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Helmut S 04.09.2020 14:23

Es gibt bei vielen Menschen ein paar "gedankliche" Hindernisse, die dazu führen, dass man die Idee des BGE vorschnell verwirft. Oft findet sich in beliebiger Reihenfolge und Ausprägung Folgendes:

- Gedanklich kann man sich nur schwer davon lösen, dass die Methode Arbeit in der jetzigen Form zu besteuern, möglicherweise keine oder nur wenig Zukunft hat. Aktuell macht die Einkommensteuer fast 50% des Steueraufkommens aus und die darin enthaltene Lohnsteuer nahezu 30%. Das kann im Kopf vieler nicht so einfach mal weg.

- Es fehlt den Leuten die Vorstellung welche gigantischen Summen an Finanztransaktionen täglich durchgeführt werden. Die großen Summen werden an den Finanzmärkten bewegt, nicht in der Realwirtschaft. Bereits 2007 war die Summe aller Finanztransaktionen der Welt über knapp 75x höher als das nominelle Welt-BIP. Für ein BGE bedüfte es in D vielleicht 0,3-0,5% aller Finanztransaktionen in D.

- Es ist aktuell nicht klar wie vor dem Hintergrund des über 20 jährigen, ergebnislosen Hin- und Her einer politisch machbaren Finanztransaktionssteuer (die m.E. deutlich falsch aufgesetzt war) sowas europaweit durchzusetzen ist. Auch die Folgen einer nationalen Umsetzung sind weitgehenst unklar. Z.B. gibt es mWn keine Untersuchungen, inwieweit wir europäische Errungenschaften für ein nationales BGE aufgeben müssten (Stichwort: Freizügigkeit). Weil dieses "Wie" fehlt, tun sich viele Menschen schwer, sich die Utopie einer Gesellschaft mit BGE vorstellen zu können.

- Es ist nicht wirklich berechnet worden soweit ich weiß, wie viel Einsparungspotential tatsächlich darin liegt, dass ein Großteil der Angestellten und Beamten aus den Verwaltungsapparaten nicht mehr gebraucht werden. Die Summe dürfte nicht unerheblich sein.

- Das BGE wird oft als Lösung von Problemen gesehen. Ich meine das in dem Sinne: Man führt das BGE ein und manche Probleme lösen sich. Das ist mE nicht der Fall. Das BGE wird eine Konsequenz aus den Entwicklungen aufgrund der aktuellen/zukünftigen Situation sein.

- Der vorherige Punkt bedeutet aber auch, dass wir unsere Gesellschaft auf die Einführung eines BGE vorbereiten müssen. Insofern sind die Pilotprojekte in der obigen Form aus meiner Sicht im Moment nahezu nutzlos. Ein wesentlicher Punkt ist die Erziehung und Bildung. Wir müssen die Menschen dazu befähigen eigene Pläne für den Tag und eigene Ideen für Projekte zu schmieden. Und: Die Bewertung (Sozialstatus) anderer Menschen über ihr Gehalt/Vermögen muss so gut es geht verschwinden. Stattdessen wäre eine Bewertung hinsichtlich des Wirkens in der Gemeinschaft wünschenswert. Auch das ist eine Erziehungs- und Bildungsfrage.

Die Liste ist sicher noch länger ....

Ich bin ein Verfechter des BGE. Allerdings nicht als Werkzeug zur Lösung von Problemen, dazu taugt es m.E. nicht, sondern als Endpunkt einer notwendigen gesellschaftlichen Transformation. :Blumen:

Necon 04.09.2020 20:57

Super Post Helmut S danke.

Mit vielen Punkten stimme ich komplett überein, andere sind ein toller Anstoß das Thema weiter zu denken.

spanky2.0 12.12.2020 12:17

Nur ein weiterer Artikel zum Thema:

'Corona hilft der Idee vom Grundeinkommen'

https://www.n-tv.de/panorama/Corona-...e22226823.html

Schwarzfahrer 29.08.2023 08:42

Und mal wieder ein umfangreicher Artikel zum Thema. Beispiel-ausschnitte:
Zitat:

...Stefan Bach, ein Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschafts*forschung (DIW). Er verwendete umfangreiche Daten zur Einkommensverteilung, zu Steuern und Sozialleistungen und entwickelte ein Rechen*modell, das zeigen soll, wie sich ein Grundeinkommen verwirklichen lässt. "Ein für uns schmerzhaftes Ergebnis der Berechnungen war, dass das Grundeinkommen, wie wir es verlost haben, nicht finanzierbar ist", sagt Miriam Witz, Strategiekoordinatorin beim Verein Mein Grundeinkommen. Doch lasse sich das als Modell für die gesamte Gesellschaft nicht umsetzen, weil es zu viel koste und zu einer höheren Geldmenge und mehr Inflation führe. "Das nennen wir jetzt unser utopisches Grundeinkommen", sagt Miriam Witz. "Aber wir haben dafür nun ein realistisches Grundeinkommen entwickelt, das machbar ist, weil es um die Einkommensanrechnung ergänzt worden ist." Soll heißen: Wer viel verdient, soll das Grundeinkommen durch höhere Steuern wieder abgezogen bekommen.
Klingt erst mal gut, solange keiner sein Verhalten wegen dem Grundeinkommen ändert. (das Rechenmodell soll für jeden zum herumspielen zugänglich sein, habe es aber noch nicht angesehen). Aber:
Zitat:

In einer umfassenden Studie hatten Forscher des ifo Instituts zuvor verschiedene Szenarios für ein Grundeinkommen durchgerechnet. Sie berücksichtigten dabei auch die Verhaltensänderungen der Menschen, die sich aufgrund ihrer bisher beobachtbaren Entscheidungen bei der Wahl zwischen Einkommen und Freizeit erwarten lassen. Demnach würden bei einem Grundeinkommen in der vom Verein gedachten Höhe so viele Menschen ihre Arbeitszeit reduzieren, dass es selbst mit bizarr hohen Steuersätzen (die wiederum zu Ausweichreaktionen führen würden) nicht mehr finanzierbar wäre.

Wer hat nun recht? Die DIW-Studie widerspricht dem Ergebnis der ifo-Forscher nicht direkt, denn sie blendet eben alle denkbaren Verhaltensänderungen aus. Was wirklich nach Einführung des Grundeinkommens passieren würde, lässt sie offen. Die ifo-Experten haben dagegen auch dafür eine Berechnung vorgelegt. Mit dem ernüchternden Ergebnis: Das Grundeinkommen bleibt eine *Utopie.

DocTom 29.08.2023 22:39

Zitat:

Zitat von Necon (Beitrag 1551095)
Super Post Helmut S danke.

Mit vielen Punkten stimme ich komplett überein, andere sind ein toller Anstoß das Thema weiter zu denken.

+1, danke Helmut...:Blumen:


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