System in einer etwas abgeschwächteren Form wäre denkbar, müsste aber erst ausgearbeitet werden. Fakt ist aber leider auch, dass die aktuelle Gesundheitspolitik in Deutschland keinen Fortschritt bedeutet.

Was denkt ihr davon?

ps: Bitte nicht gegenseitig die Köpfe einhauen sondern sachlich und emotional aber konstruktiv diskutieren:Blumen: (Fürs Köpfe einhauen gibt es hier schon genug Threads:Cheese: )

Mirko 14.02.2018 16:31

Ich fände gut, wenn ein gesunder Lebensstil honoriert wird. Die Überprüfung dieser Tatsache allerdings den Arbeitgebern hin zu drücken finde ich irgendwie unpassend.

Besser umsetzbar wäre ein gestaffelter Beitrag bei der Krankenkasse je nach Lebenstil. Aber auch das ist schwierig. Viele starke Raucher sind zum Beispiel schlank. Die sind allerdings eine noch grössere Belastung für das System wie übergewichtige Menschen.

Grundsätzlich: Wer durch einen freiwillig gewählten Lebensstil statistisch gesehen mehr Kosten verursacht sollte auch mehr bezahlen.

Ein anderer im Forum irgendwo schon angesprochener Vorschlag wäre eine Steuer auf ungesunde Lebensmittel. Wenn man die Mehreinnahmen richtig einsetzt wäre damit auch alles geregelt.

Muddin 14.02.2018 16:57

Vom Grundgedanke ist das Ganze nicht ganz so verkehrt.
Jedoch ist eine Überprüfung und genaue Regelsetzung hier meiner Meinung nach quasi unmöglich.
Wer zahlt was bei welchen Bedingungen? Dies zu definieren wäre theoretisch möglich, in der Praxis wage ich es aber zu bezweifeln.

Leider muss man auch sagen, dass vor allem hier in Deutschland dann die mächtigen Unternehmen wieder ordentlich Druck machen würden, da ihre ungesunden Lebensmittel dadurch natürlich weniger gekauft werden würden.

Der durchschnittliche Forumnutzer hier wird eher normal bis trainiert sein, dementsprechend sollte die Zustimmung einer solchen Regelung hier Zuspruch findet.

Das größte Problem sehe ich aber tatsächlich in einer Gleichberechtigung bzw. Einschränkung der Menschen. Warum bekommt ein Mensch weniger Geld als ein anderer (gleiche Position) nur weil er gerne Schokolade isst und Serien schaut?

Top Idee, leider reine Fiktion in Deutschland.

heshsesh 14.02.2018 17:05

Zitat:

Zitat von Mirko (Beitrag 1361711)
Grundsätzlich: Wer durch einen freiwillig gewählten Lebensstil statistisch gesehen mehr Kosten verursacht sollte auch mehr bezahlen.

Eine Einstellung, die ich sofort unterschreiben würde. Vielleicht lässt es sich leicht reden, wenn man nicht übergewichtig ist, aber ich finde es teilweise absurd, dass Raucher so stigmatisiert werden (auch wenn ich Nichtraucher bin und keine Raucher im sozialen Umfeld habe), während man bei Übergewichtigen immer höchste Rücksicht nehmen muss.*

*Wirklich(!) krankheitsbedingtes Übergewicht natürlich ausgenommen.

Acula 14.02.2018 17:14

Zitat:

Zitat von Muddin (Beitrag 1361716)
Das größte Problem sehe ich aber tatsächlich in einer Gleichberechtigung bzw. Einschränkung der Menschen. Warum bekommt ein Mensch weniger Geld als ein anderer (gleiche Position) nur weil er gerne Schokolade isst und Serien schaut?

Top Idee, leider reine Fiktion in Deutschland.

Die Personen sollten natürlich gleich viel Geld bekommen. Was bei Tarifverträgen ja auch gar nicht anders geht. Die Bezahlung wäre ja für das Unternehmen in einem Standardsatz, oder eben in Form von Unterstützung für die Betroffenen.
Zitat:

Zitat von heshsesh (Beitrag 1361718)
Eine Einstellung, die ich sofort unterschreiben würde. Vielleicht lässt es sich leicht reden, wenn man nicht übergewichtig ist, aber ich finde es teilweise absurd, dass Raucher so stigmatisiert werden (auch wenn ich Nichtraucher bin und keine Raucher im sozialen Umfeld habe), während man bei Übergewichtigen immer höchste Rücksicht nehmen muss.*

*Wirklich(!) krankheitsbedingtes Übergewicht natürlich ausgenommen.

Ich nehme das eigentlich gar nicht so unterschiedlich war, aber hängt wahrscheinlich sehr mit dem Umfeld und den konsumierten Medien ab. Ich finde auch, dass man auf beides Rücksicht nehmen sollte, da es betroffene ja häufig auch besser wissen aber nicht "schaffen" sich zu ändern. Klar ansprechen kann man es mMn aber auch.

Zitat:

Zitat von Mirko (Beitrag 1361711)
Ich fände gut, wenn ein gesunder Lebensstil honoriert wird. Die Überprüfung dieser Tatsache allerdings den Arbeitgebern hin zu drücken finde ich irgendwie unpassend.

Besser umsetzbar wäre ein gestaffelter Beitrag bei der Krankenkasse je nach Lebenstil. Aber auch das ist schwierig. Viele starke Raucher sind zum Beispiel schlank. Die sind allerdings eine noch grössere Belastung für das System wie übergewichtige Menschen.

Grundsätzlich: Wer durch einen freiwillig gewählten Lebensstil statistisch gesehen mehr Kosten verursacht sollte auch mehr bezahlen.

Ein anderer im Forum irgendwo schon angesprochener Vorschlag wäre eine Steuer auf ungesunde Lebensmittel. Wenn man die Mehreinnahmen richtig einsetzt wäre damit auch alles geregelt.

Zu Beginn der Einführung wurde in öffentlichen Ämtern das Gewicht und der Quotient überprüt. Anscheinend geht es über die Firmen (zumindest in Japan) einfacher, weshalb es dorthin verschoben wurde.
Ich glaube aber auch, dass es hier massiven Widerstand gäbe, da ja die Wirtschaft ja bei allen Nachhaltigen Entwicklungen ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sieht.

Körbel 14.02.2018 17:21

Halte ich für absolute Bevormundung und bin deshalb dagegen.

Schon mal daran gedacht, wieviele Sportverletzungen jährlich die Allgemeinheit tragen muss?

Bei mir selbst, 2 Knie-OP`s, 2 Schlüsselbeinbrüche und etliche, kleinere Sachen.
Wäre ohne LD-Triathlontraining nicht soweit gekommen.

Wieviele lassen sich nach einer LD beim Arzt "durchchecken"
weil "es nicht so optimal gelaufen ist" und sagt nicht, das gibts nicht.
Habe ich hier schon mehrmals gelesen.
Auch das kostet die Allgemeinheit.

Im Grunde haben Menschen mit ungesunder Lebensweise eine nicht so hohe Lebenserwartung, das könnte man locker durch die eingesparte Rente/Pension ausgleichen.

TriCarlos 14.02.2018 18:38

Also rein aus Sicht der Gesundheitskosten über das gesamte Leben (als Barwert betrachtet) sind z.B. Raucher nicht teurer als Nicht-Raucher aufgrund der geringeren Lebenserwartungen.
Rechnet man nun noch die "gesparten" Rentenbezüge ein, geht die Sache vermutlich deutlich zugunsten der Raucher aus.

Wie genau es sich bei Übergewicht verhält, ist meines Erachtens noch nicht ausreichend untersucht worden.

Grundsätzlich bieten doch sowohl die gesetzliche als auch die private Krankenversicherung gewisse Bonifikationen für gesundheitsbewusstes Verhalten. Alles was darüber hinaus geht, halte ich persönlich auch nicht für richtig, da man den Gründen für gewisse gesundheitliche Parameter nicht ausreichend auf den Grund gehen kann und somit teilweise die Menschen ungerecht behandeln würde.

BananeToWin 14.02.2018 18:58

Das halte ich für größten Schmarrn und für unzumutbare Zumutung. Und ich bezweifle, dass das langfristig in D. überhaupt effektiv wäre.

Und wie oben schon erwähnt, die Frage, wer letzten Endes mehr kosten verusrsacht, das ist alles andere als trivial zu beantworten.
Ein ausgewiesener Hypochonder, der von Arzt zu Arzt springt, irgendwann dann im MRT, auf dem Tisch zum Katheter und sonstwo landet, der kann spargeldürr und top-gesund sein. Der verursacht trotzdem hohe Kosten. Den müsstest du auch vermehrt zur Kasse bitten.

Andererseits kann ein Dicker ein Arztmuffel sein und mit 60 seinen Herzinfarkt kriegen. Der verursacht, ganz makaber ausgedrückt, nur einen Notarzteinsatz. Thats it.

Kleine Anreize für eine gesunde Lebensführung schön und gut, aber Beitragssätze oder andere Strafzahlung ans Gewicht zu koppeln, das ist meiner Meinung nach völliger Blödsinn.

Gerade wir Triathleten müssten doch wissen, dass Gewicht nur ein grober Richtwert sein kann. Gerade bei Frauen sind die Zusammenhänge zwischen Gewicht und Leistungsfähigkeit/Endzeit ja sowieso nicht so groß (in einem gewissen Rahmen).


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